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graefin13
Geschlecht:weiblichSchneckenpost
G

Alter: 79
Beiträge: 10
Wohnort: Bad Kissingen


G
Beitrag16.09.2018 11:43
->Prosa -> Einstand
von graefin13
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Mitten in der Nacht wachte ich auf, doch das Naheliegendste, ein Gang zur Toilette, hatte mich nicht geweckt. Auch die Luft hatte sich etwas abgekühlt, es war nicht mehr so drückend im Zimmer, nur noch unter der Decke war es unangenehm warm. Mit Händen und Füßen hob ich sie an, schüttelte die Wärme raus, wendete sie mit Schwung in der Luft und bedeckte mit der kühlen Seite nur noch meine Beine. Meine Hände fuhren über die feuchte Haut, sie trocknete aber rasch an der Luft, da entdeckte ich den kleinen Pickel.
Vor dem Einschlafen hatte ich in einem Buch gelesen, und wegen der Schwüle im Zimmer war das Fenster gekippt. Das war wohl etwas nachlässig, mich jetzt darüber zu ärgern, half auch nichts. Anscheinend fand durch den Fensterspalt eine Stechmücke den Weg zu mir und hinterließ ganz frech, und mitten auf meinem Brustbein ein Andenken ihres Besuchs. Ich knibbelte ein wenig dran rum, drückte auf die winzige Beule. Es tat nicht weh, juckte aber auch nicht. Beruhigt nahm ich den Finger von der Stelle, drehte mich zur Seite, zog die Bettdecke über die Schulter und wollte weiterschlafen. Wohl in Erwartung, das Summen der Mücke zu hören, lauschte ich in die Dunkelheit und vernahm tatsächlich etwas.
"Das ist kein Mückenstich", flüsterte eine Stimme. Ich hob meinen Kopf vom Kissen und hielt den Atem an. Blitzartig traf mich der Gedanke, was so ein Pickel noch bedeuten könnte, und das war wahrlich eine erschreckende Vorstellung. Ich schob sie weit von mir, doch sie kam immer wieder, bis ich mich laut fragte: "Es hat mich doch nicht erwischt, oder? Quatsch! Was für ein blöder Gedanke! Mich doch nicht!" Bewegungslos lag ich auf dem Rücken, atmete ganz flach, spitzte aber die Ohren. Weder ein Summen, noch sonst ein Geräusch war zu hören. Nur mein Herz pochte heftig und laut. Ich spürte es bis hoch zur Schädeldecke, und in den Ohren rauschte es, als käme ein Tsunami auf mich zu.
So aufgewühlt, war an Einschlafen kaum noch möglich. Ich setzte mich im Bett auf, knipste die Leselampe an, drückte mein Kinn gegen den Hals um zu sehen, was mich so ungnädig aus dem Schlaf geholt hat.

12Wie es weitergeht »




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Mein Leben findet heute statt, das Gestern hab ich überlebt, und morgen ist wieder heute.
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Stefanie
Reißwolf


Beiträge: 1741



Beitrag16.09.2018 12:13

von Stefanie
Antworten mit Zitat

Also mich würde da eher die Stimme beunruhigen, die in meinem Schlafzimmer flüstert, als der kleine Knubbel.

Stilistisch finde ich es in Ordnung. Man kann es flüssig lesen und sich die Situation gut vorstellen.
Allerdings reizt es mich nicht weiterzulesen, weil ich Pickel nicht so spannend finde.
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BaronHarkonnen
Geschlecht:männlichLeseratte


Beiträge: 123
Wohnort: Berlin


Beitrag16.09.2018 18:04

von BaronHarkonnen
Antworten mit Zitat

Hallo liebe graefin13,

erstmal herzlich willkommen im Forum! Finde ich super, wenn sich jemand in Deinem Alter (falls ich das mal so sagen darf) noch ans Schreiben herantraut!

