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Apokalyptische Szene-Dystopie


 
 
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Thomas74
Geschlecht:männlichExposéadler

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Beiträge: 2331
Wohnort: Annaburg


Beitrag10.01.2019 21:33
Apokalyptische Szene-Dystopie
von Thomas74
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hier eine Episode aus meiner vielleicht irgendwann fertigen Dystopie.
Mir geht es primär darum, ob die Szene nachvollziehbar ist, bzw. ob der Leser auch das gleiche Kopfkino hat wie ich.
Die Geschichte spielt in etwa 40 Jahren, die Infrastruktur der Stadt ist auch wirklich so vorhanden. Deshalb kann ich Blickrichtungen und Gebäude nur schwer verändern...

Durch ein völlig verdrecktes und schwarz ausgeräuchertes Treppenhaus zog er sie in die Überreste einer Wohnung im obersten Stockwerk eines Hochhauses. Im Flur lag ein Toter mit durchgeschnittener Kehle. Ratten hatten sich schon an der Leiche zu schaffen gemacht. Sie stiegen über ihn hinweg. Berge von Dreck und Exkrementen bedeckten den Boden. In der Ecke lag ein völlig zugedröhnter Kerl und versuchte, sein schlaffes Ding zu wichsen. Er ließ sich bei seinen vergeblichen Versuchen auch von den beiden Kindern nicht stören. Angewidert schlichen sie vorbei. Statt Fenstern klafften nur noch leere Höhlen in den Wänden. Der eisige Wind milderte den Gestank ein wenig. Zumindest den aus dem Inneren der Etage. Beißender Rauch wehte von draußen herein. Von hier oben blickten sie auf ein apokalyptisches Szenario. Der Vorhof der Hölle musste dagegen ein recht idyllisches Plätzchen sein, dachte Sia. Hunderte, wenn nicht tausende Menschen drängten sich auf dem Streifen zwischen Ruinen und dem Flussufer.  
Am gegenüberliegenden Ufer stand eine im provozierenden Weiß gestrichene Mauer von mindestens 3-4 Metern Höhe. Die Spitze war von Stacheldrahtrollen gekrönt. In regelmäßigen Abständen ragten schwer gepanzerte Erker mit Maschinengewehren aus der Mauer. Kameras in Metallgehäusen lugten durch den Stacheldraht. Für Ödland-Verhältnisse eine unüberwindbare Festung.
Von ihrem Standpunkt aus erkannten sie dahinter ein großes Areal, auf dem unzählige Container standen. Nicht die rostigen, bunten Dinger, die am Rande der Autobahn in allen möglichen Lagen dahinrotteten. Nein hier waren ebenfalls weiße Container mit unbekannten Schriftzeichen akkurat gestapelt. Im Hintergrund erkannte Sia eine Art Siedlung, ebenfalls aus Containern bestehend, welche, mit Fenstern und Türen ausgestattet, in mehreren Lagen übereinander in etlichen Reihen ordentlich aufgereiht standen. Sandfarbene Fahrzeuge fuhren umher.
Alles war wie mit dem Lineal ausgerichtet.
Auf ihrer Uferseite herrschte dagegen das blanke Chaos. Die Menschen schrien, schubsten, drängten. Nicht wenige stürzten von der Kaimauer. Wer nicht schwimmen konnte, dümpelte bald darauf als eine der vielen Wasserleichen zusammen mit Unmengen Müll Richtung Meer, zur Freude der Möwen, die wie Totenvögel gierig über der Szenerie kreisten.
Zwischen den Menschenmassen brannten Feuer, auch aus den Hausruinen drangen Rauch und Schreie.
„Da sind sie!“ wies Will in eine Richtung. „Die Galeeren!“
Am Ufer, welches hier wohl einmal ein Fähranleger gewesen sein musste, lagen mehrere motorlose Schleppkähne. Einige waren mehr oder weniger voll Wasser, welches viele Menschen zugleich mit Eimern herausschöpften. Das erste Boot war schon für seine Kamikazemission bereit. Balken, wahrscheinlich aus den Dachstühlen alter Häuser lagen fischgrätenförmig im Innenraum, in dem noch immer gut ein halber Meter Wasser schwappte. Durch in die Bordwand geschlagene Löcher ragten primitive Ruder aus Metallrohren . Jeweils fünf Männer waren im Inneren des Bootes  an ein Ruder und mit den Füßen an die Holzbalken, die als Ruderbank dienten, gefesselt. Als organischer Teil des Bootes lautete ihre Mission Sieg oder Untergang.
Will zählte 15 Ruderreihen pro Seite, also 150 unglückliche Ruderer pro Boot. Seinen Vater konnte er nirgends entdecken. Tränen liefen über seine Wangen. Sia stand hilflos daneben.
Unterführer und Wächter mit Gewehren rannten umher und verteilten Schläge und Fußtritte an die protestierenden Ruderer. Will zuckte bei jedem Schlag zusammen. Am Bug der Schiffe standen primitive Kugelfänge auf den Decks, meist umgestürzte Lieferwagen oder gehäufter Stahlschrott. Dahinter hockten Männer in Söldnerkleidung mit den verschiedensten Waffen in ihren Händen. Seile mit Enterhaken lagen bereit.  
Inzwischen wurden zwei weitere der improvisierten Sturmboote klar gemacht. Vor der weißen Mauer zeugte schon eine beträchtliche Anzahl von Wracks von vorherigen vergeblichen Versuchen. Bei einigen hingen noch die Leichen der Ruderer an den verkohlten Baumstämmen. Auch die ebenmäßige weiße Mauer war an diesen Stellen schwarz verrußt.
Weitere Ruderer wurden mit Kolbenschlägen und Fußtritten auf ihre Galeeren getrieben. Wer sich mit Händen und Füßen wehrte, bekam ein Messer in den Bauch und flog über Bord. Durch die wabernden Rauchschwaden waren die Gesichter nur schwer zu erkennen.
Will hielt sich kaum noch auf den Beinen. Sia presste seine Hand.

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Orschi
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Beiträge: 70
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Beitrag11.01.2019 12:01

von Orschi
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Was für ein farbenfrohes freundliches Bild vom Hamburger Hafen.
Ich finde es einprägsam und lieblich.
 Razz   Ist aber nicht aus dem Wahlprogramm einer rechtsextremen Antiflüchtlingspartei, oder ? Very Happy
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Thomas74
Geschlecht:männlichExposéadler

Alter: 49
Beiträge: 2331
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Beitrag11.01.2019 12:36

von Thomas74
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In der Epoche gibt es keine Parteien mehr... Und es ist nicht Hamburg. Wink
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Equestrice
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen

Alter: 20
Beiträge: 27
Wohnort: Schweiz


Beitrag11.01.2019 16:00

von Equestrice
Antworten mit Zitat

Hi!
Ich finde deinen Text gut, und durch deine Beschreibungen kann ich mir auch ein Bild von der Szene machen. Jedoch kommt es mir fast etwas sachlich rüber, da du Fakt um Fakt aufzählst, ohne, dass du den Einfluss dieser Umgebung auf die Charaktere beschreibst. Es scheint, als würden die Charaktere ohne jegliche Gefühlsempfindung durch die Gegend laufen.
Aber das ist nur eine kleine Kritik, insgesamt finde ich deinen Text interessant und ich kann alles nachvollziehen Very Happy


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Thomas74
Geschlecht:männlichExposéadler

Alter: 49
Beiträge: 2331
Wohnort: Annaburg


Beitrag11.01.2019 16:36

von Thomas74
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[quote="Equestrice"] Jedoch kommt es mir fast etwas sachlich rüber, da du Fakt um Fakt aufzählst,/quote]

Ich schreibe sonst nur Fachartikel, das schlägt leider immer wieder durch.
Aber guter Einwurf! Ich werde noch ein paar mehr Emotionen einbauen.
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Stefanie
Reißwolf


Beiträge: 1741



Beitrag11.01.2019 17:37
Re: Apokalyptische Szene-Dystopie
von Stefanie
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Das Bild, das du zeichnest, ist meist klar und drastisch.
Den vorherigen Anmerkungen, was die Sachlichkeit angeht, stimme ich zu. Allerdings sind ein paar kleine Fehler und Unstimmigkeiten drin, zu denen ich mich im Text äußer.

