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Die Resi vom Land


 
 
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masniB
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Beitrag24.09.2018 19:34
Die Resi vom Land
von masniB
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Also, eines möchte ich gleich zu Anfang  klarstellen: Mir liegt es fern, Mädels, die auf den Namen Theresia, Resi, Reserl oder Therese getauft oder gerufen werden, zu beleidigen. Ich persönlich finde sogar, dass „Theresia“  ein sehr schöner Name ist. Meine  Vornamen  hingegen wurden von meinen Eltern  nicht gerade mit großer Sorgfalt oder gar  angelehnt an etwaige bedeutungsvolleHeilige ausgesucht ! Mein erster Vorname wurde vom Standesbeamten vorgeschlagen und mein Vater hat diesen mangels anderweitiger Vorschläge zustimmend abgenickt. Meinen zweiten Vornamen verdanke ich meiner Taufpatin, die auch Waltraud hieß. Anna Waltraud… Wer will  schon so heißen?  Ich habe mal interessehalber nachgeforscht: Anna bedeutet so viel wie die „von Gott begnadete“. Also, DAS hätte ich ja IRGENDWANN mal im Laufe meines Lebens bemerken müssen, oder Gott hat eine sehr eigene Definition von „begnadet“. Außerdem war ja lt. Bibel die Anna die Mutter der Maria und somit die Großmutter von Jesus. ICH KAM ALSO  ( namenstechnisch) BEREITS ALS GROSSMUTTER AUF DIE  WELT!!!!!!  „Waltraud“  wiederum soll so viel bedeuten wie „erhaben, stark“. DAS allerdings muss man sein, angesichts dieser Vornamen, die einem auf die nicht vorhersehbare Dauer des Lebensweges mitgegeben werden und vor allem, wenn man in eine Familie wie die meine hineingeboren wird, so ohne jede Vorwarnung. Dann kommt noch hinzu, WIE sie  meine Namen ausgesprochen haben! Ich wurde nie  liebevoll Anni, Annerl oder Anne gerufen. Ich  bin mir allerdings auch nicht sicher, ob mir das die Namen wirklich schmackhafter  gemacht hätte. Nein, ich war immer die „Anna“, dabei wurde das „a“ vor dem Doppel-N auch noch langgezogen und wie das „A“ von Affe ausgesprochen, ohne jegliche Sprachmelodie begleitet, sondern ganz eintönig. Nur wenn ich etwas angestellt habe, da wurde die erste Silbe sehr hoch, sehr laut und seeehr kurz betont. Und wenn mich meine Mutter besonders ärgern wollte, was Gott sei Dank nicht allzu häufig vorkam, für meinen Geschmack allerdings doch viel zu oft, zitierte sie: „Da kimmt  ‘s Annerl -Kracherl – brunzt ins Kacherl, s Kacherl rinnt, d‘Anna stinkt.“ Der Lacher war immer auf ihrer Seite und ich stand da mit hochrotem Kopf vor Zorn. Alle fanden es lustig. Der Humor von Erwachsenen ist schon manchmal sehr grenzwertig!
Ich wuchs mit zwei Schwestern in Bayern in der Nähe von Rosenheim auf, die eine sieben Jahre älter, die andere 15 Jahre jünger. Mit der älteren hatte ich kaum Kontakt. Meine jüngere Schwester war ab meinem vierzehnten Lebensjahr rund um die Uhr präsent. Ich musste  fortwährend auf sie aufpassen, war mehr oder wenig ihr PBS ( Personal Baby-Sitter).  Meine Mutter nutzte die Zeit, in der ich zu Hause war, um in der Firma meines Vaters – einer Druckerei, die sich im selben Haus wie die Wohnung befand -  mitzuarbeiten. Niemand verschwendete auch nur einen Gedanken daran, dass meine Teenagerzeit  demzufolge praktisch nicht stattfand, sondern hauptsächlich dadurch geprägt war, in die Schule zu gehen, zu lernen  (ungern und meist erfolglos) oder meine kleine Schwester zu bespaßen. Das hatte u.a. zur Folge, dass sich meine heimliche Liebe aus der Handelsschule nie mit mir verabredete.  Gut, die Liebe war, darüber war ich mir im Klaren, ohnehin einseitig und aussichtslos: Ich, das dickliche Etwas und stets ungünstig gekleidet. Immer musste ich Wollstrümpfe zu einem viel zu langen dunkelblauen Plissee-Rock tragen!  „Da wächst du schon noch rein!“ war das Argument meiner Mutter nach meinem Protest. Die Wollstrümpfe dagegen wurden mir deshalb verordnet, weil ich die modernen Feinkrepp-Strumpfhose, die mir meine Mutter ein, zweimal kaufte, bereits nach dem ersten  Tragen zerrissen nach Hause brachte. Ich kletterte mit diesen ebenso durchs Gestrüpp auf dem Schulweg wie mit den wollenen Strümpfen. Der Unterschied war, dass meine Mutter diese flicken konnte und sie damit länger hielten! Das toppte dann mein Aschenputtel-Aussehen:  dick, ungeschminkt, geflickte Strümpfe und zu langer Plissee-Rock. Die Rocklänge  wollte ich mit folgender Maßnahme Abhilfe schaffen: ich rollte  oben den  Bund ein paar Mal, also mindestens sechs Mal, ein. Was ich aber nicht bemerkte war, dass  das Plissee durch das Aufrollen am Po eine ziemliche Nase bildete und mein ohnehin nicht gerade zierliches Hinterteil dadurch noch voluminöser in Erscheinung trat. Für mich war sonnenklar, dass so ein Mädchenschwarm wie Manfred an jemanden wie mir nicht im Entferntesten interessiert sein konnte! Zu diesem  Zeitpunkt liefen meine  wesentlich attraktiveren Klassenkameradinnen bereits mit Kreppstrumpfhosen herum  und  schminkten sich schon mit Lidschatten, Rouge und Mascara. Mein Gesicht dagegen hatte noch nicht einmal Bekanntschaft mit einer Hautcreme gemacht!  
Als wir  eines Tages im  Bus nach der Schule nach Hause fuhren belauschte ich, mit dem Rücken zur Gruppe stehend, ein Gespräch meiner Mitschüler. Es ging dabei  um einen gemeinsamen Kinobesuch am Nachmittag . „Manfred“ wurde von einem anderen Jungen aufgefordert, die „Anna“ zu fragen, ob sie denn mitgehen möchte.  Da hörte ich  die von mir völlig unerwartete und  schicksalshafte Antwort:  „die hat ja nie Zeit, die muss immer auf ihre Schwester aufpassen“.
 Nie hätte ich erwartet, dass ich mich überhaupt innerhalb seines Wahrnehmungsbereiches befand! Im selben Moment krabbelte etwas sehr Heißes meine Kehle hoch, klopfte in den Ohren, kletterte weiter bis zum Kopf und ich hatte das Gefühl, der platzt gleich. Ich  hätte am liebsten meine nicht vorhandene Schwester unter den Bus geschupst. Tränen stiegen mir in die Augen, sie brannten wie Feuer und ich war sehr froh, dass ich mit dem Rücken zu den anderen stand.  Ich war nie eine Heulsuse, aber diese Situation versetzte  meinem  ohnedies fehlenden Selbstwertgefühl  eine schallende Ohrfeige und überstieg meine  Grenze des Erträglichen. Zum Einen, weil mir schlagartig  bewusst geworden war, dass meine schmachtenden Blicke offensichtlich bemerkt und meine Gefühle, paradoxerweise  schon fast zu meinem eigenen Entsetzen, tatsächlich erwidert wurden. Zum anderen, weil wieder einmal  meine Verpflichtungen gegenüber meiner Schwester verhindert  haben, ein Stückchen Jugend leben zu dürfen.
Ein weiteres Trauma meiner Jugend war,  dass  ich von Fremden  aufgrund des deutlich sichtbaren Altersunterschiedes mehr als einmal  für die  Mutter  meiner Schwester gehalten wurde. In den sechziger Jahren waren Teenager-Müttern, nicht wie heute, fernsehtauglich für eine Daily-Soap.  Und in einer Kleinstadt wog das Ausmaß eines Fehltrittes doppelt schwer! Man wurde ganz schief beäugt nach dem Motto „Wieder so ein frühreifes Flitscherl….“  Eines Tages, ich hatte erst am Nachmittag Unterricht, stapfte ich missmutig den Kinderwagen schiebend durch unseren Stadtteil.  Viel lieber wäre ich mit einem  interessantes Buch  im Bett gelegen.  Es war ein wunderbarer Frühsommertag und die milden Sonnenstrahlen  schienen mir  direkt ins Gesicht. Aber halt nicht nur mir, sondern auch meiner kleinen Schwester, was ich nicht bemerkte und dem ich auch keine besondere Bedeutung geschenkt hätte. Da kam eine für mich uralte Frau (wahrscheinlich war sie um die fünfzig) des Weges und hielt mich abrupt an, indem sie mich am Ärmel festhielt. Wie ich das auch heute noch hasse! Ohne eine Wort zu sagen bog sie den Sonnenschirm, der am Kinderwagen angebracht war, so hin, dass er einen Schatten auf das Gesicht meiner Schwester warf. Daraufhin sah sie mich strafend an, schüttelte den Kopf und giftete mich an: „Sog amoi, siegst du net, dass die Sonna dem arma Kind mittn ins Gsicht neischeint??“  Dann stapfte sie, weiterhin kopfschüttelnd,  davon und murmelte, laut genug, damit ich es ja hören konnte: „Glaabst, die jungen Mütter heitzutog! Zum Kinda kriagn sans net z’bläd….“ Die Vollendung des Satzes blieb in der Luft hängen. Das brachte das Fass zum Überlaufen. Ich war ohnehin schlecht gelaunt, weil ich MEINE Freizeit für meine Schwester opfern musste und dann DAS auch noch. Ich erhöhte mein Tempo und wechselte nach kurzer Zeit in einen leichten Trab, ich wollte möglichst schnell  weg vom Ort der Schmach. Wutentbrannt rannte ich  nach Hause. Also, objektiv betrachtet, war es wohl nicht wirklich ein „rennen“ angesichts  meines bereits damals vorhandenen Übergewichts. Subjektiv empfunden allerdings lief ich Weltrekord. Der Gehweg war durchzogen von aufgebrochenem Asphalt, durch den sich die Wurzeln der Wegbepflanzung Bahn brachen und war nicht eben geeignet für ein Wagenrennen. Das war mir egal, der Kinderwagen verlor bisweilen die Bodenhaftung und meine Schwester wurde in alle Richtungen durchgeschüttelt. Entsprechend laut war ihr Gebrüll.   Aus den Augenwinkeln nahm ich wahr, dass der Kopf meiner Schwester analog zur Bodenbeschaffung  entweder von oben nach unten hüpfte oder von rechts nach links wackelte und umgekehrt, was wiederum dazu führte, dass meine Schwester umso lauter  anhob zu kreischen!  Es kam auch vor, dass der Kinderwagen manchmal (sehr leicht) zur Seite kippte und wir nur auf zwei Rädern fuhren, was das Geschrei meiner Schwester kurzfristig  zu einem so schrillen Ton ansteigen ließ, dass es eher einem Pfeifen glich. Durch die unterschiedlichen Tempi und Gerumpel des Kinderwagens  veränderte sich der Charakter des Gebrülls meiner Schwester generell. Er war nun nicht mehr linear laut, sondern mikrounterbrochen, so dass es klanglich eher an ein  eingerostetes Martinshorn erinnerte.  Einige Passanten blieben stehen und beobachteten uns kopfschüttelnd oder bedachten uns mit  Missmut ausdrückenden Zischlauten wie „tztztztzztz..“ (Deppen!) Endlich kam ich zu Hause an. Mein Gesicht war rot angelaufen, ich erinnere in diesem Zusammenhang an mein Lebendgewicht… Ich schnappte nach Luft, meine Backen  bliesen sich auf und zogen sich wieder nach innen und die Schweißtropfen rannen mir über das Gesicht. Meine Schwester  – durch das Auftauchen unserer  Mutter beflügelt- unterstrich ihre eigene, wohlgemerkt nur subjektiv empfundene -  bemitleidenswerte Situation, in dem sie ihr Geschrei nochmal um mindestens eine Oktave anhob und  demonstrativ in Schnappatmung verfiel. Ich holte tief Luft  und kreischte, da mein Lungenvolumen nicht ausreichte, stakkatoartig meine Mutter an: „Da - hast –dei-nen –blö-den –Schratzen- wieder.  Ich geh niiiiie wieder mit der da auf die Straße! Die Leut meinen alle, des is mei Kind!“ und das „Kind“ schleuderte, nein, spuckte  ich ihr mit der allertiefsten Verachtung, zu der ich in diesem Moment fähig war, entgegen. Meine Mutter, von der Situation völlig überfordert, sie kannte ja die Ursache meines Wutausbruches nicht, starrte mich zunächst verständnislos an. Dann tat sie etwas, was eine gute Mutter niiiiiiemals tun sollte: Sie begann laut und herzlich zu lachen, so dass ihr Bauch, den sie sich gleichzeitig hielt, auf und ab hüpfte, was meine Wut enorm potenzierte. Ich fühlte mich hilflos und klein und NATÜRLICH absolut missverstanden. Ich rannte auf mein Zimmer, warf mich auf mein Bett und heulte mir den ganzen Frust von der Seele.
Geschichten, wie diese und ähnliche über uns selbst oder andere Verwandte, Bekannte, führten irgendwann einmal zu dem familieninternen running Gag „die/der hat sich aufg‘führt, wie d’Resi vom Land.“ Damit wurden Personen charakterisiert, die sich unbeholfen, schüchtern, manchmal tölpelhaft, ungeschickt, aber immer irgendwie unbewandert, unerfahren benahmen. Wer oder warum dafür gerade die „Resi“ auserkoren wurde, entzieht sich meiner Kenntnis. Auch, dass sie „vom Land“ ist, die Resi, ist völlig unbedeutend! Städter, auch Großstädter, die sich gemeinhin ja für sehr weltgewandt halten, sind nicht davor gefeit, sich zu benehmen, wie d‘ Resi vom Land.
Bei der Resi vom Land in meinen Geschichten handelt es sich ausschließlich um Erlebnisse meiner Person.  Ich möchte aber darauf hinweisen, dass ich persönlich  von mir nicht den Eindruck habe, ich würde mich nicht artgerecht verhalten. Das wird mir erst durch die Kommentare meiner Familie oder von Freunden bewußt  gemacht , die z.B. lauten :„wie kann man nur?“, „warum hast denn nicht?“, „wie kommt man (man bemerke das „man“, ein Begriff der meinen Puls schlagartig auf Anschlag bringt!!)denn auf sooo eine Idee?“. In diesen Momenten denke ich zwar auch „ ja, hättste“! Das hat mich aber noch nie davor bewahrt,   nicht schon bei nächster Gelegenheit  wieder alles andere als  „normal“ zu agieren. Aber  würde ich plötzlich alles anders und überlegt angehen, wäre ich nicht ICH! Und dass ich ICH bin, darauf bin ich erst jetzt, im hohen Alter von über siebzig stolz!
Also, bitte nicht böse sein wegen der Resi, es hätte genauso gut die Maria oder Elisabeth treffen können.