Dein kleiner Text liest sich gut und flüssig, aber er läßt mich etwas ratlos zurück. Ist der der beginn eines längeren Textes/einer Kurzgeschichte?
Das Ereignis selbst (ein Mückenstich) klingt auch ein wenig banal. Vielleicht müsstest Du noch etwas mehr von Deinem Text posten (falls vorhanden), damit man erahnen kann, in welche Richtung es geht. Ansonsten stimme ich Stefanie zu: die Stimme ist beunruhigender als der Pickel Wink

Noch ein paar Kleinigkeiten, die mir aufgefallen sind:

Zitat:
Mitten in der Nacht wachte ich auf, doch das Naheliegendste, ein Gang zur Toilette, hatte mich nicht geweckt.
Spitzfindig, aber: man wird nicht durch den Gang zur Toilette geweckt, sondern durch den Harndrang. Der Gang zur Toilette löst dieses Problem Wink

Zitat:
So aufgewühlt, war an Einschlafen kaum noch möglich.
An diesem Satz fehlt etwas.

Zitat:
Ich setzte mich im Bett auf, knipste die Leselampe an, drückte mein Kinn gegen den Hals um zu sehen, was mich so ungnädig aus dem Schlaf geholt hat.
Falsche Zeitform: hat --> hatte. Es liegt ja in der Vergangenheit, wenn auch nur wenige Minuten.

Weiterhin viel Erfolg!
BaronHarkonnen


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Poe
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Catalina
Geschlecht:weiblichEselsohr

Alter: 51
Beiträge: 427
Wohnort: Kehdingen


Beitrag16.09.2018 19:11

von Catalina
Antworten mit Zitat

Liebe graefin13,


auch von mir Willkommen im Forum.

Durch Deinen Vorstellungsthread weiß ich, was Du transportieren möchtest.

Als ich den Text las, hatte ich die Verbindung noch nicht. Trotzdem erahnte ich auch da, dass der/die Prota Angst vor einem Tumor hat.

Diese Angst kann ich als nicht Betroffene so nicht nachvollziehen. Ich bin da einfach nicht dicht genug dran, um bei einem Pickel gleich an einen Tumor zu denken. Ich stelle mir auch immer vor, dass ein Tumor in der Brust tiefer sitzt, sich normalerweise nicht wie ein Mückenstich nach außen wölbt.

Aus diesem Grunde funktioniert der Text bei mir nicht - auch wenn er flüssig und angenehm geschrieben ist.

Ein klitzekleines Wörtchen allerdings würde den Text für mich um einiges tiefer werden lassen:

Zitat:
"Es hat mich doch nicht wieder erwischt, oder? Quatsch! Was für ein blöder Gedanke! Mich doch nicht!

So wäre die Angst für mich nachvollziehbar!
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Gast







Beitrag16.09.2018 19:49
Irrtum
von Gast
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Grüß Dich, graefin13,

mich hat der Einstieg neugierig gemacht. Musste lächeln, weil ich in den sommerheißen Nächten ein gefühltes dutzendmal pro Nacht so mit der (extraleichten) Decke herumgewirbelt habe. Schließlich nahm ich die Decke raus und schlief unterm Bezug.
Las sich angenehm, vertraut, eine ganz normale Nachtsaufwachszene. Und dann ... Natürlich wollte ich wissen, was es mit der Stimme auf sich hat. Allerdings dachte ich, das wird mindestens Fantasy, wenn nicht ein Mystery-Thriller. Auf die Auflösung "Tumor" blicke ich nun recht verdutzt. Shocked
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BaronHarkonnen
Geschlecht:männlichLeseratte


Beiträge: 123
Wohnort: Berlin


Beitrag16.09.2018 20:09

von BaronHarkonnen
Antworten mit Zitat

Geht mir auch so Embarassed
Ich habe mir danach Deine Einstands-Post angesehen, liebe graefin13, und das läßt Deinen Text natürlich in einem anderen Licht erscheinen.
Ich wünsche Dir jedenfalls weiterhin viel Kraft!

