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Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Antiquariat -> Zehntausend 01/2019
Coming Home for Christmas

 
 
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Michel
Geschlecht:männlichBücherwurm

Alter: 52
Beiträge: 3376
Wohnort: bei Freiburg
Das bronzene Bühnenlicht Das goldene Niemandsland
Der silberne Durchblick Der silberne Spiegel - Prosa
Silberne Neonzeit


Beitrag01.01.2019 20:00
Coming Home for Christmas
von Michel
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Der Flugkapitän schwenkt auf die Anfluggrundlinie ein und beginnt kurz hinter Essen und parallel zur A 52 mit dem finalen Sinkflug. Mit 28 Knoten bläst der Südwestwind die letzten Fetzen der niedrigen Wolkendecke davon und lässt am Horizont die Landebahn des Flughafens Düsseldorf in der blassen Nachmittagssonne glänzen. Leichter Gegenwind, keine Turbulenzen, ein Bilderbuchanflug. Kontrolliert sinkende Treibstoffreserven, Handgriffe, Ansagen aus dem Tower, Checks und Gegenchecks, entgegen seinen Befürchtungen läuft alles so routiniert ab wie immer.
Er stellt sich vor, dass aus dem ausgeklappten Fahrwerk des Airbus eine imaginäre Kamera alles aufnähme, was in diesem Moment unter dem Flugzeug geschähe. Nicht die banale Satellitensicht auf Flachdächer, Baumkronen und Verkehrsadern, sondern eine Art Röntgenblick auf alle Abläufe, Geschichten, Augenblicke, die Empfindungen aller Menschen, über die just in diesem Moment der Rumpf des Airbus schwebt, und nicht nur die Szenen, sondern auch ihr Verwobensein miteinander, vielleicht sogar mit dem Airbus, den er gerade steuert, die Ursachen und Folgen, die jeweils wieder Ursachen neuer Folgen darstellten, bis sich im Sucher der imaginären Kamera ein Netz zeigte, das die Beteiligten dieses Dramas, die dort unten so bezugslos nebeneinander herleben, untrennbar aneinanderkettete mit Unmengen an Daten, Bytes, Beziehungen, Verbindungen, von denen auch nur eine einzige Minute auszuwerten ein Menschenleben nicht ausreichen würde.
Nun, dann hätte er ab morgen wenigstens etwas zu tun.
Die letzten Augenblicke seiner Karriere gleiten an ihm vorbei. Ein kurzer, intensiver Blick aufs Steuerhorn, der unterdrückte Wunsch, noch eine Ehrenrunde um den Tower zu drehen, bevor die Check-Routinen der Landung wieder seine volle Aufmerksamkeit fordern.
Zweitausend Fuß unter ihm setzt ein Geschäftsführer im Arbeitszimmer seines Privathauses den Brieföffner an, schlitzt die sauber verklebte Lasche des Einschreibens und entnimmt ihm das Dokument, das seinen Hinauswurf verkündet. Das Logo der Firma blickt ihm entgegen, ein stilisiertes Auge, das jede seiner Bewegungen aufzuzeichnen scheint, wachsam und gleichgültig zugleich registriert, wie er die DIN-Lang-Faltung glattstreicht und den Umschlag achtlos auf den Schreibtisch fallen lässt. Kündigung Ihres Arbeitsverhältnisses, schreit die Betreffszeile über dem üblichen Gewäsch, das er in der letzten Zeit schon viel zu oft selbst abgezeichnet hat. Das Schreiben in seiner Hand trägt dagegen die Unterschrift des Eigners der Firma, mit den besten Wünschen für die Zukunft, fehlt nur noch „Frohe Weihnachten“. Hätte der Firmeninhaber ihm nicht ständig hineingepfuscht mit seinen völlig überzogenen Vorstellungen von kreditfinanziertem Wachstum, dann wäre dieser Brief niemals geschrieben worden und zahllose andere auch nicht.
Er kennt seine Kontoauszüge. Die Reserven werden eine Weile reichen, aber die Raten aufs Haus lassen sie zügig sinken und verknappen die Zeit, die ihm noch bis zur Landung in einem anderen Unternehmen bleibt. Natürlich hätte er schon vor Monaten mit der Suche beginnen müssen. Ob man ihn nun aus gekündigter Stellung woanders einstellt, steht in den Sternen. Ein Schatten scheint über das Haus zu streichen und hinterlässt es dunkler als zuvor.
