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Sich Tempusfehler endlich abgewöhnen

 
 
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BerndHH
Geschlecht:männlichKlammeraffe

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Beitrag22.11.2018 06:38
Sich Tempusfehler endlich abgewöhnen
von BerndHH
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Moin Leute,

ich habe immer noch gewaltige Tempusfehler.
Meine Erzählungen sind alle im Präteritum geschrieben, springen doch sehr häufig immer wieder ins Erzählpräsens.

Beispiel:

Zitat:
Der Leutnant kombinierte schnell und erinnerte sich daran, was sie ihm auf der ABC-Abwehrausbildung beigebracht hatten. Phosporsäureester. Sarin, Tabun oder halt dieses verdammte Soman. Letzterer Nervenkampfstoff war nachgewiesen das Tödlichste, was die andere Seite aufbieten konnte. Mortal und letal, und das bereits in kleinsten, mikroskopischen Mengen. Abwehrmaßnahmen: keine! Der gesamte Körper diente dabei als Angriffsfläche. Die Vergiftung äußerte sich in schwersten Krämpfen der Skelettmuskulatur bishin zum unkontrollierbaren Krampfanfall, anschließend Erbrechen, starke Atemnot, Angstzustände und Verwirrtheit. Der erlösende Tod trat letztendlich durch Atemlähmung ein.  
Soman wirkte überall. Eingeatmet oder über die Haut aufgenommen. Aber jedes Mal mit fatalen Effekten. Der Botenstoff Acetylcholin, welcher die Muskeltätigkeit steuert, wird nicht mehr abgebaut und das führt zu einem Nervenchaos. Das komplette Nervensystem wird von wild hin- und herschießenden Reizsignalen geradezu überflutet und zwar mit einer Gewalt, mit der der Körper einfach nicht fertig wird. Aktivitäten von Herz und Lunge verlangsamen sich deutlich und man verspürt Beklemmungen und Atemnot. Erschlafft schließlich die Atemmuskulatur, dann ist es schon nach wenigen Minuten vorbei. Ein einziger Nebeltropfen von Soman reichte aus, um davon elendig zu krepieren. Atemnot, Schweißausbrüche, Erbrechen und Erblinden, außerdem Zittern, Auseinanderschlagen der Gliedmaßen, weißer Schaum aus der Nase, Kot und Urin lösten sich unkontrolliert und dann war es vorbei …


Es geht i.d. Fall um die allgemeinen Symptome des Nervenkampfstoffes Soman, die ja eigentlich immer gelten (PRÄSENS) und nicht nur in diesem Fall.

Otto baute ein Zelt auf, als das Wasser die Aller herunterfloss.
Das Wasser fließt aber noch immer die Aller herunter und nicht ausschließlich in dieser Momentaufnahme.

Mit fällt das irgendwie verdammt schwer das vernünftig sortiert zu bekommen.


Gruss


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Bananenfischin
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Beitrag22.11.2018 08:04

von Bananenfischin
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Hallo Bernd,

wenn man anfängt, sich darüber Gedanken zu machen, was doch immer so ist oder nicht, weiß man bald nicht mehr, wo man aufhören soll.
Denn:
Zitat:
Der gesamte Körper diente dabei als Angriffsfläche. Die Vergiftung äußerte sich in schwersten Krämpfen der Skelettmuskulatur bishin zum unkontrollierbaren Krampfanfall, anschließend Erbrechen, starke Atemnot, Angstzustände und Verwirrtheit. Der erlösende Tod trat letztendlich durch Atemlähmung ein.

Auch das ist ja beispielsweise "immer so".
Die gute Nachricht ist, dass du dir darüber keine Gedanken machen musst, da es sich hier um das epische Präteritum handelt, das eben nicht die Vergangenheit anzeigt.
Du kannst also ruhig durchgehend beim Präteritum bleiben.

Liebe Grüße
Bananenfischin


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Kiara
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Beitrag22.11.2018 08:41

von Kiara
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Ich würde zudem durch klar Absätze verdeutlichen, wo es um "Story" und wo um "Erläuterungen" geht.
(wenn du kein Sachbuch schreibst...)
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Gast







Beitrag22.11.2018 11:03

von Gast
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Interessantes Thema. In einem anderen Faden hatte ich das einmal geschrieben:

Zu der Zeitform folgender Hinweis. Es gibt keinen Automatismus, in der Erzählung das Vorvergangene immer im Plusquamperfekt zu schreiben. Um das Wort hatte nicht zu oft zu gebrauchen, genügt es - das ist mein Kenntnisstand - bei längeren Passagen das Vorvergangene am Anfang und Ende kenntlich zu machen und dazwischen in Imperfekt zu bleiben.

Das Tempus ist eh eine Wissenschaft für sich. Ob man es glaubt oder nicht, es heißt tatsächlich: Morgen war (und nicht ist oder wird sein) Ostern. Andererseits heißt es: Amerika ist (nicht war) ein großes Land.

Die, die sich mit diesem Thema auskennen, können bestimmt besser als ich, die dahinter stehenden Regeln erklären und auf weitere Details eingehen. Ich will nur auf das Thema aufmerksam machen.