Thomas74 hat Folgendes geschrieben:

Durch ein völlig verdrecktes und schwarz ausgeräuchertes Treppenhaus zog er sie in die Überreste einer Wohnung im obersten Stockwerk eines Hochhauses. Im Flur lag ein Toter mit durchgeschnittener Kehle. Ratten hatten sich schon an der Leiche zu schaffen gemacht. Sie stiegen über ihn hinweg. Berge von Dreck und Exkrementen bedeckten den Boden. In der Ecke lag ein völlig zugedröhnter Kerl und versuchte, sein schlaffes Ding zu wichsen. Er ließ sich bei seinen vergeblichen Versuchen auch von den beiden Kindern nicht stören. Angewidert schlichen sie vorbei. Statt Fenstern klafften nur noch leere Höhlen in den Wänden. Hier änderst du den Blickwinkel. Zuerst folgt der Leser den Kindern im Treppenhaus, dann hast du den Blick von außen aufs Haus, wo die glaslosen Fenster wie Höhlen wirken. Der eisige Wind milderte den Gestank ein wenig. Zumindest den aus dem Inneren der Etage. Was denn nun? Wird es besser durch den Luftzug oder nicht? Beißender Rauch wehte von draußen herein. Von hier oben blickten sie auf ein apokalyptisches Szenario. Der Vorhof der Hölle musste dagegen ein recht idyllisches Plätzchen sein, dachte Sia. Hunderte, wenn nicht tausende Menschen drängten sich auf dem Streifen zwischen Ruinen und dem Flussufer.  
Am gegenüberliegenden Ufer stand eine im provozierenden Weiß gestrichene Mauer von mindestens 3-4 über drei (klar ausdrücken, nicht so wischiwaschi) Metern Höhe. Die Spitze war von Stacheldrahtrollen gekrönt. In regelmäßigen Abständen ragten schwer gepanzerte Erker mit Maschinengewehren aus der Mauer. Kameras in Metallgehäusen lugten durch den Stacheldraht. Für Ödland-Verhältnisse eine unüberwindbare Festung.
Von ihrem Standpunkt aus erkannten sie dahinter ein großes Areal, auf dem unzählige Container standen. Nicht die rostigen, bunten Dinger, die am Rande der Autobahn in allen möglichen Lagen dahinrotteten. Nein hier waren ebenfalls weiße Container mit unbekannten Schriftzeichen akkurat gestapelt. Im Hintergrund erkannte Sia eine Art Siedlung, ebenfalls aus Containern bestehend, welche, mit Fenstern und Türen ausgestattet, in mehreren Lagen übereinander in etlichen Reihen ordentlich aufgereiht standen. Sandfarbene Fahrzeuge fuhren umher.
Alles war wie mit dem Lineal ausgerichtet.
Auf ihrer Uferseite herrschte dagegen das blanke Chaos. Die Menschen schrien, schubsten, drängten. Nicht wenige stürzten von der Kaimauer. Wer nicht schwimmen konnte, dümpelte bald darauf als eine der vielen Wasserleichen zusammen mit Unmengen Müll Richtung Meer, zur Freude der Möwen, die wie Totenvögel gierig über der Szenerie kreisten.
Zwischen den Menschenmassen brannten Feuer, auch aus den Hausruinen drangen Rauch und Schreie.
„Da sind sie!“ wies Will in eine Richtung. „Die Galeeren!“
Am Ufer, welches hier wohl einmal ein Fähranleger gewesen sein musste, lagen mehrere motorlose Schleppkähne. Einige waren mehr oder weniger voll Wasser, welches viele Menschen zugleich mit Eimern herausschöpften. Das erste Boot war schon für seine Kamikazemission bereit. Balken, wahrscheinlich aus den Dachstühlen alter Häuser lagen fischgrätenförmig im Innenraum, in dem noch immer gut ein halber Meter Wasser schwappte. Durch in die Bordwand geschlagene Löcher ragten primitive Ruder aus Metallrohren . Jeweils fünf Männer Wie sollen die rudern? Ein Ruder, das so lang ist, dass fünf Männer nebeneinander anfassen können, würde sich bei der Ruderbewegung so weit vor und zurück bewegen, dass der äußerste mehrere Schritte hin und her gehen muss. Und man braucht nicht die Kraft von fünf Leuten, um ein Ruder zu bewegen. Zumal die ja geübt sein müssten, um ihre Kraft gleichmäßig zu übertragen. Deshalb gab es früher in den Galeeren nur die bewährten Zweierruder. Wink waren im Inneren des Bootes  an ein Ruder und mit den Füßen an die Holzbalken, die als Ruderbank dienten, gefesselt. Als organischer Teil des Bootes lautete ihre Mission Sieg oder Untergang.
Will zählte 15 Ruderreihen pro Seite, also 150 unglückliche Ruderer pro Boot. Seinen Vater konnte er nirgends entdecken. Tränen liefen über seine Wangen. Sia stand hilflos daneben.
Unterführer und Wächter mit Gewehren rannten umher und verteilten Schläge und Fußtritte an die protestierenden Ruderer. Will zuckte bei jedem Schlag zusammen. Am Bug der Schiffe standen primitive Kugelfänge auf den Decks, meist umgestürzte Lieferwagen oder gehäufter Stahlschrott. Dahinter hockten Männer in Söldnerkleidung mit den verschiedensten Waffen in ihren Händen. Seile mit Enterhaken lagen bereit.  
Inzwischen wurden zwei weitere der improvisierten Sturmboote klar gemacht. Vor der weißen Mauer zeugte schon eine beträchtliche Anzahl von Wracks von vorherigen vergeblichen Versuchen. Bei einigen hingen noch die Leichen der Ruderer an den verkohlten Baumstämmen. Auch die ebenmäßige weiße Mauer war an diesen Stellen schwarz verrußt.
Weitere Ruderer wurden mit Kolbenschlägen und Fußtritten auf ihre Galeeren getrieben. Wer sich mit Händen und Füßen wehrte, bekam ein Messer in den Bauch und flog über Bord. Durch die wabernden Rauchschwaden waren die Gesichter nur schwer zu erkennen.
Will hielt sich kaum noch auf den Beinen. Sia presste seine Hand.


