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Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Antiquariat -> Zehntausend 01/2019
Elastizität einer Linie

 
 
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Heidi
Geschlecht:weiblichReißwolf

Alter: 42
Beiträge: 1424
Wohnort: Hamburg
Der goldene Durchblick


Beitrag01.01.2019 20:00
Elastizität einer Linie
von Heidi
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Elastizität einer Linie


Leckt mich am Arsch, sagte Beck als er das Schulgebäude betrat, achte Klasse, Wechsel nach langen Jahren, weil er von der anderen geflogen war und ja, das Leben konnte ihn am Arsch lecken.
Beck war nicht blöd, nein, er war intelligent zur Welt gekommen, aber Greta behauptete, er sei ein Verlierer und Greta musste es wissen, sie war bei seiner Geburt dabei gewesen.

Beck hätte im Krankenhaus geboren werden sollen, aber seine Mutter reagierte nicht rechtzeitig, weshalb Beck am Strand zur Welt kam.
Ist ein Junge, sagte Greta zur Mutter, aber die Mutter antwortete nicht, sie sank zu Boden und sprach mit gequälter Stimme ein Stoßgebet, was ihr aber auch nicht half.
Tot, mausetot am Strand, exakt zwei Minuten nach Becks Geburt. Das Gebet waren ihre letzten Worte gewesen, so hatte Greta das Beck später erzählt.
Sie sagte: Beck, dein Leben hat mit dem Tod begonnen.

Und so fühlte sich Beck auch an diesem ersten Tag in der neuen Schule: tot. Oder es war eher der Bau, der im tot vorkam und ebenso tot auf ihn zurückstrahlte. Siebziger Jahre, trostlose Flure, biedere Klassenzimmer – nichts, was Beck innerlich ausgefüllt hätte und der eine Lehrer, der gab ihm den Rest.
Beck stand vor der Eingangstür, etwas verträumt und etwas breitbeinig – er dachte an Veronika aus der alten Schule, weil er ihr Haar mochte – und dann dieser Lehrer, der nicht an ihm vorbeikam und sich dann über ihn beschwerte, ihn zur Sau machte, weil Beck eben breitbeinig vor der Tür stand und ihm den Weg versperrte.
Das werde ich der Schulleitung melden, sagte der Lehrer. Name?
Beck guckte nur verwirrt, anstatt zu antworten. Ihm entging aber nicht, dass der Lehrer ihn misstrauisch betrachtete.

Vielleicht bin ich deshalb ein Verlierer, sagte Beck mit fünfunddreißig zu Kevin, denn Kevin konnte er alles anvertrauen, was ihn so bewegte. Beck bewegte in diesen Jahren einiges. Mit spätestens fünfunddreißig hatte er gehofft, endlich auch eine Familie zu gründen. Dazu fehlte ihm aber noch immer eine Frau.
Ich sag´s dir Kevin, mittlerweile glaub ich, dass es an meiner Mutter liegt – sie ist Schuld daran, dass ich bei den Frauen kein Glück habe. Warum musste sie krepieren am Strand. Ich frag mich, vielleicht wär sie nicht gestorben, wenn sie anstatt zu beten, einfach mich angeschaut hätte. Ich glaube, das wäre besser gewesen.
Kevin antwortete nicht, er zuckte nur mit den Schultern und trank einen Schluck Kaffee.

Mit sechs wurde Beck in einer Gesamtschule am sozialen Brennpunkt eingeschult. Becks Vater scherte sich einen Dreck um ihn, weshalb Greta, die damals gerade einen Job als Küchenhilfe angenommen hatte, ihn bei sich aufnahm. Eine miese kleine Wohnung mit dreizehn Katzen als Mitbewohner. Aber immerhin kein Mann an Gretas Seite, dafür alle paar Tage ein anderer Kerl, mit dem sie vögelte.

Beck war drei Jahre alt, als er einen verheirateten Polizisten mit Greta zusammen erwischte. Das Bild von dem Mann mit Teufelsmaske vor dem Gesicht, gefesselt an den Holzverstrebungen seines Hochbettes, prägte sich tief in Becks Bewusstsein ein. Greta saß nackt und verschwitzt auf dem Polizisten, bewegte sich vor und zurück. Als sie Beck sah, nahm ihr Stöhnen ein Ende.
Hau ab, du Idiot!
Und Beck tat, wonach sie verlangte.
Nach diesem Ereignis schaffte Beck es nicht mehr, in seinem Bett zu schlafen, wovon er Greta aber niemals erzählte. Er baute sich am selben Abend eine Höhle und kletterte dort hinein, um seine Ruhe für die Nacht zu finden.  

Als er knapp nach seinem dreiundvierzigsten Geburtstag Isolde kennenlernte, fühlte Beck sich zum ersten Mal in seinem Leben angenommen. Mit ihr erging es ihm ähnlich, wie mit der See, die ihn angenehm beruhigte, gerade an Tagen, an denen der Sturm über dem Wasser tobte und der Horizont in Bewegung geriet. Beck liebte die Gewalt, die aus den Wellen sprach und sich dann am nächsten Tag urplötzlich auflöste, indem Stille herrschte, keine Bewegung, nur sanftes Rauschen nach einer heftigen Nacht. Es war der Kontrast, der ihn erfüllte, auch tröstete und der sich – seinem Empfinden nach – dort am deutlichsten bemerkbar machte, wo Wasser und Himmel sich trafen.