Gruß

attingat
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agu
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Beitrag22.11.2018 14:08

von agu
Antworten mit Zitat

Hallo Bernd,

was das Ganze nicht einfacher macht, ist die Tatsache, dass es tatsächlich auch verschiedene Varianten gibt, die Zeitformen zu handhaben. Innerhalb der gewählten Methode sollte man dann nur konsistent bleiben Smile

Variante 1:
Du ziehst gnadenlos die einmal gewählte Zeitform durch. Also einmal Präteritum, immer Präteritum. Das Ergebnis ist nicht immer elegant (deshalb gibt es ja auch andere Ansätze), aber zumindest besser als Zeitformwechsel an ungeeigneter Stelle.
Alles im Präsens ginge auch, wenn Du Dich für Präsens als Erzählzeit entscheidest.



Variante 2:
Du ziehst eine scharfe Trennlinie zwischen der erlebten Geschichte des Protagonisten und dem Verweis auf allgemein bekannte Infos. Also die erlebte Story im Präteritum, allgemeine Infos im Präsens. Diese Methode ist eleganter und führt meistens auch dazu, dass Du mehr Drive ins Erzähltempo bekommst, bzw. sich alles unmittelbarer und authentischer anfühlt. Allerdings braucht man für die Überleitung Fingerspitzengefühl.

Als Hilfsmittel frag Dich bei den entsprechenden Passagen immer, ob es sich um allgemeingültige Information handelt (=Präsens) oder um Teil der Story des Protagonisten.

Außerdem sollte man die Verschiebung ins Präsens nur für sehr kurze Textteile machen, sonst fühlt es sich wieder gezwungen an.

Also so z.B.:
Sie rannte die Straße hinunter und warf immer wieder einen Blick über die Schulter, um zu sehen, ob er ihr noch folgte. An der Kreuzung Ecke neunte Straße steht das Polizeipräsidium; ein riesiger, pompöser Bau. Sie steuerte direkt auf das Eisentor zu.


Bei Deinem Beispiel, so wie es jetzt da steht, würde ich auf Präsens-Verschiebung komplett verzichten, aus folgenden Gründen:
- Du schreibst am Anfang "er erinnerte sich" - und damit wird der Abschnitt automatisch zu einer persönlichen Story des Protas
- Es ist ein sehr langer, beschreibender Abschnitt; wenn dann müsste man ihn komplett ins Präsens setzen, und das liest sich dann wie ein Sachbuch - da ist komplett Präterium besser.


Noch eine Möglichkeit ist die Vermeidung von Verben in der Präsens-Passage, was dann in einer schnellen, stakkatoartigen Aneinanderreihung von Fakten mündet. Funktioniert gut in actionbetonten Texten.

Zum Beispiel so:
Der Leutnant kombinierte schnell. Bei der ABC-Abwehrausbildung hatten sie ihm einiges dazu beigebracht. Phosphorsäureester. Sarin, Tabun, oder dieses verdammte Soman. Der tödlichste Nervenkampfstoff überhaupt. Mortal und letal, schon in mikroskopisch kleinen Mengen. Keine bekannten Abwehrmaßnahmen. Vergiftung über den ganzen Körper, schwere Krämpfe der Skelettmuskulatur, danach Erbrechen, starke Atemnot, Angstzustände, Verwirrung. Zuletzt Tod durch Atemlähmung.


LG Andrea
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BerndHH
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Beitrag23.11.2018 05:14

von BerndHH
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Liebe Leute,

vielen herzlichen Dank für Eure zahlreichen Tipps!!
Das hilft mir weiter! Mir persönlich gefällt die Variante 2 am besten.

Man sollte es den Leser vielleicht einfacher machen und die Absätze zwischen aktuellem Erleben der jeweiligen Figur, ihren Bewusstseinsströmen und allgemeiner Info sehr stark zu akzentuieren.  

Besten Dank und liebe Grüße,
Bernd


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nothingisreal
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Beitrag23.11.2018 09:39

von nothingisreal
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Ich muss zugeben, ich finde Variante 2 sehr gewöhnungsbedürftig. Mich würde das rauswerfen aus der Geschichte.

Zitat:
Sie rannte die Straße hinunter und warf immer wieder einen Blick über die Schulter, um zu sehen, ob er ihr noch folgte. An der Kreuzung Ecke neunte Straße steht das Polizeipräsidium; ein riesiger, pompöser Bau. Sie steuerte direkt auf das Eisentor zu.

Da würde ich über "steht" stolpern und mich fragen, was das soll.


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agu
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Beitrag23.11.2018 12:38

von agu
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nothingisreal hat Folgendes geschrieben:
Ich muss zugeben, ich finde Variante 2 sehr gewöhnungsbedürftig. Mich würde das rauswerfen aus der Geschichte


Ich denke, das ist stark abhängig von Stil und Genre.
Bei Spannungsliteratur, die versucht authentisch zu sein, wird es gern gemacht - man kann damit den Leser unmittelbar ins "Hier und Jetzt" versetzen. Geheimdienst- und Spionagethriller haben das oft, dass Verweise auf reale Orte oder echte technische Background-Informationen ins Präsens gesetzt werden. Das verknüpft dann Fiktion und reale Welt und gibt einem als Leser das Gefühl, das könnte wirklich so passiert sein.
Bei High Fantasy oder historischem Roman fände ich es grob unpassend. Bei SciFi wiederum kann man es machen, wenn der sonstige Ton stimmt, also sehr nahe am Protagonisten erzählt wird. Dann gibt es seine Gedanken als gesetzte Fakten wieder.

