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Teil 30 Die ersten Kunden


 
 
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teccla
Geschlecht:weiblichLeseratte

Alter: 66
Beiträge: 160
Wohnort: Costa Blanca


Was suchst Du in Madagaskar?
Beitrag05.06.2008 14:10
Teil 30 Die ersten Kunden
von teccla
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Vorsichtig kamen die ersten Kunden. Informierten sich und gingen wieder. Ich fragte irritiert Gastelle, „Warum gehen die alle wieder? Ist es zu teuer?“
„Nein, das ist so üblich, man ‚kauft’ nicht sofort. Man informiert sich und kommt irgendwann wieder, um dann die Dienste oder den Service in Anspruch zu nehmen.“
Endlich der erste Kunde. Wir freuten uns und nahmen auch freudig zur Kenntnis, dass die Kunden, die einmal da waren, wieder kamen. Binnen kurzer Zeit kannten wir einige Kunden schon. Wir bekamen eine Stammkundschaft.
Kunden grüßten auf der Straße.



Allerdings reichten die Einnahmen noch nicht für alle Rechnungen.
Normalerweise plant man die ersten Monate mit Verlust ein, denn um in die Gewinnzone zu kommen, braucht es etwas Zeit.
Zeit ist Geld - ein Spruch, den hier keiner verstand. Denn Geld hatten nur wenige, aber Zeit hatten alle.
Unser Klientel gestaltete sich vielschichtig. Sowohl reiche Madagassen, Touristen, Studenten, die einen Sondertarif bekamen, Moslems, Jugendliche und auch junge Mädchen, die mit ihrem Freund in Europa chatteten.

Am Abend oder am Wochenende kam auch mal die ganze Familie, Kinder hübsch fein gemacht, saßen artig an Papas Seite, während er die Mails abrief. Mama hatte das Baby auf dem Arm und Oma saß im bequemen Sessel, schaute sich Musikvideos an und wartete geduldig.
Solche Momente freuten mich sehr, denn es zeigte, dass unser Konzept aufging.
Viel Platz, ganz gemütlich, modernes Equipment und eine lockere Atmosphäre, eine kalte Coca trinken und dazu als i-Punkt: nettes, freundliches Personal. Es wurde angenommen und die Zahlen gaben uns Recht.



Der Internetprovider, der uns im März noch zusagte, die Internetgeschwindigkeit von 32 kb bis 64 kb zu garantieren, lernte uns nun von der hartnäckigen Seite kennen. Permanent war die Internetverbindung zu langsam. Fast jeden Tag ging jemand von uns zum Büro des Internetproviders und beschwerte sich. Die gelächelte Auskunft: "Wir reparieren!" beruhigte uns nicht wirklich.
Es lag dicker Ärger in der Luft. Als sie dann meinten, sie müssten uns die Monate März bis Juni voll berechnen, obwohl wir in diesem Zeitraum weder einen Vertrag, noch Internetverbindung hatten, gab es Krach. Jan zerriss im Büro des Internetanbieters den Antrag.

Mit der Installation der Antenne sei der Vertrag erfüllt, sagte man uns. Von dem Tage an, müsse man auch die monatlich Gebühren in Höhe von immerhin 650 Euro bezahlen.
Nach langem hin und her entschloß ich mich, mit Rondro in die Geschäftsstelle zu gehen. Alain, der Bürochef war für einige Tage nach Tana gefahren. Sein Kollege, der Techniker, war nicht ohne Einfluss. In Alains Abwesenheit spielte er gern den Boss. Er war mir nicht sonderlich sympathisch. Seine Hautfarbe war fast schwarz. Er zog ein Bein nach. Doch sein süffisantes Lächeln ließ in meinem Inneren regelmäßig zentnerweise Antipathie aufkommen. Dennoch schaffte ich es, ihm zu schmeicheln.
„Rondo sage ihm bitte: Er als Experte hat doch Einfluss. Wir können doch nicht wissen, dass mit Installation der Antenne zugleich der Vertrag als erfüllt angesehen wird. Wir haben auf den Vertrag gewartet, hatten weder Zugangsdaten noch Passwörter. Wir sind doch ‚nur’ Europäer, die die afrikanischen Geflogenheiten erst kennen lernen müssen. Er kann das doch sicher verstehen.“ Er lächelte. „Und ein Mann in seiner Position kann uns doch bestimmt helfen.“
Es wirkte. Er setzte sich mit seinem Vorgesetzten in Tana in Verbindung. Es wurde ein neuer Vertrag abgeschlossen mit Datum Ende Mai. Na bitte, ging doch.