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muetzchen
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Beitrag24.09.2018 22:37

von muetzchen
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Hallo masni,
mal als erstes eine blöde Frage von Vorschülerin zu Vorschülerin: Ist das jetzt schon eine Erzählung oder charakterisierst du deine Protagonistin (also dich Wink ) für zukünftige Erzählungen?
Die Resi vom Land zur Hauptfigur zu machen, die eigene Gefühle hat und nicht nur als personifiziertes schlechtes Beispiel dient finde ich interessant und deine Geschichte hat mich zum Schmunzeln gebracht.
Allerdings fand ich sie teilweise zu wertend.

Und wenn mich meine Mutter besonders ärgern wollte, was Gott sei Dank nicht allzu häufig vorkam, für meinen Geschmack allerdings doch viel zu oft, zitierte sie: „Da kimmt ‘s Annerl -Kracherl – brunzt ins Kacherl, s Kacherl rinnt, d‘Anna stinkt.“ Der Lacher war immer auf ihrer Seite und ich stand da mit hochrotem Kopf vor Zorn. Alle fanden es lustig. Der Humor von Erwachsenen ist schon manchmal sehr grenzwertig!

Diesen Gedanken würde ich eher dem Leser überlassen. Es gibt noch mehr solcher Stellen, diese nur als Beispiel.

Außerdem wäre ich mit GROSSSCHREIBUNG und Ausrufezeichen sparsamer.

Viele Grüße nach Bayern!
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masniB
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Beitrag25.09.2018 09:46

von masniB
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Hallo, muetzchen,
vielen Dank für Dein Feedback. Ja, ich habe vor, jetzt in Folge Geschichten aus meinem Leben, die ich erwähnenswert finde, zum Besten zu geben. Dabei ist es schon meine Absicht, die humoristische Schilderung beizubehalten. Deswegen war ich doch sehr erleichtert, dass ich Dich zum Schmunzeln bringen konnte.
Vielen Dank für Deinen Hinweis, mit Großschreibung und Ausrufezeichen sparsamer umzugehen. Ich war halt der Ansicht, durch die Großschreibung die Betonung oder die Intensität der geschilderten Stimmung hervorzuheben. Ich werde Deinen Tipp auf jeden Fall beherzigen.
Aber nach meiner Beobachtung bist Du keine Vorschülerin, sondern bereits ABC-Schütze. Also stelle Dein Licht nicht so unter den Scheffel! Zumindest hast Du die Schultüte mit den Leckereien schon einheimsen können. Ich hoffe, ich erreiche diesen Status auch noch. Rolling Eyes


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Balnoj
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Beitrag25.09.2018 10:02
Re: Die Resi vom Land
von Balnoj
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Meine Kommentare sind rein subjektiv, du kannst sie getrost ignorieren. smile