Mein Beispiel war vielleicht nicht so superglücklich - besser funktioniert das, wenn man die Präsens-Formulierung an den Anfang einer darauffolgend dynamischen Sequenz setzt, dann bremst es nicht so aus.

Also eher:
Das Polizeipräsidium von Boston ist ein riesiger weißer Bau am Ende der neunten Straße. Unmöglich, dort unbemerkt hineinzukommen.
Karen rannte die Straße hinunter und hielt direkt auf die großen Eisentüren zu. Schon von weitem konnte sie sehen, wie die Wachen am Eingang nach ihren Pistolen griffen.


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BirgitJ
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Beitrag23.11.2018 13:26

von BirgitJ
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Zitat:
Also eher:
Das Polizeipräsidium von Boston ist ein riesiger weißer Bau am Ende der neunten Straße. Unmöglich, dort unbemerkt hineinzukommen.
Karen rannte die Straße hinunter und hielt direkt auf die großen Eisentüren zu. Schon von weitem konnte sie sehen, wie die Wachen am Eingang nach ihren Pistolen griffen.

Finde ich auch gewöhnungsbedürftig.


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BerndHH
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Beitrag24.11.2018 05:39

von BerndHH
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Ich hätte hier natürlich auch die Suchfunktion nutzen können.
Das Thema "Tempusfehler" taucht halt immer wieder auf.

War nur zu faul zum suchen. Twisted Evil

Schönes WE!


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Willebroer
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Beitrag24.11.2018 13:29

von Willebroer
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Suchfunktion ist wie ne Pralinenschachtel: Man weiß nie, was man bekommt. Cool
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nothingisreal
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Beitrag24.11.2018 16:57

von nothingisreal
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agu hat Folgendes geschrieben:

Das Polizeipräsidium von Boston ist ein riesiger weißer Bau am Ende der neunten Straße. Unmöglich, dort unbemerkt hineinzukommen.
Karen rannte die Straße hinunter und hielt direkt auf die großen Eisentüren zu. Schon von weitem konnte sie sehen, wie die Wachen am Eingang nach ihren Pistolen griffen.


Wenn das der Anfang eines Buches wäre, würde ich es sofort weglegen. Ich würde glauben, hier wäre ein Anfänger am Werk.

Mir fällt kein einziges - bekanntes - Buch ein, in dem das so handhabt wird. Kannst du bitte ein Beispiel nennen? Ich würd gerne in sowas reinlesen.


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agu
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Beitrag24.11.2018 23:07

von agu
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nothingisreal hat Folgendes geschrieben:

Wenn das der Anfang eines Buches wäre, würde ich es sofort weglegen. Ich würde glauben, hier wäre ein Anfänger am Werk.
Mir fällt kein einziges - bekanntes - Buch ein, in dem das so handhabt wird. Kannst du bitte ein Beispiel nennen? Ich würd gerne in sowas reinlesen.


Naja, das war jetzt auch nicht als Vorschlag für einen besonders gelungenen Bucheinstieg gedacht Rolling Eyes , sondern als simples, über's Knie gebrochenes Beispiel, um das Prinzip der Konstruktion zu verdeutlichen. Die ich, das nur am Rande, nicht für besser oder schlechter als andere Konstruktionen halte, sondern nur neutral aufgezählt habe.

Ich muss für ein konkretes Beispiel aus der Krimi/Thriller-Ecke im Regal suchen gehen, aber ich stolpere öfters über solche Konstruktionen. Bin mir fast sicher, dass ich in der Thriller-Ecke bei Don Winslow, Daniel Silva und Eric van Lustbader öfters solche Sprünge gesehen habe. Bei Comedy/Satire gehört der fliegende Wechsel zwischen Präteritum und Präsens sogar fast zur Regel, lies da mal bei z.B. Stefan Schwarz rein.

z.B. gleich erster Treffer bei Amazon, Kindle-Vorschau
Als Männer noch nicht in Betten starben
Hilde und Grim
... und als König Dietwart kein Gefallen mehr am Weib fand, ihm nichts mehr schmeckte und das Atmen zur Last wurde, rief er seine drei Söhne zu sich.
"Kinners", sagte er, denn die Goten stammen ja aus dem hohen Norden, "mit mir ist nicht mehr viel Staat zu machen."


oder (auch Stefan Schwarz) Das wird jetzt ein bisschen weh tun
Genauer gesagt, begann das Unvorhersehbare in jener Nacht, in der ich schlaftrunken zur Toilette tappte und den Lichtstreifen unter der Tür sah. Es ist nämlich noch nie nachts ein Lichtstreifen unter der Toilettentür gewesen, Ich weiß das, denn ich bin der Einzige, der zu diesen Zeiten unterwegs ist. [...] Der Lichtstrahl unter der Tür wahr daher so unvorhersehbar und außergewöhnlich, dass ich gar nicht begriff, was er bedeutete. Deshalb ignorierte ich ihn.

