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Diese Werke sind ihren Autoren besonders wichtig Maranaga


 
 
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RocketJo
Geschlecht:weiblichLeseratte

Alter: 37
Beiträge: 102
NaNoWriMo: 50755



Beitrag08.03.2019 13:42
Maranaga
von RocketJo
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Aloha
Nachdem ich mich ein wenig umgesehen und eingelebt habe, will ich jetzt auch eines meiner aktuellen Werke einstellen. Ich stecke im Moment in der Überarbeitung fest, voller Zweifel an der ursprünglichen Idee. Deswegen fang eich auch brav vorne an ^^

Maranaga

1
Der Geruch von Schweiß und Holzkohlefeuer schlugen mir entgegen, als ich das Gasthaus in Sikav betrat. Im Schankraum ballten sich sicher zehn Leute um einen der kleinen Tische, grölten und prosteten einander zu. Ich suchte mir eine andere Ecke und ließ mich auf einen Stuhl fallen. Meine Füße schmerzten, ich war seit mehreren Wochen unterwegs gewesen, beinahe unaufhörlich. Ich hatte geschlafen, wo mich die Nacht überrascht hatte und gegessen, was ich am Wegrand finden konnte. Noch in Sidoa wollten die Menschen mir nicht helfen, obwohl ich im Auftrag meines Königs handelte. Hier in Sikav standen die Dinge anders, aber ich vertraute den Fremden nicht, weshalb ich ausschließlich in Gasthäusern einkehrte. Sehr zur Unfreude meines Geldbeutels. Ich zog ein paar Münzen hervor, betrachtete sie und seufzte tief. Hoffentlich lag die Garnison, die ich suchte, nicht mehr allzu fern.
»Was kann ich dem Herren anbieten?«
Ich sah auf und für einen kurzen Moment durch den Wirt hindurch, ehe ich seine Frage verstand. »Was auch immer Ihr an Mahlzeiten anzubieten habt. Und eines Eurer Zimmer, wenn es keine Umstände macht.«
Der Wirt nickte und wandte sich ab.
Ich zählte erneut mein Geld, schüttelte den Kopf und sah dann auf die Bande von Männern auf der anderen Seite des Raumes. Ein grobschlächtiger Kerl mit schulterlangem Haar kletterte auf den Tisch. Er hielt einen großen Krug in der Hand und prostete sämtlichen Gästen damit zu, dass Schaum herausspritzte. Er nahm einen Schluck aus seinem Krug, grunzte übertrieben laut vor Zufriedenheit und begann kurz darauf, zu erzählen: »Ratet mal, wo ich herkomme! Ihr werdet nie darauf kommen! Ich war gerade in den Allianzreichen. Bis vor ein paar Augenblicken.«
Einer der anderen Männer am Tisch machte eine wegwerfende Geste und wandte sich ab. Einige andere murmelten und suchten sich einen anderen Platz im Raum, doch der Mann auf dem Tisch ließ sich nicht davon beeindrucken. Er schien nicht einmal daran interessiert zu sein, ob ihm überhaupt jemand zuhörte oder nicht. »Ich habe die unselige Allianz der vier Reiche beendet, mit meinen eigenen Händen! Mit meinen eigenen Klingen! Die schneckenlosen Ideen der Allianz waren schon immer zum Scheitern verurteilt, aber nur ich hatte den Mut, etwas dagegen zu unternehmen!« Sein Blick begegnete meinem. Er hielt einen Moment inne, dann sprang er von seinem Tisch, riss einen der Stühle an meinem Tisch an sich und ließ sich darauf nieder. Er grinste mich breit an, sein Blick suchte meinen, doch seine Augen waren glasig. »Du, du siehst aus, als wärst du neu hier? Kommst du aus der Festung?« Sein Atem stank nach Alkohol. Er konnte unmöglich erst seit einigen Augenblicken hier sein, aber einen Kerl seines Formates hätte ich in der Menge der Männer sicher bemerkt.
Ich schüttelte den Kopf.  »Nein, ich will zur Festung. Wisst Ihr, wo ich die Garnison finden kann?«
»Du bist nicht von hier, was? Ich meine, du bist mitten in der Garnisonsstadt und weißt es nicht mal. Wie heißt du überhaupt?«
»Mein Name lautet Zamanshi und meine Herkunft tut nichts zur Sache. Ich bin den schwarzen Vögeln über den See gefolgt und in diese Stadt gelangt. Und da ich hörte, dass man in diesem Land Soldaten sucht, bin ich geblieben.«
»Ich verstehe!« Der Redner nahm erneut einen Schluck seines Gebräus und versuchte, mir kumpelhaft seinen Arm um die Schulter zu legen.
Ich wich ihm aus.
Er verzog das Gesicht. »Du bist ziemlich unfreundlich, Zamanshi aus Tut-nichts-zur-Sache. Willst du nicht mit dem großen Helden dieser Zeit befreundet sein? Du musst wissen, Chidubem wird in den Geschichtsbüchern der Nachwelt stehen, als Befreier der Begabten, als Beschützer der Marakere und als Verteidiger der Schnecke!«
»Und wer ist Chidubem?« Ich rückte von dem offensichtlich volltrunkenen Mann weg und sah mich nach dem Wirt um.
»Wer Chidubem ist?« Der Kerl lachte schallend, sprang auf und deutete mit beiden Daumen auf seine Brust. »Er steht vor dir. Chidubem, der Königsmörder. Chidubem, der Große. Chidubem von der Schnecke.« Er ließ sich auf den Stuhl zurückfallen.
Der Wirt näherte sich in einem großen Bogen meinem Tisch, stellte das Essen ab und beugte sich zu meinem Ohr. »Ich an Eurer Stelle würde das Weite suchen. Er ist in diesem Zustand nicht zu ertragen.« Er drückte mir einen Schlüssel die Hand. »Euer Zimmer befindet sich oben. Die Treppe hinter dem Haus hoch, das dritte Zimmer links.«
Ich nickte und kramte in meinem Beutel nach den letzten Münzen, die meine Reise mir gelassen hatte, und gab sie dem Wirt. Ich konnte nur hoffen, dass es reichen würde.
Der Wirt warf einen flüchtigen Blick auf das Geld, nickte dann und ging zum Tresen zurück.
Chidubem sah ihm hinterher. Er schnaubte. »Und da will er schon wieder nicht zuhören. Dabei hab ich wirklich spannende Dinge zu erzählen. Hör mir zu, Zamanshi von den schwarzen Vögeln! Außer der Allianz gibt es noch einen König, der ganz und gar schneckenlos ist. Wir beide werden ihm das Handwerk legen, nur du und ich! Und damit sind wir alle befreit. Wir Marapuri, die Marakere. Wir alle. Du bist doch ein Begabter, oder nicht?«
Ich zog das Essen zu mir heran und schaufelte es wie ein Verhungernder in mich hinein. Vielleicht beendete er seine Rede, wenn ich vorgab, ihm nicht zuzuhören.
»Ich weiß, dass du mich hören kannst. Ihr seid alle so unfreundlich in diesem Garnisonskaff.« Chidubem schnaubte erneut. »Aber ihr werdet schon noch sehen! Wenn ich König Vortigern von Sidoa auch aus dem Weg geräumt habe und euch alle vor seiner Armee bewahre, dann werdet ihr mich feiern! Jawohl, das werdet ihr mich! Ihr werdet Chidubem, den Großen, in eure Bücher aufnehmen und Lieder von mir singen! Vom großen Befreier der unterdrückten Welt! He, Wirt! Noch einen!« Er winkte mit dem Krug in Richtung des Tresens.
Ich schluckte einen großen Bissen mit Mühe herunter. »Prinzregent Vortigern von Sidoa wollt Ihr töten? Weshalb das?«
Chidubem forschte in meinen Augen. Ich konnte mir vorstellen, was er suchte. Sicher hatte meine Stimme meine Unsicherheit verraten, deutlich genug, dass selbst ein Betrunkener misstrauisch werden würde. Doch der grobschlächtige Redner winkte ab. »Als ob du das nicht wüsstest, Zamanshi Schwarzvogel. Der alte Vortigern plant einen Angriff auf das Kloster am Turmschneckenberg in Sithao im Norden in den Bergen. Er hat eine ganze Armee aus armen Marapuri zwangsrekrutiert und sucht nur noch nach einer passenden Marschroute. Er will uns alle auslöschen, uns alle Marapuri. Alle.«
»Warum sollte er so etwas wollen?« Ich krampfte meine Hände um das Besteck und zwang mich, einen unbedarften Gesichtsausdruck zu machen.
»Weil er ein fieser und gemeiner Mann ist, der die Schnecke und die Begabten hasst. Er und seine nichtsnutzige Ayomide, die Königin. Sie alle hassen die Marapuri, weil sie selber unbegabte Nichtsnutze sind. Faulpelze, die glauben, nur weil man eine Fähigkeit trägt, müsste man nicht arbeiten oder so.«
Der Wirt stellte einen Krug vor Chidubem ab. Dieser griff danach und trank ihn in einem Zug zur Hälfte aus, dann knallte er ihn auf den Tisch. In seinen Bartstoppeln hatte sich Schaum verfangen, den er nicht abwischte. Der Wirt streckte eine Hand vor das Gesicht des Königsmörders und machte eine auffordernde Geste. Chidubem grinste, lehnte sich über den Tisch, prostete uns beiden zu und ließ sich dann entspannt auf dem Stuhl zurücksinken. Er sah zu dem Wirt auf, hickste mehrmals, wandte dann den Blick in die Flamme einer Kerze, die auf dem Tisch brannte, und verschwand. Er stand nicht auf und ging. Er verschwand, wie das Licht einer Flamme, das man auslöschte. Er war einfach weg.
»Nicht schon wieder«, knurrte der Wirt.
Ich sah ihn verwirrt an. »Wie?«
Der Wirt schüttelte den Kopf. »Das macht der Saufbruder immer. Kommt her, kippt sich die Rübe zu und haut ab, ohne zu bezahlen. Ich schwöre, wenn alle Marapuri so wären, würde ich mich glatt Vortigerns Weberknechtkrieg anschließen. Ein Glück ist dieser Wahnsinnige die Ausnahme.«
Ich nickte, noch immer verwirrt. Ich hatte noch nie von einer Fähigkeit gehört, die einen dazu befähigte, sich in Luft aufzulösen. Aber vielleicht war es besser, nicht darüber nachzudenken. Immerhin konnte ich jetzt in Ruhe meine Mahlzeit beenden und ins Bett gehen. Morgen früh wartete die Festung auf mich, damit ich mich als Soldat in Sikav melden konnte.[/u]

Weitere Werke von RocketJo:
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Calvin Hobbs
Geschlecht:männlichKlammeraffe

Alter: 55
Beiträge: 563
Wohnort: Deutschland


Beitrag08.03.2019 16:15

von Calvin Hobbs
Antworten mit Zitat

Hi, Deinen Text empfinde ich als wohltuend flüssig und Interesse weckend geschrieben. Minimal hätte ich an ganz wenigen Stellen, das eine oder andere Wort weggelassen oder geändert, aber das ist Geschmackssache.
Einziger Kritikpunkt -> »Weil er ein fieser und gemeiner Mann ist, der die Schnecke und die Begabten hasst. Er und seine nichtsnutzige Ayomide, die Königin. Sie alle hassen die Marapuri, weil sie selber unbegabte Nichtsnutze sind. Faulpelze, die glauben, nur weil man eine Fähigkeit trägt, müsste man nicht arbeiten oder so.«
Wenn da nicht im nächsten Kapitel kräftig nachgelegt wird, ist das aus meiner Sicht ein zu schwacher Konflikt.
Ich lass mich überraschen smile
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Gast







Beitrag08.03.2019 23:12
Re: Maranaga
von Gast
Antworten mit Zitat

RocketJo hat Folgendes geschrieben:
(...) voller Zweifel an der ursprünglichen Idee
Das kenn ich, geht von selber weg. Ich zumindest muss mich nur wieder dransetzen, und schon liegt ein einzigartiges Werk vor mir. Rolling Eyes Cool

Habs gern gelesen, mag den Schluss: Plöpp, Gast weg, aber der Wirt nix im Kopp als die Zeche.  :> Gibts ähnlich auch bei mir, irgendwo. War mal Gastwirtin.

Das Weitere in gepflegter Sprache, dein Werk hielt mich bei der Stange und machte Lust auf Feedback. Selbiges kann ich nur emr-gefärbt liefern, erhebe keinen Anspruch auf Allgemein- oder überhaupt eine Art von Gültigkeit. Der Umfang der Anmerkungen ist meiner Akribie geschuldet, die Arbeit hat mir Freude bereitet. Das viele Grün heißt nicht, der Text sage mir nicht zu: dann hätte ich nicht kommentiert.

