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Kain


 
 
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Winterfeld
Geschlecht:männlichGänsefüßchen
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Alter: 42
Beiträge: 25
Wohnort: Pfalz


W
Beitrag24.11.2018 21:34
Kain
von Winterfeld
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Sind es Blicke nur, die morden,
sind es Worte, ist es Neid?  
Oder nur der Trott der Horden,
der erfüllt mein Herz mit Leid?

Staub und Schatten,  Brot und Spiele,
barst der Spiegel, bricht der Bann?
Litanaien, heere Ziele,
gleich schon morgen Fang ich an.

Einst verband uns Gottes Segen,
einst als Brüder, warn wir gleich.
Letztlich werd ich kaum erleben,
unsres Vaters ewig Reich.

Ich verzehr mich, tief in Sehnsucht,
suche einen Weg ins Licht.
Und es fällt die einzge Zuflucht,
meinen Ausweg find ich nicht.

Aug um Auge, Zahn um Zahn,
deine Seele für die meine!
Seh verschwommen ich im Wahn?
Diese Lösung oder keine!

Dunkles Blut aus tiefen Wunden,
ohne Glanz, die Augen starr.
Keine Unschuld je gefunden,
keine Spur von Reue gar.

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Herdis
Geschlecht:weiblichLeseratte


Beiträge: 134
Wohnort: Nordhessen


Beitrag25.11.2018 12:52

von Herdis
Antworten mit Zitat

Hallo Winterfeld,


der Laie hier macht mal den Anfang.
Mein Eindruck: Du hast da einen interssanten und in weiten Teilen wirklich gelungenen Text eingestellt. Das Thema ist immer aktuell.

Könntest Du mir nur bitte zwei Passagen kurz erklären, die mich etwas rausbringen?
Ich kann sie so gerade nicht unterbringen und krame in meiner Erinnerung nach der Geschichte von Kain und Abel. Bin mir nicht sicher, ob ich da was einfach nur nicht präsent habe, um sie richtig einordnen zu können.

"Oder nur der Trott der Horden,
der erfüllt mein Herz mit Leid?"


und

"Staub und Schatten, Brot und Spiele,
barst der Spiegel, bricht der Bann?
Litanaien, heere Ziele,
gleich schon morgen Fang ich an."


Brot und Spiele z.B. verbinde ich automatisch mit den Römern, was mich in dem Zusammenhang etwas verwirrt. Überhaupt passt für mich dieser Absatz nicht so ganz in den Rest (mein Gefühl). Aber vielleicht kannst Du mir da helfen?

PS: "Fang" klein? Tippfehler oder Absicht?

LG
Herdis


_________________
"Wenn ich nicht schreibe, fühle ich, wie meine Welt schrumpft. Ich empfinde, wie ich mein Feuer und meine Farben verliere." Anais Nin

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Herbsttag (Zwischendurchgeschichten, WIRmachenDRUCK.de, 978-3-9817672-9-2)
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Mann wie ein Turm
Geschlecht:männlichGänsefüßchen
M

Alter: 44
Beiträge: 47



M
Beitrag25.11.2018 14:43

von Mann wie ein Turm
Antworten mit Zitat

Hallo!

zuerst ein paar kleinliche Anmerkungen:
ich glaube es müsste "hehre Ziele" heißen, denn mit Heer haben Kain und Abel doch wohl nichts zu tun. Zudem meinst Du wohl nicht Horde (damit verbinde ich ungeordnete Kampfverbände), sondern Herde, also eine Ansammlung von Tieren. Dann kriegst Du aber Schwierigkeiten mit dem Reim, Mist.

Brot und Spiele - Römer, klar. Aber auch so einfache Dinge, wie sie eben Geschwister miteinander teilen. Wenn man mal von den Römern weg ist, kommt man auch an diesen Aspekt ran.