Deshalb waren es die dankbaren Momente in Becks Leben, wenn Greta gemeinsam mit ihm zur See fuhr, um an die Mutter zu denken. Diese Tage empfand Beck als heilig, weshalb er Isolde an einem Frühlingstag – sie kannten sich etwas mehr als sechs Monate – direkt am Ort seiner Geburt, kurz vor Sonnenuntergang, fragte, ob sie seine Frau werden wolle. Die Wellen bewegten sich ruhig an diesem Tag und Isolde antwortete mit einem Lächeln. Sie zog ihre Sandalen aus, bohrte ihren großen Zeh in den Sand und küsste Beck, anstatt zu antworten.
 
Beck war in der neunten Klasse, als sein Lehrer sich über seine Haare beschwerte. Zu diesem Zeitpunkt hatte er dermaßen schlechte Noten, dass klar war, er würde auch hier abbrechen müssen, wenn er nicht rausfliegen wollte.
Du hast es voll drauf, sagte seine Kunstlehrerin dennoch zu ihm. Sie war der einzige Mensch in Becks Leben, der etwas Positives in ihm sah.
Reiß dich zusammen, schau, dass du irgendwie bis zum Abitur durchhältst und mach was aus deiner Kreativität. Du kannst alles, du bist alles.
Aber Beck glaubte nur Bilder in sich zu haben, die flüchtig in ihm herumschwirrten, sich aber wieder auflösten, ehe er sie zum Ausdruck bringen konnte. Der Zweifel war es, der ihn jedes Mal einholte. Und Gretas Stimme.

Ich will Indianer sein, verkündete Beck wenige Tage vor der Faschingsfeier im Kindergarten, für die er sich verkleiden sollte. Greta schaute ihn nur seufzend an.
Junge, aus dir wird nichts. Ich sag dir das. Du bist nichts. Wie soll was aus dir werden?, murmelte sie und Beck rümpfte die Nase, weil er den Geruch des Alkohols nicht mochte, den sie ausdünstete.
Trotzdem ließ er nicht locker: Darf ich mich als Indianer verkleiden?
Greta taumelte zum Kleiderschrank, stellte sich auf ihre Zehenspitzen und kramte aus dem hintersten Fach eine Maske heraus. Die eines Teufels.
Hier, was anderes hab ich nicht, waren ihre Worte und obwohl Beck schauderte, nahm er die Maske entgegen.

Einmal war Beck frühmorgens mit Kevin unterwegs. Sie waren damals Anfang zwanzig. Beck arbeitete, seit er kurz vor dem Abschluss die Schule hingeschmissen hatte, bei einer Gebäudereinigungsfirma und lebte auf dem Existenzminimum.
Wie geht´s dir auf Arbeit, fragte Kevin.
Beschissen, ich hasse es.
Kevin zuckte mit den Schultern; das tat er oft. Einfach mit den Schultern zucken. Dann drückte er Beck eine Flasche Wodka in die Hand. Sie tranken, während sie an der vierspurigen Straße entlangliefen.
Sei kreativ, oder so was Ähnliches, hat sie zu mir gesagt, erzählte Beck seinem Freund. Er meinte die Kunstlehrerin; es war Jahre her, als er zuletzt an sie dachte.
Kevin lachte. Verdammte Scheiße, das soll ein Witz sein, oder? Wie hat sie das denn gemeint?
Vielleicht so? Beck verpasste dem Blitzer, der am Fahrbahnrand stand, einen Tritt. Dann noch einen. Kevin tat dasselbe.
Mist, das tut verdammt weh, erklärte Kevin.
Beck blickte verstohlen in die Gegend. Er lachte, als ihm die Eisenstange ins Auge fiel, die in der Nähe auf einem Parkplatz lag.
Das ist für den Punkt letztens, brüllte er und prügelte auf den Blitzer ein. Meine ganz persönliche Kreativität.

Die Teufelsmaske wackelte etwas vor Becks Gesicht als er den Kindergarten betrat. Überall Girlanden und Konfetti, Beck rannte im Raum umher, wusste nicht so recht, was das sollte. Friederike ermahnte ihn, mal endlich ruhig zu sein und mit den anderen Kindern zu spielen, woraufhin Beck zu Marie rannte.
Fickerin, rief er dem Mädchen zu.
Um Himmels Willen, was sagst du da, Junge?, war Friederikes Reaktion gewesen. Komm mal zu mir.
Beck lief zu ihr und fasste ihr zwischen die Beine, woraufhin die Erzieherin mit entgeistertem Gesichtsausdruck zurückwich. Sie sagte nichts. Beck fasste noch einmal zwischen ihre Beine. Friederike hielt ihn fest, schalt ihn einen ungezogenen Jungen, drängte ihn in die hinterste Ecke, wo Beck mit Stühlen um sich schmiss. Friederike packte fester, brüllte mit ihm, aber es half nichts. Beck riss sich los, verschwand in der Puppenecke und verbrachte dort den restlichen Tag damit, monoton vor- und zurückzuwippen – das Gesicht noch immer mit der Maske bedeckt.

Die Hochzeit mit Isolde fand an der See statt, im nächsten Standesamt, das an dem Strand lag, an dem Beck geboren wurde. Nach der Trauung küsste Beck Isolde immer und immer wieder. Er konnte sein Glück nicht fassen.
Was willst du von einem Verlierer wie mir?, fragte er Isolde.
Sie spazierten gerade zur Pension, die günstigste, die in der Gegend aufzutreiben gewesen war.
Rede keinen Mist, Beck, sagte Isolde.