Die Stewardess in der Passagierkabine ermahnt ein letztes Mal den Geschäftsmann in Reihe drei, seinen Laptop endlich herunterzufahren und das Tischchen hochzuklappen, die Sicherheitsbestimmungen kann sie nicht einmal für ihn unterlaufen; sie lächelt eisern, bis er widerstrebend den Deckel des Geräts schließt, auf dessen Bildschirm lange Zahlenkolonnen in Rot den endgültigen Ruin seiner Firma verkünden. Er hätte den Geschäftsführer schon viel früher entlassen sollen, der einfach zu feige war, auch mal eine größere Investition in die Zukunft zu wagen. Immer das Gleiche: Wer stehenbleibt, fällt zurück. Nun wird auch der Rauswurf den Zusammenbruch seines Lebenswerks nicht mehr verhindern. Morgen früh geht das Schreiben ans Gericht, übermorgen steht der Konkursverwalter vor der Tür.
Der Airbus überfliegt Ratingen-Hösel und die imaginäre Kamera fokussiert eine Mutter, die ihre beiden Kinder antreibt, schnell, entscheidet euch endlich! Als das Mädchen noch immer zwischen Pferdefiguren und einem Buch über die Abenteuer zweier Springreiter schwankt, entreißt die Mutter ihr die Pferde und wirft sie in den offenen Umzugskarton, mit dem sie die Treppe hinunterpoltert. Komm jetzt endlich, zieh die Schuhe an! Der Junge wartet schon unten. Er hat nichts außer dem Smartphone eingepackt, doch jetzt rennt er in Winterstiefeln in sein Zimmer zurück, greift wahllos nach zwei Fußballzeitschriften und eilt wieder hinab, wo die Mutter ihn durch die Tür zerrt, hinaus in Sicherheit, weg von dem Haus, in dem schon lange nur noch Prügel auf sie warten. Sie hat es lange genug versucht, es geht einfach nicht mehr, und wenn die Firma wirklich pleite ist, wird es nur noch schlimmer werden. Gehen, zu den Eltern fliehen, bevor er vom Flughafen zurück ist. Das Heulen eines landenden Jets über ihnen lässt ihr den Schweiß auf die Stirn treten, bevor es in der Ferne verklingt.
Im Airbus klammert sich der Passagier in Reihe eins mit nassen Perlen auf der Stirn an die Armlehnen und lauscht auf das verhaltene Stottern seines Herzens, obwohl ihm nicht der Flug Angst macht sondern das, was folgen wird. OP-Termin übermorgen, Ausgang ungewiss. Er wusste immer, dass er mit diesem Herzen nicht alt würde, aber nun sind es auf einmal keine achtundvierzig Stunden mehr, bis sie ihn vielleicht mit einer Marke am Zeh in den Kühlraum schieben. Er kann nicht glauben, dass auf der anderen Seite seine Frau auf ihn wartet. Es drängt ihn, den Flugkapitän dort hinter der Tür zu bitten, noch eine Extrarunde zu drehen. Solange sie fliegen, ist der OP weit weg.
Sein Sohn will ihn mit dem Auto abholen, wenn er sich an Baggage Claim vorbei zum Ausgang durchgekämpft hat. Sein Sohn, der eben die Ampelanlage mit einem Fluch bedenkt, die den Weg auf die A 52 reguliert; halb Ratingen scheint sich auf den Weg zu den Arrivals zu machen. Die Ampel schaltet auf Grün, doch als er Gas geben will, stottert der Motor und stirbt ab. Das Hupen hinter ihm pflanzt sich durch die Reihe der Wartenden fort; schließlich schert sein Hintermann aus und zieht mit aufheulendem Motor an ihm vorüber; der ausgestreckte Mittelfinger verspottet Chris Rea, der glückselig-heiser aus den Lautsprechern klingt. Der Anlasser orgelt hilflos gegen die unbarmherzig verstreichende Zeit an. Es stottert ja so manches in diesen Tagen. Er hätte Vater doch sagen sollen, dass Ingrid letzte Woche ausgezogen ist zu ihrem Neuen. Doch der Vater war zu gefangen in seiner Angst, um die vorsichtigen Andeutungen zu verstehen. Zu Weihnachten ist er ohnehin nicht da, entweder auf Intensiv oder beim Bestatter, so hat er es am Telefon genannt und dabei nervös gelacht. Fast zu spät zum Reden, vielleicht endgültig. Kein Tannenbaum dieses Jahr.
Tausend Fuß. Die automatische Höhenansage lässt die imaginäre Kamera erlöschen und lenkt die Aufmerksamkeit des Flugkapitäns auf die letzten Sekunden bis zum Ausschweben.

