Brunnentage

[Tula]

Brunnentage


das wetter lese ich soll richtig gut sein
für den monat der vermoderung da bricht
für einen flüchtigen moment sogar der schimmel als
option in meinen plan ich setz' mich rauf und gleite

ab. ich mach' mir den espresso heute doppelt so wie
sonst bloß reicht die kontextsensitive halbwertszeit
nur bis zur couch wo ich noch immer oben ohne
konversionen mit mir selber knote ich gedanken

los. ich stelle fest man kann ja froh sein dass man
nicht am kongo wohnt wobei der dreck der dort
vom abendbrot herumliegt jetzt der deibel holt und weil
mich unter ihm rein gar nichts treibt beschreibe ich die

wand. auf ihrem tristen monoton scheint mir fehlt
eine blüte vom magnolienbaum in rosa-weiß
ich ganz genau ihr lächeln bringt mir morgen wieder
licht und schon erglänzt in meiner hand die kugel

[BlueNote]

Das ist zeitgenössische Dichtung, wie ich sie mag!
Sehr gut gemacht!

[poetnick]

Hallo Tula,

ein interessantes Stückchen hast Du hier in die Welt, den Kongo und auf die Tapete ohne Magnolien gesetzt.
Die Gedankenentknotung ist faszinierend, lakonisch auch, als wenn LyIch dabei in der Nase bohrt und selbstverständlich fündig wird.

Gefällt mir, birgt inspiratives Material.

LG - Poetnick

[menetekel]

Ja, wieder ein gutes Teilchen!
Fühle mich vollautomatisch an Thomas Mann erinnert, der in seinem Vorspiel von "Joseph und seine Brüder" vom unergründlichen Brunnen der Vergangenheit spricht.
Ein Gedanke, den du gleichsam aufgreifst und auf dem Schimmel des Gewesenen zum Urgrund hinabgleitest.

[Zinna]

Hey Tula,

an deinen Gedankenknoten lässt es sich vortrefflich entlang hangeln.
Hier und da kann man kurz verweilen, um dann um die nächste Ecke zu kommen.

Mag ich
Zinna

[Tula]

Hallo ihr Lieben BlueNote, Poetnick, menetekel und Zinna

herzlichen Dank für die aufmunternden Kommentare. "zeitgenössisch" habe ich mir ebenso wohlwollend auf die dichterische Ego-Haut gerieben wie die Nasenfunde zwischen den Dichter-fingern zer-

An Thomas Mann gebe ich jetzt mal zu habe ich gar nicht gedacht, eher an den hässlichen Frosch im Brunnen, der auf seine Angebetete wartet, oder zumindest auf einen Moment des Lächelns. Wobei das Gedicht eigentlich niemanden 'um die Ecke bringen' wollte, aber immerhin, auch dieser Gang liegt im Bereich zeitgenössischer freier Interpretation

Ganz ehrlich hatte ich am Wochenende beschlossen, mich ein wenig in Traurigkeit zu ergehen, d.h. so richtig gut gelaunt war ich wirklich nicht, was im Moder-Monat nicht verwundert. Am Ende sah ich ein, dass das Ganze ohne Ironie nur ungewollt komisch wirkt, also dann doch lieber so wie es hier steht. Und wie man mich ja auch kennt.

Euch allen liebe Grüße

Tula