Im Zimmer zog Isolde sich aus. Ein Kleidungsstück nach dem anderen und Beck schaute ihr dabei zu.
Warte, ich hol noch was aus dem Koffer, sagte er plötzlich.
Isolde trat einen Schritt rückwärts als sie die Teufelsmaske sah.
Was willst du damit, Beck?, fragte sie.
Aber Beck erwiderte nichts, er zog sich stattdessen ebenfalls aus, platzierte die Maske vor dem Gesicht und ging auf Isolde zu, mit neutralem Ausdruck in den Augen.
Beck, du machst mir Angst.

Mit dreizehn sprühte Beck Farbe auf die Spielgeräte eines öffentlichen Spielplatzes und wurde dabei erwischt.
Ich sag´s dir, Beck, aus dir wird nichts, ich sag´s dir, waren Gretas Worte, als die Polizisten mit ihm vor der Tür standen.

Der Wind wehte die Maske davon, während Beck zum Strand lief, nackt und außer sich. Sturm war aufgezogen und Beck breitete die Arme aus.
Beck, komm zurück, rief ihm Isolde hinterher.
Beck drehte sich nicht um, er lief in den Sturm bis er das Wasser erreichte.
Aus dir wird nichts, hörte er Gretas Stimme. Ein Verlierer eben.
Eine Welle brach über ihn ein und riss ihn von den Füßen.
Du bist kreativ, hörte er die Stimme seiner Kunstlehrerin. Du bist alles.
Beck schmeckte Salz und spürte Schmerz in der Nase, in der Lunge.

Du bist alles.
Du bist nichts.

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lebefroh
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L

Alter: 43
Beiträge: 364
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Der bronzene Durchblick


L
Beitrag12.01.2019 20:58

von lebefroh
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Das gefällt mir sehr gut. Ich mag den unaufgeregten, lakonischen Stil.

Tolle Idee, das Leben nicht chronologisch zu erzählen.

Das Ende war mir vielleicht einen Ticken zu dramatisch.
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Herdis
Geschlecht:weiblichLeseratte


Beiträge: 134
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Beitrag13.01.2019 16:21

von Herdis
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Ein Leben im Zeitraffer. Diese Vorgabe ist für mich erfüllt.

Von der Mottovorgabe "(Un-)Haltbare Gegenwart "Die gestundete Zeit" von Ingeborg Machmann:
Die auf Widerruf gestundete Zeit
wird sichtbar am Horizont."
inspiriert oder sich damit auseinandersetzend?

Nicht wörtlich. Ansonsten ein Jein. Wenn man als Ausgangspunkt und wiederkehrendes Ziel die See bzw. den Strand, Anfang und Ende dort sieht sieht, dann ja. Vorgabe m.E. daher weitgehend erfüllt.

Ob E-Lit oder U-Lit- da halte ich mich (bei allen Texten, die ich hier bewerte) raus.

Beck hatte einen schweren Start ins Leben und es wurde, bis hin zu seinem überraschend selbst gewählten Ende, daraufhin auch nicht besser. Ein wenig gestolpert bin ich (ok, es muss nicht stringent sein) über die Wechsel der geschilderten Zeitpunkte (mal weiter zurück, dann vor, wieder zurück). Tut aber insgesamt keinen Abbruch, da ich den Text als sehr eindringlich empfunden und mit Beck mitgelitten habe. Und erst die Maske, die sich durch die Geschichte zieht und einen solchen Einfluss auf Becks Innenleben hat. Insgesamt leicht lesbar und verständlich.


_________________
"Wenn ich nicht schreibe, fühle ich, wie meine Welt schrumpft. Ich empfinde, wie ich mein Feuer und meine Farben verliere." Anais Nin

Online frei erhältlich:
Herbsttag (Zwischendurchgeschichten, WIRmachenDRUCK.de, 978-3-9817672-9-2)
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Heidi
Geschlecht:weiblichReißwolf

Alter: 42
Beiträge: 1424
Wohnort: Hamburg
Der goldene Durchblick


Beitrag13.01.2019 22:28

von Heidi
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-

Totem

Schläft unterm Baum
Augen auf halb
fellglänzend  
erinnert es

an die ersoffene Katze im Hafenbecken
deren Haar flüssig im Wasser schwebte

Schöntotes Wirr
mit Dach überm Kopf
Blättern aus Träumen
erwacht im Werk

wirke

-
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d.frank
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Alter: 44
Beiträge: 1122
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D
Beitrag14.01.2019 16:20

von d.frank
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Eigentlich ist das nicht schlecht, eigentlich ist das solide geschrieben und vom Aufbau her handwerklich gut gemacht. Aber es traut sich auch nichts. Man sieht einer Existenz beim Scheitern zu und dafür gibt es Gründe, die mitunter originell (fast zu originell) und dann wieder typisch sind. Mich hätte Isolde interessiert, als Charakter, weil sie und ihr Name wie ein Engel der Barmherzigkeit dahergeflogen kommen. Abschließend fühlte der Text sich an, als hätte ein Autor in die Figurenkiste gegriffen und sein Ensemble eher lieblos und rein nach Anweisung aufmarschieren lassen. Tut mir leid, ich hätte gedacht, ich könnte mehr darin sehen, aber am Ende ist der Text zwar gut gemacht, aber spröde.