Ich versteh die Situation noch nicht ganz. Also die Ruderer werden gezwungen, während die Bewaffneten freiwillig mitmachen? Wäre es nicht sinnvoller, die Boote komplett mit Freiwilligen zu bestücken?
Und warum eröffnen die Wachleute in den Erkern nicht schon bei den Vorbereitungen das Feuer? Die Maschinengewehre müssten weit genug schießen.
Wie kommen sie zwischen den alten Wracks überhaupt bis zum Ufer?
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Thomas74
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Beitrag11.01.2019 18:21

von Thomas74
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Hhm. Fensterhöhlen...gute Frage, wie wirken die von innen? Pauschal würde ich auch Höhlen sagen. OK, Handlungsbedarf

Im Inneren stinkt es, außen qualmt es... Wink

3-4 m----ich könnte über 200m Fluß nicht so exakt schätzen

Nein, die römischen Galeeren hatten teilweise 8 Leute in bis zu drei Decks. Die Anordnung ist von dort übernommen.

Die Erker mit den MGs hab ich aus den Panzermauern, die gegen die alliierte Invasion 1944 auf Jersey und an einigen Strandabschnitten der Picardie errichtet wurden. Das waren immer zwei flankierende MGs parallel zur Mauer. Nach vorne sind diese MG-Nester gegen direkten Beschuss durch Artillerie gepanzert.

In meiner Vorstellung ist die Mauer mehrere 100m lang. Wird auch erwähnt, allerdings in einem anderen Absatz

Die Bewaffneten wollen da rüber. Aus Mangel an Freiwilligen, die unten im Boot in der Mausefalle sitzen, haben sie mit Waffengewalt Ruderer zwangsrekrutiert. Wird auch anderenorts beschrieben.

Vielen Dank für die Anmerkungen! ich werde versuchen, es verständlicher und logischer zu formulieren!
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Equestrice
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Beitrag11.01.2019 18:54

von Equestrice
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Thomas74 hat Folgendes geschrieben:

Ich schreibe sonst nur Fachartikel, das schlägt leider immer wieder durch.


Tja, manche Angewohnheiten kann man sich leider nicht so schnell abgewöhnen (Bei mir sind es die ellenlangen Nebensätze) Rolling Eyes
Nur so aus Neugier, was schreibst du so für Fachartikel?

Ich hoffe, du hast Erfolg mit deiner Dystopie (Ich liebe Dystopien Embarassed )


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Thomas74
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Beitrag11.01.2019 19:00

von Thomas74
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Embarassed Wie man vielleicht heraus hört, geschichtliche Themen. Befestigungslinien, Bunkerforschung für eine populärwissenschaftliche Zeitschrift.

Ich liebe Dystopien auch...allerdings habe ich mir das Universum (mit Erlaubnis des Autors...) ausgeborgt.
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Equestrice
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Beitrag11.01.2019 19:08

von Equestrice
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Thomas74 hat Folgendes geschrieben:
Embarassed Wie man vielleicht heraus hört, geschichtliche Themen. Befestigungslinien, Bunkerforschung für eine populärwissenschaftliche Zeitschrift.


Ja, jetzt ergibt alles einen Sinn. Normalerweise verfügt man ja nicht über solches Wissen (Galeeren usw.) einfach so. Ich gehöre jedenfalls nicht dazu. (Geschichte war nie meine Stärke) Ich hoffe ich hab' jetzt niemanden beleidigt. ^^'

Thomas74 hat Folgendes geschrieben:
Ich liebe Dystopien auch...allerdings habe ich mir das Universum (mit Erlaubnis des Autors...) ausgeborgt.


Das kann man machen?! Shocked


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Thomas74
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Beitrag12.01.2019 09:13

von Thomas74
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Hab es nochmal sachte überarbeitet. Das mit den Ruderern stimmt. Technisch funktioniert es zwar mit mehr als zwei Ruderern, aber nicht bei völlig ungelernten und unwilligen Sklaven.

Durch ein völlig verdrecktes und schwarz ausgeräuchertes Treppenhaus zog er sie in die Überreste einer Wohnung im obersten Stockwerk eines Hochhauses. Im Flur lag ein Toter mit durchgeschnittener Kehle. Ratten hatten sich schon an der Leiche zu schaffen gemacht. Sie stiegen über ihn hinweg. Berge von Dreck und Exkrementen bedeckten den Boden. In der Ecke lag ein völlig zugedröhnter Kerl und versuchte, sein schlaffes Ding zu wichsen. Er ließ sich bei seinen vergeblichen Versuchen auch von den beiden Kindern nicht stören. Angewidert schlichen sie vorbei. Statt Fenstern klafften nur noch leere Löcher im nackten Beton. Der eisige Wind milderte den Gestank ein wenig. Zumindest den aus dem Inneren der Etage.Dafür wehte beißender Rauch von draußen herein. Von hier oben blickten sie auf ein apokalyptisches Szenario. Der Vorhof der Hölle musste dagegen ein recht idyllisches Plätzchen sein, dachte Sia. Hunderte, wenn nicht tausende Menschen drängten sich auf dem Streifen zwischen Ruinen und dem Flussufer.  
Am gegenüberliegenden Ufer stand eine im provozierenden Weiß gestrichene Mauer von gut 3 Metern Höhe. Endlos zog sie sich direkt an der Wasserkante entlang. Die Spitze war von Stacheldrahtrollen gekrönt. In regelmäßigen Abständen ragten schwer gepanzerte Erker mit Maschinengewehren aus der Mauer. Kameras in Metallgehäusen lugten durch den Stacheldraht. Für Ödland-Verhältnisse eine unüberwindbare Festung.
Von ihrem Standpunkt aus erkannten sie dahinter ein großes Areal, auf dem unzählige Container standen. Nicht die rostigen, bunten Dinger, die am Rande der Autobahn in allen möglichen Lagen dahinrotteten. Nein hier waren ebenfalls weiße Container mit unbekannten Schriftzeichen akkurat gestapelt. Im Hintergrund erkannte Sia eine Art Siedlung, ebenfalls aus Containern bestehend, welche, mit Fenstern und Türen ausgestattet, in mehreren Lagen übereinander in etlichen Reihen ordentlich aufgereiht standen. Sandfarbene Fahrzeuge fuhren umher.
Alles war wie mit dem Lineal ausgerichtet.
Auf ihrer Uferseite herrschte dagegen das blanke Chaos. Die Menschen schrien, schubsten, drängten. Nicht wenige stürzten von der Kaimauer. Wer nicht schwimmen konnte, dümpelte bald darauf als eine der vielen Wasserleichen zusammen mit Unmengen Müll Richtung Meer, zur Freude der Möwen, die wie Totenvögel gierig über der Szenerie kreisten.
Zwischen den Menschenmassen brannten Feuer, auch aus den Hausruinen drangen Rauch und Schreie.
„Da sind sie!“ wies Will in eine Richtung. „Die Galeeren!“
Am Ufer, welches hier wohl einmal ein Fähranleger gewesen sein musste, lagen mehrere motorlose Schleppkähne. Einige waren mehr oder weniger voll Wasser, welches viele Menschen zugleich mit Eimern herausschöpften. Das erste Boot war schon für seine Kamikazemission bereit. Balken, wahrscheinlich aus den Dachstühlen alter Häuser lagen fischgrätenförmig im Innenraum, in dem noch immer gut ein halber Meter Wasser schwappte. Durch in die Bordwand geschlagene Löcher ragten primitive Ruder aus Metallrohren . Jeweils zwei Männer waren im Inneren des Bootes  an ein Ruder und mit den Füßen an die Holzbalken, die als Ruderbank dienten, gefesselt. Als organischer Teil des Bootes lautete ihre Mission Sieg oder Untergang.
Will versuchte krampfhaft, durch den Rauch die Gesichter der unglücklichen Sklaven zu erkennen. Sein Vater schien nicht dabei zu sein. Angst und Enttäuschung wechselten in seinem Gesicht. Tränen liefen über seine Wangen. Sia stand hilflos daneben, unfähig, ihn zu trösten.
Unterführer und Wächter mit Gewehren rannten umher und verteilten Schläge und Fußtritte an die protestierenden Ruderer. Will zuckte bei jedem Schlag zusammen. Am Bug der Schiffe standen primitive Kugelfänge auf den Decks, meist umgestürzte Lieferwagen oder gehäufter Stahlschrott. Dahinter hockten Männer in Söldnerkleidung mit den verschiedensten Waffen in ihren Händen. Seile mit Enterhaken lagen bereit.  
Inzwischen wurden zwei weitere der improvisierten Sturmboote klar gemacht. Vor der weißen Mauer zeugte schon eine beträchtliche Anzahl von Wracks von vorherigen vergeblichen Versuchen. Bei einigen hingen noch die Leichen der Ruderer an den verkohlten Balken. Auch die ebenmäßige weiße Mauer war an diesen Stellen schwarz verrußt.
Weitere Ruderer wurden mit Kolbenschlägen und Fußtritten auf ihre Galeeren getrieben. Wer sich mit Händen und Füßen wehrte, bekam ein Messer in den Bauch und flog über Bord. Durch die wabernden Rauchschwaden waren die Gesichter nur schwer zu erkennen.
Will hielt sich kaum noch auf den Beinen.Sia presste seine Hand.
Da sah sie plötzlich Marcels Gesicht. Sie streckte ihren Arm, bis auch Will seinen Vater entdeckte. In einem der hinteren Boote hockte er in der vorletzten Reihe. Trotz der Kälte hatte man ihm nur ein T-Shirt gelassen. Will gab einen erstickten Laut von sich und wollte die Treppe herunterstürzen. Sia hielt ihn mühsam fest. „Reiß dich zusammen! Was hast du vor? Du bringst euch beide um!“ schrie sie ihm ins Gesicht, bis er sich etwas beruhigen lies.
Langsam wurde es dunkel. Feuer und Fackeln verstärkten die gespenstische Szenerie noch. Drüben flammten Scheinwerfer auf und tauchten die Mauer in helles Licht.
Was sie jetzt brauchten, war ein Plan. Und zwar schnell. Waren die Boote erstmal unterwegs, würden sie nur noch hilflos beim Scheibenschießen und Schiffe-Versenken zusehen können.
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Stefanie
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Beitrag12.01.2019 15:23