masniB hat Folgendes geschrieben:
Also, eines möchte ich gleich zu Anfang  klarstellen: Mir liegt es fern, Mädels, die auf den Namen Theresia, Resi, Reserl oder Therese getauft oder gerufen werden, zu beleidigen. Ich persönlich finde sogar, dass „Theresia“  ein sehr schöner Name ist. Meine  Vornamen  hingegen wurden von meinen Elternzweileertastennicht gerade mit großer Sorgfalt oder gar  angelehnt an etwaige bedeutungsvolleHeilige ausgesucht ! Mein erster Vorname wurde vom Standesbeamten vorgeschlagen und mein Vater hat diesen mangels anderweitiger Vorschläge zustimmend abgenickt (anderweitige Vorschläge oder mangels Fantasy?) . Meinen zweiten Vornamen verdanke ich meiner Taufpatin, die auch Waltraud hieß. Anna Waltraud… Wer will  schon so heißen?  Ich habe mal interessehalber nachgeforscht: (sicher Doppelpunkt, nur ein Gefühl, bin auch Amateur) Anna bedeutet so viel wie die „von Gott begnadete“. Also, DAS hätte ich ja IRGENDWANN mal im Laufe meines Lebens bemerken müssen, oder Gott hat eine sehr eigene Definition von „begnadet“. (1. die Großbuchstaben finde ich hier passend gewählt. 2. vielleicht noch etwas extremer schreiben; "Mich muss ja eine Welt des Grauens erwartet haben, wenn dieses hier als begnadet gilt") Außerdem war ja lt. Bibel die Anna die Mutter der Maria und somit die Großmutter von Jesus. ICH KAM ALSO  ( namenstechnisch) BEREITS ALS GROSSMUTTER AUF DIE  WELT!!!!!! (irgendwie sind mir hier die Großbuchstaben ein kleiner Dorn im Auge. Vielleicht wären die anders formatiert etwas dramatischer? und der direkte Wechsel zu Waltraud, versaut mir etwas den schwungvollen Abgang der Pointe)  „Waltraud“  wiederum soll so viel bedeuten wie „erhaben, stark“. DAS allerdings muss man sein, angesichts dieser Vornamen, die einem auf die nicht vorhersehbare Dauer des Lebensweges mitgegeben werden und vor allem, wenn man in eine Familie wie die meine hineingeboren wird, so ohne jede Vorwarnung. (geil Sich kaputt lachen)  Dann kommt noch hinzu, WIE sie  meine Namen ausgesprochen haben! Ich wurde nie  liebevoll Anni, Annerl oder Anne gerufen. Ich  bin mir allerdings auch nicht sicher, ob mir das die Namen wirklich schmackhafter  gemacht hätte. (dieser Satz verwirrt mich, liegt vllt. an mir) Nein, ich war immer die „Anna“, dabei wurde das „a“ vor dem Doppel-N auch noch langgezogen und wie das „A“ von Affe ausgesprochen, ohne jegliche Sprachmelodie begleitet, sondern ganz eintönig. Nur wenn ich etwas angestellt habe, da wurde die erste Silbe sehr hoch, sehr laut und seeehr kurz (hier bitte eine kreativere Wortwahl, dann ist es gut) betont. Und wenn mich meine Mutter besonders ärgern wollte, was Gott sei Dank (Gottes Gnade was Laughing) nicht allzu häufig vorkam, für meinen Geschmack allerdings doch viel zu oft, zitierte sie: „Da kimmt  ‘s Annerl -Kracherl – brunzt ins Kacherl, s Kacherl rinnt, d‘Anna stinkt.“ Der Lacher war immer auf ihrer Seite und ich stand da mit hochrotem Kopf vor Zorn. Alle fanden es lustig. Der Humor von Erwachsenen ist schon manchmal sehr grenzwertig! (auch hier bitte mehr Kreativität, der Anfang des Satzes weckte bei mir hohe Erwartungen - böse Erwachsene)
Ich wuchs mit zwei Schwestern in Bayern in der Nähe von Rosenheim auf, die eine sieben Jahre älter, die andere 15 Jahre jünger. Mit der älteren hatte ich kaum Kontakt. Meine jüngere Schwester war ab meinem vierzehnten Lebensjahr rund um die Uhr präsent. Ich musste  fortwährend auf sie aufpassen, war mehr oder wenig ihr PBS ( Personal Baby-Sitter).  Meine Mutter nutzte die Zeit, in der ich zu Hause war, um in der Firma meines Vaters – einer Druckerei, die sich im selben Haus wie die Wohnung befand -  mitzuarbeiten. Niemand verschwendete auch nur einen Gedanken daran, dass meine Teenagerzeit  demzufolge praktisch nicht stattfand, sondern hauptsächlich dadurch geprägt war, in die Schule zu gehen, zu lernen  (ungern und meist erfolglos) oder meine kleine Schwester zu bespaßen. Das hatte u.a. zur Folge, dass sich meine heimliche Liebe aus der Handelsschule nie mit mir verabredete. (nicht nur sagen, zeig uns die Story dahiner, dann fühlen wir besser mit)   Gut, die Liebe war, darüber war ich mir im Klaren, ohnehin einseitig und aussichtslos: Ich, das dickliche Etwas und stets ungünstig gekleidet. Immer musste ich Wollstrümpfe zu einem viel zu langen dunkelblauen Plissee-Rock tragen!  „Da wächst du schon noch rein!“ war das Argument meiner Mutter nach meinem Protest. Die Wollstrümpfe dagegen wurden mir deshalb verordnet, weil ich die modernen Feinkrepp-Strumpfhose, die mir meine Mutter ein, zweimal kaufte, bereits nach dem ersten  Tragen zerrissen nach Hause brachte. Ich kletterte mit diesen ebenso durchs Gestrüpp auf dem Schulweg wie mit den wollenen Strümpfen. Der Unterschied war, dass meine Mutter diese flicken konnte und sie damit länger hielten! Das toppte dann mein Aschenputtel-Aussehen:  dick, ungeschminkt, geflickte Strümpfe und zu langer Plissee-Rock. Die Rocklänge  wollte ich mit folgender Maßnahme Abhilfe schaffen: ich rollte  oben den  Bund ein paar Mal, also mindestens sechs Mal, ein. (geil lol2 hätte sogar 12 gesagt) Was ich aber nicht bemerkte war, dass  das Plissee durch das Aufrollen am Po eine ziemliche Nase bildete und mein ohnehin nicht gerade zierliches Hinterteil dadurch noch voluminöser in Erscheinung trat. Für mich war sonnenklar, dass so ein Mädchenschwarm wie Manfred an jemanden wie mir nicht im Entferntesten interessiert sein konnte! (Eure Namen passen zusammen lol2) Zu diesem  Zeitpunkt liefen meine  wesentlich attraktiveren Klassenkameradinnen bereits mit Kreppstrumpfhosen herum  und  schminkten sich schon mit Lidschatten, Rouge und Mascara. (und schminkten sich zur einer Anmut gleich Cleopatra)  Mein Gesicht dagegen hatte noch nicht einmal Bekanntschaft mit einer Hautcreme gemacht!  
Als wir (wer?) eines Tages im  Bus nach der Schule nach Hause fuhren belauschte ich, mit dem Rücken zur Gruppe stehend, (beim Beleuschen fast zwangsläufig) ein Gespräch meiner Mitschüler. Es ging dabei  um einen gemeinsamen Kinobesuch am Nachmittag . „Manfred“ wurde von einem anderen Jungen aufgefordert, die „Anna“ zu fragen, ob sie denn mitgehen möchte.  Da hörte ich  die von mir völlig unerwartete und  schicksalshafte Antwort:  „die hat ja nie Zeit, die muss immer auf ihre Schwester aufpassen“.
 Nie hätte ich erwartet, dass ich mich überhaupt innerhalb seines Wahrnehmungsbereiches befand! Im selben Moment krabbelte etwas sehr Heißes meine Kehle hoch, klopfte in den Ohren, kletterte weiter bis zum Kopf und ich hatte das Gefühl, der platzt gleich. Ich  hätte am liebsten meine nicht vorhandene Schwester unter den Bus geschupst. Tränen stiegen mir in die Augen, sie brannten wie Feuer und ich war sehr froh, dass ich mit dem Rücken zu den anderen stand. (hier klärst du deine Position auf, daher kann das davor ruhig raus)  Ich war nie eine Heulsuse, aber diese Situation versetzte  meinem  ohnedies fehlenden Selbstwertgefühl  eine schallende Ohrfeige und überstieg meine  Grenze des Erträglichen. Zum Einen, weil mir schlagartig  bewusst geworden war, dass meine schmachtenden Blicke offensichtlich bemerkt und meine Gefühle, paradoxerweise  schon fast zu meinem eigenen Entsetzen, tatsächlich erwidert wurden. Zum anderen, weil wieder einmal  meine Verpflichtungen gegenüber meiner Schwester verhindert  haben, ein Stückchen Jugend leben zu dürfen. (nicht "zum anderen" genau DESWEGEN ist es ja so, ich fühle mit dir, obwohl ich es nicht aus Erfahrung nachvollziehen kann)
