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Tula Klammeraffe
Beiträge: 904 Wohnort: die alte Stadt
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Soleatus Klammeraffe
Beiträge: 999
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21.10.2018 22:23
von Soleatus
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Hallo Tula!
Schöne Terzinen, im wesentlichen. Gerade der Beginn gefällt mir; solche Personifikationen der Jahreszeiten sind alt, aber du löst das ganze so, dass trotzdem ein frischer Eindruck bleibt. (Fällt mir gerade ein, von Voss:
Reif im Haupthaar, den Bart voller Eis, taumelt der
Alte Winter anitzt aus der benachteten
Höhle Grönlands hervor, rufet, erbost umher
Schauend, Boreas weitstreifenden Brüdern, und
Schirrt das wilde Gespann lärmend am Deichsel des
Schwarzen Wagens. ...
"Dann flieh, Autumnus!", heißt es da irgendwann; aber hier, bei dir, ist er ja gerade erst erschienen ...)
Der Bruch V7/V8 ist wirkungsvoll; die Frage bleibt, ob das Gedicht ihn verlangt; vielleicht. "Aus dem Asphalt" verstehe ich nicht ganz; die zwei "aus" im Vers erscheinen mir aber ohnehin nicht ganz glücklich.
Den Schluss empfinde ich als schwächer; der Mensch ist mir zu allgemein gehalten, das "verblüht" auch wenig mehr als eine lyrische Floskel?!
Zeichensetzung: In V1 setzte ich das vorgesehene Komma, du hast ja auch sonst alle "an Bord"; in V13 setzte ich vielleicht "wie alles" in Kommata.
Insgesamt sicher eines der besseren Herbstgedichte der diesjährigen "Saison".
Gruß,
Soleatus
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menetekel Exposéadler
Alter: 104 Beiträge: 2451 Wohnort: Planet der Frühvergreisten
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22.10.2018 07:00 Re: Herbst in der Stadt (Terzine) von menetekel
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Tula hat Folgendes geschrieben: | Herbst in der Stadt
Er kam am Morgen als die Stadt noch schlief;
ein Stromer, Strolch, zerzauster Vagabund,
der mürrisch über ihre Dächer lief.
Sein Mantel flatterte in Fetzen und
mit jedem seiner schweren Schritte fiel
ein Regenschauer aus dem Wolkenschlund.
Dann war's ihm der Strapazen wohl zu viel
und ruhte aus. Nun steigt aus dem Asphalt
der Atem eines Wanderers am Ziel.
Er malt und singt im Park. Das Lied ist alt:
vom Wald, den er in seinen Armen hält,
vom Trieb, der gestern noch als kräftig galt,
doch jetzt wie alles unaufhaltsam fällt.
Ein Mensch am Fenster weiß, auch er verblüht.
Besorgt schaut er nach oben, dort erhellt
ein fernes Leuchten flüchtig sein Gemüt. |
Hallo Tula,
mir gefällt das Bild des zunächst mürrisch umherziehenden Vagabunden gut, der quasi, en passant, ein par Farben tupft und Lieder streut. Und auf diese Weise zu einer Versöhnung mit sich selbst, seinem Da-Sein und seiner Bestimmung gelangt.
In einem weiteren Sinne kann die Deutung darin liegen, dass erst durch die Akzeptanz der Vergänglichkeit ein glückliches Leben im Jetzt möglich wird.
Dies ist den meisten Menschen nicht bewusst und auch dein Mitspieler lässt sich nur kurzfristig "erleuchten."
Ein Gedicht mit Tiefgang.
Auf eine Kleinigkeit möchte ich hinweisen:
Zitat: | Dann war's ihm der Strapazen wohl zu viel
und er ruhte aus. Nun steigt aus dem Asphalt
der Atem eines Wanderers am Ziel.
Er malt und singt im Park. Das Lied ist alt: |
Ein wirklich schönes Herbstgedicht, dass wir uns nach diesem Mördersommer auch verdient haben.