von Stefanie
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Thomas74 hat Folgendes geschrieben:


---ich könnte über 200m Fluß nicht so exakt schätzen



Ok, dass der Fluss so breit ist, war mir nicht klar. Allerdings frage ich mich, wie sie über die Entfernung Details wie die Maschinengewehre oder Kameras erkennen können. Mal abgesehen von den Zuständen im Lager dahinter. Es wird ja geschildert, als ob Sia das in dem Moment so sieht.
Und wenn sie so weit oben sind, dass sie über die Mauer gucken können, sind die Personen und Ereignisse unten am Fluss wirklich trotz des Rauches so genau zu erkennen?

(Sorry, bin sehr detailverliebt.)

Bin gespannt, wie es weitergeht.
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MosesBob
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Beitrag12.01.2019 15:41

von MosesBob
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Hallo Thomas!

Ich hab ein Faible für Dystopien. Einerseits wegen des Szenarios an sich, andererseits interessiert mich die menschliche Psyche in (extremen) Ausnahmesituationen. Du schreibst sehr detailliert. Zum Teil gefällt mir das gut, wenn du das Treiben am Hafen beschreibst. Trotzdem werde ich mit deiner Geschichte nicht so richtig warm. Insgesamt beschreibst du sehr viel. Manchmal finde ich die Wortwahl unglücklich (z. B. Stacheldraht, der die Mauer krönt). Außerdem sind mir einige Redundanzen aufgefallen. Dadurch habe ich den Eindruck, dass der Autor sich darum bemüht, mir ein möglichst apokalyptisches Bild zu erklären. Ich möchte aber gar nicht wissen, dass er sich bemüht. Und wenn er sich bemüht hat (was er ja durchaus darf), dann will ich von dieser Mühe beim Lesen nichts spüren.

Ich möchte versuchen, dir das anhand des ersten Absatzes zu erklären:

Thomas74 hat Folgendes geschrieben:
Durch ein völlig verdrecktes und schwarz ausgeräuchertes Treppenhaus zog er sie in die Überreste einer Wohnung im obersten Stockwerk eines Hochhauses. Im Flur lag ein Toter mit durchgeschnittener Kehle. Ratten hatten sich schon an der Leiche zu schaffen gemacht. Sie stiegen über ihn hinweg. Berge von Dreck und Exkrementen bedeckten den Boden. In der Ecke lag ein völlig zugedröhnter Kerl und versuchte, sein schlaffes Ding zu wichsen. Er ließ sich bei seinen vergeblichen Versuchen auch von den beiden Kindern nicht stören. Angewidert schlichen sie vorbei. Statt Fenstern klafften nur noch leere Löcher im nackten Beton. Der eisige Wind milderte den Gestank ein wenig. Zumindest den aus dem Inneren der Etage.Dafür wehte beißender Rauch von draußen herein. Von hier oben blickten sie auf ein apokalyptisches Szenario. Der Vorhof der Hölle musste dagegen ein recht idyllisches Plätzchen sein, dachte Sia. Hunderte, wenn nicht tausende Menschen drängten sich auf dem Streifen zwischen Ruinen und dem Flussufer.  

2x völlig: Mir geht es hier nicht um eine Wortwiederholung, sondern um seine Wirkung. Du benutzt zweimal hintereinander einen Superlativ. Mindestens einen würde ich streichen, damit der andere seine Wirkung nicht einbüßt und deine Beschreibungen nicht zu eintönig klingen.

schwarz ausgeräuchert: "schwarz" kann gestrichen werden. Wenn etwas ausgeräuchert ist, ist es für mich automatisch schwarz.

leere Löcher: Dito. Ein Loch ist für mich automatisch leer, solange der Autor nichts Gegenteiliges behauptet.

nackte Beton: Ja, das sagt sich immer so leicht dahin. Der nackte Beton ist eigentlich schon eine Redewendung, ein geflügeltes Wort. Gerade deswegen würde ich es mit Vorsicht verwenden. Ich sage nicht, dass man darauf verzichten soll, ganz und gar nicht, aber hören wir uns diesen einen Satz mal ohne diese beiden redundanten Adjektive an: "Statt Fenstern klafften nur noch Löcher im Beton." Hat gleich ein ganz anderes Tempo, oder? Und das Bild, das der Satz vermittelt, ist zu 100% identisch.

Der eisige Wind milderte den Gestank ein wenig. Zumindest den aus dem Inneren der Etage.Dafür wehte beißender Rauch von draußen herein. Welcher Gestank wurde hier gemildert? Vorher ist von keinem Gestank die Rede. Die Leiche? Die Exkremente? Das Treppenhaus ist ausgeräuchert. Stinkt es überhaupt nach etwas, außer nach dem ausgeräucherten Treppenhaus selbst? Auch von einem Gestank außerhalb des Hochhauses ist, zumindest in diesem Auszug der Geschichte, keine Rede. Vorschlag: "Beißender Rauch fuhr mit dem eisigen Wind in das Gebäude." Anzahl der Worte halbiert.