In einem Buch, durch das ich gerade durch bin, Thin Air von Richard Morgan, springt er praktisch ununterbrochen zwischen Präsens und Präteritum. --> Hier
Gleich auf der ersten Seite:
I spared the sky a sour look of my own, didn't stop. Anyone looking to actually get wet behind this shit would likely be waiting a while. In the pushy seduction of the marketing, people tend to forget - nothing falls fast on Mars. And new code or not, this attempt at downpoor wasn't going to be breaking any basic rules of physics.

oder eine Seite weiter
The Strip loomed around me - five-story settlement-era facades in scarred antique nanocrete, repair protocols long exhausted. These days the inert surfaces are altered by decades of storm wind and grit into something that looks more like flat expanses of coral than anything you'd call human-made. [...] Now the roof is gone, and so the rest of it. What they left in its place is is the scuffed and littered sunken boulevard, tangled up with barrows and street stalls, all vying to shift the cheapest product to the crowd.
[...]
Either way - platforms or endlessly moving covered stairways - you're left with pretty much the same sensation. You're easing down slowly, sinking into the belly of something huge and probably hazardous to your health. Fine by me. I'd taken the escalator down from the end of Crane Alley, which put me about a klick away from where I wanted to be.


Aus dem Zusammenhang gerissen liest sich das auch sperrig, aber im Textfluss selbst finde ich es ehrlich gesagt sehr gelungen.
Wie gesagt, es kommt immer auf Genre und Stil an, ob so etwas passt oder nicht.


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Beitrag24.11.2018 23:58

von nothingisreal
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Danke, jetzt kann ich nachvollziehen, was du meinst.

Das erste Beispiel funktioniert für mich, weil es auktorial erzählt ist, das zweite, weil mir das Gefühl vermittelt wird, der Ich-Erzähler würde mir eine Geschichte erzählen.

Das englische Beispiel kann ich leider nicht gut genug beurteilen.

Anders sieht es bei "normalen" Romanen aus, finde ich. Nehmen wir das Beispiel von BerndHH:

Der Leutnant kombinierte schnell und erinnerte sich daran, was sie ihm auf der ABC-Abwehrausbildung beigebracht hatten. Phosporsäureester. Sarin, Tabun oder halt dieses verdammte Soman. Letzterer Nervenkampfstoff ist nachgewiesen das Tödlichste ...

Es liest sich falsch, als würde jemand sein Handwerk nicht beherrschen. Genauso war es für mich auch bei deinem Polizei-Beispiel. In Bernds Fall würde ich raten, immer in Präteritum zu schreiben.


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agu
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Beitrag25.11.2018 00:56

von agu
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Ich habe das englische Beispiel noch mal schnell übersetzt, weil es wirklich recht treffend ist (sorry, falls es etwas holprig daher kommt, bin kein professioneller Übersetzer):

Ich warf selbst einen säuerlichen Blick zum Himmel, aber blieb nicht stehen. Die, die darauf hofften, von dem Scheiß tatsächlich nass zu werden, würden Geduld brauchen. Unter dem verführerischen Marketingglitter vergessen die Leute gern, dass nichts auf dem Mars jemals schnell fällt. Neuer Code oder nicht, auch dieser Versuch eines Wolkenbruchs würde nicht die Grundregeln der Physik ändern.

Um mich herum ragte der Strip auf - fünfgeschossige Fassaden aus der Siedler-Ära aus zerschrammtem Nano-Beton, bei denen die Reparaturprotokolle längst Geschichte waren. Jahrzehnte voller Stürme und Staub haben die trägen Oberflächen zu etwas verändert, das aussieht wie flächige Korallenriffe und kaum noch wie etwas, das einmal von Menschen gemacht wurde. [...] Nun ist das Dach verschwunden und der Rest ebenfalls. Was sie übrig gelassen haben, ist der zerwühlte und mit Abfällen übersäte versunkene Boulevard, verstopft von Karren und Straßenständen, die sich alle darin überbieten, der Menge die billigsten Produkte unterzujubeln.  [...]
So oder so - ob über die Hebebühnen oder die endlos langen, überdachten Rolltreppen - du hast gleichermaßen das Gefühl, dass du langsam nach unten sinkst, in dem Bauch von etwas, das groß ist und wahrscheinlich schlecht für deine Gesundheit. Ist okay für mich. Ich hatte den Fahrstuhl am Ende der Crane Alley genommen und kam nur einen Kilometer entfernt von meinem Ziel heraus.


Aber ja, ich stimme Dir zu, dass der Ansatz bei Bernds Beispiel nicht passt - das müsste man dafür komplett umschreiben. Allein das "erinnerte sich daran" killt die Option komplett.


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BerndHH
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Beitrag25.11.2018 06:30

von BerndHH
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Hi Nothingisreal,

tja, das ist halt so eine Sache.
Zwischen Bauchgefühl, Sprachempfinden und korrekter Grammatik.

Und ich stolpere halt jedes Mal instinktiv darüber.
Soman wurde 1944 erstmalig synthetisiert, es existierte lange Zeit in den C-Waffenarsenalen des Warschauer Paktes und zum heutigen Tag eine der gefürchtetesten C-Waffen (Nervenkampfstoffe).

Also auch im Jahr 1986, wo es in meiner Erzählung fiktiv zwischen SCHWARZENBEK und TRITTAU zum Einsatz kommt und zwar in einer Phase, wo es einer Operativen Manövergruppe (Panzerverband der damaligen Zeit) der 1. Polnischen Armee (1. Polnische Armee hatte den Auftrag, von der Landseite her, die Ostseezugänge aufzuknacken, um der Baltikflotte des Warschauer Paktes endlich den Zugang zum Atlantik zu ermöglichen. Zeitgleich landeten in einem "triphibischen" Manöver Seestreitkräfte am WEISSENHÄUSER STRAND und Luftlandekräfte bei RENDSBURG am NOK) gelungen war, einen Keil genau in die Nahtstelle zwischen den beiden Panzergrenadierbrigaden 16 und 17 zu treiben, der Einbruch bereits tief vergrößert wurde und sich die Masse aller NATO-Verbände in der Rückwärtsbewegung bzw. kopfloser Flucht befindet. Aber darum geht es hier ja nicht.