Ein weiteres Trauma meiner Jugend war,  dass  ich von Fremden  aufgrund des deutlich sichtbaren Altersunterschiedes mehr als einmal  für die  Mutter  meiner Schwester gehalten wurde. In den sechziger Jahren waren Teenager-Müttern, nicht wie heute, fernsehtauglich für eine Daily-Soap.  Und in einer Kleinstadt wog das Ausmaß eines Fehltrittes doppelt schwer! Man wurde ganz schief beäugt nach dem Motto „Wieder so ein frühreifes Flitscherl….“  Eines Tages, ich hatte erst am Nachmittag Unterricht, stapfte ich missmutig den Kinderwagen schiebend durch unseren Stadtteil.  Viel lieber wäre ich mit einem  interessantes Buch  im Bett gelegen.  Es war ein wunderbarer Frühsommertag und die milden Sonnenstrahlen  schienen mir  direkt ins Gesicht. Aber halt nicht nur mir, sondern auch meiner kleinen Schwester, was ich nicht bemerkte und dem ich auch keine besondere Bedeutung geschenkt hätte. Da kam eine für mich uralte Frau (wahrscheinlich war sie um die fünfzig) des Weges und hielt mich abrupt an, indem sie mich am Ärmel (Ärmel oder Arm?) festhielt. Wie ich das auch heute noch hasse! Ohne eine Wort zu sagen bog sie den Sonnenschirm, der am Kinderwagen angebracht war, so hin, dass er einen Schatten auf das Gesicht meiner Schwester warf. Daraufhin sah sie mich strafend an, schüttelte den Kopf und giftete mich an: „Sog amoi, siegst du net, dass die Sonna dem arma Kind mittn ins Gsicht neischeint??“  Dann stapfte sie, weiterhin kopfschüttelnd,  davon und murmelte, laut genug, damit ich es ja hören konnte: „Glaabst, die jungen Mütter heitzutog! Zum Kinda kriagn sans net z’bläd….“ Die Vollendung des Satzes blieb in der Luft hängen. Das brachte das Fass zum Überlaufen. Ich war ohnehin schlecht gelaunt, weil ich MEINE Freizeit für meine Schwester opfern musste und dann DAS auch noch. Ich erhöhte mein Tempo und wechselte nach kurzer Zeit in einen leichten Trab, ich wollte möglichst schnell  weg vom Ort der Schmach. Wutentbrannt rannte ich  nach Hause. Also, objektiv betrachtet, war es wohl nicht wirklich ein „rennen“ angesichts  meines bereits damals vorhandenen Übergewichts. Subjektiv empfunden allerdings lief ich Weltrekord (das objektiv ist okay, das subjektiv würde ich tauschen gegen etwas persönlicheres) . Der Gehweg war durchzogen von aufgebrochenem Asphalt, durch den sich die Wurzeln der Wegbepflanzung Bahn brachen und war nicht eben geeignet für ein Wagenrennen. Das war mir egal, der Kinderwagen verlor bisweilen die Bodenhaftung und meine Schwester wurde in alle Richtungen durchgeschüttelt. Entsprechend laut war ihr Gebrüll.   Aus den Augenwinkeln nahm ich wahr, dass der Kopf meiner Schwester analog zur Bodenbeschaffung  entweder von oben nach unten hüpfte oder von rechts nach links wackelte und umgekehrt, was wiederum dazu führte, dass meine Schwester umso lauter  anhob zu kreischen!  Es kam auch vor, dass der Kinderwagen manchmal (sehr leicht) zur Seite kippte und wir nur auf zwei Rädern fuhren, was das Geschrei meiner Schwester kurzfristig  zu einem so schrillen Ton ansteigen ließ, dass es eher einem Pfeifen glich. Durch die unterschiedlichen Tempi und Gerumpel des Kinderwagens  veränderte sich der Charakter des Gebrülls meiner Schwester generell. Er war nun nicht mehr linear laut, sondern mikrounterbrochen, so dass es klanglich eher an ein  eingerostetes Martinshorn erinnerte.  Einige Passanten blieben stehen und beobachteten uns kopfschüttelnd oder bedachten uns mit  Missmut ausdrückenden Zischlauten wie „tztztztzztz..“ (Deppen!) Endlich kam ich zu Hause an. Mein Gesicht war rot angelaufen, ich erinnere in diesem Zusammenhang an mein Lebendgewicht (ist dieser geniale Subtext Absicht gewesen? Also wenn du schreibst "ich erinnerte mich an..." dann hat es für mich wie eine Metapher. Kaum zu Hause angekommen, fällt die Last über dich her - in Form deines Gewichtes) … Ich schnappte nach Luft, meine Backen  bliesen sich auf und zogen sich wieder nach innen und die Schweißtropfen rannen mir über das Gesicht. Meine Schwester  – durch das Auftauchen unserer  Mutter beflügelt- unterstrich ihre eigene, wohlgemerkt nur subjektiv empfundene -  bemitleidenswerte Situation, in dem sie ihr Geschrei nochmal um mindestens eine Oktave anhob und  demonstrativ in Schnappatmung verfiel. Ich holte tief Luft  und kreischte, da mein Lungenvolumen nicht ausreichte, stakkatoartig meine Mutter an: „Da - hast –dei-nen –blö-den –Schratzen- wieder.  Ich geh niiiiie wieder mit der da auf die Straße! Die Leut meinen alle, des is mei Kind!“ und das „Kind“ schleuderte, nein, spuckte  ich ihr mit der allertiefsten Verachtung, zu der ich in diesem Moment fähig war, entgegen. Meine Mutter, von der Situation völlig überfordert, sie kannte ja die Ursache meines Wutausbruches nicht, starrte mich zunächst verständnislos an. Dann tat sie etwas, was eine gute Mutter niiiiiiemals tun sollte: Sie begann laut und herzlich zu lachen, so dass ihr Bauch, den sie sich gleichzeitig hielt, auf und ab hüpfte, was meine Wut enorm potenzierte. Ich fühlte mich hilflos und klein und NATÜRLICH absolut missverstanden. Ich rannte auf mein Zimmer, warf mich auf mein Bett und heulte mir den ganzen Frust von der Seele.
Geschichten, wie diese und ähnliche über uns selbst oder andere Verwandte, Bekannte, führten irgendwann einmal zu dem familieninternen running Gag „die/der hat sich aufg‘führt, wie d’Resi vom Land.“ Damit wurden Personen charakterisiert, die sich unbeholfen, schüchtern, manchmal tölpelhaft, ungeschickt, aber immer irgendwie unbewandert, unerfahren benahmen. Wer oder warum dafür gerade die „Resi“ auserkoren wurde, entzieht sich meiner Kenntnis. Auch, dass sie „vom Land“ ist, die Resi, ist völlig unbedeutend! Städter, auch Großstädter, die sich gemeinhin ja für sehr weltgewandt halten, sind nicht davor gefeit, sich zu benehmen, wie d‘ Resi vom Land.
Bei der Resi vom Land in meinen Geschichten handelt es sich ausschließlich um Erlebnisse meiner Person.  Ich möchte aber darauf hinweisen, dass ich persönlich  von mir nicht den Eindruck habe, ich würde mich nicht artgerecht verhalten. Das wird mir erst durch die Kommentare meiner Familie oder von Freunden bewußt  gemacht , die z.B. lauten :„wie kann man nur?“, „warum hast denn nicht?“, „wie kommt man (man bemerke das „man“, ein Begriff der meinen Puls schlagartig auf Anschlag bringt!!)denn auf sooo eine Idee?“. In diesen Momenten denke ich zwar auch „ ja, hättste“! Das hat mich aber noch nie davor bewahrt,   nicht schon bei nächster Gelegenheit  wieder alles andere als  „normal“ zu agieren. Aber  würde ich plötzlich alles anders und überlegt angehen, wäre ich nicht ICH! Und dass ich ICH bin, darauf bin ich erst jetzt, im hohen Alter von über siebzig stolz!
Also, bitte nicht böse sein wegen der Resi, es hätte genauso gut die Maria oder Elisabeth treffen können.