Der Vorhof der Hölle musste dagegen ein recht idyllisches Plätzchen sein, dachte Sia. Du hast die Geschichte als Jugendbuch klassifiziert. Wäre es kein Jugendbuch, würde ich sagen: Streich den Satz. Warum? Erstens: Weil ich bezweifle, dass ein Kind in dieser Situation einen solchen Gedanken hat. Zweitens: Der Satz ist eine Plattitüde. Ich glaube, da fällt dir was Originelleres ein. Wink

Was mich beim Rest dieser Leseprobe stutzig machte, war die Distanz. Sia und Will schauen aus dem obersten Stock (!) eines Hochhauses (!) durch Rauch (!) mit bloßen Augen (?) auf das Ufer unter ihnen. Von dieser Warte aus können sie sehen, dass die Insassen eines Bootes an ein Ruder und mit den Füßen an die Holzbalken gefesselt sind. Will versucht sogar, "durch den Rauch die Gesichter der unglücklichen Sklaven zu erkennen". Später erkennen sie dann das Gesicht des Vaters. Da stellt sich mir die Frage: Sind Will und Sia wirklich in einem Hochhaus? Die Aussicht, die du beschreibst, passt dazu. Aber dann müssen Sia und Will Adleraugen haben. Shocked

Beste Grüße,

Martin


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Die letzte Stimme, die man hört, bevor die Welt untergeht, wird die eines Experten sein, der versichert, das sei technisch unmöglich.
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(Laotse)
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Thomas74
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Beitrag12.01.2019 17:06

von Thomas74
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Die Häuser sind mehrere Etagen hoch. OK, Hochhaus ist wohl etwas anderes.  Auf die Distanz erkennt man aber durchaus Gesichter.(hab mal im 6. Stock gewohnt)

Den Gestank nach Exkrementen usw. hatte ich vorher geschildert, ist nicht im Absatz enthalten. Die Treppenhäuser werden als Abtritt missbraucht.

Von Jugendbuch bin ich durch die Kommentare fast abgekommen. Eher Dystopie mit jugendlichen Hauptdarstellern.

Vielleicht hilft ein Bild der gedachten Situation
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Stefanie
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Beitrag12.01.2019 17:41

von Stefanie
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Thomas74 hat Folgendes geschrieben:
Vielleicht hilft ein Bild der gedachten Situation


Nur wenn das Bild auch nachher im Buch ist. Sonst musst du mit Worten klarmachen, was du meinst.

Für ein Jugendbuch finde ich schon den Einstieg mit dem sich befummelnden Typen heftig. Insofern ist die Entscheidung, von vornherein ein etwas älteres Publikum anzustreben, ganz gut.
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Thomas74
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Beitrag12.01.2019 18:05

von Thomas74
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Kompromiss : Viertes Obergeschoß. Da hat man erstens die Perspektive über die Mauer und zweitens sind die Gesichter auf jeden Fall trotz Rauchschwaden zu erkennen.
War ein super Einwurf! Ich bin versucht, hinzufahren und zu klingeln, ob ich auf den Balkon darf... Wink

Das Areal hinter der Mauer ist heute ein Containerhafen, die Details erkennt man wie geschildert.

Wenn er nun statt der Gesichter "die bekannte Gestalt seines Vaters" entdeckt, sollte es doch passen ?

Das mit der Hölle ist wahr. Zudem zu diesem Zeitpunkt seit etwa 40 Jahren keine Religion mehr praktiziert wird. Rot vorgemerkt!
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Beitrag12.01.2019 20:23

von Thomas74
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So, überarbeitet und ein Stück weiter...
Leider gibt es die Option "Ergänzt" nicht, ist ja keine eigentliche Fortsetzung...

Durch ein verdrecktes und schwarz ausgeräuchertes Treppenhaus zog er sie in die Überreste einer Wohnung im oberen Stockwerk einer der mehrgeschossigen Hausruinen. Im Flur lag ein Toter mit durchgeschnittener Kehle. Ratten hatten sich schon an der Leiche zu schaffen gemacht. Sie stiegen über ihn hinweg. Berge von Dreck und stinkenden  Exkrementen bedeckten den Boden. In der Ecke lag ein völlig zugedröhnter Kerl und versuchte, sein schlaffes Ding zu wichsen. Er ließ sich bei seinen vergeblichen Versuchen absolut nicht stören. Angewidert schlichen sie vorbei. Statt Fenstern klafften nur noch Löcher im Beton der Wände. Der eisige Wind milderte den Gestank ein wenig. Zumindest den aus dem Inneren der Etage. Beißender Rauch wehte von draußen herein. Von hier oben blickten sie auf ein apokalyptisches Szenario. Sia musste schlucken. Sie hatte in ihrem Leben schon viel Elend und sterbende Menschen gesehen, aber das hier stellte alles in den Schatten.
Hunderte, wenn nicht tausende Menschen drängten sich auf dem Streifen zwischen Ruinen und dem Flussufer.  
Am gegenüberliegenden Ufer stand eine endlos lange, im provozierenden Weiß gestrichene Mauer von gut drei Metern Höhe. Die Oberkante war mit Stacheldrahtrollen verstärkt. In regelmäßigen Abständen ragten schwer gepanzerte Erker mit Maschinengewehren aus der Mauer. Kameras in Metallgehäusen lugten durch den Stacheldraht. Für Ödland-Verhältnisse eine unüberwindbare Festung.
Von ihrem Standpunkt aus erkannten sie dahinter ein großes Areal, auf dem unzählige Container standen. Nicht die rostigen, bunten Dinger, die am Rande der Autobahn in allen möglichen Lagen dahinrotteten. Nein hier waren ebenfalls weiße Container mit unbekannten Schriftzeichen akkurat gestapelt. Im Hintergrund erkannte Sia eine Art Siedlung, ebenfalls aus Containern bestehend, welche, mit Fenstern und Türen ausgestattet, in mehreren Lagen übereinander in etlichen Reihen ordentlich aufgereiht standen. Sandfarbene Fahrzeuge fuhren umher.
Alles war wie mit dem Lineal ausgerichtet.
Auf ihrer Uferseite herrschte dagegen das blanke Chaos. Die Menschen schrien, schubsten, drängten. Nicht wenige stürzten von der Kaimauer. Wer nicht schwimmen konnte, dümpelte bald darauf als eine der vielen Wasserleichen zusammen mit Unmengen Müll Richtung Meer, zur Freude der Möwen, die wie Totenvögel gierig über der Szenerie kreisten.
Zwischen den Menschenmassen brannten Feuer, auch aus den Hausruinen drangen Rauch und Schreie.
„Da sind sie!“ wies Will in eine Richtung. „Die Galeeren!“
Am Ufer, welches hier wohl einmal ein Fähranleger gewesen sein musste, lagen mehrere motorlose Schleppkähne. Einige waren mehr oder weniger voll Wasser, welches viele Menschen zugleich mit Eimern herausschöpften. Das erste Boot war schon für seine Kamikazemission bereit. Balken, wahrscheinlich aus den Dachstühlen alter Häuser lagen fischgrätenförmig im Innenraum, in dem noch immer gut ein halber Meter Wasser schwappte. Durch in die Bordwand geschlagene Löcher ragten primitive Ruder aus Metallrohren . Jeweils zwei Männer waren im Inneren des Bootes an ein Ruder und mit den Füßen an die Holzbalken, die als Ruderbank dienten, gefesselt. Als organischer Teil des Bootes lautete ihre Mission Sieg oder Untergang.
Will versuchte krampfhaft, durch den Rauch seinen Vater unter den Rudersklaven zu entdecken.   Tränen liefen über seine Wangen. Sia stand hilflos daneben, unfähig, ihn zu trösten.
Unterführer und Wächter mit Gewehren rannten umher und verteilten Schläge und Fußtritte an die protestierenden Ruderer. Will zuckte bei jedem Schlag zusammen. Am Bug der Schiffe standen primitive Kugelfänge auf den Decks, meist umgestürzte Lieferwagen oder gehäufter Stahlschrott. Dahinter hockten Männer in Söldnerkleidung mit den verschiedensten Waffen in ihren Händen. Seile mit Enterhaken lagen bereit.  
Inzwischen wurden zwei weitere der improvisierten Sturmboote klar gemacht. Vor der weißen Mauer zeugte schon eine beträchtliche Anzahl von Wracks von vorherigen vergeblichen Versuchen. Bei einigen hingen noch die Leichen der Ruderer an den verkohlten Balken Auch die ebenmäßige weiße Mauer war an diesen Stellen schwarz verrußt.
Weitere Ruderer wurden mit Kolbenschlägen und Fußtritten auf ihre Galeeren getrieben. Wer sich mit Händen und Füßen wehrte, bekam ein Messer in den Bauch und flog über Bord. Durch die wabernden Rauchschwaden waren die Gesichter nur schwer zu erkennen.
Will hielt sich kaum noch auf den Beinen. Sia presste seine Hand.
Sie war es, die zuerst Marcels hochgewachsene Gestalt erkannte. Sie streckte ihren Arm, bis Will ihn auch entdeckte. In einem der hinteren Boote hockte er in der vorletzten Reihe. Trotz der Kälte hatte man ihm nur ein T-Shirt gelassen. Will gab einen erstickten Laut von sich und wollte die Treppe herunterstürzen. Sia hielt ihn mühsam fest. „Reiss dich zusammen! Was hast du vor? Du bringst euch beide um! “ schrie sie ihm ins Gesicht, bis er sich etwas beruhigen lies.
Langsam wurde es dunkel. Feuer und Fackeln verstärkten die gespenstische Szenerie noch. Drüben flammten Scheinwerfer auf und tauchten die Mauer in helles Licht.
Was sie jetzt brauchten, war ein Plan. Und zwar schnell. Waren die Boote erstmal unterwegs, würden sie nur noch hilflos beim Scheibenschießen und Schiffe-Versenken zusehen können.