Wir hatten jeden Tag geöffnet, von 8.00 bis 22.00 Uhr, auch an den Wochenenden. Das war hart für uns. Keine Freizeit, kaum Zeit, um etwas zu essen. Die Mädels hatten viele Fragen und unsere Anwesenheit war zwingend erforderlich. Egal, ob der Kunde etwas ausgedruckt, eingescannt, abgespeichert, zum Download haben oder einfach nur einen eigenen Email Account anlegen wollte, wir halfen.
An den Wochenenden zu öffnen, war gewagt. Keiner in der Stadt hatte diese Öffnungszeiten und hielt sich auch noch daran. Doch es wurden zusehend mehr Kunden, auch am Samstag oder Sonntag, die ins Internetcafe kamen.
An den Geschäften sah man hier selten Schilder mit Öffnungszeiten. Aber selbst wenn diese Informationen zu gegeben wurden, hieß das noch nicht, dass man sie auch einhielt.

Unser Beispiel machte Schule. Schon nach einem halben Jahr, hatten viele Geschäfte und auch Internetcafes am Wochenende geöffnet. Auch die Geschäftszeit bis 22.00 Uhr wurde übernommen, denn der Erfolg gab uns Recht.

Einige Autoritäten der Stadt kamen ins Internetcafe, ein örtlicher Fernsehsender machte Aufnahmen und berichtete. Mitarbeiter von TV und Rundfunk gehörten bald zu unseren Stammkunden.

Bereits eine Woche nach der Eröffnung setzte sich Gunter hin und erzählte uns allen Ernstes, wir müssten bald "dicht machen". „Es lohnt sich nicht und überhaupt, wenn ich schon meine Musikbar eröffnet hätte...“ für die er weder Räume, noch Lizenz, noch irgendeinen Plan hatte, dann „...ja dann könnte ich euch unterstützen, aber das dauert noch und deshalb ist dieses Internetcafe zum Scheitern verurteilt.“ Wir sahen uns erstaunt an und ließen ihn reden. Leider erzählte er es nicht nur uns, sondern verkündete es jedem in der Stadt.
Gunter schaute öfter mal vorbei, um die neuesten Nachrichten zu verbreiten. Ansonsten saß er weiterhin seine Zeit im "Tobani" ab. Hatte ich eine Aufgabe für ihn, da er ja etwas französisch sprach, hatte er es plötzlich eilig und irgendwo einen Termin.

Manche Menschen tragen die Negativität in sich. Sie sehen alles schwarz. Alles ist schlecht, alles ist zum Scheitern verurteilt. Eine wandelnde Mixtur aus Selbstmitleid, Wut und Gereiztheit. Unfähig Chancen zu sehen, Initiative zu ergreifen, sind alle Pläne nur Luftblasen, hohle Worte. Die Taten bleiben aus.
Wir können ihnen nicht helfen, indem wir in ihre Dunkelheit hinab steigen.
Negative Energie hat einen starken Einfluss. Ich habe zeitweise das Gefühl, dass mir durch solche Menschen Kraft abgesaugt wird. Es ist schwer die positive Energie und Ausgeglichenheit zu bewahren.
Gunters Meinung konnte ich nicht ändern, alles Reden brachte nichts. Am nächsten Morgen spulte er seinen Monolog in gleicher Form ab. Ich konnte ihm auch nicht helfen, die Dinge in einem anderen Licht zu betrachten. Ich konnte nur aufpassen, dass er mit seiner Negativität unseren Optimismus nicht zerstörte.[/img]



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