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Tape Dispenser
Geschlecht:männlichEselsohr
T


Beiträge: 272



T
Beitrag12.01.2019 16:05

von Tape Dispenser
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Eine der Einflugschneisen des Düsseldorfer Flughafens als Gebiet/Region. Der Flugkapitän als Vorbereiter für die darauf folgenden Einzelschicksale, deren Protagonisten teilweise miteinander verknüpft sind.

Im Flugzeug: Kapitän, Firmeninhaber, Herzkranker
Am Boden: Frau des Firmeninhabers, Sohn des Herzkranken, Geschäftsführer des Firmeninhabers.

Die Vorgaben und das Motto erfüllt, allerdings nur teilweise. Zwar stellt eine Kündigung auch eine Zäsur dar, die "gestundete Zeit" scheint jedoch nur für den Herzkranken relevant zu sein.
(Den Titel "Coming home for Christmas", finde ich unpassend gewählt. Er spiegelt sich nirgendwo im Text wieder.)

Insgesamt eine recht konventionell geschriebene Geschichte, die das Ende offen lässt, keine Pointe besitzt und das weiter Geschehen der Fantasie des Lesers überlässt.
Ist das E?
Meiner Meinung nach nein. So bedauerlich die Einzelschicksale teilweise auch sein mögen, nichts in diesem Text deutet etwas an, was über das Beschriebene hinausweist.
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Herdis
Geschlecht:weiblichLeseratte


Beiträge: 134
Wohnort: Nordhessen


Beitrag13.01.2019 16:58

von Herdis
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Ein bestimmter Ort, hier der Bereich einer Einflugschneise und eines Flugzeugs darüber, während einer Minute betrachtet. Diese Vorgabe ist für mich erfüllt.

Von der Mottovorgabe "(Un-)Haltbare Gegenwart "Die gestundete Zeit" von Ingeborg Machmann:
Die auf Widerruf gestundete Zeit
wird sichtbar am Horizont."
inspiriert oder sich damit auseinandersetzend?

Nicht wörtlich. Ansonsten, eher ein Jein. Wenn man als Ausgangspunkt die Wartezeit des Anflugs im Flugzeug/auf dem Weg zum Flughafen etc. sieht, dann ein jein. Die Vorgabe wurde m.E. nach weniger beachtet.

Ob E-Lit oder U-Lit- da halte ich mich (bei allen Texten, die ich hier bewerte) raus.

Interessanter Gedanke, die imaginäre Kamera. Die Auwahl der Passagiere und Crewmitglieder und die gemeinsamen, verbundenen Geschichten mit Menschen irgendwo dort unter ihnen. Fragt man sich nicht in geschlossenen Räumen wie Verkehrsmitteln wirklich manchmal, was für Geschichten hinter den Menschen stecken, mit denen man da zusammengewürfelt wurde? Wer oder was sie z.B. nach der Reise erwartet? Schlicht geschrieben und der Faden trotz Sprüngen gut nachvollziehbar.


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"Wenn ich nicht schreibe, fühle ich, wie meine Welt schrumpft. Ich empfinde, wie ich mein Feuer und meine Farben verliere." Anais Nin

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lebefroh
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L

Alter: 43
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Der bronzene Durchblick


L
Beitrag13.01.2019 17:27

von lebefroh
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Eine schöne Idee, dass die Geschichten so mit einander verwoben sind.

Dass die Gedanken des Kapitäns das so direkt aussprechen, habe ich allerdings eher als störend empfunden.

Richtig packen konnte mich die Geschichte nicht, leider habe ich keine Punkte mehr übrig.
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Heidi
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Der goldene Durchblick


Beitrag13.01.2019 21:51
Re: Coming Home for Christmas
von Heidi
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Die Umrahmung der Geschichten, also dieser Flugkapitän, der Orte "überfliegt" an denen Szenen stattfinden, scheint mir aufgesetzt, ich denke, die Szenen hätten diesen Rahmen nicht gebraucht, im Gegenteil, sie kämen mMn sehr viel wirksamer rüber, wenn der Text auf diesen Rahmen verzichten würde.
Insgesamt kratzt der Text für meinen Geschmack zu sehr an der Oberfläche. Es geschehen Dinge, ja, aber das Motto wird dahinter nicht spürbar. Die Dehnung ist ganz gut gelungen, wenn ich davon absehe, dass sich viel im Flugzeug abspielt und ich mir diesbezüglich schon mehr Abwechslung gewünscht hätte. Größtenteils sind zu viele Informationen in die Szenen reingepackt, sodass das Gefühl entsteht, als würde es sich um wesentlich mehr als eine Minute handeln.
Vielleicht sind meine Ansprüche auch zu hoch gewesen, was die Dehnungsgeschichten betrifft. Ich dachte da schon eher an Banalitäten, die sich zur selben Zeit auf verschiedenen Kontinenten abspielen, völlig losgelöst von Figuren, die im Zusammenhang stehen, der Zusammenhang ergibt sich aus etwas Allgemeinmenschlichen oder einer Stimmung, einem Bild, die (im Innenraumerleben) darauf Bezug nehmen.
Vielleicht einzelne Blätter, die in Berlin in einem Hinterhof im Wind tanzen, während zur selben Zeit in Costa Rica ein Arbeiter auf einer Bananenplantage mit Pestiziden eingenebelt wird und ebenfalls in der selben Minute in Japan eine Frau ihrem behinderten Kind, im Schulflur stehend, zum Abschied hinterherwinkt.
Aber ich schweife ab. Was ich sagen will: Deine Geschichte schafft es mMn - auch wegen des Korsetts, das ihm durch die Flugzeugsache umgelegt wird -, nicht, das Motto zu transporieren.
Das Thema finde ich soweit umgesetzt.