Sie schlichen wieder durchs finstere Treppenhaus. Der Onamist war inzwischen eingeschlafen, dafür drang aus einer tieferen Etage das Geschrei einer gepeinigten, vielleicht vergewaltigten Frau.

Die Stufen waren nass von Pisse. Niemand ging für solche Kleinigkeiten ins Erdgeschoß.
 Der eigenen Wehrlosigkeit bewusst tasteten sie sich mit flauem Magen nach unten. Um die Bootsanlegestelle brodelte ein Hexenkessel. Söldner und Glücksritter strömten zu den Enterschiffen, Frauen suchten ihre Männer, Kinder brüllten, Soldaten fluchten.

Will drängte an die Kante. Sie standen direkt über dem abfahrbereiten Schiff. Beide klammerten sich mit blutigen Fingern an einen Eisenpfahl und aneinander, um nicht vom Mob zertrampelt oder ins Wasser geschubst zu werden. Das erste Boot legte unter Siegesgeheul ab. Das Deck war schwarz von Menschen. Einige fielen auch ins Wasser. Erste Schüsse fielen in Richtung des anderen Ufers. Nach wenigen Minuten war der Fluss überwunden. Die Ruderer legten sich ins Zeug, sie wussten, dass sie um ihr Leben ruderten.

Auf das Boot, in dem Marcel saß, strömten immer mehr Bewaffnete. Frauen, die zu ihren Männern stürzen wollten, wurden nach hinten gezerrt und mit Faustschlägen zum Verstummen gebracht. Marcel starrte stumpf vor sich hin, schaute nicht nach oben, wo Will verzweifelt versuchte, Blickkontakt zu bekommen. Er wollte sich losreißen und zur Gangway stürzen. Sia riss ihn am Hosenbund zurück. Er wehrte sie ab, bis sie ihm klatschend ins Gesicht schlug. Der plötzliche Schmerz rüttelte ihn wach. „Wilhelm!“ schrie sie ihn an. „Du bleibst hier! Denk an deine Mutter! Soll sie euch beide verlieren?? Deine kleine Schwester....“
Er schubste sie zurück. Es nutzte nichts. Ihre Zornesfalte erschien wieder. Insgeheim hoffend, dass er ihr irgendwann verzeihen würde, sollten sie das hier beide überlebten, krachte sie ihm mit voller Wucht ihr Knie in den Unterleib. Mit schmerzverdrehten Augen und einem undefinierbaren Keuchen kippte er einfach vornüber. Sie riss ihm sein Messer aus dem Gürtel, trat, seinen windenden Körper als Trittbrett nutzend, an die Kante und sprang in Richtung Schiff, um zwischen den Beinen der Söldner auf dem Hinterdeck zu landen.
Am anderen Flussufer brach zu diesem Zeitpunkt der Höllensturm los. Massives MG-Feuer fegte die meisten der ungedeckten Söldner vom Deck und ließ sie in den Fluss oder den Ruderraum stürzen. Vielstimmiges Gebrüll und Geschrei schallte über das Wasser. Da fauchte es wie ein wütender Drache und Feuerzungen peitschten über das Schiff. Flammenwerfer. Das Schreien wurde zu einem vielstimmigen Geheul, menschliche Fackeln sprangen über Bord, Munition explodierte unkontrolliert. Auch aus dem Ruderdeck schlugen jetzt Flammen. Die Schreie gingen in Winseln über. Die brennende Totenbarke driftete langsam verlöschend und durch unzählige Einschusslöcher voll Wasser laufend Richtung Meer. Letzte Schreie aus dem Ruderraum verstummten in einem Gurgeln.