Schöne Grüße, Turm.
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Winterfeld
Geschlecht:männlichGänsefüßchen
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Alter: 42
Beiträge: 25
Wohnort: Pfalz


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Beitrag27.11.2018 17:01

von Winterfeld
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Danke für euer Feedback. Die beiden Fehler sind tatsächlich unbeabsichtigt. Ich sollte wohl künftig darauf verzichten, Texte aus einer Bierlaune heraus direkt aus dem Pub zu posten Embarassed  Insofern ja, es muss natürlich hehre Ziele heißen und auch das "fang" sollte  kleingeschrieben werden.


Spannender wird es dann beim Inhaltlichen.


Wenn man den Inhalt des Gedichts ausschließlich auf die biblische Figur Kain herunterbricht habt ihr beide natürlich recht. Weder gab es Spiegel, die hätten brechen können, noch kann man eine Hand voll Menschen als Horde bezeichnen. Und auch sonst knirscht der Text dann an einigen Stellen.

Tatsächlich habe ich mit dem Titel des Gedichts gehadert.  Sicher,  einige Passagen sind tatsächlich der biblischen Geschichte entnommen.
Aber es geht hier nicht wörtlich um Kain, sondern um die Gefühle hinter dem überlieferten ersten Mord der Menschheitsgeschichte.

Es geht im Kern um Hochmut und Neid.

Der Trott der Horden - bezieht sich auf das Hadern über die fehlende Anerkennung der breiten Masse.

Brot und Spiele - bezieht sich auf eine Form der Realitätsflucht, dem Wunsch am eigenen Weltbild und vor allem an der Selbstwahrnehmung festzuhalten. Das führt dann auch zu dem Sinnbild des zerbrochenen Spiegels, wenn dieses Selbstbild schließlich Risse bekommt bzw. komplett zerbricht, die Aufarbeitung dessen aber verweigert wird (morgen fang ich an).

Ich hoffe, das erklärt meine Gedankengänge ein wenig besser Smile
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Abari
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Alter: 43
Beiträge: 1838
Wohnort: ich-jetzt-hier
Der bronzene Durchblick


Beitrag27.11.2018 17:29

von Abari
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Hey,

hmm. Also grundsätzlich wird Litaneien mit e geschrieben. Aber das nur so nebenbei.

Ansonsten sprechen mich die letzten vier Strophen sehr an. Die ersten beiden finde ich zu sehr von-oben-herab/-erklärend. Da entsteht kein konsistentes Bild in mir.

Der Text wäre vielleicht in der Werkstatt besser aufgehoben gewesen, hm? Nicht wegen seiner Machart - die ist gut durchgehalten und spricht für sich. Aber wegen besagter erster zweier Stophen. Die wirken auf mich, als wolltest Du erst was ganz anderes sagen... Wobei etwas zu "wollen" in der Kunst ein recht schwieriges Unterfangen ist. Die letzten vier Strophen finde ich glücklich aus der Feder geflossen.

Du siehst dich ja auch gezwungen, die ersten beiden erklären zu müssen. Das ist ein Hinweis darauf, dass sie nicht das sagen, was Du meinst.


_________________
Das zeigt Dir lediglich meine persönliche, höchst subjektive Meinung.
Ich mache (mir) bewusst, damit ich bewusst machen kann.

LG
Abari
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Herdis
Geschlecht:weiblichLeseratte


Beiträge: 134
Wohnort: Nordhessen


Beitrag27.11.2018 20:54

von Herdis
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Hi again,


ah, ok, danke. Very Happy

Dann hat mich der Titel tatsächlich etwas auf eine "falsche" Bahn gelenkt.

LG,
Herdis


_________________
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Mann wie ein Turm
Geschlecht:männlichGänsefüßchen
M

Alter: 44
Beiträge: 47



M
Beitrag27.11.2018 22:35

von Mann wie ein Turm
Antworten mit Zitat

Hallo, Winterfeld!

Nach Deinen Erklärungen habe ich mir Dein Gedicht noch einmal angesehen.

Winterfeld hat Folgendes geschrieben:
Sind es Blicke nur, die morden,
sind es Worte, ist es Neid?  
Oder nur der Trott der Horden,
der erfüllt mein Herz mit Leid?