_________________
Die Wahrheit ist keine Hure, die sich denen an den Hals wirft, welche ihrer nicht begehren: Vielmehr ist sie eine so spröde Schöne, daß selbst wer ihr alles opfert noch nicht ihrer Gunst gewiß sein darf.
*Arthur Schopenhauer
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firstoffertio
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Wohnort: Irland
Das bronzene Stundenglas Der goldene Spiegel - Lyrik (1)
Podcast-Sonderpreis Silberner Sturmschaden


Beitrag15.01.2019 00:31

von firstoffertio
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Das ist mir zu erfunden, zu sehr Geschichte.
Das Motto, Thema steht nicht im Mittelpunkt. Wird mir nicht ernsthaft, interessant genug behandelt. Mir scheint es mehr um einen Plot zu gehen hier. Der Schluss fast vorhersehbar.
Ich finde nichts Überraschendes, das mich zum Nachdenken anregen würde.
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Mardii
Stiefmütterle

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Beiträge: 1774



Beitrag15.01.2019 15:12

von Mardii
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Hier finde ich eine sehr gute Umsetzung des Biographie-Themas. Die Abweichungen von der Chronologie erscheinen mir sinnig. Sprachlich ist das sehr abwechslungsreich.

_________________
`bin ein herzen´s gutes stück blech was halt gerne ein edelmetall wäre´
Ridickully
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hobbes
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Beitrag15.01.2019 20:09

von hobbes
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Ach, der Beck war das unter diesem Titel. Apropos: Titel? Was will der mir sagen? Linie = Lebenslinie?

Kürzlich war ich wo und da sagte jemand zu jemand anderem, er, der andere, hätte kein Mitgefühl mit seiner Prota, im Gegenteil, er würde sie der Lächerlichkeit preisgeben.
Daran muss ich denken, wenn ich über Beck nachdenke. Weil, schwierig, da eine Linie (Verzeihung) zu ziehen, wo fängt das an mit dem lächerlich machen.
Was anderswo auch noch gesagt wurde, dass dieses lächerlich machen ja durchaus witzig ist und dann lacht man als Leser darüber und fragt sich gleichzeitig, ob man jetzt wirklich noch ein netter Mensch ist, wenn man lacht.
Tja nun. Da muss ich wohl noch eine Runde darüber nachdenken.

Was ich mich auch frage, beim zweiten Lesen: Warum dieses hin und herspringen? Wir sind in der achten Klasse, dann bei der Geburt, dann ist er sechs, dann ist er drei, usw.
Und es gibt auch meist keine inhaltliche Verknüpfung, keine Assoziationskette, die mich von a nach b bringt (oder falls doch, habe ich sie nicht gefunden).
Das führt dann dazu, dass ich beim Lesen andauernd versuche, das Gelesene irgenwie auf die Reihe zu kriegen. Wo bin ich gerade, wie passt das zu dem, was ich schon gelesen habe, usw.
Auch hier wieder die Frage nach dem Mehrwert - warum machst du das so, hat das womöglich einen tieferen Sinn, den ich noch nicht durchschaut habe.

Tja, Text. Du bekommst zwei Punkte von mir, auch wenn ich dabei ein schlechtes Gewissen habe. Weil ich vermute, wenn ich mir das ganz genau anschaue, sind andere Texte vielleicht doch besser, aber nun ja, ich habe Beck ins Herz geschlossen und bin da ein wenig irrational.
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Nihil
{ }

Moderator
Alter: 34
Beiträge: 6039



Beitrag16.01.2019 17:02

von Nihil
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Mir gefällt diese Geschichte ganz gut. Die Biographie eines Jungen, der schon von Geburt an kaputt ist bzw. dem von der Schwester und der übrigen Gesellschaft das Bild des Kaputten eingeredet wird. Das klingt ein bisschen nach den Themen eines Max Frisch. Leider geht dieser Text im direkten Vergleich nicht in die Tiefe wie ein „Mein Name sei Gantenbein“. Ein Sitten- oder Milieubild soll gezeichnet werden, das gelingt auch größtenteils. Erzählt ist das solide. Was mir genau fehlt, kann ich gar nicht exakt sagen, vielleicht ist es das leicht nervöse Zucken meines Klischeeradars, etwa beim Selbstmord am Ende, der wenigstens angedeutet wird, oder die etwas zu krasse Schwarz-Weiß-Zeichnung vor allem der Schwester. Die schiebt ihrem Bruder die Schuld für den Tod der Mutter in die Schuhe und bedenkt ihn mit naseweißen Sprüchen wie:
Zitat:
Beck, dein Leben hat mit dem Tod begonnen.
Ich habe das Gefühl, dass mir hier Tiefgründigkeit verkauft werden soll, die aber über einen dualistischen Ansatz nicht hinausgeht und leider zur Phrase verkommt.

