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Teil 29 Jean


 
 
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teccla
Geschlecht:weiblichLeseratte

Alter: 66
Beiträge: 160
Wohnort: Costa Blanca


Was suchst Du in Madagaskar?
Beitrag01.06.2008 17:00
Teil 29 Jean
von teccla
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Eines Morgens schauten wir aus dem Fenster und Sebastian sagte: "Oh Gott schon wieder dieser eklige Sonnenschein und die Palmen und das Meer. Ich will endlich mal wieder richtig schönen grauen Nieselregen. Ist ja nicht auszuhalten, immer diese gute Laune!" Wir lachten, begannen mit dem Frühstück und Georgina sang in der Küche.

Doch so schön der Tag begann, er brachte nicht das, was er versprach. Mein Computer ging kaputt. Der Lüfter verabschiedete sich und die CPU ebenso. Das Ersatzteil hätte in Deutschland nicht viel gekostet, aber 2003 bekam man es hier einfach nicht. Das bedeutete für uns, wir würden mit fünf Rechnern im Internetcafe starten, nicht mit sechs, wie geplant.

Sebastian hatte seine Musikanlage im Wohnzimmer aufgebaut. Wann immer ich allein war, hörte ich laut Musik. Ich hatte ja nur noch drei CD's, die ich mein eigen nannte. So entging mir auch das klopfen, als Rondro erschien. Sie brachte endlich die Visumverlängerung für drei Monate. Nun würde uns der „Blockade-Beamte“ die Carte professionell ausstellen müssen.
Rondro berichtete, der Präfekt hätte gesagt, wenn es weiterhin Probleme gäbe, dann sollten wir uns an ihn wenden. Das hörte sich gut an.
Sie meinte, er hat von unserem sozialen Projekt gehört und er möchte unbedingt, dass wir es schaffen.

Eines Tages fuhr ich mit Jan im VW zum Internetcafe. Wir wollten die Räume noch einmal ausmessen. Da sagte er zu mir „Ich werde jetzt extrem geizig.“
„Oh toll, dann trinkst du mir ja meinen Kaffee nicht mehr weg, sondern nur noch abgekochtes Wasser aus der Leitung.“ gab ich höhnisch zurück.
"Ich achte auch drauf, dass meine Familie sparsam lebt und nicht die dicken Hamburger isst." „Das kannst du gern tun, aber wir sind nun nicht mehr deine Familie.“
„Ich habe da aber noch einen Gutschein für eine Schmusestunde.“
„Der Gutschein ist schon uralt und verfallen.“ Gab ich zurück.
„Nein, je älter der Gutschein ist, desto länger ist er gültig.“ Meinte er.
"Für oberflächliche Dinge habe ich keine Zeit"
Wusch. Abfuhr.
Ich sah ihn von der Seite an und sehnte mich nach ihm, doch so einfach war es nicht.

Aus Tana erhielten wir einen Anruf. Wir würden die Visa für zwei Jahre bekommen. Allerdings koste es pro Person 1.000.000 FMG, das waren dann mal eben 3.000.000 Mio FMG (ca. 430 Euro) für uns drei. Der Preis sei üblich, so hieß es. Ja okay, wenn das der Preis ist? Doch zwei Tage später erreichte uns wiederum ein Anruf aus Tana. Die Dame erklärte uns, der Preis habe sich erhöht. Nun sollten wir pro Person 1,25 Mio FMG bezahlen. Wie konnte das sein?
Wir hatten nur eine Erklärung, da wollen einige Herrschaften mit verdienen.
Da ist Korruption im Spiel. Nach einer kurzen Beratung entschieden wir uns, dieses Angebot dankend abzulehnen.
Wir gingen den offiziellen Weg. Es musste möglich sein, auch auf normalen Wege die Visa Frist gemäß zu erhalten.
Es war der 21. Mai 2003. Sebastian hatte Geburtstag und ich hoffte, dass er eine schöne kleine Feier bekommt. Ich wollte ihm eine Kleinigkeit schenken und ging mit ihm einkaufen. In Tsaramandroso fanden wir einen Straßenhändler, der Parfüms von BOSS, Lagerfeld usw. verkaufte. Sicherlich waren diese Duftwasser verdünnt, denn der Geruch hielt nicht lange an, doch immerhin gab uns der Duft einen Hauch von Luxus und Zivilisation.
Mit dem Koch vom San Antonio, Stefan, hatte ich abgesprochen, dass er einen Geburtstagstisch für uns herrichtet. Es sollte Gulasch geben.
Ein befreundeter Franzose Jean und seine Freundin kamen. Gunter und Jan kamen auch. Jan hatte wenige Tage zuvor einen Wortwechsel mit Sebastian und zog den ganzen Abend über ein mürrisches Gesicht.
Jean sprach perfektes English und Sebastian genoß die Unterhaltung mit ihm sichtlich. Jean schenkte Sebastian einen Silberreif für das Handgelenk. Diese Armreifen wären das Symbol, dass er nun ein Mann sei, erklärte er uns.