Zitat:
1
Der Geruch von Schweiß und Holzkohlefeuer schlugen schlug mir entgegen, als ich das Gasthaus in Sikav betrat. Im Schankraum ballten Ballen hat imho keinen so großen Kern, sie ballen sich vorm Tisch oder drängen sich um ihn herum sich sicher zehn Leute um einen der kleinen Tische, grölten und prosteten einander zu. Ich suchte mir eine andere Ecke und ließ mich auf einen Stuhl fallen. Meine Füße schmerzten, ich war seit mehreren Wochen unterwegs gewesen, Muss lachen, klingt nach Nonstopmarathon: war seit mehreren Wochen unterwegs. Ohne gewesen, ohne Erweiterung. beinahe unaufhörlich. Ich hatte geschlafen, wo mich die Nacht überrascht hatte und gegessen, was ich am Wegrand finden konnte hatte finden können, eher: wo mich die Nacht überraschte, gegessen, was ich am Wegrand fand. Noch in Sidoa wollten die Menschen mir nicht helfen, obwohl ich im Auftrag meines Königs handelte. Hier in Sikav standen die Dinge anders, aber ich vertraute den Fremden Den Einheimischen? Er ist doch der Fremde? nicht, weshalb ich ausschließlich in Gasthäusern einkehrte. Sehr zur Unfreude meines Geldbeutels. Ich zog ein paar Münzen hervor, betrachtete sie und seufzte tief. Hoffentlich lag die Garnison, die ich suchte, nicht mehr allzu fern.
»Was kann ich dem Herren anbieten?«
Ich sah auf und für einen kurzen Moment durch den Wirt hindurch, ehe ich seine Frage verstand.» Aha, entweder seine Begabung, oder er hört eine Fremdsprache. Was auch immer Ihr an Mahlzeiten anzubieten habt. Und eines Eurer Zimmer, wenn es keine Umstände macht.«
Der Wirt nickte und wandte sich ab.
Ich zählte erneut mein Geld, schüttelte den Kopf und sah dann auf die Bande von Männern auf der anderen Seite des Raumes. Ein grobschlächtiger Kerl mit schulterlangem Haar kletterte auf den Tisch. Er hielt einen großen Krug in der Hand und prostete sämtlichen Gästen damit zu, dass Schaum herausspritzte. Oder: kletterte auf den Tisch, schnappte sich einen Krug und prostete allen zu, dass der Schaum herausspritzte. Er nahm einen Schluck aus seinem Krug hatten wir schon *g, grunzte übertrieben mich dünkt, bereits das laute Grunzen sei übertrieben laut vor Zufriedenheit und begann kurz darauf wieso "kurz darauf"? Er begann, oder: grunzte laut vor Zufriedenheit und schrie: "Ratet mal ...", zu erzählen: »Ratet mal, wo ich herkomme! Ihr werdet nie darauf kommen! Ich war gerade in den Allianzreichen. Bis vor ein paar Augenblicken.«
Einer der anderen Männer am Tisch machte eine wegwerfende Geste und wandte sich ab. Wie wir später erfahren, ist der Grobschlächtige in dieser Gruppe aus dem Nichts erschienen. Hat er sich also einen Krug geklaut? --> Deshalb machte ich oben "einen" aus "seinem". Er scheint ja ziemlich oft so aufzutauchen, wenn sich niemand groß darüber wundert (bis aufs Murmeln und Wegsetzen). Sagt ja auch der Wirt. Weiß nicht, ob ich "wenig Reaktion wegen Gewohnheit" einleuchtend finde, kann aber noch werden. Einige andere murmelten und suchten sich einen anderen Platz im Raum, doch der Mann auf dem Tisch ließ sich nicht davon beeindrucken. Er schien nicht einmal daran interessiert zu sein, ob ihm überhaupt jemand zuhörte oder nicht. Oder: An Zuhörern schien er nicht interessiert. Hat ihnen aber zugeprostet? - Schon recht, Betrunkene halt. »Ich habe die unselige Allianz der vier Reiche beendet, mit meinen eigenen Händen! Mit meinen eigenen Klingen! Die schneckenlosen Ideen "schneckenlos" hielt ich erst für einen Tippfehler. #schreckenlos Wird später klar. Harre noch der Erklärung, was es mit diesen "Schnecken" auf sich hat. der Allianz waren schon immer zum Scheitern verurteilt, aber nur ich hatte den Mut, etwas dagegen zu unternehmen!« Dagegen, dass sie zum Scheitern verurteilt sind? Sein Blick begegnete meinem. Er hielt einen Moment inne, dann sprang er von seinem vom Tisch, riss einen der Stühle an meinem Tisch an sich und ließ sich darauf nieder. Taucht er am Tisch auf, ohne den Raum zu durchqueren, teleportiert also? Die Bande steht ja in einer anderen Ecke. Oder: sprang vom Tisch, durchmaß den Raum und ließ sich ohne Umstände/zu fragen an meinem/vor mir nieder. Er grinste mich breit an, sein Blick suchte meinen, ?? Wo befindet sich sein Blick, solange er den Ich-Erzähler breit angrinst? doch seine Augen waren glasig. »Du, du siehst aus, als wärst du neu hier? Kommst du aus der Festung?« Sein Atem stank nach Alkohol. Er konnte unmöglich erst seit einigen Augenblicken hier sein, aber einen Kerl seines Formates hätte ich in der Menge der Männer sicher bemerkt.
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, ich will zur Festung. Wisst Ihr, wo ich die Garnison finden kann?«
»Du bist nicht von hier, was? Ich meine, du bist mitten in der Garnisonsstadt und weißt es nicht mal. Wie heißt du überhaupt?«
»Mein Name lautet Zamanshi und meine Herkunft tut nichts zur Sache. Ich bin den schwarzen Vögeln über den See gefolgt und in diese Stadt gelangt. Und da ich hörte, dass man in diesem Land Soldaten sucht, bin ich geblieben.«
»Ich verstehe!« Der Redner (siehe unten) nahm erneut einen Schluck seines Gebräus und versuchte, mir kumpelhaft seinen Arm um die Schulter zu legen.
Ich wich ihm aus.
Er verzog das Gesicht. »Du bist ziemlich unfreundlich, Zamanshi aus Tut-nichts-zur-Sache. Willst du nicht mit dem großen Helden dieser Zeit befreundet sein? Du musst wissen, Chidubem wird in den Geschichtsbüchern der Nachwelt *g stehen, als Befreier der Begabten, als Beschützer der Marakere und als Verteidiger der Schnecke!«
»Und wer ist Chidubem?« Das kann er sich denken, der Held wirkt bisher nicht begriffsstutzig. Er will also provozieren? Ich rückte von dem offensichtlich volltrunkenen Mann weg und sah mich nach dem Wirt um. Hm, wirkt nicht nach Provokationsabsicht. Lässt mich an eine Frau denken: Zu Hilfe, Herr Wirt! -- Auch wenn er nur schaut, wo die Mahlzeit bleibt.
»Wer Chidubem ist?« Der Kerl lachte schallend, sprang auf und deutete mit beiden Daumen auf seine Brust. »Er steht vor dir. Chidubem, der Königsmörder. Chidubem, der Große. Chidubem von der Schnecke.« Er ließ sich auf den Stuhl zurückfallen.
Der Wirt näherte sich in einem großen Bogen meinem Tisch, Erst schlägt er den Bogen (um Chidubem?), dann nähert er sich. Oder: schlug einen Bogen um Chidubem, stellte das Essen ab und beugte sich zu meinem Ohr. »Ich an Eurer Stelle würde das Weite suchen. Er ist in diesem Zustand nicht zu ertragen.« Er drückte mir einen Schlüssel die Hand. »Euer Zimmer befindet sich oben. Die Treppe hinter dem Haus hoch, das dritte Zimmer links.«
Ich nickte und kramte in meinem Beutel nach den letzten Münzen, Er hat sie schon zweimal gezählt, muss aber kramen? die meine Reise mir gelassen hatte, das wissen wir schon *g und gab sie dem Wirt. Ich konnte nur hoffen, dass es reichen würde. Nach einigen Sikaver Gasthäusern sollte er die Preise in etwa kennen. Scheint mit nicht klug, als Fremder den Wirt erst servieren zu lassen und dann womöglich zu wenig Geld ... Aber ich kenne diese Welt nicht.
Der Wirt warf einen flüchtigen Blick auf das Geld, nickte dann und ging zum Tresen zurück.
Chidubem sah ihm hinterher. Er schnaubte. »Und da will er schon wieder nicht zuhören. Wer will nicht zuhören, der Wirt? Stand das zur Debatte? Dabei hab ich wirklich spannende Dinge zu erzählen. Hör mir zu, Zamanshi von den schwarzen Vögeln! Außer der Allianz gibt es noch einen König, der ganz und gar schneckenlos ist. Wir beide werden ihm das Handwerk legen, nur du und ich! Und damit sind wir alle befreit. Wir Marapuri, die Marakere. Wir alle. Du bist doch ein Begabter, oder nicht?«
Ich zog das Essen zu mir heran und schaufelte es wie ein Verhungernder in mich hinein. Hatte noch im Kopf, er sei halbverhungert, aber das war nur zu Beginn der Reise. Ist also aus seinem Land, Sidoa, geflohen? Nein: Ein Auftrag. m( Vielleicht beendete er seine Rede, wenn ich vorgab, ihm nicht zuzuhören. Das hat schon beim Wirt nicht geklappt.
»Ich weiß, dass du mich hören kannst. Ihr seid alle so unfreundlich in diesem Garnisonskaff.« Chidubem schnaubte erneut. »Aber ihr werdet schon noch sehen! Wenn ich König Vortigern von Sidoa auch aus dem Weg geräumt habe und euch alle vor seiner Armee bewahre, dann werdet ihr mich feiern! Jawohl, das werdet ihr mich! Ihr werdet Chidubem, den Großen, in eure Bücher aufnehmen und Lieder von mir singen! Vom großen Befreier der unterdrückten Welt! He, Wirt! Noch einen!« Okay, noch einen. Hat den ersten Krug also nicht geklaut. Oder doch, und jetzt tut er, als habe er bestellt? Aber der Wirt kassiert sofort ab ... Aha: Er hat den Krug mitgebracht! :> Er winkte mit dem Krug in Richtung des Tresens.
Ich schluckte einen großen Bissen mit Mühe herunter. »Prinzregent Vortigern von Sidoa wollt Ihr töten? Weshalb das?« Oder: Den Prinzregenten wollt Ihr töten? -- Wiederholt (und korrigiert?) er den vollständigen Titel, weil ihn etwas irritiert, um Zeit zu gewinnen? Und: Ein Prinzregent vertritt den König, bringt der andere das durcheinander, oder gibt es einen Prinzregenten Vortigern und einen König Vortigern?
Chidubem forschte in meinen Augen. Ich konnte mir vorstellen, was er suchte. Sicher hatte meine Stimme meine Unsicherheit verraten, deutlich genug, dass selbst ein Betrunkener misstrauisch werden würde. Aha? Ist er selbst der Prinzregent? Mag sein, oben steht, er ist im Auftrag seines Königs unterwegs. Aber man würde ihn doch erkennen? Doch der grobschlächtige Redner oder: er (siehe auch oben "Der Redner", "Kerl" dagegen wirft mich nicht aus dem Lesefluss) winkte ab. »Als ob du das nicht wüsstest, Zamanshi Schwarzvogel. Der alte Vortigern Also der König? plant einen Angriff auf das Kloster am Turmschneckenberg in Sithao im Norden in den Bergen. Er hat eine ganze Armee aus armen Marapuri zwangsrekrutiert und sucht nur noch nach einer passenden Marschroute. Ist er damit nicht arg spät dran, wenn das Heer schon steht? Er will uns alle auslöschen, uns alle Marapuri. Alle.« Mit einer Armee von Marapuri will er die Marapuri auslöschen?
»Warum sollte er so etwas wollen?« Ich krampfte meine Hände um das Besteck und zwang mich, einen unbedarften Gesichtsausdruck zu machen.
»Weil er ein fieser und gemeiner Mann ist, der die Schnecke und die Begabten hasst. Er und seine nichtsnutzige Ayomide, die Königin. Aha. Könnte der Ich-Erzähler die Königin sein, getarnt als Begabter? Sie alle hassen die Marapuri, weil sie selber unbegabte Nichtsnutze sind. Faulpelze, die glauben, nur weil man eine Fähigkeit trägt, müsste man nicht arbeiten oder so.« Wer glaubt hier was? Wie es da steht, sind König und Königin Faulpelze. "Sie alle" = das Königspaar? --> Beide. Vermute: Das Königspaar hält die Marapuri für Faulpelze, die glauben, ihrer Begabung wegen nicht arbeiten zu müssen.
Der Wirt stellte einen Krug vor Chidubem ab. Dieser griff danach und trank ihn in einem Zug zur Hälfte aus, dann knallte er ihn auf den Tisch. In seinen Bartstoppeln hatte sich Schaum verfangen, den er nicht abwischte. Der Wirt streckte eine Hand vor das Gesicht des Königsmörders und machte eine auffordernde Geste. Die ausgestreckte Hand ist imho die Geste. Chidubem grinste, Ich ebenso, er hat Übung im Zechprellen lehnte sich über den Tisch, prostete uns beiden zu Der Krug steht auf dem Tisch. Er greift ihn sich nochmal, prostet ohne zu trinken? Als Stilmittel, weil er auch eingangs allen zuprostet? Eher haut er sich doch den Rest im Krug in den Kopf. und ließ sich dann entspannt auf dem Stuhl zurücksinken. Er sah zu dem zum Wirt auf, hickste mehrmals, "mehrmals" dauert zu lang, seinerseits hat der Wirt Übung mit diesem Zechpreller *g wandte dann den Blick in die Flamme einer Kerze, die auf dem Tisch brannte, und verschwand. Imho nimmt der Einschub mit der Kerze dem Ereignis den Effekt. Lass ihn den Krug schon beim ersten (oder einzigen) Absetzen neben die Kerze stellen, dann: schaute in die Kerze und verschwand. Er stand nicht auf und ging. Er verschwand, wie das Licht einer Flamme, das man auslöschte. Oder: Er erlosch wie die Kerze, die jetzt ein Luftzug ausblies. (Naja, nicht so doll. Wollte 2 x "verschwand" meiden und die vorhandene Kerze nutzen.) Er war einfach weg.
»Nicht schon wieder«, knurrte der Wirt.
Ich sah ihn verwirrt an. »Wie?« Hmpf. Sind diese Leute denn gar nicht aus der Fassung zu bringen?
Der Wirt schüttelte den Kopf. »Das macht der Saufbruder immer. Kommt her, kippt sich die Rübe zu und haut ab, ohne zu bezahlen. Ich schwöre, wenn alle Marapuri so wären, würde ich mich glatt Vortigerns Weberknechtkrieg anschließen. Ein Zum? Glück ist dieser Wahnsinnige die Ausnahme.«
Ich nickte, noch immer verwirrt. Ich hatte noch nie von einer Fähigkeit gehört, die einen dazu befähigte, Muss lachen: noch nie von der Fähigkeit gehört, sich in Luft aufzulösen. Oder: noch nie gehört, dass sich ein Mensch in Luft auflösen konnte. sich in Luft aufzulösen. Aber vielleicht war es besser, nicht darüber nachzudenken. Immerhin konnte ich jetzt in Ruhe meine Mahlzeit beenden und ins Bett gehen. Och ... Na gut, er ist müde. Morgen früh wartete die Festung auf mich, damit ich mich als Soldat in Sikav ? In Sikav befindet er sich. melden konnte.