Vielleicht ist es auch die implizite Weltanschauung, die mich von einer höheren Punktzahl abhält. Aus nichts kann doch nichts werden und siehe da, es wurde nichts. Das klingt nach einer These, die bewiesen werden sollte, aber mehr Vorurteil darstellt als eine soziologische Forschungsfrage. Ja, ich glaube, es ist die Simplizität dieser Aussage, die mich am meisten stört. Darauf will ich auch gar nicht länger rumreiten, denn es gibt ja auch „schöne“ Szenen. Gefallen hat mir, wie der junge Beck Greta beim Sex unterbricht und ihren Lover mit Teufelsmaske sieht – und wohl denkt, „so gehe Sex“, und sie sich prompt selbst aufsetzt. Das implizit und ohne Holzhammer gezeigt zu bekommen, hat mir gut gefallen. Alles in allem untere Top Ten.
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Tape Dispenser
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T


Beiträge: 272



T
Beitrag16.01.2019 22:44

von Tape Dispenser
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Auch hier wieder ein chronologisch fragmentiertet Text, der mir von der Machart zu schlicht gestrickt ist. Ob man als Dreijähriger schon versteht, was die Schwester so treibt, wenn sie mit einen Polizisten, der eine Teufelsmaske beim Vögeln trägt, entzieht sich meiner Kenntnis. Scheint mir aber hier nur der Aufhänger zu sein, um mit diesem Symbol die Geschichte weiterspinnen zu können.

Sätze wie "Dein Leben fängt mit dem Tod an" scheinen dann ebenso nur geschrieben worden zu sein, weil es so schön dramatisch klingt.

Warum er sich am Schluss mitsamt Teufelsmaske in die Fluten stürzt, finde ich unlogisch. Schließlich konnte er sein Glück mit Isolde ja vorher nicht fassen. Jetzt, wo er mit 42 Jahren endlich jemanden gefunden hat. Nun rennt sie ihm sogar nach, und Beck hat nichts Besseres zu tun, als an seine alte Kunstlehrerin zu denken und an seine Schwester.

Das ist mit alles zu schlicht und zu Schwarzweiß. Die Symbolik mit der Teufelsmaske empfinde ich auch als zu willkürlich gewählt und sein Verhalten zu gewollt auf das Ende gebogen.
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Literättin
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Das silberne Stundenglas Der goldene Roboter
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Beitrag17.01.2019 08:44

von Literättin
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Ein kraftvoller Text, der mich mitnimmt: kompromisslos in seiner Schreibe verliert er unterwegs an Kraft, wo die stringente Formulierkunst auf der Strecke bleibt, in etwa hier, wo nur noch alltäglich erzählt wird:
Zitat:
Vielleicht bin ich deshalb ein Verlierer, sagte Beck mit fünfunddreißig zu Kevin, denn Kevin konnte er alles anvertrauen, was ihn so bewegte. Beck bewegte in diesen Jahren einiges. Mit spätestens fünfunddreißig hatte er gehofft, endlich auch eine Familie zu gründen. Dazu fehlte ihm aber noch immer eine Frau. 
Ich sag´s dir Kevin, mittlerweile glaub ich, dass es an meiner Mutter liegt – sie ist Schuld daran, dass ich bei den Frauen kein Glück habe. Warum musste sie krepieren am Strand. Ich frag mich, vielleicht wär sie nicht gestorben, wenn sie anstatt zu beten, einfach mich angeschaut hätte. Ich glaube, das wäre besser gewesen. 
Kevin antwortete nicht, er zuckte nur mit den Schultern und trank einen Schluck Kaffee. 


Und doch ein starker Text, der etwas in Bewegung, etwas ins Schwingen bringt. Trocken lakonisch erzählt (bis auf Ausreißer wie oben), berichtet er von einem wahrhaften Lebensdrama und von einem gewordenen „Scheusal“ namens Beck, den ich tatsächlich trotz allem mögen kann: der hat was mitgemacht. Die Geschichte, die hinter Beck liegt, die beißt. Die Geschichte, die hinter Beck liegt, ist eine Tragödie, wie sie das Leben schreibt. Die Vergeblichkeit seiner Versuche dem zu entkommen, tun weh. Insofern ein gelungener E-Text. Die Vorgaben erfüllt, doch das Thema? Die Sache mit der (Un)Haltbarkeit der gegenwart und dieses Zeitdings? Ich muss es suchen. Es klingt nicht durch. Es sei denn, in Form der Kontinuität, der man nicht entrinnen kann, aus der es keinen Ausweg gibt?

Die Elastizität einer Linie: sie reißt nicht, die gerade Linie der Abstammung. Sie wird ungebrochen fortgeführt mit diesem düsteren Erbe, die sie trägt?

Jedenfalls: ich bin am Ende des Textes echt gebeutelt. Positiv gemeint.

Und es gibt einen Lieblingssatz in diesem Sinne:

Zitat:
Der Wind wehte die Maske davon, während Beck zum Strand lief, nackt und außer sich.


_________________
when I cannot sing my heart
I can only speak my mind
- John Lennon -

Christ wird nicht derjenige, der meint, dass "es Gott gibt", sondern derjenige, der begonnen hat zu glauben, dass Gott die Liebe ist.
- Tomás Halík -

Im günstigsten Fall führt literarisches Schreiben und lesen zu Erkenntnis.
- Marlene Streeruwitz - (Danke Rübenach für diesen Tipp.)
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Kiara
Geschlecht:männlichReißwolf

Alter: 44
Beiträge: 1404
Wohnort: bayerisch-Schwaben


Beitrag17.01.2019 11:19

von Kiara
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Dies ist eine Standard-Antwort: Vielen Dank für deinen Text! Ich bitte um Verständnis, dass ich (momentan) keine Begründung dafür abgebe, warum du von mir Punkte bekommen hast. Das liegt unter anderem daran, weil die (sogenannte) Klassifizierung von E-Literatur wenigstens teilweise subjektiv ist.
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V.K.B.
Geschlecht:männlich[Error C7: not in list]

Alter: 51
Beiträge: 6151
Wohnort: Nullraum
Das goldene Rampenlicht Das silberne Boot
Goldenes Licht Weltrettung in Silber


Beitrag19.01.2019 03:18

von V.K.B.
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Hallo Inko,
schlechte Karten, zuvor habe ich gerade einen der besten Texte gelesen, den ich je im Forum gesehen habe. Schwierig, da mitzuhalten. Ich hoffe, es gelingt mir, neutral zu sein.