Kann ich jetzt irgendwie nachvollziehen, auch wenn ich zwar Trott mit so etwas wie Gleichgültigkeit assoziiere, Horde aber noch immer irgendwie kriegerisch auffasse. Es scheint mir dem Reim geschuldet, das geht eleganter meines Erachtens.

Mit der zweiten Strophe komme ich aber noch nicht klar.

Winterfeld hat Folgendes geschrieben:

Staub und Schatten,  Brot und Spiele,
barst der Spiegel, bricht der Bann?
Litanaien, heere Ziele,
gleich schon morgen Fang ich an.


Die letzten beiden Verse gehen irgendwie in Ordnung, obwohl das Hehre unklar bleibt (sich über seinen eigenen Neid hinwegzusetzen?), aber die ersten beiden?
In "Staub und Schatten" sehe ich Sinnbilder der Vergänglichkeit und Hinfälligkeit. Das bekomme ich vielleicht in der Nähe des zerbrechenden Spiegels, sprich dessen wie man sich selbst sieht, unter, an der Stelle aber irgendwie nicht. Auch finde ich in "Brot und Spiele" kaum das Festhalten-Wollen am eigenen Weltbild. Brot hat in meiner Vorstellung nichts mit Weltbild, sondern mit einem Grundbedürfnis und dessen Befriedigung zu tun. "Spiele" dagegen passt für mich hier schon, weil ich es in der Nähe von einem Weltbild abseits der Realität verorten kann und weil es als Gegenbild zum Mordszenario taugt, in der Kombination aber nicht.
Bei dem Wörtchen "Bann" stoße ich auf größere Probleme, die sozusagen darin begründet sind, dass Du das Gedicht hier postest: Gehe ich davon aus, dass Du an dem Ding noch herumbastelst, es sich also um eine unfertige Sache handelt, sehe ich die Sache folgendermaßen:
Wenn ein Bann bricht, ist doch der Verzauberte erlöst. Im Gedicht liegt doch aber im Grunde das genaue Gegenteil vor: Ein Bann hat meines Erachtens nichts Positives, die Unschuld aber vor dem Zerspringen des Spiegels ist allerdings positiv und zerbricht. Ich an Deiner Stelle würde nach einer Alternative suchen.
Wenn ich allerdings davon ausgehe, dass das Gedicht genau so gemeint ist, wie es da steht, muss ich davon ausgehen, dass "Bann" etwas anderes meinen muss, weil die Deutung oben dazu eigentlich nicht passt. Dann muss ich den Bann verstehen als das falsche Bild, das sich das Lyrische Ich von der Welt gemacht hat und das jetzt der Realität platz macht. Das würde dann bedeuten, dass die grausige Realität des Neidmordes mehr Sinn ergibt als ein Selbstbild aus Vergänglichkeit, Grundbedürfnissen und Realitätsflucht. Das erscheint nicht nur irgendwie deprimierend, sondern auch in sich nicht recht stimmig, denn wenigstens die ersten beiden sind Teil einer jeden Welt.

Vielleicht habe ich aber auch einfach gar nichts kapiert. Auch möglich.

Schöne Grüße, Turm
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Winterfeld
Geschlecht:männlichGänsefüßchen
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Alter: 42
Beiträge: 25
Wohnort: Pfalz


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Beitrag29.11.2018 18:29

von Winterfeld
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Abari hat Folgendes geschrieben:
Hey,

Du siehst dich ja auch gezwungen, die ersten beiden erklären zu müssen. Das ist ein Hinweis darauf, dass sie nicht das sagen, was Du meinst.


Gutes Argument. Für mich lag beim Schreiben der Reiz gerade im Spiel mit  Titel und Inhalt, den man vordergründig tatsächlich mit Kain verbinden kann, im Kern aber lediglich die Gefühlswelt selbst beschreiben soll. Losgelöst von der biblischen Erzählung. Das funktioniert offensichtlich schlicht und ergreifend nicht, wie gewünscht.