Sondern 1944 war Soman genau so tödlich wie 1986 und auch jetzt 2018.
Das ist ja das, was ich meine. Das Wasser fließt immer den Rhein herunter, wie in der Vergangenheit, Gegenwart, als auch in der Zukunft.

Also ich werde mal stärker akzentuieren, mal sehen wie das wirkt.

Vielen Dank und viele Grüße


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BerndHH
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Beitrag25.11.2018 07:01

von BerndHH
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Ich sollte mir sehr viel mehr Gedanken machen um die eigentliche Szene, die mir sehr große Kopfzerbrechen bereitet.

Es geht um das Jagdkommando Wolfram, um sieben Versprengte des ehemaligen Panzergrenadierbataillons 162, welches von der 1. Polnischen Armee völlig zerschlagen wurde.
Die sieben Männer schlagen sich aus dem BÜCHENER Raum zurück nach HAMBURG. Von ihnen weiß nur einer, dass HH bei einem verheerenden Luftschlag sowjet. "Bear"-Bomber in Schutt und Asche gelegt
wurde (1943 Operation Gomorrha: 40.000 Tote; 1986 sind es schon 80.000 Tote). Hinter ihnen ist nichts mehr, vor ihnen allerdings auch nichts. All ihre Hoffnung klammern sich an die Auffanglinie des britischen Duke of Wellington's Regiment an der BAB 1 HAMBURG - LÜBECK. Von TRITTAU bis HOISDORF (liegt direkt an der A1) sind es nur lächerliche 10 Kilometer. Aber in der Kriegslandschaft wird daraus eine nahezu unüberbrückbare Distanz. Links und rechts donnern polnische Panzerverbände nach Westen,
in der Luft werden schwerfällige Erdkampfflugzeuge (A-10 Warthog/Thunderbolt "Panzerknacker") von Jägern gejagt, Jabos werfen Napalmbehälter auf dänische Stellungen ab (die DK Jütland Division kämpft ebenfalls in Holstein), überall polnische Mot-Schützen ... JgdKdo Wolfram gelangt einmal in polnische Gefangenschaft ("Betrachten Sie sich als
Kriegsgefangene der Polnischen Volksarmee!"), verliert zwei Männer, kann sich aber wieder befreien.
Weiter durch eine absolut feindselige Vorwinterlandschaft, die einmal ihre Heimat war.

In einer Atempause auf ihrer Flucht gelangen sie nach TRITTAU am Fuß des Waldgebietes HAHNHEIDE.
TRITTAU war einmal eine überaus idyllische Ortschaft des Landkreises STORMARN. 8.800 Einwohner Kleinstädtchen. Feuerwehrhaus, Meierei Trittau mit dem sagenhaften
Mucci-Eis, Wassermühle, preußisches Amtsgericht, etc. --- ich selbst habe auch nur die besten Erinnerungen an Trittau, die damalige Zeit, die hübschen Mädchen dort, die
Wälder, die großen Seen und vieles andere mehr.

Aber in diesem Herbst 1986 wird TRITTAU zur Todesfalle. Südostwind weht kleinste Soman-Partikel in Tröpfchenform auch bis nach TRITTAU, wo es sofort mit geballter
Mortalität ein Massensterben auslöst.
Die Vögel fallen buchstäblich vom Himmel (eher literarisch, denn die meisten Zugvögel sind längst vor dem vorzeitig eingebrochenen Winter und den Kriegswirkungen geflohen),
TRITTAU wie alle anderen Ortschaften in der Kampfzone zwischen NATO und Warschauer Pakt ist längst evakuiert worden. Bis auf einige Plünderer, Verwirrte, Orierentierungslose, etc.
(man kann sich vorstellen, dass es während des WK III sehr viele davon gibt), die durch die Gegend torkeln.  
Und das JgdKdo Wolfram wird mit diesem Szenario (das sich eigentlich überhaupt nicht beschreiben lässt) konfrontiert.

Aber ich glaube, das gehört hier alles nicht her.


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Beitrag25.11.2018 08:18

von BerndHH
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Das JgdKdo Wolfram hat sich soeben aus polnischer Kriegsgefangenschaft befreit. Zwei Mann gingen dabei drauf. Sie gelangen auf ihrer Flucht nach TRITTAU und geraten gleich in die nächste Katastrophe.


Das was beschrieben wird, kann das JgdKdo Wolfram unmöglich wissen.
Sie können nicht wissen, dass da drüben auf dem Territorium der DDR irgendwo eine der vielen Scuds klar gemacht wird, um ein Ziel in der BRD zu bekämpfen. Sie hätte ja auch genausogut einen nuklearen Gefechtskopf tragen können.

Die sieben, jetzt nur noch 5 Mann haben absolut keine Ahnung von der Gesamtlage. Ganz im Gegenteil.
Sie haben Angst, frieren, haben schon seit Tagen nichts Warmes mehr gegessen und sind die ganze Zeit nur auf der Flucht. Ihren Verwundeten sind sie losgeworden, den haben die Polen erledigt, dadurch sind sie schneller geworden, können also mehr Strecke machen.