Dennoch. Leider keine Punkte.
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firstoffertio
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Beitrag14.01.2019 00:13

von firstoffertio
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Eine solide Minutengeschichte.

Vielleicht etwas zu solide. Die Gegend schön von oben und unten betrachtet.
Ob das den Text aber schon mehrschichtig macht? Ungefügig ist er nicht.

Das Motto/Thema erkenne ich. Hier ändert sich viel.

Ein wenig viel Negatives geschildert, vielleicht. Dass die Frau auch noch gerade auszieht?
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d.frank
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D

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D
Beitrag14.01.2019 15:39

von d.frank
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Hmmm, irgendwie nimmt der Text in seinem ersten Absatz vieles vorweg.
Die Betrachtungen, aus dem Flugzeug gesehen, finde ich einen guten Ansatz, weil so ein Flugzeug ein bisschen aus der Zeit gerückt ist, wenn es über dem Raum und scheinbar losgelöst von allem steht, aber der Text ist mir an dieser Stelle auch ein wenig zu belehrend und direkt und den Übergang vom Piloten zum Geschäftsführer, der erschien mir zu unmotiviert. Dann mochte ich es auch nicht, dass der Text nur von diesen gellenden Existenzbedrohungen erzählt - die kennt man doch, die sind halt das Übliche, von denen ist mir einzig die Bedrohung um die Herz OP haften geblieben und ich habe mich gefragt, ob es sich lohnen könnte, eine ganze Geschichte darum zu spinnen.
Im Endeffekt fehlt mir hier also der AHA-Effekt.


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Die Wahrheit ist keine Hure, die sich denen an den Hals wirft, welche ihrer nicht begehren: Vielmehr ist sie eine so spröde Schöne, daß selbst wer ihr alles opfert noch nicht ihrer Gunst gewiß sein darf.
*Arthur Schopenhauer
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UtherPendragon
Eselsohr
U


Beiträge: 402



U
Beitrag15.01.2019 07:01

von UtherPendragon
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An sich ein solider Text mit klarem Themenbezug, wenn auch eher, soweit ich das beurteilen kann, erzählerisch wertvoll als aufgrund eines zwischen den Zeilen liegenden Interpretationsgeheimnisses. Kleinigkeiten bleiben mir verschlossen, beispielsweise, warum der Pilot fürchtet, der Landeanflug könnte dieses Mal nicht routiniert ablaufen, warum die Kamera "imaginär" sein muss, wenn er sie sich doch ohnehin vorstellt. Vieles ist mir zu umständlich geschrieben, z.B. "die langen Zahlenkolonnen in rot".
Mein Lieblingssatz ist "Kein Tannenbaum dieses Jahr." - und zwar mit Abstand. Nichts pointiert den inspirativen Bezug besser in diesem Text.

Ich erkenne übrigens keine Zeitdehnung, d.h. ja, die erzählte Zeit sei in realiter kürzer als die Lesezeit, wenn ich mich nicht irre, aber das hat dieser Text mit den meisten anderen gemeinsam. Vielleicht sehe ich das auch einfach etwas zu eng.

Für mich also hier, und ich bediene mich bei Friedrich Merz, der bestimmt einmal ein Buch gelesen hat - 50 Shades of Grey vielleicht, "gehobenes Mittelfeld".


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Mardii
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Beitrag15.01.2019 15:20

von Mardii
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Anfangs dachte ich, hier wäre das Biographie-Thema umgesetzt, bis mir aufging, dass es das Minuten-Thema ist. Ich habe Zweifel, ob manches in einer Minute möglich ist. Wie lange dauert ein Gedanke? Eine Frage, die ich nicht beantworten kann, aber ich glaube, dass Gedanken sehr schnell sind.
Das Thema scheint mir gut umgesetzt.