Insgesamt hast du mich unterhalten können, obwohl das nicht zu meiner üblichen "Kost" gehört. Also denke ich kann ich auch sagen "gut unterhalten". - Willkommen im Forum^^


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masniB
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M
Beitrag25.09.2018 10:39

von masniB
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Hallo Balnoj,
vielen Dank für das Feedback. Da hast Du Dir aber wirklich sehr viel Zeit für Deine Bewertung genommen. Ich werde Deine Tipps gerne beherzigen. Und: da hast Du mir eine schöne Hausaufgabe gegeben! Einen Kommentar verstehe ich allerdings nicht und bitte Dich, mir näher zu erklären, was Deine Anmerkung bedeutet:
ich schrieb:
Endlich kam ich zu Hause an. Mein Gesicht war rot angelaufen, ich erinnere in diesem Zusammenhang an mein Lebendgewicht
Deine Bemerkung dazu: ist dieser geniale Subtext Absicht gewesen? Also wenn du schreibst "ich erinnerte mich an..." dann hat es für mich wie eine Metapher. Kaum zu Hause angekommen, fällt die Last über dich her - in Form deines Gewichtes …
Ist meine Fassung gut (genial Laughing ) und Du beschreibst Deine Wahrnehmung oder gibst Du mir eine Anleitung, den Text verständlicher zu formulieren.
Wenn Du Dir nochmal Zeit nehmen könntest?
Und natürlich freue ich mich, genau wie bei muetzchen, dass ich auch Dich unterhalten habe, noch dazu, wenn das nicht unbedingt Dein Lieblingsgenre ist. Das ist genau die Reaktion, die ich mir sehr gewünscht habe: den Leser zu unterhalten.