Abschiedsbemerkung: Die Begabung könnte interessant sein, das mit den Schnecken klingt nach wie vor seltsam. Etwas Religiöses vielleicht.
Um es erwähnt zu haben: Korrigierte Fassungen zu lesen empfinde ich als ermüdend, du musst weder etwas umsetzen von meinen Anmerkungen, noch es beweisen. wink
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Bea H2O
Geschlecht:weiblichLeseratte


Beiträge: 180



Beitrag09.03.2019 08:20

von Bea H2O
Antworten mit Zitat

Hi RocketJo,
Ich habe deinen Text echt gerne gelesen und er macht Lust auf mehr smile Es gibt meiner Meinung nach also keinen Grund für den Zweifel. Die Figuren sind interessant, die im Hintergrund brodelnden Konflikte sind greifbar und man bekommt das Gefühl, sich gut in diese Welt (und in beide Seiten) hinein versetzen zu können.
Einzelne Formulierungen sind dann natürlich immer Geschmackssache (ich fand z.b. "sicher zehn Leute" etwas störend. Zehn sind nicht so viele, dass man es nicht zählen könnte,  deshalb hatte ich da eher "fast", "etwa" oder "mehr als" statt sicher geschrieben), aber ich denke,  sowas fällt eigentlich nur dann auf, wenn man - wie hier - kritisch ließt.
Als ich dann erst einmal in der Geschichte drin war, fiel mir dann auch kaum noch etwas störend auf. Das mit den Schnecken fand ich übrigens lustig. Da wird vermutlich im weiteren Verlauf aufgeklärt, ob das eher ein betrunkenes Gerede war, oder ob da mehr dahinter steckt?
Also zusammenfassend: Ich fand es wirklich gut!
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Gast







Beitrag09.03.2019 16:35

von Gast
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Mir hat dein Text sehr gut gefallen. Bloß nicht von irgendwelchen Zweifeln einschüchtern lassen. Gib einfach dein Bestes und kauf deinem Werk ja nicht ab, dass es etwas Besonderes und Wichtiges sei. Das macht nur unnötig Druck. Das uns hier Präsentierte macht auf jeden Fall Lust auf mehr. Einzig mit dem Wirt komme ich nicht so parat. Der scheint mir auf den Kopf gefallen zu sein, wenn er dem ständig ohne eine Bezahlung verschwindenden Gast immer wieder das Glas vollmacht, nur um sich über dessen Verhalten ein weiteres Mal ärgern zu müssen.

Zitat:
Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.
- angeblicherweise Albert Einstein


 Den Rest halte ich für durchaus gelungen.

Mach weiter so!

Liebe Grüße
Finn
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RocketJo
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Beitrag10.03.2019 11:05

von RocketJo
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Aloha
und vielen Dank an euch. Tatsächlich hilft es mir schon sehr weiter, zu sehen, welche Stellen ihr erwähnenswert fandet und welche nicht.

@emr und ink:
Es ist beruhigend, zu sehen, dass euch genau das auffällt, was auch was ausdrücken soll. Sowohl die Schnecken als auch das Verhalten des Wirts klären sich im späteren Verlauf. Das heißt, bei dem Wirt hoffe ich es zumindest.

@emr:
Die ausführlichen Anmerkungen sind sehr gut, danke nochmal dafür. Einige von den Dingen waren mit Absicht drin, scheinen dann aber nicht so zu wirken. Werde mir überlegen, wie ich das besser machen kann ^^

@ink:
Mein Werk will mir das gar nicht weiß machen, ich glaube, dass ist das Problem *lach* Ich will es da in was reinzwängen, wofür die Geschichte vielleicht nicht taugt Wink

Werde den zweiten Teil im Laufe des Tages reinstellen. Vielen lieben Dank nochmal ^^
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RocketJo
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Beitrag10.03.2019 15:05

von RocketJo
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2

Ich brach am Morgen auf, noch ehe ich gefrühstückt hatte. Die letzten Wochen hatten mir gezeigt, mit wie wenig Nahrung ein Mann auskommen konnte, wenn es notwendig war. Außerdem hatte ich keine Zeit zu verlieren. Ich ließ mir von einigen Passanten den Weg zur Festung zeigen, die sich am östlichen Rand der Stadt befand und folgte den staubigen Straßen. Vor mir erhob sich eine hohe Mauer, hinter deren Zinnen vereinzelt Männer herumliefen. Ich blieb an einem Tor stehen, welches von Schneckenköpfen aus Gold geziert war, die gleichzeitig als Türklopfer dienten. Das Tor war hoch und schmal, das Holz erschien dünn, die Steine des Torbogens waren mit Emblemen verziert. Schneckenhäuser, Turmschnecken, schirmartige Pflanzensymbole. Ich schüttelte den Kopf. Was man sich über die Armee Sikavs erzählte, schien wahr zu sein. Allein die Art, wie sie ihre Festungen anlegten, sprach gegen eine schlagkräftige Armee. Prinzregent Vortigern hatte Recht, die Marapuri dieses Landes für ihren Hochmut zu verurteilen. Ich nahm den Türklopfer auf und pochte mehrmals an das Tor.
Es dauerte einen Moment, bis mir geöffnet wurde. Ein Soldat in einer rotbraunen Uniform mit buntem Muster trat auf mich zu. Auf den Klappen seiner Schultern zeigten mehrere rostrote Käferembleme auf hellem Grund seinen Rang an. »Was wollt Ihr hier?«
Ich spannte mich, wie ich es von Zuhause gewohnt war, verzichtete aber auf einen militärischen Gruß. »Mein Name lautet Zamanshi. Ich hörte, dass man hier nach neuen Soldaten sucht, um sich zu rüsten. Da ich keine Heimat und keine Arbeit habe, wollte ich Euch in Eurer Not beistehen.«
»Unserer Not?« Der Soldat runzelte die Stirn. »Ich weiß nicht, was man sich dort draußen erzählt, aber in Not sind wir sicher nicht. Was Euer Anliegen betrifft, werdet Ihr beim Gouverneur vorsprechen müssen. Folgt mir!«
Ich schritt an dem Soldaten vorbei ins Innere der Festung, wartete, bis er hinter mir das Tor geschlossen hatte und folgte ihm anschließend zum Bürogebäude. Wir blieben vor einer Tür mit kunstvollen, vergoldeten Beschlägen stehen. Mein Begleiter wechselte leise einige Worte mit der Türwache und machte dann kehrt. Die Türwache musterte mich, klopfte danach jedoch an.
»Herein!«
Die Wache öffnete mit einer Hand die Tür.
Ich trat ein. Der Raum war leer, bis auf einen Schreibtisch und den dazugehörigen Stuhl, auf dem ein Mann in gesetztem Alter saß, sowie einen Wandteppich, der die ganze Wand gegenüber der Tür einnahm. Der Mann hatte die Finger verschränkt und seine Ellbogen aufgestützt. Sein Kinn ruhte auf seinen Fingern. Ich trat näher, spannte mich und sah an ihm vorbei auf den Wandteppich. Er zeigte eine riesige Turmschnecke, die von einem Weberknecht bedroht wurde. Um sie herum standen menschenähnliche Gestalten ohne Gesichter, die mit Steinen und Speeren nach dem Weberknecht warfen.
 »Was wollt Ihr? Wer seid Ihr? Woher stammt Ihr?«
 Die Stimme des Gouverneurs ließ mich aufschrecken. Ich wandte den Blick von dem Wandteppich ab und sah mein Gegenüber an. »Mein Name lautet Zamanshi. Ich komme von überall und nirgends und bin auf der Suche nach einem Ort zum Bleiben. Ich habe gehört, dass Ihr Eure Armee aufrüsten wollt, um gegen einen mächtigen Feind zu bestehen. Ich bin hier, um mich Euch anzuschließen.«
Der Gouverneur hob den Kopf. Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, sein Blick bohrte sich in meinen. »Zamanshi von überall? So so. Ich nehme an, Ihr habt die verwirrten Waschweiber im Wirtshaus tratschen hören? Wir haben keine Bedrohung zu befürchten, schon gar nicht von einem mächtigen Feind. Unsere Armee ist voller begabter Freiwilliger. Wir bestehen gegen jede Bedrohung, auch ohne Hilfe von nirgendwo. Aber da Ihr ohne Umschweife antworten könnt, will ich Euch anhören. Was ist Eure Fähigkeit?«
Ich wusste, dass man mir diese Frage stellen würde. Hauptmann Isha hatte mich darauf vorbereitet, dennoch konnte ich nicht sofort antworten. Ein flaues Gefühl stieg von meinem Magen meine Kehle empor und ließ meine Zunge an meinem Gaumen kleben. Ich wandte meinen Blick wieder auf den Wandteppich hinter dem Gouverneur.
»Seid Ihr ein Marakere?« Die Stimme des Gouverneurs verriet schlagartiges Desinteresse. Er lehnte sich wieder vor, stützte den linken Ellbogen auf den Schreibtisch, legte seinen Kopf in die Handfläche und zeichnete mit dem rechten Zeigefinger Kreise auf die Pergamente vor ihm.
Ich schluckte schwer und zwang mich, ihm wieder ins Gesicht zu sehen. »Nein, ich bin ein Marapuri. Es ist nur schwierig, meine Fähigkeit zu benennen, denn ich fürchte, Ihr werdet mir nicht glauben.«
»Ich habe von vielen unglaublichen Fähigkeiten gehört. Selbst von welchen, die man anderswo nutzlos nannte. Wir haben einen jungen Mann hier, der nichts kann, außer in die Ferne zu sehen und einen, der ausschließlich kurze Seile knotet. Sprecht!«
»Nun, ich habe vor einiger Zeit meine Heimat verloren und einen Teil meines Gedächtnisses. Meine Fähigkeit neu zu entdecken, war ein Schock für mich, denn ich dachte lange Zeit, ich besäße keine.«
»Ihr ward gerade eben noch deutlich in Euren Antworten, Zamanshi.«
Ich spannte mich und nickte. Er hatte recht. Es würde mir nicht helfen, herumzudrucksen. Es würde nur meine Mission gefährden. Ich musste hier in der Garnison an der Grenze zwischen Sidoa und Sikav aufgenommen werden. Es war Hauptmann Ishas Wunsch. Es war Prinzregent Vortigerns ausdrücklicher Befehl. Es war die schneckengleiche Mission auf dem Weg, Gerechtigkeit zu schaffen. Mein Blick suchte den meines Gegenübers. »Ich habe Visionen.«
»Visionen?« Der Gouverneur richtete sich wieder auf. »Welche Art Visionen?«
»Ich kann es nicht klar benennen. Es sind neblige Bilder von Menschen, Gegenständen und Orten. Fragmente von Ereignissen, wie tief aus meiner Erinnerung, aber zu unwirklich, um Erinnerung zu sein. Einige dieser Bilder müssen sehr alt sein, andere beschreiben mir Ereignisse, die noch kommen werden. Ich habe einen schwarzen Vogel gesehen, der eine Schnecke und einen Weberknecht frisst. Einen jungen Mann, dessen Gesicht ich nicht kenne, der aber in dieser Festung zu leben scheint. Ein Kloster in Flammen.«
Der Gouverneur unterbrach mich jäh durch eine Geste. »Das genügt, Zamanshi von überall und nirgendwo! Wenn Eure Angaben der Wahrheit entsprechen, seid ihr ein Wahrsager und das ist wahrlich eine nützliche Fähigkeit.« Er hob eines der Pergamente auf und schob es mir über den Schreibtisch zu, ebenso Feder und Tinte. »Füllt dieses Formular mit Euren Angaben aus! Danach wird Euch meine Wache zu Eurer Unterkunft führen. Aber habt Verständnis, dass wir Eure Fähigkeit erst testen müssen, ehe wir Euch in die Reihen der Armee von Sikav aufnehmen.«
Ich nickte, erleichtert, dass die erste Hürde genommen war. Ich griff mit zitternder Hand nach der Feder und füllte das Pergament so rasch aus, wie es mein Zustand mir erlaubte. Ich blinzelte heftig, um Ruhe zu bewahren und keinen Verdacht zu schöpfen. Endlich hatte ich meinen Namen, meine Fähigkeit und meine unbekannte Herkunft notiert. Ich schob das Pergament und die Feder über den Tisch zum Gouverneur.
Dieser überflog die Angaben. Er schien sich nicht daran zu stören, dass ich meine Herkunft noch immer nicht klar benannt hatte. Anschließend stand er auf, trat an mir vorbei und wechselte einige Worte mit der Wache vor der Tür. Anschließend drehte er sich zu mir herum. »Folgt dem Soldaten! Er wird Euch zu Eurem Zimmer führen. Ehre der Schnecke!«
Ich sah verwirrt zwischen dem Gouverneur und der Wache hin und her, ehe ich den Gruß erwiderte und das Büro verließ.
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Beitrag10.03.2019 15:10
schneckenlos
von Gast
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RocketJo hat Folgendes geschrieben:
@emr und ink:
Es ist beruhigend, zu sehen, dass euch genau das auffällt, was auch was ausdrücken soll. Sowohl die Schnecken als auch das Verhalten des Wirts klären sich im späteren Verlauf. Das heißt, bei dem Wirt hoffe ich es zumindest.