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Literättin
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Beitrag17.01.2019 15:30

von Literättin
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Ein Text wie ein Episodenfilm, in dem am Ende alle losen Enden verknüpft sind und das Strickmuster aufgeht. Solide geschrieben, in meinen Augen eher U als E. Nicht unspannend und dabei auch zeitkritisch. Die Schnödigkeit und Tristesse von Ratingen, Essen und Düsseldorf gefallen mir (oh ja, wie ich die Flachdächer kenne), aber die Figuren, wollen mir nicht nah gehen, obwohl ihnen ja auch übel mitgespielt wird, was sonst recht zügig mein Mitgefühl auf den Plan ruft. Irgendwie bleiben sie mir zu fremd. Etwas, das über den Text hinaus schwingt, entsteht bei mir nicht.

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Im günstigsten Fall führt literarisches Schreiben und lesen zu Erkenntnis.
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hobbes
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Beitrag17.01.2019 23:06

von hobbes
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Oje, Text. Du bist leider derjenige, bei dem ich spontan so etwas wie: ganz nett darunter zu schreiben versucht bin. Und es nun auch getan habe.
Auch hier erreichen mich die erzählten Dramen so gar nicht. Vielelicht, weil sie zu auserzählt sind?

Und die letzten Absätze, der Kranke und sein Sohn - die wirken ein bisschen wie drangeklatscht. Oder habe ich da eine Verbindung zu den anderen übersehen? Denn die anderen sind ja miteinander verwoben, da frage ich mich dann, warum die beiden aussen vor stehen.
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Catalina
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Beitrag19.01.2019 12:40

von Catalina
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Die gestundete Zeit finde ich nur in Teilen, dafür viel Horizont. Die Zeitdehnung funktioniert für mich hier nicht so richtig. Zwar weiß man, dass sich durch die Zusammenhänge alles zu ungefähr der selben Zeit abspielen muss, aber eben nur ungefähr...

Der philosophierende Pilot ist mir zu konstruiert. Ich finde wenig Raum für Interpretationen. Die Tragik des Erzählten kann ich leider nicht spüren. So ist Dein Text trotz Deines sehr angenehmen Schreibstils und den anschaulich erzählten Szenen nicht unter meinen Top 10.
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V.K.B.
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Beitrag20.01.2019 03:36

von V.K.B.
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Hallo Inko,
weil es sich mir gerade aufdrängt, fange ich schon beim ersten Lesen an zu Kommentieren.

Zitat:
Er stellt sich vor, dass aus dem ausgeklappten Fahrwerk des Airbus eine imaginäre Kamera alles aufnähme, was in diesem Moment unter dem Flugzeug geschähe.
Hier denke ich: das ist wohl der billigste und aufgesetzteste Trick, um die Vorgaben für die Geschichte zu haben.

Zitat:
… denen auch nur eine einzige Minute auszuwerten ein Menschenleben nicht ausreichen würde.
Nun, dann hätte er ab morgen wenigstens etwas zu tun.
Die letzten Augenblicke seiner Karriere gleiten an ihm vorbei. Ein kurzer, intensiver Blick aufs Steuerhorn, der unterdrückte Wunsch, noch eine Ehrenrunde um den Tower zu drehen, bevor die Check-Routinen der Landung wieder seine volle Aufmerksamkeit fordern.
Und hier denke ich: Okay, das ist brillant, es geht gar nicht um die eine Minuten Geschichte (ist ja damit abgewunken, dass man ihr nie gerecht werden könnte), jetzt kommt stattdessen das Leben des Piloten. Klasse! Welch ein Meta-Humor! (wenn es nur so wäre)

Zitat:
Zweitausend Fuß unter ihm setzt ein Geschäftsführer im Arbeitszimmer seines Privathauses den Brieföffner an, schlitzt die sauber verklebte Lasche des Einschreibens und entnimmt ihm das Dokument…
und jetzt bin ich maßlos enttäuscht, dass es wohl doch eine 1-Minute Geschichte wird.

Nach dem durchlesen: Sorry, leider gelingt es dir nicht, die Enttäuschung wettzumachen. Ist mir irgendwie zu unlogisch: Wir haben eine imaginäre Kamera in der Vorstellung des Piloten (warum eigentlich nochmal? Ach ja, die Vorgaben!), aber dann nimmt diese reale Dinge auf, die mit Passagieren im Flugzeug zusammenhängen (die die Kamera nicht sehen könnte). Ist das jetzt in der Stadt oder in der Vorstellung des Piloten?

Auch gibt die Geschichte mir keinen Grund, warum der Pilot gerade diese Personen/Geschichten betrachten sollte und keine anderen. Sie erscheinen austauschbar. Die Minute auch. Gestundete Zeit und (un)haltbare Gegenwart? Ja okay, dafür sind die Personen und Geschichten ausgewählt, aber wird das deshalb zum Hauptthema der Geschichte? Und wo ist die haltbare Gegenwart? Sollte durch die Klammer doch beides sein.