Erstmal die Form: Sprache ist relativ Standard, ein paar schöne Formulierungen, aber auch ein paar Fehler. Logisch auch: Beck sieht die Teufelsmaske mit drei Jahren und erinnert sich später daran? Weiß, dass der Mann verheiratet und Polizist war? Schwer zu glauben. Meine frühsten, klaren Erinnerungen gehen bei vier los. Meine siebenjährige Tochter erinnert sich auch nicht mehr an Dinge, als sie drei war, sagt sie. Dieser prägende Moment ist für mich – zumindest in dieser Form – unlogisch. Und damit zerfällt die ganze Geschichte ein bisschen.

Kommen wir zu Motto und Thema: die auf Widerruf gestundete Zeit am Horizont, wo isse? Und wo ist die (un)haltbare Gegenwart? Ja, alles ein bisschen angedeutet, aber nicht wirklich Thema und Motto. In den Kategorien muss ich in meiner internen Wertung Abzüge machen.

Okay, genug gemeckert. Eigentlich gefällt mir die Geschichte. Bis auf den Schluss. Er rennt ins Meer und ertränkt sich? Ist mir irgendwie zu billig. Oh, verdammt, ich meckere ja schon wieder. Ich mag die Darstellung des Jungen, der nicht hineinpasst, das Unverständnis der anderen, wie er aufgrund seines unangepasst-sein nicht hineinpasst und das zu spüren bekommt. Dann gibt es diese eine Person, die Kunstlehrerin, die ihn verstanden hat, aber trotzdem zerbricht er an der Welt, an sich selbst. Doch die Stimme und die Worte prägen, wie all das andere, negative. Eine einzige Gegenposition reicht nicht aus, er schafft es nicht, diese Worte und diese Sichtweise anzunehmen. Dort liegen die Stärken deines Textes.

Ich hab ihn gerne gelesen, aber letzendlich kann ich ihn nur im Mittelfeld meiner internen Wertung platzieren. Schade irgendwie, ich mag den Text.

Beste Grüße,
Veith


_________________
Hang the cosmic muse!

Oh changelings, thou art so very wrong. T’is not banality that brings us downe. It's fantasy that kills …
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Catalina
Geschlecht:weiblichEselsohr

Alter: 51
Beiträge: 427
Wohnort: Kehdingen


Beitrag19.01.2019 13:36

von Catalina
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Dein Text geht mir unter die Haut. Beim armen Beck ist eigentlich so ziemlich alles falsch gelaufen. Gut, dass da Kevin ist, eine Konstante, die Trost spendet.

Ein starkes, offenes Ende: sicherlich wird bei Beck immer diese Ambivalenz bleiben, doch glaube ich auch, es wird eine Tendenz in die eine oder andere Richtung geben. In welche, ist dem Leser überlassen, so denn der überhaupt will. Ich mag das sehr. "Weichen des Lebens", habe ich mir an den Rand geschrieben.  

Auch das chronologische Springen gefällt mir gut.

Die gestundete Zeit oder die (un)haltbare Gegenwart ist nicht ganz so offensichtlich, fehlt aber auch nicht ganz. Mit der Vorgabe der Zeitraffung habe ich hier ein wenig Probleme. Stark gerafft ist nichts, es sind mehr einzelne, ausgewählte Szenen aus Becks Leben. Aber bei Deinem Text kommt mir das wie Haarspalterei vor. Er ist für sich einfach sehr stimmig.

Den Titel finde ich für die Vorgaben unglaublich treffend. Das Leben als Linie, die Elastizität als Zeit mit relativer Größe. Das Blöde ist nur, ich finde dabei keine Verbindung zum Text. Oder sagen wir, zum Text schon, nur nicht zum Inhalt.

Ein Text, der auf die Tiefe des Inhaltes wirkt, aber mich kaum zu Gedankenspielen einlädt.  

Aufgrund der harten Konkurrenz habe ich leider keine Punkte mehr, obwohl Du welche verdient hättest.
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Municat
Geschlecht:weiblichEselsohr

Alter: 56
Beiträge: 353
Wohnort: Zwischen München und Ingolstadt


Beitrag21.01.2019 12:27

von Municat
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Moin Inko smile

Man könnte schon sagen, dass sich eine traurige Linie durch Becks Leben zieht: Von dem Tod seiner Mutter (für den er abwechselnd ihr und sich selbst die Schuld gibt) über die unsägliche Ziehmutter, die ihn mit ihrem Sexleben schockiert und ihm die verhasste Teufelsmaske aufzwingt, die überforderte Erzieherin, die die Gründe für sein flegelhaftes Verhalten nicht erkennt und ihn mit seinen Qualen alleine lässt, bis hin zu Kevin, der ihn in seinen destruktiven Verhaltensmustern noch unterstützt. Fast schon logisch, dass Beck zu einem renitenten Jugendlichen wird, dass er aneckt und Persönlichkeitsstörungen entwickelt. Der Weg zu dem Punkt, an dem er sich ins Meer stürzen will (so sehe ich das Ende) scheint vorgezeichnet.