@emr:
Die ausführlichen Anmerkungen sind sehr gut, danke nochmal dafür. Einige von den Dingen waren mit Absicht drin, scheinen dann aber nicht so zu wirken. Werde mir überlegen, wie ich das besser machen kann ^^

Grüß dich, RocketJo,
zu "waren mit Absicht drin": Sehr gut. Das muss nicht sofort wirken, ich freu mich, wenn sich im späteren Verlauf zeigt, dass ich mich geirrt habe und alles, aber auch alles wohldurchdacht ist. Smile
Übrigens kam mir beim Überarbeiten der Rezension vor dem "Ballen" ein "Muss lachen:" abhanden, und mit "ist er selbst der Prinzregent" meine ich natürlich den Ich-Erzähler. Der Wirt könnte feige sein (wie auch die Murmelnden, die sich wegsetzen) - aber dafür agiert er zu gelassen. Mir wurde nicht klar, wo Chidubem den ersten Krug her hat, denn wenn er den schon hätte bestellen können, aber nicht bezahlt hätte, erhielte er keinen zweiten. Steckt der Wirt mit ihm unter einer Decke, erklärt sich seine (des Wirtes) Ruhe.
Zu den Schnecken, wollte nicht drängen oder klagen, ist gut so. Muss ja was zum Rätseln geben, die Bezeichnung klingt erst mal blöd, aber wer weiß ...

Hoppla, sehe gerade die Fortsetzung, bin aber nur zwecks Schreibpause hier. Lese sie später.
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RocketJo
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Beitrag13.03.2019 23:55

von RocketJo
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Aloha emr

Na ja, nur weil die Dinge mit Absicht drin waren, heißt es nicht, dass ich nicht an der Wirkung feilen müsste, wenn sie nicht klar ist. Die Stelle mit dem Prinzregenten funktioniert zum Beispiel in meinem Kopf hervorragend, aber ganz offensichtlich kommt, das,w as ich ausdrücken will, da nur im Ansatz rüber. Im Übrigen hast du recht und der Kerl mit der großen Klappe macht da einen Fehler. Aber nicht aus Unwissenheit (also, doch schon, irgendwie), sondern begründet in der Slebstdarstellung Vortigerns ^^
Das ist aber eine Information, die an der Stelle schon wichtig ist, also muss das besser rauskommen.
Die Reaktion der anderen Menschen im Wirtshaus auf Chidubem ist dagegen etwas, wo die Auflösung noch etwas rausgezögert werden soll. Bis etwa Mitte des Kapitels (Szene vier oder fünf, meine ich. Aber ich bin mir gerade selbst nicht sicher *lach*).

Ich bin echt froh, einen kritischen und genauen Blick von außerhalb auf die Geschichte gefunden zu haben, weil leider meine üblichen Helfer da auch betriebsblind sind, jedenfalls was die Figuren und ihre Beziehungen zueinander angeht.
Hat halt Vor- und Nachteile, wenn man seine Testleser in den kreativen Prozess einbaut ^^
_______________________________

Und @ Calvin (ich weiß gar nicht, weshalb ich dich im anderen Post vergessen hatte Embarassed ):

Das ist genau meine Befürchtung, dass der Konflikt bzw. die Andeutung größerer Konflikte den Anfang nicht recht tragen will. Sobald ich das "Setup" durch habe und sie sich der Lösung des ersten Problems (und damit unweigerlich der ersten Katastrophe) nähern, bin ich wesentlich selbstsicherer mit dem Aufbau. Ich will halt am Anfang auch nicht zu langatmig werden, aber später in die Handlung einsteigen nimmt mir den Raum, die nötigen Akteure korrekt vorzustellen. Oder die Welt und die grundlegende Politik. Dieser schwache Konflikt am Anfang und die daraus resultierende politische Situation ist leider der Zündfunken. Und Rückblicke passen nicht ganz in den Stil, den ich mir vorgenommen habe Rolling Eyes
Also muss ich da jetzt durch,d en Anfang vernünftig zu schrauben ^^
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Beitrag14.03.2019 00:31
Denkstau
von Gast
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'n Abend RocketJo,
okay, in den kreativen Prozess hast du die Testleser eingebaut. Oder etwa doch in die Geschichte? ^^ Wink

Zum zweiten Teil schrieb ich nichts, weil mir die Worte fehlten. Keine Ahnung, wieso ... Confused

Hier doch noch ein paar bitte um Verzeihung für flapsig, bin müde: Also, wärs ein Buch, ich würde einfach weiterlesen. Der Weberknechtkrieg erklärt sich, Schnecke scheint in der Tat = religiös/Weltanschauung da hab ich wie öfter mal dieses Problem, dass mir etwas bekannt vorkommt und ich weder weiß, was genau, noch, woher. Wahrscheinlich nicht weiter wichtig. Ob ein Soldat tatsächlich vom Gouverneur angeworben wird, wirst du recherchiert haben, und mit dem Helden stimmt etwas nicht: Daher seine Verwirrung, das hab ich erst beim zweiten Lesen begriffen.
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RocketJo
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Beitrag15.03.2019 17:37

von RocketJo
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Aloha emr

Nein, in den Prozess. Ich hab eine Mitbewohnerin, die mir auch den ersten Beta macht (und zwar, indem ich ihr vorlese, was sehr hilfreich ist ^^). Mit ihr bespreche ich allerdings auch die kleinen Hänger, die man so hat. Das sorgt dann nur dafür, dass sie irgendwann genauso betriebsblind ist wie ich, abgesehen halt von Formulierungen und Beschreibungen Rolling Eyes

Sag mal, gibt es eigentlich ein Limit dessen, wie viele Teile man in einen Thread einstellen darf? Ich hab im dritten Kapitel noch eine Stelle, die ich auch gerne von anderen kritisiert hätte. Aber das gesamte erste Kapitel (was noch ein paar Szenen sind) macht mir halt auch Probleme. Gibt es da Richtlinien oder Erfahrungswerte?
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Beitrag15.03.2019 22:47
On verra
von Gast
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'n Abend,

ach, eine Mitbewohnerin ist so oder so dicht dran an dir und deinem Tun. Es sei denn, du lebst in einer dieser fluktuierenden 5 - 12 Leute - WGs. Wink

RocketJo hat Folgendes geschrieben:
Sag mal, gibt es eigentlich ein Limit dessen, wie viele Teile man in einen Thread einstellen darf? Ich hab im dritten Kapitel noch eine Stelle, die ich auch gerne von anderen kritisiert hätte. Aber das gesamte erste Kapitel (was noch ein paar Szenen sind) macht mir halt auch Probleme. Gibt es da Richtlinien oder Erfahrungswerte?

Öhm. Nachdem ich weiland User Walthers Frage zu PDFs exakt falsch beantwortet habe mussten alle gelöscht werden - hier trotz anderer Sachlage ein entschiedenes: Weiß nicht. Confused Ohne diese Erfahrung hätte ich geschrieben: Mir ist hier noch kein Limit begegnet.
Allgemeiner Erfahrungswert: Wie in Foren üblich, dünnt das Interesse aus. Maranaga steht noch nicht lange online, da kann sich durchaus noch jemand mit Feedback melden und dranbleiben. Wie es damit aussieht über etliche Szenen hinweg - ich weiß es nicht.
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RocketJo
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Beitrag16.03.2019 21:18

von RocketJo
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Mmh, ok. Also eigentlich dann wie überall ^^
In dem Fall bleibe ich einfach maximal bei den beiden ersten Kapiteln und werde dann schauen ob und wenn ja wie ich mir Feedback zu der anderen Stelle einhole ^^

Hier geht es dann erstmal weiter.