Sia rappelte sich halb benommen hoch. Durch die harte Landung brannten ihre Handflächen und die Knie schmerzten jämmerlich. Sie biss die Zähne zusammen. Hände griffen nach ihr, Füße traten. Sie trat zurück, boxte, kratzte, biss und wand sich durch Dutzende Beine in Richtung Frachtraum, wo sie sich einfach über die Kante fallen ließ.
Der Boden zwischen den Ruderern war mit schwarzem, öligem Schlamm bedeckt, der ihren Sturz milderte. Platschend  versank sie komplett in der stinkenden Brühe. Als sie wieder auftauchte, war sie kohlrabenschwarz. Sie robbte durch den Fußraum der Ruderbänke. Niemand beachtete sie. Die Söldner auf dem Deck waren mit dem Chaos am anderen Ufer beschäftigt, die Ruderer starrten entsetzt nach oben und versuchten die Ursache der Panik und der Schreie zu ergründen. Wie ein Monster aus dem Sumpf tauchte sie vor Marcel auf, der sie irritiert anstarrte. Sie griff  das Messer und säbelte, die stumpfe Klinge verfluchend, die Kabelbinder an seinen Armen und Beinen los. Jetzt erst dämmerte ihm, wer diese kleine pechschwarze Gestalt war. „Sia?!?“ keuchte er halb entsetzt, halb erfreut. „Aber wie...?“ Er griff das Messer, löste seinem Nebenmann die Hände und drückte es ihm in die Hand. „Erstmal sitzenbleiben!!“ zischte er. Dieser nickte verstehend und reichte das Messer mit den gleichen Worten weiter.
Während oben die Welt unterging, war nach einer Viertelstunde gut die Hälfte der Ruderer befreit.
„Angriff!!!“ schallte von irgendwo her der überlaute Befehl. „Looos! Rudert!!!“ brüllte jemand ins Unterdeck. Schüsse krachten zur Verdeutlichung dieser Worte, einige Ruderer brachen tot oder verwundet zusammen. Die andere Bankseite, die von der Befreiungsaktion noch nichts mitbekommen hatte, legte sich in die Riemen, worauf sich das Boot um die eigene Achse drehte. Der Steuermann stemmte sich dagegen, Unterführer brüllten einander widersprechende Befehle.
Das Boot driftete unkontrolliert seitwärts. Krachend brachen die Ruderreihen des danebenliegenden Kahnes. Ruderer wurden von ihren Bänken gezerrt. Erste Fesseln rissen.
Das Chaos von draußen setzte sich in den Booten fort. Durch den Aufprall stürzten Söldner in den Innenraum, wurden entwaffnet. Blutige Zweikämpfe entsprangen, Schüsse krachten im Frachtraum. Die Lage eskalierte total. Kurze Zeit später waren alle Ruderer frei. Sie stürzten die Leitern herauf, Tote und Verwundete wieder herunter. Auf dem Nachbarschiff war ebenfalls eine Meuterei im Gange. Keiner konnte mehr unterscheiden, wer Freund oder Feind war. Jetzt klatschten auch von außen schwere MG-Treffer an die Bordwand. Die panzerbrechende Munition durchschlug den morschen Schiffsrumpf wie Butter. Marcel hatte Sia in eine Ecke gezerrt und schützte sie mit seinem Körper. Er blutete aus mehreren Splittertreffern und einem Messerschnitt am Oberarm.
Das Boot driftete langsam aus seinem Liegeplatz. Es hatte merklich Schlagseite bekommen.
Die Kämpfe ebbten ab. Alle waren entweder tot oder über Bord gesprungen.
Vorsichtig lugten sie aus dem Niedergang.
Der Fähranleger war schon einige Dutzend Meter entfernt. Schon tauchten Gestalten mit Seilen und  Enterhaken am Kai auf. Die Boote wollten sie sich nicht entgehen lassen. Klatschend schlug eine Kugel direkt neben Sias Gesicht ein. Heiße Bleispritzer brannten sich in ihre Haut. Sie quiekte auf. Marcel zerrte sie aus dem Niedergang hinter eine Seilwinde. Auch dieses Versteck wurde getroffen. Er packte sie hart und rollte sich über die Bordwand. Sia kreischte noch „Ich kann nicht schwiiiimmm...“, als sie klatschend ins eiskalte Wasser knallten. Sie verschluckte sich und begann panisch um sich zu strampeln und zu schlagen. Da wurde ihr Kopf über Wasser gerissen. Hustend und spuckend klammerte sie sich in Todesangst an Marcel, der keuchend versuchte, beide über Wasser zu halten und gleichzeitig das hysterisch zappelnde Kind abzuwehren, das ihn immer wieder selbst unter Wasser drückte . Irgendwann wusste er keinen Ausweg mehr und schlug ihr mit der Faust mitten ins Gesicht. Ihr Körper erschlaffte. Jetzt musste er nur noch ihren Kopf über Wasser halten. Blutige Schaumblasen blubberten aus ihrer Nase.

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MosesBob
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Beitrag13.01.2019 10:30

von MosesBob
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Hallo Thomas!

Du gehst ja flott an die Überarbeitungen heran. smile Hier sind viele Hinweise und Tipps eingetrudelt. Davon muss dir nicht jeder gefallen, und nicht jeden musst du umsetzen. Ich denke aber, dass es nicht schadet, wenn du die Passage eine Woche oder zwei liegenlässt, um Abstand zu gewinnen. Drei Überarbeitungen in drei Tagen sind schon ein ordentliches Pfund, und im Grunde genommen betreibt man in einer so kurzen Zeit nur Kosmetik. Von der aktuellsten Überarbeitung habe ich daher nur den ersten Satz gelesen, bis mir die ersten Redundanzen ins Auge sprangen:

Thomas74 hat Folgendes geschrieben:
Durch ein verdrecktes und schwarz ausgeräuchertes Treppenhaus zog er sie in die Überreste einer Wohnung im oberen Stockwerk einer der mehrgeschossigen Hausruinen.

Wenn vom oberen Stockwerk die Rede ist, ist das Haus zwangsläufig mehrgeschossig. Und wenn es die Überreste einer Wohnung sind, deren Treppenhaus obendrein ausgeräuchert ist, ist der Gedankensprung zur Ruine nicht weit. Wink Vorschlag: " … zog er sie in die Überreste einer Wohnung im x-ten Stock."

Den Hinweis von Stefanie fand ich übrigens interessant:

Stefanie hat Folgendes geschrieben:
Und warum eröffnen die Wachleute in den Erkern nicht schon bei den Vorbereitungen das Feuer? Die Maschinengewehre müssten weit genug schießen.

Aus deinem darauffolgenden Beitrag bin ich nicht so richtig schlau geworden. So ein MG, das aus den Erkern guckt, kann ja durchaus ein paar Kilometer weit schießen, daher finde ich den Einwand berechtigt. Oder stehe ich da auf dem Schlauch? Shocked

Beste Grüße,

Martin


_________________
Das Leben geht weiter – das tut es immer.
(James Herbert)

Die letzte Stimme, die man hört, bevor die Welt untergeht, wird die eines Experten sein, der versichert, das sei technisch unmöglich.
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Thomas74
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Beitrag13.01.2019 10:52

von Thomas74
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Ich schreibe beruflich am Tag bis zu vier A4-Seiten. Deadline 16 Uhr...
Wenn ich 15 Uhr merke, dass ich mich da verrannt habe...
Allerdings keine erfundenen Szenarien, deshalb tue ich mich ja so schwer.

Das mit der eher passiven Haltung der Verteidiger ist kein Zufall oder Fehler. Das fällt auch den Protagonisten auf und findet später eine schlüssige Erklärung.

Beispiel für solches Verhalten: In Afghanistan waren unsere Truppen an den Stützpunkten angehalten, nur direkte Angriffe innerhalb einer bestimmten Zone abzuwehren, Begründung, es war ja eine "Friedensmission". Also eher passiv nach Notwendigkeit zu agieren.

( Wink  irgendwann reicht es den Verteidigern übrigens und sie sorgen mit einer Blitzoperation für klare Fronten, wer nun das Sagen hat.)

P.S.
Mir schweben solche MG-Nester vor.
http://bunkersite.com/locations/ci/guernsey/47fpak-grune-1.php
Ich merke aber gerade, dass ich Probleme habe, diese Bauart jemandem ohne militärisches Hintergrundwissen zu vermitteln. Embarassed  
Zeitungsartikel sind einfacher, da packe ich ein Bild rein.
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Beitrag13.01.2019 11:20

von MosesBob
Antworten mit Zitat

Thomas74 hat Folgendes geschrieben:
Das mit der eher passiven Haltung der Verteidiger ist kein Zufall oder Fehler. Das fällt auch den Protagonisten auf und findet später eine schlüssige Erklärung.