@Turm
Danke, dass du dir die Mühe gemacht hast, die Passagen auseinander zu nehmen und deine einzelnen Gedankengänge dazu näher zu erklären. Das ist tatsächlich überaus hilfreich, um mir vor Augen zu führen, warum die betroffenen Passagen scheinbar nur in meinem Kopf zusammenpassen. Ich verbinde damit völlig andere Gedankengänge.

Ich habe beide Strophen ersetzt und es minimal neu geordnet.



Sind es Blicke, die mich jagen?
Sind es Worte, ist es Neid?   
Spürs an meiner Seele nagen,
überschwemmt mein Herz mit Leid.

Einst verband uns Gottes Segen,
einst als Brüder, warn wir gleich.
Letztlich werd ich kaum erleben,
unsres Vaters ewig Reich.

Steh im Schatten deiner Werke,
stets im Zwielicht fremden Scheins.
Oder fehlt es mir an Stärke?
Werd ein Diener kalten Steins.

Ich verzehr mich, tief in Sehnsucht,
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Literättin
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Beitrag29.11.2018 19:19

von Literättin
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Hallo Winterfeld,

Willkommen hier im Forum.

Von mir der Versuch eines Feedback, das vielleicht ein wenig übers Ziel hinaus schießt, aber der Zufall hatte seine Hand im Spiel und dem konnte ich mich nicht entziehen (siehe weiter unten). Ich habe einige Schwierigkeiten mit zwei Dingen, die meiner Ansicht nach in deinem Gedicht nicht gut zusammen passen: Einmal das durch den biblischen Bezug verdoppelte Gewicht eines an sich schon schweren Themas, welches Du hier zum Zweiten in einer gereimten Versform präsentierst, die ihm die Schwere wieder nimmt, dies allerdings aufgrund dieses leichten, einfachen Rhythmus, der entweder heiter marschieren oder einschläfernd leiern könnte, wäre da nicht diese inhaltliche Schwere. Und dieser Reim-Rhythmus ist es, der das Ganze dem Verdacht gereimter Oberflächlichkeit aussetzt.

Hier passen Form und Inhalt meiner Ansicht nach leider nicht sehr gut zusammen.

Ist dein Thema aber auch eines, an dem man sich so leicht verheben kann, wie es sich bei Kain und Abel schon nicht um den ersten aufgezeichneten Mord der Menschheitsgeschichte handeln kann. Der biblischen vielleicht (bin da nicht so sattelfest).

Ich habe dabei allerdings gut reden, bekomme ich selbst kaum ein paar Worte lyrisch oder prosaisch zusammen, da ich derzeit nur lesen kann und lesen und lesen und ständig den Hut vor denen ziehe, die das Können längst bewiesen haben und mich damit das ein oder andere Mal regelrecht umhauen können, so wie gestern, als ich an einem Gedicht hängen blieb, das mir in vielerlei Hinsicht gerade wie ein Gegenstück zu deinem vorkommt. Ich hoffe, Du verübelst es mir nicht, dass ich es verlinke, aber dieser Zufall passt gerade einfach zu gut, als dass ich diesen hier verschweigen könnte, und vielleicht macht es dir ja ebenfalls Lust auf mehr Lyrik:

Abel steh auf (Hilde Domin)

Auf alle Fälle aber lohnt es sich dran zu bleiben, schreibend und lesend, an der Lyrik.

LG, Literättin


_________________
when I cannot sing my heart
I can only speak my mind
- John Lennon -

Christ wird nicht derjenige, der meint, dass "es Gott gibt", sondern derjenige, der begonnen hat zu glauben, dass Gott die Liebe ist.
- Tomás Halík -

Im günstigsten Fall führt literarisches Schreiben und lesen zu Erkenntnis.
- Marlene Streeruwitz - (Danke Rübenach für diesen Tipp.)
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Mann wie ein Turm
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Beiträge: 47



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Beitrag29.11.2018 21:38

von Mann wie ein Turm
Antworten mit Zitat

Hallo!