3

Der Wachsoldat brachte mich in ein Gebäude an der westlichen Mauer der Festung. Ein schmaler Korridor führte an mehreren, weit auseinanderliegenden Türen vorbei, alle mit kleinen Zahlen versehen. Mein Begleiter blieb vor einer dieser Türen stehen und klopfte. Er erhielt keine Antwort. »Euer Kamerad scheint nicht im Zimmer zu sein. Vielleicht ist er ausnahmsweise bei seinen Übungen.« Er zuckte mit den Schultern, zog einen Schlüssel hervor und öffnete die Tür. »Wartet einfach hier auf ihn und bittet ihn, Euch alles zu erklären. Ich habe keine Zeit dafür. Ehre der Schnecke.«
»Ehre der Schnecke«, wiederholte ich.
Die Wache stapfte den Korridor zurück und verschwand hinter der Tür, die nach draußen führte. Ich sah ihr nach, dann wandte ich mich dem Zimmer zu. Der Raum war groß und offen. Es befanden sich zwei Betten darin, zwei Schränke und eine Tür, die links aus dem Raum hinausführte. Gegenüber des Eingangs ließ ein Fenster Licht in den Raum fallen, auf dem Fensterbrett stand eine vergessene, braun eingetrocknete Topfpflanze hinter einer Gardine. Ich schüttelte den Kopf. Das war ein heruntergekommenes Mädchenwohnheim und keine Soldatenstube. Ich sah mir beide Betten an. In einem lag ein zusammen geknautschtes Kissen, halb unter der Decke verborgen. Ich wählte das andere und setzte mich. Wer mein Kamerad wohl war? Er schien wenig von Dekoration oder einem ordentlichen Bett zu halten. In Sidoa hätte man ihn vermutlich irgendwann aufgeknüpft, wegen andauernden Ungehorsams. Oder ihn zumindest ernsthaft diszipliniert. Hauptmann Isha war in der Anwendung seiner Regeln streng. Ich ließ mich auf dem Bett zurückfallen und sah die Raumdecke an. Was nun folgen würde, war sicherlich schwerer als der Eintritt in die kavanische Armee. Selbst wenn die Soldaten dieses Landes wenig taugten, würden sie nicht einfach die Geheimnisse ihrer Armee preisgeben. An der Decke waberte ein staubiger Spinnenfaden. Vielleicht würden sie es doch tun. Sie hatten keine Disziplin, also hatten sie auch keine Moral. Jedenfalls mein Zimmergenosse nicht. Ich beobachtete den Spinnenfaden, die leichten Wellen, die er im Wind des undichten Fensters schlug, erinnerten mich an den See. Ein großer See, der zwischen Sidoa und Sikav lag, gesäumt von Schilf und mit einem Apfelbaum am jenseitigen Ufer. Ich hatte ein Kind auf dem Baum gesehen, es hatte mir den Weg zur Garnison gewiesen. Ob das Kind wohl aus dieser Stadt stammte? Vielleicht konnte ich mehr erfahren, als nur die Stärke der kavanischen Armee. Ich schloss die Augen. Es gab hier mehr Marapuri als in Sidoa. Es war gut, alles über sie zu erfahren, um nicht am Ende von ihnen überfallen zu werden.
Etwas öffnete die Tür. »Bei der Schnecke, nein! Warum?«
Ich öffnete die Augen wieder und setzte mich auf. In der Tür stand ein junger Mann mit weichen, weiblichen Gesichtszügen. Er war dürr wie ein Weberknecht und hatte ebensolche Gliedmaßen. Sein Blick ruhte abfällig auf mir. Ich hob eine Braue. »Warum was?«
»Ich wollte keinen Mitbewohner in meinem Zimmer.« Die Stimme des Mannes war hoch und gekünstelt, als ob er eine keifende Frau nachäffen wollte. »Und schon gar keinen so Schmutzigen. Geh dich gefälligst waschen!«
Ich zog die Augenbrauen zusammen. »Ihr seid nicht sonderlich höflich.«
»Geh. Dich. Waschen!« Er deutete mit ausgestrecktem Arm auf die Tür, die seitlich aus dem Raum führte.
Ich seufzte und stand auf. Es hatte keinen Sinn, ein Gespräch anfangen zu wollen, noch nicht. Ich trottete an meinem neuen Mitbewohner vorbei in einen kleinen privaten Waschraum. Ich hatte in meinem Leben noch nie einen privaten Waschraum gesehen. Ich prüfte das Wasser in der Schüssel auf dem Waschtisch, entledigte mich meiner Kleidung, nahm einen kleinen Lappen und rieb mir den Schmutz der letzten Wochen von Gesicht und Körper. Anschließend griff ich nach einem größeren Tuch, wand es mir um die Hüften und kehrte in den Schlafraum zurück. Ich musste meinen Kameraden nicht einmal ansprechen, er deutete bereits auf einen der beiden kleinen Schränke. Ich öffnete den Schrank und zog eine rostbraune Uniform mit buntem Muster und ohne Käferembleme hervor. »Gut, ich habe mich gewaschen.«
»Ein Glück. Du hättest dir vielleicht auch noch die Haare schön machen können.« Er setzte sich auf sein Bett, zog ein Haarband unter seinem Kopfkissen hervor und band sich die Haare zusammen. »Wie auch immer, ich heiße Judicael und ich bin ab heute für dich verantwortlich, fürchte ich.« Der hysterische Tonfall war aus seiner Stimme gewichen, doch die arrogante Art machte sie noch immer unerträglich.
»Wenn Ihr es so ausdrücken wollt. Ich bin Zamanshi.«
»Freut mich, Zamanshi. Vielleicht. Und lass dieses unnötige Getue mit Ihr und Euch, wir sind Kameraden oder etwas in der Art. Ich nehme an, dass du die Regeln noch nicht kennst?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Dann setz dich, ich werde sie dir erklären. Oder bleib stehen, was dir lieber ist.« Er wartete nicht auf meine Reaktion. »Wir stehen bei Sonnenaufgang auf, waschen uns und gehen zum Frühstück. Das Waschen vor dem Frühstück ist ein Privileg der Marapuri, also nutze es aus! Nach dem Frühstück haben wir die erste Übungseinheit, aber sie ist nicht unbedingt notwendig. Es kontrolliert keiner, ob du da bist. Jedenfalls nicht mehr, nachdem sie dich kennen. Du kannst genausogut in der Stadt spazieren gehen. Patrouillieren, meine ich natürlich.« Er grinste. Mir fiel auf, dass seine Lippen, seine Wangen und seine Augen geschminkt waren. »Um zwölf Uhr gibt es Mittagessen, aber das ist meistens schlecht. Es ist besser, in der Stadt zu essen. Danach ist die Nachmittagsübung, da achten sie schon darauf, dass man da ist. Nach den Übungen waschen wir uns wieder, dann gibt es Abendessen und bis zum Anbruch der Nacht haben wir die Zeit zur freien Verfügung. Du siehst, du kannst es hier sehr ruhig angehen lassen.«
Ich beobachtete mein Gegenüber aufmerksam. Seine Schilderung bestätigte meine schlimmsten Erwartungen. Oder meine Kühnsten. Für Hauptmann Isha und den Regenten waren diese Bestätigung ihrer Ansichten sicher ein Segen. Ich hatte mich nicht einmal anstrengen müssen, um etwas zu erfahren. Die Menschen in diesem Land waren viel zu gesprächig. Ich senkte den Kopf und grinste in mich hinein. Nachdem ich den ersten Anflug von Schadenfreude überwunden hatte, sah ich wieder auf. »Man muss nicht bei den Übungen anwesend sein?«
»Nicht bei den Morgendlichen jedenfalls. Und natürlich nur, wenn du ein Marapuri bist. Aber du musst ein Marapuri sein, sonst wärst du nicht in dieser Baracke. Was kannst du?«
»Der Gouverneur meinte, ich sei ein Wahrsager. Er hat mich behalten, weil die Fähigkeit so nützlich ist. Nicht, dass das irgendwie bedeutsam wäre. Er meinte, es gäbe hier auch einen sehr weitsichtigen Mann, der außer Sehen nichts kann.«
Judicael fuhr auf. »Ach, hat er das gesagt? Dieser unschöne ...« Er brach ab. »Wie auch immer. Hat er sonst noch etwas gesagt?«
»Nein.« Ich setzte mich auf das Bett, stützte die Arme auf die Oberschenkel und beobachtete den Schönling mir gegenüber. »Nur, dass selbst die nutzlosesten Marapuri dafür gut wären, fremde Armeen aus Sikav fernzuhalten.«
»Und ob. Ich bin Späher.«
»Späher?« Ich presste die Lippen aufeinander und schluckte heftig, konnte aber nicht verhindern, laut aufzulachen. Es dauerte eine Weile, ehe ich wieder zu Atem gekommen war. »Du bist ein Späher? Sicher nicht. Sieh dich an!«
»Dürfen Späher nicht schön sein?« Judicael schnaubte. Er reckte die Brust vor und nahm die Schultern zurück. »Ich kann sehen, von hier bis zum Kloster am Turmschneckenberg oder zur Hauptstadt Sidoas. Und das Beste ist, sie können mich nicht sehen. Wir sind immer im Vorteil, weil wir immer schneller sein werden als sie, solange ich hier bin.«
Ich schüttelte den Kopf. »Es ist noch besser, schon von der Gefahr zu wissen, bevor sie sich überhaupt bemerkbar macht. Aber ich verstehe, weshalb der Gouverneur dich behalten hat. Ich verstehe nur nicht, weshalb du in der Armee bist. Wärst du nicht als Schneider oder Barbier besser aufgehoben? Oder als Erzieher für edle Knaben und Mädchen?«
»Ich und Kinder? Ha! Und sehe ich wirklich aus, als wollte ich mit diesen Händen ernsthaft arbeiten?« Er streckte mir zwei makellose, langfingrige und äußerst dürre Hände entgegen. Hände, die selbst jede einem fünfbeinigen Weberknecht mit angemalten Klauen glichen.
Ich schüttelte den Kopf. »Das ist wahr, nach Arbeit siehst du nicht aus.«
Ein stolzes Lächeln huschte über das Gesicht des Sehers. »Ich bin in dieser Armee, weil ich mit meiner Fähigkeit einfach irgendwo im Schatten sitzen und hübsch aussehen kann. Ich muss mich um nichts kümmern und die Leute benötigen mich trotzdem.«
Ich hob eine Augenbraue und schüttelte den Kopf, sagte aber nichts.
»Und du? Zamanshi, nicht wahr? Was treibt dich in diese staubigen Mauern?«
»Ich suche einen Platz, wo ich bleiben kann. Ich bin mein ganzes Leben herumgeirrt und es wird Zeit, endlich sesshaft zu werden. Und da ich gehört habe, dass man Verstärkung in dieser Garnison sucht, habe ich mich hier gemeldet.«
»Ach, dieses unschöne Gerücht, dass dieser schneckenlose Vortigern uns eines Tages angreifen wird?« Judicael machte eine wegwerfende Geste. »Das ist alles ein leeres Schneckenhaus, ganz ehrlich. Ich meine, selbst wenn, wir beide würden es früh genug bemerken, nicht wahr? Das heißt, wenn du deine Fähigkeit nicht erfunden hast. Ansonsten werde ich es bemerken.«
»Wieso sollte ich meine Fähigkeit erfunden haben?«
Judicael grinste. Er neigte den Kopf zur Seite und musterte mich aus den Augenwinkeln. »Es kommen immer wieder Marakere auf die Idee, sich in dieser Armee zu melden. Sie denken sich Fähigkeiten aus, die sich schwer überprüfen lassen. Sie wollen ein angenehmes Leben haben, wenn du verstehst, was ich meine. Aber du kannst dir sicher sein, dass die Offiziere es herausfinden. Sie haben bisher jeden Betrüger entlarvt.«
Ich schluckte.
»Oh, hab ich dich erschreckt?« Er lachte gekünstelt. »Das tut mir nicht leid. Du solltest wissen, das Letzte, was ich wollen könnte, ist, mit einem Unbegabten ein Zimmer zu teilen. Sie sind schrecklich anhänglich und nutzlos.«
»Sagt jemand, der nichts kann außer sehen.« Ich schüttelte den Kopf. »Du weißt schon, dass wir den Marakere dankbar sein sollten, dass sie uns am Leben lassen?«
»Wieso sollten wir das? Es waren immerhin diese Barbaren, die uns Fähigkeitenträger beinahe ausgerottet haben. Und das, nachdem wir ihnen in ihrer Not geholfen haben. Ohne uns hätten sie die Zeit der großen Dürre und die Zeit der großen Kälte nicht überlebt. Und wie haben sie es uns gedankt? Sie haben uns gejagt, mit Fackeln und unschönen Waffen.« Judicael schauderte. »Abgeschlachtet wie wilde Tiere haben sie uns. Wenn wir das Kloster der Schnecke nicht als Zufluchtsort gehabt hätten, gäbe es uns heute nicht mehr. So sieht es aus, mein Freund. So und nicht anders.«
Ich schüttelte den Kopf. »Die Geschichte, die ich kenne, klingt etwas anders. Weder in der Zeit der großen Dürre noch in der, der großen Kälte haben wir es für nötig gehalten, den Marakere in ihrem Leid beizustehen. Wir haben den Zorn der Schnecke auf uns gezogen, die nicht mehr bereit war, den Weberknecht von ihren Kindern zu vertreiben. Trotzdem sind uns die Unbegabten zur Hilfe gekommen, als unsere Not in den Zeiten der großen Kälte überhandgenommen hat. Ohne sie gäbe es heute keine Marapuri mehr.«
»Und in welchem rückständigen Kaff hat man dir das erzählt?« Judicael machte ein abwertendes Geräusch. »Wenn wir wirklich den Zorn der Schnecke auf uns gezogen haben, weshalb haben dann die Mönche im Kloster überlebt und die Begabten außerhalb nicht? Hätten dann nicht diejenigen, die der Schnecke nahe waren, zuerst sterben müssen?«
Ich biss auf meine Unterlippe, so fest, dass meine Muskeln sich versteiften. Dieser arrogante Schönling war vollständig unter der Kontrolle des religiösen Gewäschs der Mönche. Wie konnte sich jemand mit so wenig Verstand und noch weniger Disziplin überhaupt Soldat schimpfen? Er wusste nicht, wovon er redete. Er hatte nicht einmal eine leise Ahnung. Ich atmete heftig ein. Ich musste mich beherrschen. Ruhig werden. Ich durfte mir meine Quelle nicht zuschaufeln, weil ich mich reizen ließ. Ich schloss die Augen, krampfte meine Hände in die Bettdecke und zählte rückwärts von zwanzig zu eins. Ich atmete ein weiteres Mal, ruhiger und tiefer als zuvor, dann öffnete ich die Augen. »Ich habe keine Ahnung. Aber lassen wir das. Wann sagtest du, gibt es Mittagessen?«
Judicael grinste schief. Er winkte mit der linken Hand in der Luft herum, als wolle er eine Fliege verscheuchen. »Wie auch immer du meinst, mein hungriger Freund. Mittagessen gibt es um zwölf. Du hast also nicht mehr allzulange Zeit, um dich dafür hübsch zu machen.«
»Ich verzichte darauf, mich zum Essen hübsch zu machen«, presste ich durch die Zähne. Ich stand auf und richtete meine Uniform. Sie war an den Schultern und an der Hüfte zu groß, aber nicht so sehr, dass sie mich behindern würde. Wenn es in dieser Armee so viel Essen und so wenig zu tun gab, würde ich vermutlich in absehbarer Zeit hineinwachsen. »Zeig mir, wo ich hingehen muss!«
Judicael stand auf. Er schob sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht, ging zur Tür und sah zu mir zurück. »Gut. Komm!«
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Beitrag16.03.2019 21:38

von Phenolphthalein
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Hallo RocketJo,

RocketJo hat Folgendes geschrieben:
Sag mal, gibt es eigentlich ein Limit dessen, wie viele Teile man in einen Thread einstellen darf? Ich hab im dritten Kapitel noch eine Stelle, die ich auch gerne von anderen kritisiert hätte. Aber das gesamte erste Kapitel (was noch ein paar Szenen sind) macht mir halt auch Probleme. Gibt es da Richtlinien oder Erfahrungswerte?