E isses auch nicht, jedenfalls nicht experimentell. Kommen zwar ein paar ernsthafte Themen vor, aber die werden nur angerissen. Ich finde nichts, das ich mitnehmen kann, keine neuen Perspektiven, keine neuen Gedanken. Sorry, von einem Text zum Zehntausender-Wettbewerb erwarte ich ein bisschen mehr.

Beste Grüße,
Veith


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Hang the cosmic muse!

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a.no-nym
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A
Beitrag21.01.2019 02:23

von a.no-nym
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Hallo Inko,
diesen nachdenklichen Landeanflug mit Blick in die Wohnstuben habe ich in den letzten Tagen immer wieder (sehr gern!) miterlebt - und jedesmal festgestellt, dass mir Idee und Umsetzung gleichermaßen gefallen, so dass dieser Airbus auf jeden Fall eine Landebahn in meinen persönlichen Top10 zugewiesen bekommt.

Für Text und Inko alles Gute!
Freundliche Grüße
a.

Randbemerkung/Frage: Der Song von Chris Rea heißt ja "Driving home for Christmas" - ist die kleine Änderung im Titel der Geschichte Absicht? Unabhängig davon gehört der Titel zu den wenigen Kleinigkeiten, an die ich so ein klitzekleines Fragezeichen setze, ohne es genauer erklären zu können.
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Eredor
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Beitrag21.01.2019 13:13

von Eredor
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Ja, das ist eine gelungene Erzählung. Allerdings finde ich nicht genug Anzeichen für E-Literatur, weshalb dein Text leider für mich aus dem Raster der zu bepunktenden Texte fällt.

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"vielleicht ist der mensch das was man in den/ ersten sekunden in ihm sieht/ die umwege könnte man sich sparen/ auch bei sich selbst"
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Municat
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Beitrag21.01.2019 14:02

von Municat
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Moin Inko smile

Der letzte Flug des bald pensionierten Piloten und die Geschichten, die sich unter und hinter ihm abspielen: Eine Firma geht pleite, Inhaber und Geschäftsführer geben sich gegenseitig sie Schuld. Die Frau des Firmenchefs verlässt ihn, weil sie keine Lust mehr auf Gewalt hat. Ein älterer Herr fliegt zu seiner Herz-Transplantation, während sein Sohn, der ihn abholen will, eine Panne hat.

Das Netz, das sich aus den imaginären Röntgenbildern zusammenfügt, ist durchaus interessant und vielschichtig. Die Minute ist realistisch umgesetzt. Ein bisschen schade finde ich, dass Du die Interpretationsmöglichkeit als Erklärung voran stelltst - wie eine Betriebsanleitung für den anschließenden Text.

Punkte vergebe ich, wenn ich alle Texte kommentiert habe.


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Gräme dich nicht, weil der Rosenbusch Dornen hat, sondern freue dich, weil der Dornbusch Rosen trägt smile
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Michel
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Silberne Neonzeit


Beitrag22.01.2019 15:55

von Michel
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Ach, Chris Rea. Auch kein E, ne?
Was es an verbindenden Elementen gab, hast Du in der Überarbeitung rausgekürzt, die ablaufenden Sekunden erschienen damals künstlich aufgepfropft – raus damit! Jetzt fehlen sie und machen aus der Geschichte eine Serie kleiner Einzelepisoden, die viel weniger miteinander verwoben sind als ursprünglich geplant. E? Weniger. Die Sprache ist hier Erzählvehikel und nicht mehr. Sch-U-ster, bleib bei deinen Leisten? Nö, nächstes Mal versuche ich es wieder.
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Jenni
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Das goldene Aufbruchstück Die lange Johanne in Gold


Beitrag23.01.2019 01:21

von Jenni
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Ein Flugkapitän auf dem Landeanflug nach Hause, für immer, denn es scheint sein letzter Flug zu sein, überlegt sich, er könnte sehen, was tief unter ihm passiert, und dann erkennen, dass die Leben aller Menschen miteinander vernetzt sind, und dann erzählst du mir wirklich ein paar Episoden vom Boden und aus dem Flugzeug, die sich so abspielen könnten und die These unterstützen würden. Alle handeln davon, wie etwas endet, die berufliche Laufbahn, die Ehe, vielleicht sogar das Leben, und das ist nur gerecht, denn es spielt sich letztlich in des Kapitäns Kopf ab, und er ist in einer solchen Stimmung. Das finde ich so als Konstrukt nun eigentlich sehr schön, und gut gefallen hat mir auch der Übergang von den theoretischen Überlegungen zu den Geschehnissen, der es so etwas offen lässt, ob es sich nun um reale Ereignisse handelt oder Vorstellungen. Diese Episoden an sich, die bleiben mir dann ein bisschen beliebig, alles eben naheliegende Gedanken dazu, was einem furchtbares im Leben widerfahren kann, aber als persönliches Schicksal und ohne als Ganzes etwas darüberhinaus zu erzählen.
Erzählt ist das schön unaufgeregt, das Thema ist umgesetzt und selbst das Motto schwebt irgendwie über diesem Flug, vielleicht weil sich fliegen immer so ein bisschen anfühlt wie „gestundete Zeit“, die am Horizont schon sichtbar wird. (Der Titel dagegen ist - argh!)
Ein Punkt für das.
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nebenfluss
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Beiträge: 5990
Wohnort: mittendrin, ganz weit draußen
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Beitrag25.01.2019 16:56