Literättin hat Folgendes geschrieben:
Einmal das durch den biblischen Bezug verdoppelte Gewicht eines an sich schon schweren Themas, welches Du hier zum Zweiten in einer gereimten Versform präsentierst, die ihm die Schwere wieder nimmt, dies allerdings aufgrund dieses leichten, einfachen Rhythmus, der entweder heiter marschieren oder einschläfernd leiern könnte, wäre da nicht diese inhaltliche Schwere. Und dieser Reim-Rhythmus ist es, der das Ganze dem Verdacht gereimter Oberflächlichkeit aussetzt.


Guter Punkt. Tatsächlich kommt das Gedicht irgendwie beschwingt und leicht daher. Aber. Gerade durch den Gegensatz von Form und Inhalt macht es das Gesagte irgendwie absurd und grotesk, so dass ich dem Lyrischen ich sogar den letzten Vers auf merkwürdige Weise abkaufe: der Mangel an Reue hätte ohne die sonstige Leichtigkeit lediglich den Wert einer Behauptung, so aber dass das Ich offenbar mit dieser psychopathologischen Leichtigkeit die Dinge schildert, passt das irgendwie schon.
Dass der biblische Kain hier auf Neid reduziert wird, sitzt mir auch nicht glatt, wenn man ihn aber lediglich als Folie für Mord, vielleicht sogar Brudermord auffasst, kommt man hin, glaube ich.

Schöne Grüße, Turm
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Mann wie ein Turm
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Alter: 44
Beiträge: 47



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Beitrag29.11.2018 21:43

von Mann wie ein Turm
Antworten mit Zitat

Nochmal.
Literättin hat Folgendes geschrieben:

Abel steh auf (Hilde Domin)


Das ist übrigens ein ausdrucksstarkes Gedicht, dem auch die Übertragung des Abel-Motivs auf Allgemeingültigkeit oder auf die (nahezu) Gegenwart gelingt, dadurch, dass es Begriffe wie Kirchen, Gesetzbücher oder Raketen aufgreift.

Vielleicht täte das Deinem Gedicht auch nicht schlecht?

Noch mehr Grüße, Turm
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Winterfeld
Geschlecht:männlichGänsefüßchen
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Alter: 42
Beiträge: 25
Wohnort: Pfalz


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Beitrag04.12.2018 08:42

von Winterfeld
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Ich muss zugeben, ich habe lange mit mir gerungen, ob ich darauf antworten soll, weil ich mich massiv geärgert habe und niemandem vor den Kopf stoßen wollte. Aber der Reihe nach.

Es geht hier nicht um die eine wie auch immer geartete Aufarbeitung der Biblischen Kain/Abel Geschichte. Noch darum, die Gründe dafür aufzuarbeiten. Sondern ausschließlich um eine Schilderung sich zuspitzender Gefühle, aus der Sicht des Täters.  Keine Bibel- oder Religionskritik und schon gar kein Psychogramm Kains. Mir ist in anderem Zusammenhang bereits aufgefallen, dass es hier scheinbar nicht gerne gesehen wird, sich bei vergleichsweise Ernsten Themen der Reimform zu bedienen, wohingegen humoristische Beiträge, grundsätzlich einen weitaus höheren Zuspruch erhalten. Gerade der Vorwurf der gereimten Oberflächlichkeit trifft mich hart. Ich habe für mich zu keinem Zeitpunkt in Anspruch genommen, hier ein tiefgründiges Werk der Extraklasse abgeliefert zu haben, aber ich halte es für stilsicher und technisch sauber ausgeführt. Und vor allem transportiert es genau das, was ich damit ausdrücken wollte. Reine, ungefilterte Emotion

Die Schlagzahl soll sich im Laufe des Gedichts erhöhen, dementsprechend ist es einfach gehalten, schnelle, prägnante Sätze. Wenn ich mit vor Zorn gefärbter Emotion keinen Ausweg mehr sehe, packe ich meine Gedanken nicht in lange, differenzierte Schachtelsätze. Wie gesagt, für mich ist das schlicht auch eine Frage der erzählerischen Perspektive.