Alles klar, danke. Die Bauart von den MG Nestern musst du nicht erklären. Wenn es einen Grund hat, dass sie nicht sofort schießen (selbst wenn es nur einen psychologisch-sadistischen Grund hat), ist es schlüssig.


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Beiträge: 1741



Beitrag14.01.2019 12:20

von Stefanie
Antworten mit Zitat

[quote="MosesBob"]

Thomas74 hat Folgendes geschrieben:

Den Hinweis von Stefanie fand ich übrigens interessant:

Stefanie hat Folgendes geschrieben:
Und warum eröffnen die Wachleute in den Erkern nicht schon bei den Vorbereitungen das Feuer? Die Maschinengewehre müssten weit genug schießen.

Aus deinem darauffolgenden Beitrag bin ich nicht so richtig schlau geworden. So ein MG, das aus den Erkern guckt, kann ja durchaus ein paar Kilometer weit schießen, daher finde ich den Einwand berechtigt. Oder stehe ich da auf dem Schlauch? Shocked

Beste Grüße,

Martin


Thomas schreibt in seiner Antwort, dass die MGs parallel zur Mauer ausgerichtet sind, also vermutlich so montiert, dass sie eher den Bereich vor der Mauer treffen, aber sich nicht unbedingt im rechten Winkel von der Mauer wegdrehen lassen. Anscheinend ist die Anlage sehr defensiv und nicht darauf ausgelegt, in der Entfernung jemanden treffen zu können.
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Thomas74
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Beitrag14.01.2019 14:07

von Thomas74
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Die nächste Szene setzt etwas später ein.
Kurze Zusammenfassung zum Verständnis: Es gab einen Angriff einer größeren organisierten Truppe auf den schon beschriebenen Stützpunkt. Dieser wurde, auch um ein Exempel zu statuieren, massiv niedergeschlagen.
Auf einem Propagandavideo der Sieger erkennt die Hauptdarstellerin eine gute Freundin aus einer früheren Epoche wieder. Gegen den Willen ihrer Gefährten macht sie sich auf, sie zu suchen....
 

Als sie sich abends in eine Sandkuhle in den Dünen rollten, spürte er ihre Hand an seiner Hüfte. Wahrscheinlich dachte sie, sich so entschuldigen zu können. „Ich bin nicht zum Fummeln hier!“ hatte er geknurrt und sich auf die andere Seite gewälzt. Sia hatte die halbe Nacht leise geschluchzt. So billig ließ er sie nicht davonkommen.    
 Die Luft stank beißend nach Rauch, Tod und Verwesung.
Im Straßengraben lagen die ersten Leichen, durch die warme Witterung widerlich aufgedunsen. Fliegenschwärme und Vögel  machten sich an ihnen zu schaffen. Die meisten Überlebenden waren nach Westen unterwegs und kamen ihnen entgegen. Viele Glücksritter hatten resigniert und zogen desillusioniert wieder ins offene Ödland zurück. An den Straßenrändern lagen zerfetzte Insignien einer geschlagenen Armee. Sia trat eine grüne Sonnenblumenarmbinde beiseite. Irgendwann hatte Will doch wieder ihre Hand gegriffen. Wortlos schritten sie durch die Spur der Verwüstung. Einige Tote trugen die khakifarbenen Uniformen der Grünen Jugend, aber ein bekanntes Gesicht war nicht darunter. Manche hatten sich offensichtlich selbst erschossen. Einmal trat Sia an ein etwa gleichaltriges totes Kind heran und bedeckte den entblößten Unterleib. Will sah nur stumm zu. Gardisten oder reguläre Truppen sahen sie keine mehr. Die Kindersoldaten Edens schienen für die neuen Herren keine Gefahr darzustellen, man hatte sie entwaffnet und weggejagt. Einzeln oder in kleinen Gruppen schlichen sie mit hängenden Köpfen nach Westen. Am Nachmittag fanden sie Juliette. Apathisch vor sich hinstarrend saß sie nur wenige hundert Meter von der Stelle im Film entfernt an einem ausgebrannten LKW. Ihre Uniform war zerrissen und blutig. Ihr rechtes Bein hatte man verbunden und mit zwei Hölzern provisorisch geschient, der Fuß steckte blaugrün angelaufen in einem Kampfstiefel ohne Schnürsenkel. Auf der linken Wange prangte eine schlimm aussehende, aber schon verschorfte Brandwunde, das halbe  Ohr fehlte. Im Zeitlupentempo hob sie den Kopf. Ihre Augen waren müde. Es dauerte lange, bis sie das Mädchen vor sich erkannte. „Sia ?“ fragte sie ungläubig, als ob ein Geist vor ihr stünde. „Juli!“ schluchzte Sia und fiel ihr um den Hals. Das einst so massige Mädchen hatte abgenommen.
Sie fasste Juliette an den Schultern und schaute ihr ins zerstörte Gesicht. „Vanessa?“ Sie brauchte nicht auf das zögerliche Kopfschütteln des großen Mädchens zu warten. Ihre tieftraurigen Augen sagten ihr alles. Sie umarmte sie behutsam und flüsterte. „Das tut mir so leid!“ Beide wiegten sich eine Weile  stumm und weinten zusammen. Juli schaute fragend auf Will, der hilflos daneben hockte. „Mein Freund“ erklärte Sia. „Du Glückliche!“ flüsterte Juli. Neue Tränen füllten ihre Augen. Sia barg sie an ihrer Brust und wandte sich leise an Will. „Sie hat gerade ihre Freundin verloren. Ihre...sowas wie du für mich !“ Er begriff und schluckte. Vorsichtig fasste er nach Julis Schulter. „Ich...du....es tut mir leid!“ suchte er mühsam nach Worten.
Juli war völlig dehydriert. Seit drei Tagen hatte sie nichts gegessen oder getrunken. Sie war im Begriff, zu  verdursten, ohne den Antrieb, etwas dagegen zu tun. Ihr war alles egal, sie wollte nur noch sterben. Sia sah das natürlich anders. Fast mit Gewalt flößten sie ihr eine ganze Flasche Wasser ein. „Ihr könnt mir doch einfach euer Messer geben !“  hatte Juli förmlich gebettelt.
„Kommt überhaupt nicht in Frage!“ beschied Sia energisch. " Wir lassen niemanden zurück! Denk an unseren Schwur! Vani würde nicht wollen, dass du feige aufgibst“
Bei der Erwähnung ihrer Freundin zuckte Juli zusammen. „Ich habe versagt!“ flüsterte sie. „Ich habe nicht auf sie aufgepasst!“ „Das ist Blödsinn!“ fauchte Sia. „Ich musste meinen Freund verprügeln, um dich zu retten und bin voll am Arsch, wenn ich zurückkomme! Rette dann wenigstens mich!“ Juli lächelte durch ihre Tränen. „Versprochen! Eine für alle...“
„...alle für eine!“ setzte Sia kämpferisch hinzu. „Und jetzt los, wir haben Termine!!“
  Keuchend mit schmerzverzerrtem Gesicht stand Juli mit Wills Hilfe auf. Sie war einen halben Kopf größer als er. „Wohin gehen wir?“ fragte sie. „Nach Hause!“ meinte Sia. “Wir gehen jetzt nach Hause!“

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