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Balnoj
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Beitrag25.09.2018 11:02

von Balnoj
Antworten mit Zitat

masniB hat Folgendes geschrieben:
Hallo Balnoj,
vielen Dank für das Feedback. Da hast Du Dir aber wirklich sehr viel Zeit für Deine Bewertung genommen. Ich werde Deine Tipps gerne beherzigen. Und: da hast Du mir eine schöne Hausaufgabe gegeben! Einen Kommentar verstehe ich allerdings nicht und bitte Dich, mir näher zu erklären, was Deine Anmerkung bedeutet:
ich schrieb:
Endlich kam ich zu Hause an. Mein Gesicht war rot angelaufen, ich erinnere in diesem Zusammenhang an mein Lebendgewicht
Deine Bemerkung dazu: ist dieser geniale Subtext Absicht gewesen? Also wenn du schreibst "ich erinnerte mich an..." dann hat es für mich wie eine Metapher. Kaum zu Hause angekommen, fällt die Last über dich her - in Form deines Gewichtes …
Ist meine Fassung gut (genial Laughing ) und Du beschreibst Deine Wahrnehmung oder gibst Du mir eine Anleitung, den Text verständlicher zu formulieren.
Wenn Du Dir nochmal Zeit nehmen könntest?
Und natürlich freue ich mich, genau wie bei muetzchen, dass ich auch Dich unterhalten habe, noch dazu, wenn das nicht unbedingt Dein Lieblingsgenre ist. Das ist genau die Reaktion, die ich mir sehr gewünscht habe: den Leser zu unterhalten.


Ich hätte die Nachfrage nach diesem Kommentar erwarten müssen.

Also ich habe deinen Satz in einem Moment der Eile etwas "verlesen".

Ich las (ob gefühlt oder wörtlich), wie du zu einem Spitzensportler wurdest und einen Weltrekord gelaufen bist, angefacht durch deinen Zorn und der Wunsch sich aus der Geißel zu entreißen.

Also habe ich danach folgendes verstanden:

Das objektive: du kamst, aufgrund deiner körperlichen Kondition, völlig fertig an.

Und ich bekam den psychologischen Vergleich: Als du Zuhause ankamst - dem Ausgang deiner Pein - lastete wieder diese Pein und der Schmerz auf dich und zwar in Form deiner körperlichen Kondition. Als würde nur der Blick auf deine Schwester dich physikalisch negativ beeinflussen.


Vielleicht sehe nur ich das, ich hab sowieso eine schräge Art Dinge zu sehen oder zu verstehen.


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masniB
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Beitrag25.09.2018 11:10

von masniB
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Deine Auslegung ist schon sehr interessant! So genial bin ich leider doch nicht, obwohl Du mit Deinem Verständnis oder Deiner Sicht der Dinge die Sache auf den Punkt gebracht hast. Ich wollte - in meiner doch eher einfachen Ausdrucksweise - nahebringen, dass ich trotz meines Gewichtes eine Höchstleistung erbracht habe, die wiederum aus Zorn auf meine Schwester angestachelt wurde.

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Balnoj
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Beitrag25.09.2018 12:16

von Balnoj
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Ach, begib dich etwas in die Welt der Philosophie und ziehe die physischen Geschehnisse in die geistige Welt, und andersherum.

Verbinde das unverbindbare? ...ich merke ich muss selber noch lernen in Worte zu fassen.


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reißwolf
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Beitrag25.09.2018 12:35

von reißwolf
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Hallo masniB!

Du hast einen sehr schweifenden Erzählstil, Assoziationen und Ideen stürmen nur so auf dich ein, wenn du deine Geschichten tippst. Ich mutmaße mal, dass die gefürchtete "Schreibblockade" nicht zu deinen vorrangigen Problemen gehört, habe ich recht?

Dennoch liegt genau hier das Problem. Der Text ist langatmig, um nicht zu sagen: geschwätzig. Als Leser werde ich mit tausenderlei Informationen überschüttet, von denen ich nicht weiß, wie relevant sie für den Lauf der Story sind. Resultat: Ich steige aus.

Ich würde dir empfehlen, das Schreiben von der anderen Seite aufzuzäumen, vergleichbar etwa mit der Arbeit eines Bildhauers: Ich spreche vom subtrahierenden Vorgehen, von Reduktion, vom Wegnehmen. Dass dir zu jedem Stichwort eine Zusatzinformation einfällt, das ist dein Kapital. Es ist der Marmorblock. Hau den Abraum weg bis von all deinen Ideen nur noch die am stärksten funkelnden übrig bleiben. Verfolge Absatz für Absatz nur einen Kerngedanken, nicht zehn. Auch nicht zwei. Genau einen. Lass nichts stehen, nur weil die Formulierung so schön ist. Wenn es mit dem Kerngedanken nicht unmittelbar zu tun hat, schlag es aus dem Block. Die eigentliche schriftstellerische Arbeit liegt nicht im Produzieren. Sie liegt im Weglassen.

Zweite Anmerkung: Deine vielen, manchmal sogar multiplen Ausrufezeichen erwecken einen sehr unsouveränen Eindruck. Viele davon sind zudem noch inhaltlich sinnlos (zum Beispiel hinter der Information, dass der Name der Ich-Erzählerin nicht an einer bedeutenden Heiligen angelehnt war). Dasselbe gilt für die Großbuchstaben. Hervorhebungen dienen der Kennzeichnung eines akzentuiert gesprochenen Wortes, und zwar ausschließlich dann, wenn der Satz ohne die Betonung missverstanden werden könnte. Man macht das normalerweise mit Kursivschrift, manchmal mit dezenter Sperrung. Regel: Jeder Satz hat nur eine Hauptbetonung, er verträgt also maximal eine Hervorhebung. Deine Angwohnheit, ganze Sätze hervorzuheben und dann noch mit Ausrufezeichen zu versehen, sind - offen gesagt - eine stilistische Katastrophe, übertroffen nur noch von deinen grauslichen Wortdehnungen ("soooo" und "niiiiiiemals"). Sowas gehört einfach nicht in die Erzählstimme. Nein, auch nicht in Ausnahmefällen. Nein und never. Nope. Nie. NIIIIIEEEMALS!!!!!

Viel Spaß beim Umsetzen oder Verwerfen!
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masniB
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Beitrag25.09.2018 13:58

von masniB
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Hallo, reißwolf,
danke für deine hilfreichen Anmerkungen, wenn ich auch nicht immer verstanden habe, wie du es meinst. Da du ja schon ein Schreiberlehrling bist, hast du auf jeden Fall die größere Erfahrung und  von der möchte ich gerne profitieren. Aber genau deshalb habe ich mich in diesem Forum registriert: um Gedanken auszutauschen, die Erfahrungen der anderen Autoren zu nutzen und trotzdem den eigenen Stil zu behalten. Das gefällt mir und ich hoffe, mich in Zukunft zu verbessern und meine Texte bald  interessanter zu gestalten.
Ich hoffe, meine zweite Version gefällt dir besser, wenn ich sie erst einmal eingestellt habe.