Es geht sicher nicht darum, mich hier abfeiern zu lassen. Aber ich habe gerade das Gefühl, dass der Sinn des Gedichtes gerade völlig falsch interpretiert wird.  Insofern halte ich auch das verlinkte Werk als Vergleich für denkbar unpassend, weil es etwas völlig Anderes ausdrücken möchte.
Ich frage mich immer noch, wie das Feedback ausgefallen wäre, hätte ich schlicht einen anderen Titel gewählt.
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Soleatus
Klammeraffe


Beiträge: 999



Beitrag04.12.2018 08:57

von Soleatus
Antworten mit Zitat

Hallo Winterfeld!

Winterfeld hat Folgendes geschrieben:
Es geht hier nicht um die eine wie auch immer geartete Aufarbeitung der Biblischen Kain/Abel Geschichte. Noch darum, die Gründe dafür aufzuarbeiten. Sondern ausschließlich um eine Schilderung sich zuspitzender Gefühle, aus der Sicht des Täters.  Keine Bibel- oder Religionskritik und schon gar kein Psychogramm Kains.

Ich glaube, gerade bei Gedichten fällt es sehr schwer, als Verfasser anzuerkennen, dass man nicht besser und schlechter weiß, "worum es geht", als jeder einzelne Leser. Ein Gedicht steht für sich, seine Begegnung mit dem Leser ist eine ausschließende; sie schließt den Verfasser aus. Worum es geht, verhandeln die beiden untereinander, und der Verfasser hat sich da rauszuhalten - das Gedicht ist nicht der verlängerte Arm seiner Meinung.

Winterfeld hat Folgendes geschrieben:
Aber ich habe gerade das Gefühl, dass der Sinn des Gedichtes gerade völlig falsch interpretiert wird.  Insofern halte ich auch das verlinkte Werk als Vergleich für denkbar unpassend, weil es etwas völlig Anderes ausdrücken möchte.

Dementsprechend gibt es keine "falsche" Interpretation; sondern nur ganz, ganz, ganz viele in vollem Umfang gültige "Nicht-Verfasser-Interpretationen". Und das unvermeidlich - wer das nicht will, muss Bedienungsanleitungen für Staubsauger schreiben.

Also, einfach durchatmen.

Gruß,

Soleatus
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Winterfeld
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Alter: 42
Beiträge: 25
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Beitrag04.12.2018 09:25

von Winterfeld
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Soleatus hat Folgendes geschrieben:
Hallo Winterfeld!

...und der Verfasser hat sich da rauszuhalten - das Gedicht ist nicht der verlängerte Arm seiner Meinung....


Grundsätzlich stimme ich dir da zu. Aber letztlich lässt sich die Interpretation natürlich auch steuern. Und ich frage mich, inwieweit ich das, durch die falsche Wahl des Titels selbst überhaupt erst ermöglicht habe.
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Mann wie ein Turm
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Beiträge: 47



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Beitrag05.12.2018 23:03

von Mann wie ein Turm
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Hallo Winterfeld!

Ich wollte Dir nicht auf den Schlips treten mit meiner Anmerkung zu Hilde Domin. Ich hatte nur den Eindruck, Dein Leser käme vielleicht vom biblischen Kain-Thema leichter weg, wenn ein unbiblisches Ding vorkommt. Dann ist ja klar, dass da irgendwie was sinnbildlich oder so zu verstehen ist.