Und doch wird diese Linie wie ein elastisches Gummiband von der vorgezeichneten Strecke weg gezogen, in andere Richtungen gedehnt. Da ist die Kunstlehrerin, die sein Talent erkennt, da ist Isolde, die ihn wohl wirklich liebt, wie er ist. Fast sieht es so aus, als würde Beck die Kurve kriegen, aber dann schnalzt das Gummiband wieder zurück. Er schockiert Isolde mit der Maske, erkennt, dass sich die Ereignisse wiederholen und läuft davon.

Klar bedienst Du hier Klischees, aber eben nicht auf eine plumpe Art, sondern mit Hintergedanken.

Beck bekommt die positiven Aspekte nicht gepackt und festgehalten. Da sehe ich das Thema. Anspruchsvoll ist der Text auch. Du nennst seine psychischen Probleme nicht beim Namen (er würde bestimmt auch abstreiten, dass er welche hat), beschreibst Symptome und Auswirkungen aber sehr genau.

Punkte vergebe ich erst, wenn ich alle Beiträge kommentiert habe.

EdiTier
2 Punkte


_________________
Gräme dich nicht, weil der Rosenbusch Dornen hat, sondern freue dich, weil der Dornbusch Rosen trägt smile
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Eredor
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Goldene Harfe Pokapro III & Lezepo I


Traumtagebuch
Beitrag21.01.2019 12:50

von Eredor
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Das ist die erste Geschichte, bei der ich mit voller Überzeugung und ohne jeden Zweifel sagen kann: Ja, hier wurde die Zeitraffungs-Vorgabe sinnvoll umgesetzt. Und zwar so sinnvoll, dass sie eins mit dem Text wird, dass sie ein Leben als Psychogramm erzählt - in authentischen, satten Bildern. Zu kritisieren habe ich das Ende, obgleich ich verstehe, warum es in der Dramaturgie des Textes so eintreten muss, um das Leben zu beenden. Ich finde die Faschingsszene noch gut, das Kind wird hinter der Teufelsmaske zum Täter, wird Teil seiner (vermutlich nur schwach vorhandenen) Erinnerungen, als er 3 Jahre alt war. Dazwischen - dazwischen ist mir zu schwach ausgeprägt, warum Beck, der ja stellenweise ein echt normaler Typ zu sein scheint, in der Hochzeitsnacht mit Isolde so ausrastet. Das ist für mich psychoanalytisch nicht mehr erklärbar mit den Informationen, die ich aus dem Text erhalte. Wenn dich eine Maske so sehr prägt, dass du sie sogar zur Hochzeit mitnimmst, dann hat sie auch einen sehr hohen Stellenwert in deinem Leben. Und um den kommst du nicht herum, das äußert sich entweder in Gedanken, Handlungen oder zumindest Träumen. Einen solchen fortwährenden Bezug hätte ich mir gewünscht, um das Ende realistischer erscheinen zu lassen.
Aber weißt du was? Gibt trotzdem Punkte. Genug.


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"vielleicht ist der mensch das was man in den/ ersten sekunden in ihm sieht/ die umwege könnte man sich sparen/ auch bei sich selbst"
- Lütfiye Güzel
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MoL
Geschlecht:weiblichQuelle


Beiträge: 1838
Wohnort: NRW
Das bronzene Stundenglas


Beitrag21.01.2019 20:42

von MoL
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Böse, böse, lieber Inko, aber auch verflixt gut geschrieben! Mein Platz 3. Smile

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NEU - NEU - NEU
gemeinsam mit Leveret Pale:
"Menschen und andere seltsame Wesen"
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Hexenherz-Trilogie: "Eisiger Zorn", "Glühender Hass" & "Goldener Tod", Acabus Verlag 2017, 2019, 2020.
"Die Tote in der Tränenburg", Alea Libris 2019.
"Der Zorn des Schattenkönigs", Legionarion Verlag 2021.
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lilli.vostry
Wortschmiedin


Beiträge: 1219
Wohnort: Dresden


Beitrag22.01.2019 00:15
aw:ElastizitäteinerLinie
von lilli.vostry
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Hallo,

der Titel hat mich neugierig gemacht, er steht in starkem Kontrast zum starr-festgefügten, trostlosen, unabänderlichen Inhalt, eines scheinbar von vornherein zum Scheitern verurteilten Lebens; da es mit dem Tod begann??! Die Mutter fiel nach seiner Geburt am Strand tot um...

Seither läuft alles schief in Becks Leben - so heißt er - kurze Passagen aus der Schulzeit und Erwachsenenleben, immer vor und zurück springend, schildern ihn als Verlierer. Geprägt von schlechtem sozialen Millieu und negativen Glaubenssätzen seiner Ziehmutter Greta: "Du bist nichts, aus dir wird nichts..."

Nur die Kunstlehrerin glaubt an ihn: "Du kannst alles, du bist alles."
Doch damit kann er nichts anfangen, die anderen negativen Sätze wirken stärker...

Mit 43 lernt er eine Frau, Isolde, kennen und heiratet sie am Strand.
Doch er tut mit ihr, was er als Kind sah, setzt eine Teufelsmaske auf und macht ihr Angst damit und geht ins Wasser... Sieht keinen anderen Ausweg für sich.