von nebenfluss
Antworten mit Zitat

Hallo Inko,

ein sprachlich recht runder Text, bei dem es aber für Punkte knapp nicht gereicht hat. Insgesamt ist mir dasetwas zu routiniert und distanziert, mir fehlt das Besondere, etwa ein Wagnis in Hinblick auf die Aufgabenstellung.
Außerdem hat mich die betonte Idee der imaginären Kamera ziemlich gestört. Braucht es die überhaupt?
Der Kapitän stellt sich vor, dass diese Kamera „alles“(!) aufnähme, „was in diesem Moment unter dem Flugzeug geschähe“. Der doppelte Konjunktiv und das Ende (die Kamera „erlöscht“ [-lischt?], als er seine Aufmerksamkeit auf anderes richtien muss) deuten zwar an, der Kapitän spinne sich das alles nur zusammen, aber warum und wozu, zumal ich nicht begriffen habe, ob es hier irgendeinen Zusammenhang zu seinem eigenen bevorstehenden Ruhestand gibt. Auf jeden Fall fokussiert und zoomt die Kamera dann doch, trifft also eine Auswahl, die sich zu einer sinnigen Geschichte zum Thema „Traurige Weihnachten“ zusammenfügen lassen.


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anderswolf
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Beitrag25.01.2019 17:17

von anderswolf
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Im Kommentar zu einer anderen Geschichte schrieb ich, wie sehr mich das Überangebot tragischer Frauenklischees anöde, da stoße ich hier auf das Gegenstück: Männer und Technik, meistens kaputt, entweder die Technik, die Männer oder beides. Angefangen von Kapitän Steuerhorn, über den Geschäftsführer mit dem Brieföffner, den Laptop-Arbeiter, den Smartphone-Junge, den designierten Herrn Herzschrittmacher, bis hin zum Autosohn. Die offensichtliche Frage: wie viel Absicht steckt da drin? Viel, weil E? Wenig, weil Zufall? Und wenn E, was mache ich damit? Was soll es mir sagen? Dass Männer sich als Herrscher der Welt fühlen und über allem schweben, aber im Wesentlichen auch nur Abziehbilder sind und sich auf lächerliche Ausprägungen von Erfolg stützen, letztlich aber versagen müssen, weil kein einziger von ihnen sich auf das konzentriert, was wirklich wichtig ist: Das Leben zu genießen, wenn es passiert, beispielsweise im Abstieg Richtung Rollfeld, selbst wenn das vielleicht in der Kühlkammer des Bestatters endet.
Dummerweise denke ich über all das nicht wirklich nach , denn eigentlich beschäftigt mich der Sonnenstand. Wie fliegt das Flugzeug, damit es am Nachmittag einen Schatten auf ein zweitausend Fuß tiefer liegendes Haus werfen kann. Oder ist das nicht der Schatten des Flugzeugs und mehr so ein metaphorischer? holg weiß sowas bestimmt, denke ich mir und frage mich dann, ob er wohl diesen Text geschrieben hat. Und dann mache ich, was ich nicht machen wollte: Autorenschaft raten. Lenke mich ab mit einer Frage: Warum stehen da nasse Perlen und keine Schweißperlen auf der Stirn?
Bleibt also das Formale, wenn mich schon die Geschichte nicht reinziehen kann: Das Thema ist wohl getroffen, allen Herren steht die Gegenwart mehr oder weniger (un)haltbar vor Augen, die gestundete Zeit ist da, bzw. dräut am Horizont, gedehnt ist auch. Bleibt das E, das mir hier vor allem als Vergnügenfreiheit erscheint. Tiefer Grund ist da nicht wirklich, nichts was in mir wiederhallt, kein Echo, das sagt: lies nochmal. Das einzige, was hier tiefer geht, denke ich, ist das Flugzeug. Mir aber nicht tief genug, nicht unter die Haut. Bis auf den Schatten ist alles logisch, die Sprache ist bis auf den Flugzeugsprech und das unschöne "Verwobensein" unauffällig, Im Wesentlichen also nix zu beanstanden, während andere Texte es aber schaffen, mich irgendwie zu berühren, zu bewegen, sehe ich hier eigentlich noch nicht mal die Bewegung des Flugzeugs.
Mal schauen.
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Michel
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Das bronzene Bühnenlicht Das goldene Niemandsland
Der silberne Durchblick Der silberne Spiegel - Prosa
Silberne Neonzeit


Beitrag27.01.2019 15:38

von Michel
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Leider habt Ihr recht.