Die Frage ist, was du mit dem Text erreichen willst.
Ist es eine Schreibübung?
Willst du ihn veröffentlichen?
Im Verlag?
Willst du ihn einfach mit allen teilen?

Wenn du zu viel einstellst kann ich dir zumindest sagen, dass du dir über Frage 3 keine Gedankern mehr machen braucht. Der Text gilt dann als verbrannt und wird den Weg dann [in aller Regel] nicht mehr gehen.
Für BoD oder walküre.de reicht es dann natürlich noch.

Findest du jemanden, der von dem Text gefesselt wird, dann frag ihn/sie doch, ob er/sie ihn im Hintergrund durchschaut.

Ansonsten warte, bis du eine AG gründen kannst.

VG,

Pheno


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Beitrag16.03.2019 21:54

von RocketJo
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@Phenopththalein (was ein genialer Nick ^^):

Ich glaube kaum, dass drei Kapitel bei dem Umfang als "verheizt" angesehen werden. Was dazu führt: Eine Verlagsveröffnetlichung wäre schön, aber ich glaube kaum, dass ein Verlag das Werk nehmen würde Rolling Eyes

Aber vor allem geht es mir hier tatsächlich einfach nur darum, zu sehen, ob meine Zweifel und der berühmte innere Kritiker recht haben oder nicht. Ich persönlich HASSE meinen Anfang mittlerweile regelrecht. Zeigt sich allein darin, dass ich statt einer Überarbeitung lieber vier andere WErke geplottet, zwei geschrieben und eins bereits zweimal grundlegend durchgeackert habe. Nur, weil ich vor meinem eigenen Anfang den Horror kriege *lach*
Ich hoffe einfach, dass mir eine größere Menge an Leuten mit verschiedenen Sichtweisen helfen kann, den Fehler zu finden, den ich selbst sehe (oder alterntiv mich überzeugen, dass da keiner ist Razz ).

Das ganze Werk (immerhin rund 120.000 Wörter in der Rohfassung, dem, was ich Skizze nenne und was sich üblicherweise etwa verdoppelt - ich bin ein under archiever ^^) würde ich hier nicht einstellen, das wäre zu viel verlangt und jenseits von Kapitel 3 brauche ich auch keine breitere Hilfestellung mehr. Vielleicht Kleinigkeiten, aber kein großes Ganzes ^^
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Beitrag16.03.2019 22:19

von Phenolphthalein
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RocketJo hat Folgendes geschrieben:

Ich hoffe einfach, dass mir eine größere Menge an Leuten mit verschiedenen Sichtweisen helfen kann, den Fehler zu finden, den ich selbst sehe (oder alterntiv mich überzeugen, dass da keiner ist Razz ).


Zwar komme ich in die Geschichte nicht rein, aber ich kann dir aus meiner Sicht versichern, dass du besser schreibst als das Groß der viele andere hier im Forum. Wie geschrieben ist das nur meine Meinung, vielleicht hilft dir das trotzdem.

VG,

Pheno


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Beitrag16.03.2019 22:29

von RocketJo
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Phenolphthalein hat Folgendes geschrieben:
Zwar komme ich in die Geschichte nicht rein, aber ich kann dir aus meiner Sicht versichern, dass du besser schreibst als das Groß der viele andere hier im Forum. Wie geschrieben ist das nur meine Meinung, vielleicht hilft dir das trotzdem.

VG,

Pheno


Danke *knuddel*
Das hilft zumindest für's allgemeine Ego ^^
_______

Edit:
Weißt du was? Ich glaube, dein Kommentar hat den Knoten zum Platzen gebracht, wie auch immer. Ich hatte ihn gerade meiner Mitbewohnerin vorgelesen, weil ich ihn echt lieb fand und meinte, dass das auch eine Art ist, beim Problem zu helfen. Dann haben wir das Thema auf die Story gelenkt und irgendwie war auf einmal die Sache klar.
Schon seltsam *lach*


Aber über quallifizeirte Kommentare zu Judicaels Auftritt freue ich mich trotzdem noch Razz
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Beitrag17.03.2019 12:03

von Calvin Hobbs
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RocketJo hat Folgendes geschrieben:
2

Ich brach am Morgen auf, noch ehe ich gefrühstückt hatte. Die letzten Wochen hatten mir gezeigt, mit wie wenig Nahrung ein Mann auskommen konnte, wenn es notwendig war. Außerdem hatte ich keine Zeit zu verlieren. Ich ließ mir von einigen Passanten den Weg zur Festung zeigen, die sich am östlichen Rand der Stadt befand und folgte den staubigen Straßen. Ist die Stadt so groß und die Festung (Sitz des Oberhauptes so mickrig, dass man nach dem Weg fragen muss? Vor mir erhob sich eine hohe Mauer, hinter deren Zinnen vereinzelt Männer herumliefen. Sind das wirklich einfach nur Männer? Sind die Mauern so hoch, dass man keine Soldaten/Wachen etc erkennen kann? Ich blieb an einem Tor stehen, welches von Schneckenköpfen aus Gold geziert war, die gleichzeitig als Türklopfer dienten. Das Tor war hoch und schmal, das Holz erschien dünn, die Steine des Torbogens waren mit Emblemen verziert. Schneckenhäuser, Turmschnecken, schirmartige Pflanzensymbole. Ich schüttelte den Kopf. Was man sich über die Armee Sikavs erzählte, schien wahr zu sein. Allein die Art, wie sie ihre Festungen anlegten, sprach gegen eine schlagkräftige Armee. Prinzregent Vortigern hatte Recht, die Marapuri dieses Landes für ihren Hochmut zu verurteilen. Ich nahm den Türklopfer auf und pochte mehrmals an das Tor. Oder ich benutzte den Türklopfer?
Es dauerte einen Moment, bis mir geöffnet wurde. Ein Soldat in einer rotbraunen Uniform mit buntem Muster trat auf mich zu. Auf den Klappen seiner Schultern zeigten mehrere rostrote Käferembleme auf hellem Grund seinen Rang an. »Was wollt Ihr hier?« Seine Schulterklappen zeigten ...
Ich spannte mich, wie ich es von Zuhause gewohnt war, verzichtete aber auf einen militärischen Gruß. »Mein Name lautet Zamanshi. Ich hörte, dass man hier nach neuen Soldaten sucht, um sich zu rüsten. Da ich keine Heimat und keine Arbeit habe, wollte ich Euch in Eurer Not beistehen.«
»Unserer Not?« Der Soldat runzelte die Stirn. »Ich weiß nicht, was man sich dort draußen erzählt, aber in Not sind wir sicher nicht. Was Euer Anliegen betrifft, werdet Ihr beim Gouverneur vorsprechen müssen. Folgt mir!«
Das mit dem Gouverneur wurde schon von einem Vorposter angesprochen und auch ich halte das für zweifelhaft.
Ich schritt an dem Soldaten vorbei ins Innere der Festung, wartete, bis er hinter mir das Tor geschlossen hatte und folgte ihm anschließend zum Bürogebäude. Wir blieben vor einer Tür mit kunstvollen, vergoldeten Beschlägen stehen. Mein Begleiter wechselte leise einige Worte mit der Türwache und machte dann kehrt. Die Türwache musterte mich, klopfte danach jedoch an. Oder :Vor einer Tür mit kunstvollen goldenen Beschlägen wechselte mein Begleiter einige leise Worte mit der Türwache, die mich daraufhin musterte und zu meiner Erleichterung anklopfte.
»Herein!«
Die Wache öffnete mit einer Hand die Tür.
Ich trat ein. Der Raum war leer, bis auf einen Schreibtisch und den dazugehörigen Stuhl, auf dem ein älterer Mann in gesetztem Alter saß, sowie einen Wandteppich, der die ganze Wand gegenüber der Tür einnahm. Der Mann hatte die Finger verschränkt und seine Ellbogen aufgestützt. Er hatte beide Ellenbogen aufgestützt und sein Kinn ruhte auf seinen verschränkten Fingern. Ich trat näher, spannte mich und sah an ihm vorbei auf den Wandteppich. Er zeigte eine riesige Turmschnecke, die von einem Weberknecht bedroht wurde. Um sie herum standen menschenähnliche Gestalten ohne Gesichter, die mit Steinen und Speeren nach dem Weberknecht warfen.
 »Was wollt Ihr? Wer seid Ihr? Woher stammt Ihr?«
 Die Stimme des Gouverneurs ließ mich aufschrecken. Ich wandte den Blick von dem Wandteppich ab und sah mein Gegenüber an. »Mein Name lautet Zamanshi. Ich komme von überall und nirgends und bin auf der Suche nach einem Ort zum Bleiben. Ich habe gehört, dass Ihr Eure Armee aufrüsten wollt, um gegen einen mächtigen Feind zu bestehen. Ich bin hier, um mich Euch anzuschließen.«
Der Gouverneur hob den Kopf. Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, sein Blick bohrte sich in meinen. »Zamanshi von überall? So so. Ich nehme an, Ihr habt die verwirrten Waschweiber im Wirtshaus tratschen hören? Wir haben keine Bedrohung zu befürchten, schon gar nicht von einem mächtigen Feind. Unsere Armee ist voller begabter Freiwilliger. Wir bestehen gegen jede Bedrohung, auch ohne Hilfe von nirgendwo. Aber da Ihr ohne Umschweife antworten könnt, will ich Euch anhören. Was ist Eure Fähigkeit?«
Ich wusste, dass man mir diese Frage stellen würde. Hauptmann Isha hatte mich darauf vorbereitet, dennoch konnte ich nicht sofort antworten. Ein flaues Gefühl stieg von meinem Magen meine Kehle empor und ließ meine Zunge an meinem Gaumen kleben. Ich wandte meinen Blick wieder auf den Wandteppich hinter dem Gouverneur.
»Seid Ihr ein Marakere?« Die Stimme des Gouverneurs verriet schlagartiges Desinteresse. Er lehnte sich wieder vor, stützte den linken Ellbogen auf den Schreibtisch, legte seinen Kopf in die Handfläche und zeichnete mit dem rechten Zeigefinger Kreise auf die Pergamente vor ihm.
Ich schluckte schwer und zwang mich, ihm wieder ins Gesicht zu sehen. »Nein, ich bin ein Marapuri. Es ist nur schwierig, meine Fähigkeit zu benennen, denn ich fürchte, Ihr werdet mir nicht glauben.«
»Ich habe von vielen unglaublichen Fähigkeiten gehört. Selbst von welchen, die man anderswo nutzlos nannte. Wir haben einen jungen Mann hier, der nichts kann, außer in die Ferne zu sehen und einen, der ausschließlich kurze Seile knotet. Sprecht!«
»Nun, ich habe vor einiger Zeit meine Heimat verloren und einen Teil meines Gedächtnisses. Meine Fähigkeit neu zu entdecken, war ein Schock für mich, denn ich dachte lange Zeit, ich besäße keine.«
»Ihr ward gerade eben noch deutlich in Euren Antworten, Zamanshi.«
Ich spannte mich und nickte. Er hatte recht. Es würde mir nicht helfen, herumzudrucksen. Es würde nur meine Mission gefährden. Ich musste hier in der Garnison an der Grenze zwischen Sidoa und Sikav aufgenommen werden. Es war Hauptmann Ishas Wunsch. Es war Prinzregent Vortigerns ausdrücklicher Befehl. Es war die schneckengleiche Mission auf dem Weg, Gerechtigkeit zu schaffen. Mein Blick suchte den meines Gegenübers. »Ich habe Visionen.«
»Visionen?« Der Gouverneur richtete sich wieder auf. »Welche Art Visionen?«
»Ich kann es nicht klar benennen. Es sind neblige Bilder von Menschen, Gegenständen und Orten. Fragmente von Ereignissen, wie tief aus meiner Erinnerung, aber zu unwirklich, um Erinnerung zu sein. Einige dieser Bilder müssen sehr alt sein, andere beschreiben mir Ereignisse, die noch kommen werden. Ich habe einen schwarzen Vogel gesehen, der eine Schnecke und einen Weberknecht frisst. Einen jungen Mann, dessen Gesicht ich nicht kenne, der aber in dieser Festung zu leben scheint. Ein Kloster in Flammen.«
Der Gouverneur unterbrach mich jäh durch eine Geste. »Das genügt, Zamanshi von überall und nirgendwo! Wenn Eure Angaben der Wahrheit entsprechen, seid ihr ein Wahrsager und das ist wahrlich eine nützliche Fähigkeit.« Er hob eines der Pergamente auf und schob es mir über den Schreibtisch zu, ebenso Feder und Tinte. »Füllt dieses Formular mit Euren Angaben aus! Danach wird Euch meine Wache zu Eurer Unterkunft führen. Aber habt Verständnis, dass wir Eure Fähigkeit erst testen müssen, ehe wir Euch in die Reihen der Armee von Sikav aufnehmen.« Ich finde das Verhalten der beiden Figuren fragwürdig. Wenn es eine tatsächliche Bedrohung gibt, warum stellt der Gouverneur jemanden ein, der ein Spion sein könnte? Und Deinem Helden muss klar sein, dass, wenn er keine konkreten Angaben macht, er für einen solchen gehalten werden muss. Warum muss seine Herkunft absolut im Dunklen bleiben?
Ich nickte, erleichtert, dass die erste Hürde genommen war. Ich griff mit zitternder Hand nach der Feder und füllte das Pergament so rasch aus, wie es mein Zustand mir erlaubte. Ich blinzelte heftig, um Ruhe zu bewahren und keinen Verdacht zu schöpfen. Endlich hatte ich meinen Namen, meine Fähigkeit und meine unbekannte Herkunft notiert. Ich schob das Pergament und die Feder über den Tisch zum Gouverneur.
Dieser überflog die Angaben. Er schien sich nicht daran zu stören, dass ich meine Herkunft noch immer nicht klar benannt hatte. Anschließend stand er auf, trat an mir vorbei und wechselte einige Worte mit der Wache vor der Tür. Anschließend drehte er sich zu mir herum. »Folgt dem Soldaten! Er wird Euch zu Eurem Zimmer führen. Ehre der Schnecke!«
Ich sah verwirrt zwischen dem Gouverneur und der Wache hin und her, ehe ich den Gruß erwiderte und das Büro verließ.
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Calvin Hobbs
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Beitrag17.03.2019 12:26

von Calvin Hobbs
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RocketJo hat Folgendes geschrieben:
Mmh, ok. Also eigentlich dann wie überall ^^
In dem Fall bleibe ich einfach maximal bei den beiden ersten Kapiteln und werde dann schauen ob und wenn ja wie ich mir Feedback zu der anderen Stelle einhole ^^

Hier geht es dann erstmal weiter.