Im Übrigen halte ich literarische Texte - und Lyrik bildet da keine Ausnahme - für eine Art kommunikativen Akt: Über das Medium des Textes kodiert ein Autor eine Vorstellung, die nach dem Dekodieren durch den Leser wieder zu Vorstellung, diesmal im Kopf des Lesers, wird. Diesen Dekodierungsprozess kann man nur sehr bedingt beeinflussen, hängt er doch vor allem an der Person, der biographischen, biologischen, biometrischen etc. Prägung des Lesers. Das ist so ähnlich, wie wenn man einem kleinen Kind sagt "Eine Stricknadel hat in der Steckdose nichts zu suchen!" Der Gedanke im Kopf des Vaters ist klar, beim Kind aber kommt vielleicht (sehr wahrscheinlich) an: "Hey, Stricknadel und Steckdose, keine schlechte Idee." Jetzt kann man als Vater verdeutlichen, abschrecken, erklären und weiß der Teufel was, um den Gedanken wieder aus dem Kindskopf herauszukriegen, aber was das bringt? Wer weiß. Deshalb muss man halt probieren, was geht und den gewünschten Effekt erzielt und was nicht. Darum sind wir doch hier im Forum oder?

Schöne Grüße, Turm.
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Winterfeld
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Alter: 42
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Wohnort: Pfalz


W
Beitrag07.12.2018 14:05

von Winterfeld
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Hallo nochmal,

nein, du bist mir überhaupt nicht auf den Schlips getreten. Ich habe mir lediglich mit der Aussage, man müsse aufpassen, sich an einem Thema nicht zu überheben, etwas schwer getan.

Gerade weil das Gedicht aus meiner Sicht eben nicht den geringsten Anspruch hat, sich kritisch mit dem Thema Religion auseinander zu setzen.

Und du hast natürlich recht, was Soleatus ja auch schon folgerichtig anmerkte, der Interpretationsprozess lässt sich nur bedingt beeinflussen. Aber man kann als Autor natürlich in eine Richtung lenken. Auch einige Tage später frage ich mich noch immer, inwieweit ich die "Fehl"interpreation (natürlich das falsche Wort) überhaupt erst ermöglicht habe, indem ich die Richtung durch den Titel Kain schon klar vorgab.

Meinst du der Text hätte bei dir andere Assoziationen ausgelöst, hätte ich ihn Neid oder Brudermord genannt?
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Herdis
Geschlecht:weiblichLeseratte


Beiträge: 134
Wohnort: Nordhessen


Beitrag07.12.2018 20:36

von Herdis
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Hallo Winterfeld,

vorab: Deine Änderung gefällt mir. Ich persönlich mag solche Gedichte. Ich brauche keine gestylte Lyrik. Mich muss ein Text irgendwo treffen, etwas bewegen- und das tut er.  

Was Deine Frage angeht, mich hat der Titel wohl ehrlich etwas auf Glatteis und damit offenbar in die "falsche" Richtung geführt.
 
Ob ich das gut oder schlecht finde ... hm ... letztlich hat jeder Mensch sein eigenes Leben mit seinen eigenen Erfahrungen...entsprechend wird er/sie ein Gedicht (oder Text) lesen und verstehen. Dann kommt noch die gegebene Stimmungslage etc. dazu. Spielt auch eine Rolle.
Hätte ich das Gedicht anders gelesen, käme ich z.B. aus einem anderen Kulturkreis? Oder wenn ich gerade total happy wäre?

Egal, ich fand die alte Version (bis auf genannte ? Stellen) schon gut und die überarbeitete Version sogar noch besser.

LG,
Herdis


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Kätzchen
Geschlecht:weiblichKlammeraffe

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Beiträge: 713
Wohnort: Katzenkörbchen


Beitrag07.12.2018 22:02

von Kätzchen
Antworten mit Zitat

Hi Winterfeld,

ich bewege mich eigentlich ausschließlich in Prosa.
Aber dein Titel trägt den Namen meines Protagonisten und ich bin ein großer Fan der
Kain und Abel Geschichte, habe viel dazu recherchiert und gelesen und ... eigentlich total
egal, ich wollte nur kurz sagen:

Es gefällt mir. Sehr!
Es bringt Kain toll zur Geltung.
(Und stellvertretend alle Menschen, die diese Gefühle von Neid ohne Reue nur zu gut kennen.)

Liebe Grüße

Prosakatze


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Wir sind, wer wir sind.
Ich tippe und rede schneller, als mein Hirn denken kann.
Erwachsener und unvernünftiger als je zuvor.
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