Liebe Grüße
m.
_________________ Alles Amok! (Anita Augustin) |
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poetnick Klammeraffe
Alter: 62 Beiträge: 834 Wohnort: nach wie vor
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22.10.2018 17:15
von poetnick
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Hallo Tula,
Zitat: | doch jetzt wie alles unaufhaltsam fällt.
Ein Mensch am Fenster weiß, auch er verblüht.
Besorgt schaut er nach oben, dort erhellt
ein fernes Leuchten flüchtig sein Gemüt. |
Die Herbstbilder gefallen mir ausgesprochen gut. Die zitierte Strophe erinnert etwas an Rilkes Herbstbetrachtungen.
Das Wesen Herbst entfaltet hier seinen unsteten Charakter im flatterigen Mantel; bis hierher ist er jedoch noch nicht vorgedrungen.
Und so hat es richtig gut getan sich seiner zu erinnern.
LG - Poetnick
_________________ Wortlos ging er hinein,
schweigend lauschte er der Stille
und kam sprachlos heraus |
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Tula Klammeraffe
Beiträge: 904 Wohnort: die alte Stadt
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23.10.2018 00:03
von Tula
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Hallo Soleatus
vielen Dank, freut mich, dass es dir gefällt. In der Tat ist es nicht leicht, sich bei diesem allzu beliebten Thema und bei tausenden von Vorgängern noch etwas Neues einfallen zu lassen. Aber wenigstens in diesem Jahr wollte ich mich der Herausforderung stellen
Zitat: |
Der Bruch V7/V8 ist wirkungsvoll; die Frage bleibt, ob das Gedicht ihn verlangt; vielleicht. "Aus dem Asphalt" verstehe ich nicht ganz; die zwei "aus" im Vers erscheinen mir aber ohnehin nicht ganz glücklich. |
Der Ausdruck will den über den morgendlichen, noch nassen Straßen stehenden Dunst umschreiben. So als würde der Asphalt selbst atmen. Aber dann die zwei 'aus' in einer Zeile ... ich grübelte eine Weile, dann brachte mich der Kommentar von Menetekel auf eine Lösung, die in wenigen Minuten eingestellt wird.
Der Mensch am Ende ist mir sehr wichtig, wie noch weiter unten kommentiert. Natürlich ginge es noch etwas tiefer schürfender, aber andererseits würde ich dann das Gedicht in die Länge ziehen und den Abschluss selbst ebenso.
Danke auch für die weiteren Hinweise.
LG
Tula
_________________ aller Anfang sind zwei ...
(Dichter und Leser) |
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Tula Klammeraffe
Beiträge: 904 Wohnort: die alte Stadt
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23.10.2018 00:18
von Tula
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Hallo menetekel
ja, der Herbst kann auch ein Segen sein. Wobei er ja überhaupt gern von seiner schönen Seite gezeigt wird, während Schmuddelwetter und das dem Herbst innewohnende "Sterben" (im Sinne des jährlichen Kreislaufs der Natur) 'geschickt' überspielt werden.
Auf letzteres kam es mir besonders an, die Jahreszeit lädt vor allem den alternden Menschen zu einer tieferen Betrachtung über den ewigen Lauf von Werden und Vergehen ein:
Zitat: | In einem weiteren Sinne kann die Deutung darin liegen, dass erst durch die Akzeptanz der Vergänglichkeit ein glückliches Leben im Jetzt möglich wird. |
So war's gemeint, auf einen Seite eine gewisse Bedrückung, die Gewissheit, dass der Sommer als solcher nicht wiederkehren wird. Auf der anderen die Einsicht bzw. Hoffnung, dass auch der anstehende Lebensabschnitt seine sonnigen Tage hat / haben wird, die es sich lohnt zu leben.
Die besagte Stelle werde ich jetzt abändern, hoffentlich ist es keine Schlimmverbesserung.