Und dann kommen sie nach TRITTAU. Irgendetwas stimmt nicht.
Aber dass es sich um Soman handelt, können sie unmöglich wissen - nur die ABC-Abwehrtruppe hat den Massenspektrographen, um Nervenkampfstoffe zu identifizieren, analysieren.
Nicht aber ein kleiner Haufen von Versprengten.

Irgendwie ist das ganze Kapitel ganz großer Bockmist!


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Beitrag25.11.2018 12:41

von agu
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Hallo Bernd,

ich habe mal in Deinen Text reingelesen; das größte Problem ist aus meiner Sicht etwas, das gemeinhin als Infodump bekannt ist. Soll heißen, Du schiebst bei jeder Gelegenheit sehr lange Absätze mit Erklärungen ein, die Dir aber jegliche Spannung töten.
Du musst dem Leser nicht jedes Hintergrund-Detail mit Sachbuch-Artikeln ausmalen; wichtig ist nur, dass Du die Details beim Schreiben im Kopf hast, damit Du keine Fehler produzierst. Aber das heißt nicht, dass Du sie auch alle hinschreiben musst.
Die Szene fängt recht spannend an, man möchte als Leser also wissen, wie es weitergeht, nachdem die Scheinwerfer aufflammen. Dramaturgisch interessant wären Details der Flucht, die Momente der Angst, wenn jemand über eine Baumwurzel stolpert, die Erleichterung, das Flüsschen gefunden zu haben ... hier wären kleine Details aus der Wahrnehmung der Protagonisten - Gerüchte, Geräusche, was sie genau sehen - angemessen, um ein stimmungsvolles Bild zu zeichnen.
Aber Du machst der Spannung abrupt den Garaus, indem Du erstmal minutiös die Fakten einer militärischen Lagebesprechung ausbreitest. (die sich in dem Moment sowieso niemand merken kann). Dass Du alle Orts- und Eigennamen in Großbuchstaben schreibst, ist auch nicht hilfreich Smile
Zum Beispiel so was wie die Anmerkung, dass die Panzerbrigate 18 noch da und da gekämpft hätte und die Spuren noch da sein müssten. Das würde ich hier komplett weglassen und das kannst Du besser unterwegs erwähnen, wenn sie genau da vorbei kommen und die Spuren sehen.
Ein Stück weiter hinten hast Du auch wieder diese endlosen Erkläreinschübe - allein der riesige Abschnitt mit der Beschreibung, wie Hamburg zerstört wurde, langweilt nach zwei Sätzen so sehr, dass man den Rest nur noch überfliegt. Denn mit der unmittelbaren Situation der Flüchtenden - und an deren Schicksal ist mal als Leser interessiert - hat das nichts zu tun.
Und solche Infodump-Einschübe hast Du auch im restlichen Text, da wird es sogar noch deutlich schlimmer. Man hat den Eindruck, Du versuchst die Gesamtinfomenge eines kompletten Romans in Lexika-Kurzform auf 10 Seiten zu pressen. Das Ergebnis liest sich wie die Mitschrift von einer Uni-Vorlesung über Kampftaktiken aus dem xxx. Weltkrieg, wo der Dozent versucht hat, die langweilige Faktenaneinanderreihung durch ein paar Zitate und Anekdoten aufzulockern.

Im Moment hast Du ein Verhältnis von gefühlt 1:10 zwischen szenischer Handlung und Infodump. Dein Text würde massiv gewinnen, wenn es umgekehrt wäre.

Genau das Problem hat auch Dein kleiner Textauszug, den Du oben in Deinem ersten Beitrag gepostet hast. Das ist eine riesige, sachbuchartige Abhandlung über Soman, die aber die Handlung keinen Schritt weiterbringt. Für den Leser reicht, dass das Zeug absolut tödlich ist, Punkt. Das kann man in einem Satz sagen. Der Leutnant sieht (oder riecht oder was auch immer) etwas, und stellt fest: Verdammt, das sind Chemiewaffen. Da ist eigentlich auch egal, welche. Es reicht, wenn Du als Autor es weißt, damit Du Deine Beschreibungen der Auswirkungen entsprechend formulieren kannst. Der Protagonist muss es in dem Moment gar nicht genau wissen, der sieht nur die schrecklichen Resultate.


Ein zweites Problem, das ich persönlich mit dem Text habe ist, dass mir eine klare Erzählperspektive fehlt. Du scheinst immer diffus zwischen einem auktorialen (allwissenden) Erzähler und den persönlichen Erzählperspektiven verschiedener Personen in der Gruppe zu schwanken, und das ist handwerklich sehr unglücklich.
Es verhindert für den Leser auch wieder ein Eintauchen in den Text und liest sich zudem sehr holprig. Hier würde ich Dir empfehlen, dass Du Dich für eine (idealerweise personale) Erzählperspektive entscheidest und dann die Story ganz diszipliniert aus der Perspektive dieser Person erzählst. Du kannst auch mehrere Erzähler haben, zwischen denen Du - z.B. kapitelweise - wechselst. Dann musst Du Dich während des Schreibens natürlich strikt in diese Person hineinversetzen, in die Art ihrer Sprache (also wenn Du z.B. wertende Begriffe verwendest, wie "nur die Herren Offiziere können dies und das", dann nur, wenn diese Wertung auch der Sicht der erzählenden Person entspricht - sonst brichst Du ihre Perspektive). Du kannst nur Dinge schreiben, die diese Person in diesem Moment wahrnimmt oder weiß.