Schade. Spannender Stoff, berührend, steckt viel drin; leider wirkt die Geschichte in dieser Form auf mich arg konstruiert, bizarr, einseitig... Dass er sich einfach so damit abfindet, ein Verlierer zu sein und nichts gegen diese vorgefassten Meinungen über ihn zu tun weiß, außer Alkohol und Gewalt, nehme ich ihm nicht ab und ist mir zu wenig für eine gute, gelungene Geschichte mit wirklichem Tiefgang.
So bleibt nichts außer Mitleid und auch Unverständnis mit dieser Figur, Beck, der doch sicher auch mindestens eine gute Seite hat??! Unklar bleibt, was Isolde an ihm toll findet, wenn sie ihn immerhin heiratet?!

Und woher weiß der Dreijährige, dass der Mann, mit der Teufelsmaske, mit dem Greta gerade Sex hat, ein "verheirateter Polizist" ist?

Hier bleibt mir zu viel unklar, nicht glaubhaft formuliert.

Daher bist Du leider nicht unter meinen zu befedernden Texten.


Grüße,
Lilli


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Michel
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Alter: 52
Beiträge: 3376
Wohnort: bei Freiburg
Das bronzene Bühnenlicht Das goldene Niemandsland
Der silberne Durchblick Der silberne Spiegel - Prosa
Silberne Neonzeit


Beitrag22.01.2019 15:56

von Michel
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Ein verlorenes Leben, in kurzen Episoden erzählt. Mutter tot, Vater gleichgültig, Greta Domina, Lehrer furchtbar, Kind übergriffig, Schule abgebrochen, Arbeit scheiße, Hochzeit Erlösung, Teufelsmaske zerstört alles, Beck ersoffen. Lapidar, knapp, präzise, inhaltlich nur schwer auszuhalten. Reicht das für E? Gefühlt eher nicht. Ungewöhnlich sind vielleicht die Zeit-Verwerfungen des nicht linear erzählten Lebens, aber sprachlich finde ich wenig, das nachhallt.
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Jenni
Geschlecht:weiblichBücherwurm


Beiträge: 3310

Das goldene Aufbruchstück Die lange Johanne in Gold


Beitrag23.01.2019 01:19

von Jenni
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Beck ist als Waisenkind aufgewachsen, hat es nicht leicht gehabt, wurde öfter mal entmutigt, aber nicht nur, so einfach ist es nicht im Leben. Und das finde ich toll gemacht, durch die Auswahl der Momente, von denen du erzählst, und vor allem durch deren Anordnung, deutest du mehrere Verläufe an, die das Ganze nehmen könnte, zwingst mich beim Lesen immer wieder mein Urteil in Frage zu stellen, und so bleibt auch das Ende in dieser Hinsicht offen, welcher Beck wird sich da manifestieren. Erzählt in so einem spröde witzigen Tonfall, der aber Platz für den nötigen Ernst machen kann, wo es nötig wird. Solcherart Spiel mit der Wirklichkeit lese ich nicht nur sowieso gerne, sondern du setzt damit auch toll das Thema (Un-)Haltbare Gegenwart um. Und von den Texten, die nach Vorgabe 1 erzählt sind, also ein ganzes Leben umfassen, finde ich, dass dieser am meisten daraus macht.

Punkte ja, wie viele, das entscheidet sich noch, wenn ich alles gelesen und kommentiert habe.

Ha, zehn am Ende, wer hätte das gedacht. Ich nicht, weil der Text mich jetzt nicht sofort völlig vom Hocker gehauen hat. Aber letztlich finde ich hier sowohl Thema/Vorgaben konsequent umgesetzt, als auch eine Geschichte, die ich gerne lese und die mich zu interessieren weiß.
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nebenfluss
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Beiträge: 5987
Wohnort: mittendrin, ganz weit draußen
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Beitrag25.01.2019 16:57

von nebenfluss
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Hallo Inko,

ja, das ist gut gemacht, dieses geraffte Leben, obwohl es aus meiner Sicht auch chronologisch funktioniert hätte. Das scheint mir eher eine Spielerei zu sein. Macht aber nichts.

Auch den schnodderigen Tonfall mag ich, passt zum Milieu, aus dem Beck zu stammen scheint. Die Mutter ist vielleicht etwas überzeichnet, aber was weiß ich schon von solchen Müttern.


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"You can't use reason to convince anyone out of an argument that they didn't use reason to get into" (Neil deGrasse Tyson)
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anderswolf
Geschlecht:männlichReißwolf


Beiträge: 1069



Beitrag25.01.2019 17:06

von anderswolf
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Beck mich am Ärmel, das ist ja mal eine überzogene, gleichzeitig nachvollziehbare Geschichte. Das Kind verschiedenster Traumata, aus verschiedenen Perspektiven betrachtet, mal von vorn, mal von hinten, mal mit, mal ohne Maske, immer aber ohne Selbstbewusstsein. Beck, der arme Teufel, dem die Wertekoordinatoren nix Brauchbares mitgegeben haben.
Moral von der Geschicht: Pass auf, was Du dem Kinde sagst und zeigst, es fällt schneller in den Brunnen, als Du es mit dem Bade ausschütten kannst. Herzlich willkommen im Gulasch sozialer Verwahrlosung.
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