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masniB
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Beitrag25.09.2018 19:24
Die Resi vom Land
von masniB
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Also, eines möchte ich gleich zu Anfang  klarstellen: Mir liegt es fern, Mädels, die auf den Namen Theresia, Resi, Reserl oder Therese getauft oder gerufen werden, zu beleidigen. Ich persönlich finde sogar, dass „Theresia“  ein wunderschöner Name ist. Meine  Vornamen  hingegen wurden von meinen Eltern  nicht gerade mit großer Sorgfalt oder gar  angelehnt an etwaige bedeutende Heilige ausgesucht. Mein erster Vorname wurde meinem Vater vom Standesbeamten vorgeschlagen, den er  mangels eigener Ideen einfach zustimmend abnickte. Mein zweiter Vorname war schnell gefunden. Den verdanke ich meiner Taufpatin, weil sie genauso hieß. Anna Waltraud… Wer will  denn so heißen?  Ich habe mal interessehalber nachgeforscht: Anna bedeutet so viel wie die „von Gott begnadete“. Also, DAS hätte ich ja IRGENDWANN mal im Laufe meines Lebens bemerken müssen!  Laut  Bibel war die Anna die Mutter der Maria und somit die Großmutter von Jesus. Ich kam also (namenstechnisch) bereits als Großmutter auf die Welt.  „Waltraud“  wiederum bedeutet  „erhaben, stark“. Das allerdings muss man sein, angesichts dieser Vornamen, die einem auf die nicht vorhersehbare Dauer des Lebensweges mitgegeben werden und vor allem, wenn man in eine Familie wie die meine hineingeboren wird, so ohne jede Vorwarnung. Dann kommt noch hinzu, wie sie  meine Namen ausgesprochen haben. Ich wurde nie liebevoll Anni, Annerl oder Anne gerufen. Nein, ich war immer die „Anna“,dabei wurde das „a“ vor dem Doppel-N auch noch langgezogen und wie das „A“ von Affe ausgesprochen. Nur wenn ich etwas angestellt habe, änderte sich das schlagartig:  Meine Mutter verfügte plötzlich über eine Stimmgewalt, die sie sonst ganz gut zurück halten konnte:  Dann verselbständigte sich das  „Anna“ und wälzte dröhnend, alle anderen Geräusche übertönend , durchs ganze Haus.
Ich wuchs mit zwei Schwestern in Bayern in der Nähe von Rosenheim auf, die eine sieben Jahre älter, die andere 15 Jahre jünger. Mit der älteren hatte ich kaum Kontakt. Meine jüngere Schwester war ab meinem vierzehnten Lebensjahr rund um die Uhr präsent. Ich musste  fortwährend auf sie aufpassen, war mehr oder wenig ihr PBS ( Personal Baby-Sitter).  Meine Mutter nutzte die Zeit, in der ich zu Hause war, um in der Firma meines Vaters – einer Druckerei, die sich im selben Haus wie die Wohnung befand -  mitzuarbeiten. Niemand verschwendete auch nur einen Gedanken daran, dass meine Teenagerzeit  demzufolge praktisch nicht stattfand, sondern hauptsächlich dadurch geprägt war, in die Schule zu gehen, zu lernen  (ungern und meist erfolglos) oder meine kleine Schwester zu bespaßen. Das hatte u.a. zur Folge, dass sich meine heimliche Liebe aus der Handelsschule nie mit mir verabredete.  Gut, die Liebe war, darüber war ich mir im Klaren, ohnehin einseitig und aussichtslos: Ich, das dickliche Etwas und stets ungünstig gekleidet. Immer musste ich Wollstrümpfe zu einem viel zu langen dunkelblauen Plissee-Rock tragen!  „Da wächst du schon noch rein!“ war das Argument meiner Mutter nach meinem Protest. Die Wollstrümpfe dagegen wurden mir deshalb verordnet, weil ich die modernen Feinkrepp-Strumpfhosen, die mir meine Mutter ein, zweimal kaufte, bereits nach dem ersten  Tragen zerrissen nach Hause brachte. Ich kletterte mit diesen ebenso durchs Gestrüpp auf dem Schulweg wie mit den wollenen Strümpfen. Der Unterschied war, dass meine Mutter diese flicken konnte und sie damit länger hielten! Das toppte dann mein Aschenputtel-Aussehen:  dick, ungeschminkt, geflickte Strümpfe und zu langer Plissee-Rock. Der Rocklänge  wollte ich mit folgender Maßnahme Abhilfe schaffen: ich rollte  oben den  Bund ein paar Mal, also mindestens sechs Mal, ein. Was ich aber nicht bemerkte war, dass  das Plissee durch das Aufrollen am Po eine ziemliche Nase bildete und mein ohnehin nicht gerade zierliches Hinterteil dadurch noch voluminöser in Erscheinung trat. Für mich war sonnenklar, dass so ein Mädchenschwarm wie Manfred an jemanden wie mir nicht im Entferntesten interessiert sein konnte. Zu diesem  Zeitpunkt liefen meine  wesentlich attraktiveren Klassenkameradinnen mit Kreppstrumpfhosen und Minirock  herum. Daneben  brachte natürlich mein sechsfach aufgewickelter  Plissee-Rock jede  aufkeimende Jungen-Fantasie ratzfatz zum Einsturz. Fast alle schminkten sich  vorzugsweise mit grellen Lidschatten, dicken Lidstrichen und dreifach Mascara. Cleopatra lässt grüßen. Mein Gesicht dagegen hatte noch nicht einmal Bekanntschaft mit einer Hautcreme gemacht!  
Ein Großteil meiner Klasse benutzte nach Schulschluss denselben Bus. Eines Tages  belauschte ich  ein Gespräch meiner Mitschüler. Es ging dabei  um einen gemeinsamen Kinobesuch am Nachmittag . „Manfred“ wurde von einem anderen Jungen aufgefordert, die „Anna“ zu fragen, ob sie denn mitgehen möchte.  Da hörte ich  die von mir völlig unerwartete und  schicksalshafte Antwort:  „die hat ja nie Zeit, die muss immer auf ihre Schwester aufpassen“.
 Nie hätte ich erwartet, dass ich mich überhaupt innerhalb seines Wahrnehmungsbereiches befand! Im selben Moment krabbelte etwas sehr Heißes meine Kehle hoch, klopfte in den Ohren, kletterte weiter bis zum Kopf und ich hatte das Gefühl, der platzt gleich. Ich  hätte am liebsten meine nicht vorhandene Schwester unter den Bus geschupst. Tränen stiegen mir in die Augen, sie brannten wie Feuer und ich war sehr froh, dass ich mit dem Rücken zu den anderen stand.  Ich war nie eine Heulsuse, aber diese Situation versetzte  meinem  ohnedies fehlenden Selbstwertgefühl  eine schallende Ohrfeige und überstieg meine  Grenze des Erträglichen. Schlagartig   wurde mir bewusst, dass meine schmachtenden Blicke offensichtlich doch bemerkt und meine Gefühle, paradoxerweise  schon fast zu meinem eigenen Entsetzen, sogar erwidert wurden. Wieder  einmal  haben  meine Verpflichtungen gegenüber meiner Schwester verhindert, ein Stückchen Jugend leben zu dürfen.
Ein weiteres Trauma meiner Jugend war,  dass  ich von Fremden  aufgrund des deutlich sichtbaren Altersunterschiedes mehr als einmal  für die  Mutter  meiner Schwester gehalten wurde. In einer Kleinstadt wog das Ausmaß eines Fehltrittes doppelt schwer. Man wurde ganz schief beäugt nach dem Motto „Wieder so ein frühreifes Flitscherl….“  Eines Tages, ich hatte erst am Nachmittag Unterricht, stapfte ich missmutig den Kinderwagen schiebend durch unseren Stadtteil.  Viel lieber wäre ich mit einem  interessantes Buch  im Bett gelegen.  Es war ein wunderbarer Frühsommertag und die milden Sonnenstrahlen  schienen mir  direkt ins Gesicht. Aber halt nicht nur mir, sondern auch meiner kleinen Schwester, was ich nicht bemerkte und dem ich auch keine besondere Bedeutung geschenkt hätte. Da kam eine für mich uralte Frau des Weges und hielt mich abrupt an, indem sie mich am Arm festhielt. Ohne eine Wort zu sagen bog sie den Sonnenschirm, der am Kinderwagen angebracht war, so hin, dass er einen Schatten auf das Gesicht meiner Schwester warf. Daraufhin sah sie mich strafend an, schüttelte den Kopf und giftete mich an: „Sog amoi, siegst du net, dass die Sonna dem arma Kind mittn ins Gsicht neischeint??“  Dann stapfte sie, weiterhin kopfschüttelnd,  davon und murmelte, laut genug, damit ich es ja hören konnte: „Glaabst, die jungen Mütter heitzutog! Zum Kinda kriagn sans net z’bläd….“ Die Vollendung des Satzes blieb in der Luft hängen. Das brachte das Fass zum Überlaufen. Ich war ohnehin schlecht gelaunt, weil ich meine Freizeit für meine Schwester opfern musste und dann das auch noch. Ich erhöhte mein Tempo und wechselte nach kurzer Zeit in einen leichten Trab, ich wollte möglichst schnell  weg vom Ort der Schmach. Wutentbrannt rannte ich  nach Hause. Also, objektiv betrachtet, war es wohl nicht wirklich ein „rennen“ angesichts  meines bereits damals vorhandenen Übergewichts. Ich war allerdings sicher, einen neuen Weltrekord aufzustellen. Der Gehweg war durchzogen von aufgebrochenem Asphalt, durch den sich die Wurzeln der Wegbepflanzung Bahn brachen und war nicht eben geeignet für ein Wagenrennen. Das war mir egal, der Kinderwagen verlor bisweilen die Bodenhaftung und meine Schwester wurde in alle Richtungen durchgeschüttelt. Entsprechend laut war ihr Gebrüll.   Aus den Augenwinkeln nahm ich wahr, dass der Kopf meiner Schwester analog zur Bodenbeschaffung  entweder von oben nach unten hüpfte oder von rechts nach links wackelte und umgekehrt, was wiederum dazu führte, dass meine Schwester umso lauter  anhob zu kreischen!  Es kam auch vor, dass der Kinderwagen manchmal (sehr leicht) zur Seite kippte und wir nur auf zwei Rädern fuhren, was das Geschrei meiner Schwester kurzfristig  zu einem so schrillen Ton ansteigen ließ, dass es eher einem Pfeifen glich. Durch die unterschiedlichen Tempi und Gerumpel des Kinderwagens  veränderte sich der Charakter des Gebrülls meiner Schwester generell. Er war nun nicht mehr linear laut, sondern mikrounterbrochen, so dass es klanglich eher an ein  eingerostetes Martinshorn erinnerte.  Einige Passanten blieben stehen und beobachteten uns kopfschüttelnd oder bedachten uns mit  Missmut ausdrückenden Zischlauten wie „tztztztzztz..“ (Deppen!) Endlich kam ich zu Hause an. Mein Gesicht war rot angelaufen, ich erinnere in diesem Zusammenhang an mein Lebendgewicht… Ich schnappte nach Luft, meine Backen  bliesen sich auf und zogen sich wieder nach innen und die Schweißtropfen rannen mir über das Gesicht.  Meine Mutter, die Urheberin meines unbändigen Zorns, tauchte in der Tür auf.  Als meine kleine Schwester meiner Mutter gewahr wurde, verdoppelte sie ihr Geschrei und verfiel demonstrativ in Schnappatmung. Ich holte tief Luft  und kreischte, da mein Lungenvolumen nicht mehr ausreichte, stakkatoartig meine Mutter an: „Da - hast –dei-nen –blö-den –Schratzen- wieder.  Ich geh nie wieder mit der da auf die Straße! Die Leut reden mich  alle blöd an, weil sie denken, des is mei Kind!“ und das „Kind“ schleuderte, nein, spuckte  ich ihr mit der allertiefsten Verachtung, zu der ich in diesem Moment fähig war, entgegen. Meine Mutter sah mich zunächst verständnislos und ungläubig an. Aber dann begann sie  lauthals und herzlich zu lachen, so dass ihr Bauch, den sie sich gleichzeitig hielt, auf und ab hüpfte, was meine  Wut enorm potenzierte. Ich fühlte mich hilflos, klein und natürlich absolut missverstanden. Am liebsten hätte ich nach allen Seiten getreten und geschlagen, aber das ging nicht. Ich rannte auf mein Zimmer, warf mich auf mein Bett und heulte meinen Weltschmerz ins Kopfkissen.
Geschichten, wie diese und ähnliche über uns selbst oder andere Verwandte, Bekannte, führten irgendwann einmal zu dem familieninternen running Gag „die/der hat sich aufg‘führt, wie d’Resi vom Land.“ Damit wurden Personen charakterisiert, die sich unbeholfen, schüchtern, manchmal tölpelhaft, ungeschickt, aber immer irgendwie unbewandert, unerfahren benahmen. Wer oder warum dafür gerade die „Resi“ auserkoren wurde, entzieht sich meiner Kenntnis. Auch, dass sie „vom Land“ ist, die Resi, ist völlig unbedeutend! Städter, auch Großstädter, die sich gemeinhin ja für sehr weltgewandt halten, sind nicht davor gefeit, sich zu benehmen, wie d‘ Resi vom Land.
Bei der Resi vom Land in meinen Geschichten handelt es sich ausschließlich um Erlebnisse meiner Person.  Ich möchte aber darauf hinweisen, dass ich persönlich  von mir nicht den Eindruck habe, ich würde mich nicht artgerecht verhalten. Das wird mir erst durch die Kommentare meiner Familie oder von Freunden bewusst  gemacht , die z.B. lauten :„wie kann man nur?“, „warum hast denn nicht?“, „wie kommt man denn auf so eine Idee?“. In diesen Momenten denke ich auch „ ja, hättste“! Trotzdem tappe ich immer wieder in die „Resi-Falle“.  Keiner kann aus seiner Haut und  würde ich plötzlich mein ganzes Tun vorher genauestens überdenken, wäre ich nicht ICH! Und dass ich ICH bin, darauf bin ich erst jetzt, im hohen Alter von über siebzig stolz!
Also, bitte nicht böse sein wegen der Resi, es hätte genauso gut die Maria oder Elisabeth treffen können.