Das mal als schnelle Manöverkritik.
viele Grüße,
Andrea


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BerndHH
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Beitrag25.11.2018 13:15

von BerndHH
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Hi Agu,
dieses Problem ist altbekannt. Ich bin Mr. Infodump - kann gar nicht anders. Das haben mir schon viele Leute gesagt, dass ich damit zielsicher jeden Text abtöte.

Die Gefühlswelt der Akteure kommt natürlich extrem zu knapp. Jemand, der aus polnischer Gefangenschaft flieht, durch die Landschaft rennt und jederzeit damit rechnen
muss, aufgeklärt und festgenommen zu werden hat naturgemäß ganz andere Probleme als die Gesamtlage.
Es spielt keine Rolle, was oben, unten passiert  --- sie wollen alle nur den nackten Arsch retten, mehr nicht!

Die Nennung von Ortschaften mit Großbuchstaben kommt aus der "Nomenklatur der Bundeswehr für Operationsplanung", macht auf Operationsplänen Sinn, keineswegs aber
in der allgemeinen Handlung.
Komisch, dass die Wahrnehmung so unterschiedlich ist.
Für mich macht die Bombardierung Hamburgs absoluten Sinn (Vergeltungsschlag des Warschauer Paktes für zahlreiche Luftschläge der NATO auf Großstädte in der DDR und Polen) --
allerdings aus der Erzählperspektive problematisch. Die Gruppe, die gerade in Richtung Hamburg marschiert, weiß natürlich nichts davon. Woher auch?
Sie sind mit sich selbst und ihrem Überleben beschäftigt und mit nichts anderem!

Mir schwebt die Struktur eines Montageromans vor: aus dem Erzählstrang der Gruppe, Jagdkommando Wolfram, und ihren 7 Akteuren, die mit ihren Charakteren und ihrer (zivilen)
Vergangenheit recht ausführlich beschrieben werden, immer wieder heraus in das Geschehen drum herum:
 - Bombeninferno Hamburg - die Gruppe marschiert ja geradewegs dorthin, weil sie sich Rettung von der Auffanglinie der Briten verspricht, die ja wie gesagt, an der BAB 1
liegt
- Die nackte Verzweiflung im Gefechtsstand der 6. Panzergrenadierdivision (also der übergeordneten Führung), ihre beiden Brigaden wurden nahe der innerdt. Grenze vernichtet, der
Gegenschlag der PzBrig 18 wurde aufgerieben und auch die Dänen sind in der Rückwärtsbewegung
- es ist klar, dass sich bei all diesen Großereignissen niemand um das Schicksal dieser 7 People kümmert, da es an allen Ecken brennt und kracht ...
- die Gegenseite: die 1. Polnische Armee macht wenig Fortschritte. Es ist bereits der 5. Kriegstag des Dritten Weltkrieges und sie haben nicht einmal Hamburg erobert.
Das Vereinte Oberkommando der Streitkräfte des Warschauer Paktes macht dem Armeegeneral der 1. Polnischen Armee ordentlich Feuer unter'm Arsch. Es wurden hunderte von
eigenen Kampfpanzern vernichtet (die NATO-Panzerabwehr war besser und effektiver als gedacht!), die paar Kilometer haben unerhört viel Blut und Material gekostet.
Daher wird die Eskalation zum Chemischen Krieg eingeleitet. Scuds mit Gefechtsköpfen aus C-Waffen bestücken und damit dann den letzten Widerstand ausradieren!
Sie wollten in 5 Tagen längst am Rhein sein und verlieren stattdessen Bataillon für Bataillon "in dieser verdammten Schweinelandschaft"

Die Erzählperspektive liegt [zumindest in der Ausgangskonstallation des Konfliktes] ganz klar bei den Personen der kleinen Gruppen.
Sei wurden in Buch 1 eingeführt, als ihr Leben und ihre Handlung im Bataillonsgefechtsstand beschrieben wurde, noch bevor die Kampfhandlungen begannen,
dann kam die große Zäsur: Luftlandung auf den Gefechtstand, kann abgewehrt werden aber zwischenzeitlich werden die Kampfkompanien vernichtet und die Gruppe muss auf
einmal (keine Fahrzeuge mehr, nur ein Tornister-Funkgerät und ihre Handwaffen, die ihnen während der polnischen Gefangenschaft aber auch noch abgenommen werden) durch das
Niemandsland, durch das polnische Panzerverbände pressen zurück nach Westen.

Gruss,
Bernd


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BerndHH
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Beitrag25.11.2018 13:27

von BerndHH
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Vielleicht ist der viele Infodump ja auch ein unbewusstes Ablenkungsmanöver, da ich mit der eigentlichen Lage dieser speziellen Gruppe in einem Szenario, was kaum
beherrscht werden kann, nicht klar komme.
Wenn nicht einmal der Autor damit klar kommt, wie erst soll das denn der Leser?