3

Der Wachsoldat brachte mich in ein Gebäude an der westlichen Mauer der Festung. Ein schmaler Korridor führte an mehreren, weit auseinanderliegenden Türen vorbei, alle mit kleinen Zahlen versehen. Mein Begleiter blieb vor einer dieser Türen stehen und klopfte. Oder an einer Tür ... Er erhielt keine Antwort. »Euer Kamerad scheint nicht im Zimmer zu sein. Vielleicht ist er ausnahmsweise bei seinen Übungen.« Er zuckte mit den Schultern, zog einen Schlüssel hervor und öffnete die Tür. »Wartet einfach hier auf ihn und bittet ihn, Euch alles zu erklären. Ich habe keine Zeit dafür. Ehre der Schnecke.«
»Ehre der Schnecke«, wiederholte ich.
Die Wache stapfte den Korridor zurück und verschwand hinter der Tür, die nach draußen führte. Ich sah ihr nach, dann wandte ich mich dem Zimmer zu.
Der Raum war groß und offen. Es befanden sich zwei Betten darin, zwei Schränke und eine Tür, die links aus dem Raum hinausführte. Gegenüber des Eingangs ließ ein Fenster Licht in den Raum fallen, auf dem Fensterbrett stand eine vergessene, braun eingetrocknete Topfpflanze hinter einer Gardine. Schöner Wohnen in Kasernen Ich schüttelte den Kopf. Das war ein heruntergekommenes Mädchenwohnheim und keine Soldatenstube. Ich sah mir beide Betten an. In einem lag ein zusammen geknautschtes Kissen, halb unter der Decke verborgen. Ich wählte das andere und setzte mich. Wer mein Kamerad wohl war? Er schien wenig von Dekoration oder einem ordentlichen Bett zu halten. In Sidoa hätte man ihn vermutlich irgendwann aufgeknüpft, wegen andauernden Ungehorsams. Oder ihn zumindest ernsthaft diszipliniert. Hauptmann Isha war in der Anwendung seiner Regeln streng. Ich ließ mich auf dem Bett zurückfallen und sah die Raumdecke an. Was nun folgen würde, war sicherlich schwerer als der Eintritt in die kavanische Armee. Selbst wenn die Soldaten dieses Landes wenig taugten, würden sie nicht einfach die Geheimnisse ihrer Armee preisgeben. Wieso zweifelt er schon am Beginn seiner Mission an seinen Fähigkeiten? Wieso hat man nicht jemand handfesteren geschickt?
An der Decke waberte ein staubiger Spinnenfaden. Vielleicht würden sie es doch tun. Sie hatten keine Disziplin, also hatten sie auch keine Moral. Jedenfalls mein Zimmergenosse nicht. Ich beobachtete den Spinnenfaden, die leichten Wellen, die er im Wind des undichten Fensters schlug, erinnerten mich an den See. Ein großer See, der zwischen Sidoa und Sikav lag, gesäumt von Schilf und mit einem Apfelbaum am jenseitigen Ufer. Ich hatte ein Kind auf dem Baum gesehen, es hatte mir den Weg zur Garnison gewiesen. Ob das Kind wohl aus dieser Stadt stammte? Vielleicht konnte ich mehr erfahren, als nur die Stärke der kavanischen Armee. Ich schloss die Augen. Es gab hier mehr Marapuri als in Sidoa. Es war gut, alles über sie zu erfahren, um nicht am Ende von ihnen überfallen zu werden.
Etwas öffnete die Tür. »Bei der Schnecke, nein! Warum?«
Ich öffnete die Augen wieder und setzte mich auf. In der Tür stand ein junger Mann mit weichen, weiblichen Gesichtszügen. Er war dürr wie ein Weberknecht und hatte ebensolche Gliedmaßen. Sein Blick ruhte abfällig auf mir. Ich hob eine Braue. »Warum was?«
»Ich wollte keinen Mitbewohner in meinem Zimmer.« Die Stimme des Mannes war hoch und gekünstelt, als ob er eine keifende Frau nachäffen wollte. »Und schon gar keinen so Schmutzigen. Geh dich gefälligst waschen!«
Ich zog die Augenbrauen zusammen. »Ihr seid nicht sonderlich höflich.«
»Geh. Dich. Waschen!« Er deutete mit ausgestrecktem Arm auf die andere Tür, die seitlich aus dem Raum führte.
Ich seufzte und stand auf. Es hatte keinen Sinn, ein Gespräch anfangen zu wollen, noch nicht. Ich trottete an meinem neuen Mitbewohner vorbei in einen kleinen privaten Waschraum. Ich hatte in meinem Leben noch nie einen privaten Waschraum gesehen. Ich prüfte das Wasser in der Schüssel auf dem Waschtisch, entledigte mich meiner Kleidung, nahm einen kleinen Lappen und rieb mir den Schmutz der letzten Wochen (WTF???)von Gesicht und Körper. Sorry, aber Dein Held muss wie ein Schwein gestunken haben. Anschließend griff ich nach einem größeren Tuch, wand es mir um die Hüften und kehrte in den Schlafraum zurück. Ich musste meinen Kameraden nicht einmal ansprechen, er deutete bereits auf einen der beiden kleinen Schränke. Ich öffnete den Schrank ihn und zog eine rostbraune Uniform mit buntem Muster und ohne Käferembleme hervor. »Gut, ich habe mich gewaschen.«
»Ein Glück. Du hättest dir vielleicht auch noch die Haare schön machen können.« Er setzte sich auf sein Bett, zog ein Haarband unter seinem Kopfkissen hervor und band sich die langen Haare zusammen. »Wie auch immer, ich heiße Judicael und ich bin ab heute für dich verantwortlich, fürchte ich.« Der hysterische Tonfall war aus seiner Stimme gewichen, doch die arrogante Art machte sie noch immer unerträglich.
»Wenn Ihr es so ausdrücken wollt. Ich bin Zamanshi.«
»Freut mich, Zamanshi. Vielleicht. Und lass dieses unnötige Getue mit Ihr und Euch, wir sind Kameraden oder etwas in der Art. Ich nehme an, dass du die Regeln noch nicht kennst?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Dann setz dich, ich werde sie dir erklären. Oder bleib stehen, was dir lieber ist.« Er wartete nicht auf meine Reaktion. »Wir stehen bei Sonnenaufgang auf, waschen uns und gehen zum Frühstück. Das Waschen vor dem Frühstück ist ein Privileg der Marapuri, also nutze es aus! Nach dem Frühstück haben wir die erste Übungseinheit, aber sie ist nicht unbedingt notwendig. Es kontrolliert keiner, ob du da bist. Jedenfalls nicht mehr, nachdem sie dich kennen. Du kannst genausogut in der Stadt spazieren gehen. Patrouillieren, meine ich natürlich.« Er grinste. Mir fiel auf, dass seine Lippen, seine Wangen und seine Augen geschminkt waren. »Um zwölf Uhr gibt es Mittagessen, aber das ist meistens schlecht. Es ist besser, in der Stadt zu essen. Danach ist die Nachmittagsübung, da achten sie schon darauf, dass man da ist. Nach den Übungen waschen wir uns wieder, dann gibt es Abendessen und bis zum Anbruch der Nacht haben wir die Zeit zur freien Verfügung. Du siehst, du kannst es hier sehr ruhig angehen lassen.«
Ich beobachtete mein Gegenüber aufmerksam. Seine Schilderung bestätigte meine schlimmsten Erwartungen. Oder meine Kühnsten. Für Hauptmann Isha und den Regenten waren diese Bestätigung ihrer Ansichten sicher ein Segen. Ich hatte mich nicht einmal anstrengen müssen, um etwas zu erfahren. Die Menschen in diesem Land waren viel zu gesprächig. Ich senkte den Kopf und grinste in mich hinein. Nachdem ich den ersten Anflug von Schadenfreude überwunden hatte, sah ich wieder auf. »Man muss nicht bei den Übungen anwesend sein?«
»Nicht bei den Morgendlichen jedenfalls. Und natürlich nur, wenn du ein Marapuri bist. Aber du musst ein Marapuri sein, sonst wärst du nicht in dieser Baracke. Was kannst du?«
»Der Gouverneur meinte, ich sei ein Wahrsager. Er hat mich behalten, weil die Fähigkeit so nützlich ist. Nicht, dass das irgendwie bedeutsam wäre. Er meinte, es gäbe hier auch einen sehr weitsichtigen Mann, der außer Sehen nichts kann.«
Judicael fuhr auf. »Ach, hat er das gesagt? Dieser unschöne ...« Er brach ab. »Wie auch immer. Hat er sonst noch etwas gesagt?«
»Nein.« Ich setzte mich entspannt auf das Bett, stützte die Arme auf die Oberschenkel und beobachtete den Schönling mir gegenüber. »Nur, dass selbst die nutzlosesten Marapuri dafür gut wären, fremde Armeen aus Sikav fernzuhalten.«
»Und ob. Ich bin Späher.«
»Späher?« Ich presste die Lippen aufeinander und schluckte heftig, konnte aber nicht verhindern, laut aufzulachen. Es dauerte eine Weile, ehe ich wieder zu Atem gekommen war. »Du bist ein Späher? Sicher nicht. Sieh dich an!«
»Dürfen Späher nicht schön sein?« Judicael schnaubte. Er reckte die Brust vor und nahm die Schultern zurück. »Ich kann sehen, von hier bis zum Kloster am Turmschneckenberg oder zur Hauptstadt Sidoas. Und das Beste ist, sie können mich nicht sehen. Wir sind immer im Vorteil, weil wir immer schneller sein werden als sie, solange ich hier bin.«
Ich schüttelte den Kopf. »Es ist noch besser, schon von der Gefahr zu wissen, bevor sie sich überhaupt bemerkbar macht. Aber ich verstehe, weshalb der Gouverneur dich behalten hat. Ich verstehe nur nicht, weshalb du in der Armee bist. Wärst du nicht als Schneider oder Barbier besser aufgehoben? Oder als Erzieher für edle Knaben und Mädchen?«
»Ich und Kinder? Ha! Und sehe ich wirklich aus, als wollte ich mit diesen Händen ernsthaft arbeiten?« Er streckte mir zwei makellose, langfingrige und äußerst dürre Hände entgegen. Hände, die selbst jede einem fünfbeinigen Weberknecht mit angemalten Klauen glichen.
Ich schüttelte den Kopf. »Das ist wahr, nach Arbeit siehst du nicht aus.«
Ein stolzes Lächeln huschte über das Gesicht des Sehers. »Ich bin in dieser Armee, weil ich mit meiner Fähigkeit einfach irgendwo im Schatten sitzen und hübsch aussehen kann. Ich muss mich um nichts kümmern und die Leute benötigen mich trotzdem.«
Ich hob eine Augenbraue und schüttelte den Kopf, sagte aber nichts.
»Und du? Zamanshi, nicht wahr? Was treibt dich in diese staubigen Mauern?«
»Ich suche einen Platz, wo ich bleiben kann. Ich bin mein ganzes Leben herumgeirrt und es wird Zeit, endlich sesshaft zu werden. Und da ich gehört habe, dass man Verstärkung in dieser Garnison sucht, habe ich mich hier gemeldet.«
»Ach, dieses unschöne Gerücht, dass dieser schneckenlose Vortigern uns eines Tages angreifen wird?« Judicael machte eine wegwerfende Geste. »Das ist alles ein leeres Schneckenhaus, ganz ehrlich. Ich meine, selbst wenn, wir beide würden es früh genug bemerken, nicht wahr? Das heißt, wenn du deine Fähigkeit nicht erfunden hast. Ansonsten werde ich es bemerken.«
»Wieso sollte ich meine Fähigkeit erfunden haben?«
Judicael grinste. Er neigte den Kopf zur Seite und musterte mich aus den Augenwinkeln. »Es kommen immer wieder Marakere auf die Idee, sich in dieser Armee zu melden. Sie denken sich Fähigkeiten aus, die sich schwer überprüfen lassen. Sie wollen ein angenehmes Leben haben, wenn du verstehst, was ich meine. Aber du kannst dir sicher sein, dass die Offiziere es herausfinden. Sie haben bisher jeden Betrüger entlarvt.«
Ich schluckte.
»Oh, hab ich dich erschreckt?« Er lachte gekünstelt. »Das tut mir nicht leid. Du solltest wissen, das Letzte, was ich wollen könnte, ist, mit einem Unbegabten ein Zimmer zu teilen. Sie sind schrecklich anhänglich und nutzlos.«
»Sagt jemand, der nichts kann außer sehen.« Ich schüttelte den Kopf. »Du weißt schon, dass wir den Marakere dankbar sein sollten, dass sie uns am Leben lassen?«
»Wieso sollten wir das? Es waren immerhin diese Barbaren, die uns Fähigkeitenträger beinahe ausgerottet haben. Und das, nachdem wir ihnen in ihrer Not geholfen haben. Ohne uns hätten sie die Zeit der großen Dürre und die Zeit der großen Kälte nicht überlebt. Und wie haben sie es uns gedankt? Sie haben uns gejagt, mit Fackeln und unschönen Waffen.« Judicael schauderte. »Abgeschlachtet wie wilde Tiere haben sie uns. Wenn wir das Kloster der Schnecke nicht als Zufluchtsort gehabt hätten, gäbe es uns heute nicht mehr. So sieht es aus, mein Freund. So und nicht anders.«
Ich schüttelte den Kopf. »Die Geschichte, die ich kenne, klingt etwas anders. Weder in der Zeit der großen Dürre noch in der, der großen Kälte haben wir es für nötig gehalten, den Marakere in ihrem Leid beizustehen. Wir haben den Zorn der Schnecke auf uns gezogen, die nicht mehr bereit war, den Weberknecht von ihren Kindern zu vertreiben. Trotzdem sind uns die Unbegabten zur Hilfe gekommen, als unsere Not in den Zeiten der großen Kälte überhandgenommen hat. Ohne sie gäbe es heute keine Marapuri mehr.«
»Und in welchem rückständigen Kaff hat man dir das erzählt?« Judicael machte ein abwertendes Geräusch. »Wenn wir wirklich den Zorn der Schnecke auf uns gezogen haben, weshalb haben dann die Mönche im Kloster überlebt und die Begabten außerhalb nicht? Hätten dann nicht diejenigen, die der Schnecke nahe waren, zuerst sterben müssen?«
Ich biss auf meine Unterlippe, so fest, dass meine Muskeln sich versteiften. Dieser arrogante Schönling war vollständig unter der Kontrolle des religiösen Gewäschs der Mönche. Wie konnte sich jemand mit so wenig Verstand und noch weniger Disziplin überhaupt Soldat schimpfen? Er wusste nicht, wovon er redete. Er hatte nicht einmal eine leise Ahnung. Ich atmete heftig ein. Ich musste mich beherrschen. Ruhig werden. Ich durfte mir meine Quelle nicht zuschaufeln, Und trotzdem provoziert er ihn, seit Judicael den Raum betreten hat? weil ich mich reizen ließ. Ich schloss die Augen, krampfte meine Hände in die Bettdecke und zählte rückwärts von zwanzig zu eins. Ich atmete ein weiteres Mal, ruhiger und tiefer als zuvor, dann öffnete ich die Augen. »Ich habe keine Ahnung. Aber lassen wir das. Wann sagtest du, gibt es Mittagessen?«
Judicael grinste schief. Er winkte mit der linken Hand in der Luft herum, als wolle er eine Fliege verscheuchen. »Wie auch immer du meinst, mein hungriger Freund. Mittagessen gibt es um zwölf. Du hast also nicht mehr allzulange Zeit, um dich dafür hübsch zu machen.«
»Ich verzichte darauf, mich zum Essen hübsch zu machen«, presste ich durch die Zähne. Ich stand auf und richtete meine Uniform. Sie war an den Schultern und an der Hüfte zu groß, aber nicht so sehr, dass sie mich behindern würde. Wenn es in dieser Armee so viel Essen und so wenig zu tun gab, würde ich vermutlich in absehbarer Zeit hineinwachsen. »Zeig mir, wo ich hingehen muss!«
Judicael stand auf. Er schob sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht, ging zur Tür und sah zu mir zurück. »Gut. Komm!«