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Beitrag25.09.2018 22:40
Re: Die Resi vom Land
von muetzchen
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Hallo MasniB,
schau wie schnell du zum ABC-Schützen avancierst...

Also, die zweite Version finde ich wesentlich flüssiger zu lesen, wenn ich auch (noch...), nicht so konkret wie Reißwolf benennen kann, wieso. Manches kann man sicher noch kürzen, das würde den Witz schärfen meine ich.

Beispiel
Ich war nie eine Heulsuse, aber diese Situation versetzte meinem ohnedies fehlenden Selbstwertgefühl eine schallende Ohrfeige und überstieg meine Grenze des Erträglichen. Das finde ich doppelt gemoppelt, würde es dewegen weglassen.

Ich finde die Idee mit der Geschichten-Folge sehr schön, daran hätte ich Spaß.
Bin gespannt auf Resis nächstes Abenteuer...
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Beitrag26.09.2018 12:56

von masniB
pdf-Datei Antworten mit Zitat

hallo muetzchen,
danke für das Kompliment! Ja, in das Kürzen muss ich noch reinwachsen, denke ich. An Deinem Beispiel ist mir jetzt auch klar geworden, dass es "ohne" genauso reicht. Danke!
Und dass ich bereits ABC-Schütze bin, habe ich erst aufgrund deines Hinweises bemerkt. Werde mir gleich eine Schachtel Mon Cherie besorgen, für die Schultüte.... Laughing (darf da Alkohol überhaupt rein?)


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