Aller-allerspätestens beim Lesen der anderen Texte hätte ich den hier ganz ähnlich eingestuft wie Ihr. Beim Schreiben selbst fühlte sich das noch ganz anders an. Ich glaube, "routiniert" war das häufigste freundliche Wort, das ich als "immerhin kann man es glatt durchlesen" verstehe. Viel Zeit ging damit drauf, sich die Anflugschneisen auf Düsseldorf, die Phasen eines Landeanflugs und die Google-Maps der überflogenen Orte anzusehen oder auf YouTube einen Landeanflug mitzusehen. Wollte mir an der Stelle keine Blöße geben - und habe dann wohl den sprachlichen Fokus verloren.

Aber die Kommentare ähneln sich gefühlt, auch über verschiedene Wettbewerbe hinweg. Mal passt es ganz gut rein, mal reicht es weniger an die Vorgaben heran (wie hier), aber "routiniert" oder etwas in der Größenklasse ist eigentlich immer dabei und sagt mir, dass ich wohl keine größeren sprachlichen Stolperer mehr produziere, aber, hm, so etwas wie eine Plateauphase bezüglich E erreicht habe, inhaltlich wie sprachlich.

Keine wirklichen Experimente, relativ geradliniges Erzählen - ich bezweifle, dass ich daran noch wirklich viel ändere; vielleicht ist das meine Ausdrucksweise. Eigentlich schon immer, etwas in der Richtung "sprachlich routiniert, könnte aber ausführlicher sein und mehr in die Tiefe gehen" stand schon unter der Deusch-Facharbeit vor drölfzig Jahren.

Aber mal sehen. Auch Plateaus haben Ecken, Kanten und Erhebungen.

Und der Titel? Irgendwie schwebte (wie passend ...) mir beim Schreiben der 21.12. oder so vor Augen; alle auf dem Heimweg zu den Lieben - das Lied von Chris Rea dudelt vor Weihnachten die Popsender rauf und runter, immer noch. Das wollte ich mit einer anderen Form von Erwartung verknüpfen. Anti-Weihnachten, sozusagen. Ergebnis: Siehe oben.

Danke für Eure Rückmeldungen!
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a.no-nym
Klammeraffe
A


Beiträge: 699



A
Beitrag27.01.2019 17:45

von a.no-nym
Antworten mit Zitat

Hej Michel,
ich möchte nur nochmal bekräftigen, wie sehr ich - gerade nach intensiver Beschäftigung mit allen Texten - Deinen gut recherchierten Landeanflug genossen habe. Ich musste beim ersten Lesen erstmal nachgucken, was "Ausschweben" bedeutet. Ein schönes Wort. Ich sehe Deinen Text nicht dort, wo er nun einsortiert ist - und ich empfinde Deine Sprache nicht als "routiniert", sondern schätze sie sehr. Ganz besonders, weil ich sie verstehen kann. Weil sie klar ist und trotzdem nicht langweilig oder gewöhnlich. Weil die Liebe zur Sprache erkennbar ist, auch ohne dass  Schnörkel, Knoten und andere artistische Einlagen zum Einsatz kommen. Eine Sprache, die sich ohne Rätselraten, Hieroglyphentabellen, Runenverzeichnisse und fruchtloses Leiern am  Dekryptisierunsautomaten erschließt. Ich empfinde das als wohltuend - und komme gern wieder, um mich auf diesem Plateau nicht auszuruhen, sondern zu erfreuen: daran, dass genau diese Sprache es mir ermöglicht, mich ganz auf den Vater mit der bevorstehenden OP einzulassen, genau wie auf den Bald-Ex-Piloten, die flüchtende Ehefrau, den Kündigenden und den Gekündigten - und den Abholer-Sohn da unten in seinem Auto (dem dieses Lied vielleicht auch gerade zu den Ohren rauskommt); daran, dass genau diese Sprache mir klare Ein- und Ausblicke schenkt und mir die Möglichkeit bietet, Eigenes hineinzutragen, statt über Knobelaufgaben zu brüten...

Klar ist mein Empfinden hier nicht relevant - ich habe ganz offenbar eine handfeste (wenn auch noch nicht lebensbedrohliche) Maßband-Allergie, die sich besonders im Kontakt mit E/U- und Prosa/Lyrik-Messern zeigt. Trotzdem wollte ich meine Wahrnehmung gern nochmal neben die anderer (also auch neben Deine) stellen. Embarassed
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