Das Schöne ist, dass ich in wenigen Tagen wirklich den heimatlichen Herbst genießen darf, hoffentlich wird der alte Vagabund nicht wieder schlecht gelaunt
LG
Tula
_________________ aller Anfang sind zwei ...
(Dichter und Leser) |
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Tula Klammeraffe
Beiträge: 904 Wohnort: die alte Stadt
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23.10.2018 00:43
von Tula
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Hallo poetnick
an Rilke zu erinnern nehme ich gern als Lob an - er gehört ganz gewiss zu meinen Vorbildern, auch wenn er in stilistischer Hinsicht ebenso zu einem bereits vergangenen Sommer gehört.
Hier nun die leicht abgeänderte Version; über die benannte Stelle werde ich allerdings weiterhin nachdenken:
Herbst in der Stadt
Er kam am Morgen, als die Stadt noch schlief;
ein Stromer, Strolch, zerzauster Vagabund,
der mürrisch über ihre Dächer lief.
Sein Mantel flatterte in Fetzen und
mit jedem seiner schweren Schritte fiel
ein Regenschauer aus dem Wolkenschlund.
Dann war's ihm der Strapazen wohl zu viel.
Nun ruht er und es steigt aus dem Asphalt
der Atem eines Wanderers am Ziel.
Er malt im Park und singt. Das Lied ist alt:
vom Wald, den er in seinen Armen hält,
vom Trieb, der gestern noch als kräftig galt,
doch jetzt, wie alles, unaufhaltsam fällt.
Ein Mensch am Fenster weiß, auch er verblüht.
Besorgt schaut er nach oben, dort erhellt
ein fernes Leuchten flüchtig sein Gemüt.
LG
Tula
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Soleatus Klammeraffe
Beiträge: 999
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23.10.2018 10:37
von Soleatus
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Hallo Tula!
Zitat: | Der Mensch am Ende ist mir sehr wichtig, wie noch weiter unten kommentiert. Natürlich ginge es noch etwas tiefer schürfender, aber andererseits würde ich dann das Gedicht in die Länge ziehen und den Abschluss selbst ebenso. |
Das "sehr wichtig" glaube ich dir sofort; aber setzt der Text es wirklich um?! Dabei geht es noch nicht einmal um "tieferes Schürfen"; mehr darum, dass du soviel Versraum für den Herbst aufbringst, und der "Mensch" in Bezug darauf nur als Anhängsel wirkt; wie ein Nachgereichtes. Man müsste es versuchen, aber ich vergliche wirklich sehr gerne eine Fassung, in der der Mensch drei Verse mehr Raum hat - und sei es nur, um etwas wegzulegen, oder einfach nur aufzustehen, und dann ans Fenster zu treten.
Noch zum "Blüht-Gemüt-Reim": Das ist ein Reim, bei dem ich stark vermute, dass er uns, die wir gewöhnt sind, geschriebene (Reim-)Gedichte untereinander zu zeigen und zu besprechen, viel aussagekräftiger erscheint, als er das im Jahre 2018 den meisten Menschen ist. Ich werde eine kleine Unfrage machen, so etwas bekomme ich immer gerne heraus; mein vorerst gänzlich unbelegter Eindruck ist aber, es ist ein "schwacher" Reim; "Gemüt" ruft nicht so viel Wirkung hervor, wie es ein den Text schließendes Reimwort sollte.
Gruß,
Soleatus
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Tula Klammeraffe
Beiträge: 904 Wohnort: die alte Stadt
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23.10.2018 11:18
von Tula
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Hallo Soleatus
Vielleicht ein Wort zur assoziativen Absicht: das Leuchten steht für Hoffnung (ein Schimmer sozusagen). Da sollte das Gemüt eher zart besaitet wirken. Ich selbst denke bei diesem Begriff sofort an "leise zieht durch mein Gemüt ...."
Verblühen ist unter Umständen etwas stereotyp, zugegeben.
Dankend lieben Gruß
Tula
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