5 Tage WK III in Deutschland (lassen wir mal den Rest der Welt außen vor), welche Auswirkungen könnte das haben?
Es wurden immer noch keine Nuklearwaffen eingesetzt. Was natürlich gut ist, da beide Seiten davon ausgehen, den Krieg noch konventionell zu gewinnen oder zumindest
beherrschen zu können.
- Wie sehen 5 Tage Krieg in Schleswig-Holstein aus?
- Welche Auswirkungen hat das auf die Zivilbevölkerung. Nach dem damaligen Stay-Put Konzept sollte die Zivilbevölkerung ja erst relativ spät aus dem
Kampfgebiet evakuiert werden. Gezwungen wurde sicherlich keiner dazu. Und mit Sicherheit hätte es ein paar Zausel gegeben. "Datt is min Huus. Da lasse ich den Iwan ganz
bestimmt nicht rein"
- Welche Auswirkungen auf die Tierwelt? Ja ich weiß, extrem nebensächlich angesichts der humanitären Katastrophe und allein 80.000 Toten in Hamburg. Es ist aber
Oktober mit vorzeitigem Frost-/Wintereinbruch und daher sowieso recht ruhig in den Wäldern. Ist auch nur ein Minipunkt für das allgemeine Setting
- Soman ist geruch- und farblos. Man kann es nicht sehen und die Gruppe sowieso nicht. Sie könnte höchstens Rückschlüsse angesichts der Toten in verrenkten Positionen,
weit aufgerissene Augen, Schaum vor dem Mund, Zunge blutig gebissen, etc. ziehen. Außerdem wie sollen sie selbst ohne entsprechende ABC-Schutzausrüstung (Overgarment
Vollschutz, ZODIAC-Schutzausrüstung) überhaupt überleben.

Irgendwie alles Schrott!


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agu
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Beitrag25.11.2018 13:49

von agu
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Hallo Bernd,
vielleicht musst Du Dich erstmal hinsetzen und alle diese Info-Stückchen, die in Deinem Kopf herumfliegen, irgendwo hinschreiben. Dir ein Ordnungssystem basteln, darin alle Beschreibungen und Erklärungen sammeln und sortieren, und dann auf der Basis die einzelnen Szenen verfassen.

Manche machen das in Form großer Zettelwände in Papier, andere digital.
Ich persönlich habe lange auf A2-Blättern gearbeitet, inzwischen mache ich es digital.
In Excel z.B. zeichne ich mir Zeitlinien auf, anhand derer ich große, "globale" Ereignisse verorte, die die Protagonisten in meiner Story vielleicht nicht komplett mitbekommen, die aber ihre persönlichen Erfahrungen und ihre Geschichte auf die eine oder andere Weise beeinflussen.
Dann lege ich da drunter für jeden einzelnen Protagonisten eine individuelle Zeitlinie, auf der ich seine persönlichen Erlebnisse dokumentiere - und stelle dadurch sicher, dass es kein Durcheinander gibt. Die zig Detailbeschreibungen einschließlich Bilder, Links usw. sammle ich mittlerweile in OneNote (Teil des MS Office-Pakets) - superpraktisch, man findet alles auf Anhieb wieder.

Diese Fragen, die Du da aufschreibst, musst Du für Dich selbst alle zunächst durch Recherche und/oder Erfindung (da, wo es keine reale Vorlage gibt) klären und die sich ergebenden Details irgendwo hinschreiben. Denn mit denen bevölkerst Du später Dein szenisches Geschehen. Und unterwegs wirst Du noch auf viele andere Detailfragen treffen, die Du dann auch immer noch nachrecherchieren musst. Letztendlich ist es so, dass sich eine Seite Recherche-Details dann im fertigen Text oft auf anderthalb Sätze verdichten - die aber genau auf den Punkt getroffen sind.


Jedenfalls, wenn Du auf diese Weise Deinen Roman Szene für Szene durchgeplant hast, dann fällt es Dir wahrscheinlich auch leichter, das Ganze runterzuschreiben - ohne die gigantischen Infodump-Abschnitte. Die gehören wie gesagt in Deinen Recherche-Ordner, nicht in den Roman.


Wenn Du die Erzählperspektive bei den Personen der Gruppe siehst, dann musst Du Dir zunächst überlegen, wer von denen alles aktiver Erzähler sein sollte. Mach Dir auch bewusst, dass jeder Erzähler eine andere Sicht einbringen sollte, die sich wiederum ergänzen und die Spannung hochhalten. Also Person A weiß irgendwann vielleicht etwas, das Person B nicht weiß (und nicht wissen soll) usw.
Ein guter Roman lebt vor allem auch von Konflikten zwischen den Protagonisten; die persönliche Geschichte der Figuren steht im Vordergrund und macht durch ihre Details die Großereignisse für den Leser überhaupt erst greifbar.
Eine Möglichkeit, die Großereignisse spannungsvoll einzuarbeiten, kann ein für jedes Kapitel vorangestellter kleiner Prolog sein - nur zwei oder drei Sätze, der allgemeine Information vermittelt, die dann für das folgende Kapitel einen neuen Kontext herstellt.

Hier ein Beispiel (anderes Genre, aber es geht ja ums Prinzip), wo ich es sehr gelungen finde:
Zeitenfeuer (Michael Sullivan)

Klick da mal in die Leseprobe rein, das sind die ersten vier Kapitel, dann siehst Du, was ich meine. Da gibt es am Anfang immer ein oder zwei kursiv gestellte Sätze, die sich auf die Geschehnisse aus größerer Perspektive beziehen. Die geben dann von vornherein dem Leser schon eine spannungsvolle Erwartungshaltung mit und informieren nebenbei über globale Ereignisse.


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