Später erfuhr ich, dass die Madagassen diese Armreife tragen, da dieser Armschmuck den Meeresgott wohlgesinnt stimmt und so vor dem Wasser schützt.
Während der angeregten Unterhaltung bemerkten wir, dass draußen auf See ein Kriegsschiff vor Anker lag.
„Vielleicht ist es nur Küstenschutz“ sagte ich.
„Nein, diese Schiffsform kenne ich.“ meinte Sebastian.
„Ist ein Marineschiff, ganz eindeutig.“ Stimmte auch Jan zu.
„Was wollen die hier? Madagaskar hat eine Marine mit eigenen Schiffen?“ fragte ich.
„Nein.“ sagte Jean „Das ist ein französisches Schiff. Kann sein, sie überwachen nur. Auf den Komoren sollen französische Legionäre sein, die darauf warten, dass es los geht.“
„Ähm, was soll losgehen?“
„Die Regierung ablösen.“
„Um Gottes Willen! Bloß nicht!“
„Wer weiß“ sinnierte Jean.
„Und was machen wir, wenn so was doch passiert?“
„Die Botschaft bringt euch raus.“
„Ich will aber gar nicht raus. Ich habe keinem was getan, warum sollte ich Angst haben?“
„Wenn es Krawalle gibt, ist es egal, ob du was getan hast. Du bist weiß, das reicht.“
„Und dann? Die Botschaft ist in Tana. Wenn hier wirklich etwas passiert. Tana ist weit weg.“
„Ihr müsst deutsch reden. Immer deutsch reden, damit sie sehen, ihr seid keine Franzosen. Und ihr müsst dann sofort zu einer offiziellen Vertretung. Am besten eine Schweizer oder französische offizielle Organisation. Die bringen euch in Sicherheit.“
„Na toll! Ich will mir so was nicht mal im Albtraum vorstellen!“
„Nein, ich glaube ja auch nicht, dass so was passiert, aber für den Ernstfall wisst ihr Bescheid.“
Es wurde viele erzählt, gelacht. Ein netter Abend. Sebastian war positiv überrascht, sprach aber abends über seine Enttäuschung, dass Jan nicht gratuliert hatte.

Es war der 01.06.2003. Wir hatten endlich die Carte Professionell und durften damit offiziell eröffnen. Allerdings war diese Carte Professionell befristet auf drei Monate, ab Antragsdatum, also gültig bis zum 31.07.2003. Endlich konnte es losgehen!

Gunter und Jan kauften Stoff für ein Transparent sowie Farbe dazu. Ich bemalte es mit den Schriftzügen der Firma und den Öffnungszeiten.
Endlich ging es ans Einrichten.
Die Computer wurden aufgestellt, das Netzwerk wurde eingerichtet.
Das Personal im Internet eingewiesen.
Glücklicherweise kauften Jan und Gunter bei einem Straßenhändler billig Tische und Stühle ein. Sie waren aus Holz und sahen ziemlich alt und ramponiert aus. Aber es musste auch so gehen.
Es fand keine Einweihungsparty statt. Keine große Feier.
Kein Geld. Schnell eröffnen.
Lautsprecher mit Musik wurden auf die Straße gerichtet und wir warteten auf Kunden.
Ich entwarf Werbeplakate, teilte sie in vielen Shops und Hotels aus.
Mit Rondro sprach ich die Pousse - Pousse Fahrer an. Sie fuhren mit unseren selbst gemalten Werbeplakaten wochenlang durch die Stadt. Auch Handzettel entwarf ich und verteilte sie. Drückte sie den Leuten in die Hand oder klemmte sie an Autoscheiben.

Gunter ließ sich auch einige geben, verteilte insgesamt drei Stück in seinen Stammlokalen. Sebastian versuchte das Netzwerk zu optimieren, schrieb ein Abrechnungsprogramm für die Kasse.
Jan saß vor dem PC und chattete bis in die Nacht mit "Anna".
Ich lernte auch das zu akzeptieren.
Es tat weh. Immer noch.



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Gabi
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Wohnort: Köln


Beitrag03.06.2008 21:39

von Gabi
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Hallo Angela!

Oh, je. Ich glaub da geht jede Abenteuerlust flöten. So langsam bekomme ich Heimweh. Auch wenn mir hier in Deutschland das Wetter auf den Geist geht und ich mich nach Sonne, Palmen und Meer sehne. Aber du beschreibst die brutale Realität des Auswanderns, und so, dass der Leser mitfühlt. Bei deiner Geschichte ging es mir bisher so, dass ich deine Abenteuerlust, dein Hadern, deine Enttäuschung und alles was du beschreibst mit gefühlt habe.
Ganz große Klasse, denn ich bewundere es, wenn eine Story bei mir Gefühle hervorruft. Daumen hoch
Und denke daran, ich bin weiterhin dabei. Wink

L.G.
Gabi


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