Ich empfand das erste Kapitel als guten Anfang, aber dann weicht die Luft mehr und mehr aus der Geschichte. Was mich am meisten stört: Das eine, offensichtlich militärisch gut aufgestellte Land, will den als Weichei bekannten Nachbarn überfallen o.ä. Spätestens nach obigem Kapitel könnte die Invasion bereits starten, denn die Vorurteile wurden alle bestätigt.
Wie bereits in meinem ersten Post, ist der Konflikt, der mich entweder mit Zamanshi oder der Geschichte mitgehen lässt, überhaupt nicht greifbar. Dazu kommt, dass Du zwar flüssig schreibst, aber, für mein Gefühl, zu wenig effizient, siehe meine Anmerkungen. Auch barg der laaange Dialog zwischen Zamanshi und Judicael keine Überraschungen und Wendungen, die Du nicht schon vorher angedeutet hättest. Den Namen nach zu urteilen, möchtest Du Fantasy schreiben, aber um was geht es in Deiner Geschichte?
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RocketJo
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Beitrag17.03.2019 12:45

von RocketJo
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Danke dir, Calvin.
Die Konfliktarmut ist das, was mir tatsächlch auch am meisten zu schaffen macht und ich bin mittlerweile auf dem Trichter, dass Zamanshi einfach nicht der Protagonist ist, jedenfalls hier noch nicht. Gegebenenfalls würde es völlig ausreichen, ein paar Details an der Armee von Sikav zu ändern (daran hatte ich vorher gar nicht gedacht. Aber ein Angleichen der Kräfte würde schon etwas bringen).

In der Geschichte geht es darum, dass Zamanshis Leute das Kloster der Schnecke (das heilige Zentrum der Welt) angreifen und vernichten wollen. Durch die zugrunde liegende Geographie müssen sie dafür allerdings durch Sidoa marschieren (und dieses Land auch gleich erobern, da unterschiedliche Weltanschauungen).
Problematisch an der Sache ist für mich bisher, dass Zamanshi die wahren Hintergründe nicht kennt, während einige der Soldaten in Sidoa sich den Hintergrund zwar denken können, aber zu sehr von sich überzeugt sind. Und dann natürlich Chidubem, der ja auch Initiative ergreifen will (so er denn nüchtern ist).

Das ganze ist der Setup-Arc. Sobald sie im Kloster sind und versuchen, den Krieg mit Hilfe der Schnecke zu beenden, läuft es auch für mich besser. Das Problem liegt irgendwo am Anfang und (vermutlich) bei meiner Konzeption von Zamanshi. Die Frage ist nur, was ich an ihm ändern müsste/ sollte/ könnte, um es interessanter zu machen.
Wichtig ist auch, dass Zamanshi die Seiten wechseln muss, ehe der Angriff stattfindet. Wobei mir gerade aufgeht, dass er auch ganz einfach geflohen sein könnte Shocked
Warum bin ich nicht eher auf die Idee gekommen?

Die Szene mit Judicael soll einerseits ihn einführen (durchaus negativ, ich will bei ihm Raum für Überraschungen lassen) und zum anderen ein Ereignis im zweiten Kapitel vorbereiten. Zamanshi wird einen Marakere mitbringen, der auch in dem Zimmer wohnen soll. Das ganze soll der Darstellung der unterschiedlichen Weltanschauungen dienen.
Aber zugegeben, der Szene fehlt es an etwas. Vermutlich auch an Zamanshis Charakter ...
______________________

Zum Gouverneur:
Ein Gouverneur ist die Bezeichnung für die Person, die einer Garnison vorsteht. Das kann, muss aber kein Offizier sein. In dem Fall habe ich mich für eine Personalunion entschieden und für ein wenig weniger Bürokratie, als eigentlich nötig ist, um mir Figuren zu sparen Wink
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Calvin Hobbs
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Beitrag17.03.2019 13:15

von Calvin Hobbs
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RocketJo hat Folgendes geschrieben:

In der Geschichte geht es darum, dass Zamanshis Leute das Kloster der Schnecke (das heilige Zentrum der Welt) angreifen und vernichten wollen.


Dann könnte/sollte/müsste die Geschichte für meinen Geschmack völlig anders beginnen. Der Leser kennt nicht das heilige Zentrum Deiner Welt, noch die Beweggründe Deiner Figuren, es vernichten zu wollen.
Was hat es mit diesem Kloster auf sich? Handelt es sich dann um einen Glaubenskrieg? Wodurch wird dieser ausgelöst? Warum sollte der Leser sich dafür interessieren?
Momentan sieht es so aus, als befändest Du Dich auf sehr dünnem Eis, denn eine Geschichte ohne grundlegende Prämisse führt (aus eigener Erfahrung) ins Nirgendwo.
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RocketJo
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Beitrag17.03.2019 13:27

von RocketJo
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Calvin Hobbs hat Folgendes geschrieben:
Dann könnte/sollte/müsste die Geschichte für meinen Geschmack völlig anders beginnen. Der Leser kennt nicht das heilige Zentrum Deiner Welt, noch die Beweggründe Deiner Figuren, es vernichten zu wollen.
Was hat es mit diesem Kloster auf sich? Handelt es sich dann um einen Glaubenskrieg? Wodurch wird dieser ausgelöst? Warum sollte der Leser sich dafür interessieren?
Momentan sieht es so aus, als befändest Du Dich auf sehr dünnem Eis, denn eine Geschichte ohne grundlegende Prämisse führt (aus eigener Erfahrung) ins Nirgendwo.


Dass es direkt am Kloster bzw. mit Erklärungen zu selbigem anfangen müsste, sehe ich nicht so. Die Hintergründe der eigentlichen Geschichte sollten sich schon langsam entwickeln. Ich meine, so sehr ich ein Fan von Colombo bin, so wenig mag ich das Prinzip, Mord und Mörder von Beginn an zu kennen, in anderen Krimis Wink
Wie gesagt, ich sehe das Problem bei Zamanshi und seinem Hintergrund. Wenn man ihn aus seinem Land flüchten lässt (weil er als Begabter unterdrückt wird), bringt der Charakter in sich mehr Konflikt mit. Der Hauptkonflikt muss sich viel langsamer aufbauen (meine Meinung). Du sagst ja schon, dass man zu Beginn eigentlich eher zu viel weiß und dieses Wissen dann mehrfach gedoppelt wird ^^

Und gerade das Rumgerudere am Anfang kommt daher, dass ich erst ab der Stelle im Kloster (der Versuch, den Krieg zu beenden und alles, was sich daraus entwickelt) tatsächlich einen Plot und eine Prämisse habe, während der Anfang "ein Experiment einer durchwachten Nacht" ist, sozusagen. Eine zum Spaß gebastelte Welt und dann die Frage: Was wäre, wenn ein Land die Magier anbetet und das andere sie verachtet? Welches Land würde wohl einen Krieg gewinnen und warum?
Jetzt sitze ich seit zwei Jahren daran, den Anfang an die Geschichte anzuschließen, denn wenn ich direkt im Kloster anfange, weiß der Leser definitv zu wenig (und ich will ihn an die Figuren bringen, was gerade bei Zamanshi schwer ist).

Mein Fazit:
Auch wenn ich bei dem Umfang den Horror davor habe, werde ich nochmal zurück an den Plot gehen und die Sache neu schreiben. Heißt ja nicht, dass alles gleich verloren ist. Und he, ich habe noch kein April-Projekt Razz
________________________________

Edit:
Weil schon "Prämisse" erwähnt wurde. Meine Geschichten gehen häufig nicht gut aus, ich bin da sehr von der Antike und Victor Hugo geschädigt, glaube ich Rolling Eyes
Da ich (trotz plotten) meine Prämisse nachträglich rausarbeite, ist sie denn auch meist negativ formuliert. Aber gleich in der ersten Szene den Lesern so etwas Negatives wie "Wenn du dein Schicksal nicht annimmst, verschlimmerst du deine Situation" um die Ohren zu hauen (bildlich gesprochen) ist sehr deprimierend, würde ich meinen? Oder bin ich blind genug, um keine passende positive Formulierung zu finden, nach der man die Figur(en) handeln lassen kann?
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