Literarisch muss ich sagen (merkt man ja auch den anderen Reaktionen), dass das, was Du vermitteln willst, aus Deinem text noch nicht herauskommt. Diese Stimme habe ich als ein Fantasy-Element fehlinterpretiert; gemeint ist aber wahrscheinlich lich eher eine innere Stimme, oder?
Würde klarer werden, wenn Du noch mehr Textfragmente posten würdest.

Viele Grüße!


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graefin13
Geschlecht:weiblichSchneckenpost
G

Alter: 79
Beiträge: 10
Wohnort: Bad Kissingen


G
Beitrag16.09.2018 20:34
>Prosa> Einstand
von graefin13
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Wollte den Text korrigieren, klappte aber nicht.

Fortsetzung:
Die Haut am Brustkorb war mit einem Schweißfilm überzogen, ich nahm die Ecke vom Betttuch und wischte drüber. Trotz akribischer Suche entdeckte ich keine weiteren Knötchen und auch keine sonstigen Hautirritationen. Es gab nur diesen einen Knubbel. Unschön, lästig, harmlos. Ich nahm den Finger von der Stelle, bevor sie durch ständiges Kratzen doch noch anfing weh zu tun, und machte das Licht aus. In gewohnter Seitenlage, die Decke diesmal bis zum Kinn gezogen, bemühte ich mich, einzuschlafen. Daraus wurde aber nichts.
"Das ist kein Mückenstich. Mach dir nichts vor!" Diesmal war diese Stimme etwas lauter, der Ton bestimmter und sie kam nicht aus der Dunkelheit, sondern aus meinem Kopf.
"Nein, nein, nein!" rief ich zornig, schnellte hoch, saß aufrecht im Bett und lieferte mir mit der Stimme einen verzweifelten Wortwechsel.
Ich: "Das ist ein Mückenstich!"
Die Stimme: "Das ist kein Mückenstich!" So ging es hin und her, bis meine Stimme anfing, weinerlich zu klingen. Entnervt ließ ich mich nach hinten sinken, presste mit beiden Händen das Kissen an die Ohren, wollte weder meine noch die Stimme aus meinem Kopf hören, und schlief tatsächlich wieder ein.
Ausgeschlafen und fit für den neuen Tag, huschte ich ins Bad, war bestens gelaunt und hungrig, bis mich dieses nächtliche Intermezzo einholte. Mit einem Schlag wurde mir flau im Magen, redete mir aber ein, ich muss das Erlebte nur als bösen Traum abhaken und bekomme es so sicher wieder aus dem Kopf. Ich wollte diesen Knubbel ignorieren und dachte, ihn mit Verachtung strafen reicht. Aber je mehr ich mich bemühte nicht dran zu denken, umso hartnäckiger drängte er sich in meine Gedanken. Dazu kroch immer wieder die Angst hoch, weil noch immer dieses typische Jucken fehlte, das jeder kennt, der schon mal von einer Mücke gestochen wurde. Für mich wäre es die Bestätigung eines simplen Mückenstichs gewesen. Die Tatsache, dass es noch immer nicht juckte, steigerte meine Befürchtung, es könnte sich um die dramatischere Version von so einem Knoten unter der Haut handeln.
Der Gedanke, was denn nun wäre, sollte dieser schlimmste Fall eingetreten sein, findet nur zögerlich Zugang zum Verstand. Ist er da angekommen, schlägt es einem erst mal das Lebenskonzept aus der Hand. Nichts ist mehr so, wie es am Vortag noch war, und was kommt, daran möchte man gar nicht erst denken.
Mir erging es so. Zudem schwappte all mein Wissen über den möglichen Verlauf dieser Krankheit, wie eine Woge über mir zusammen. Ich sah mich vor Schmerzen winden, qualvoll leiden, abgemagert dahinsiechen, und bald zu sterben schien mir noch die erträglichste Variante zu sein. In meinem Kopf spielten sich Szenarien ab, wie mein Sterben aussehen könnte und am Ende dieser Gedanken stand für mich fest: Wenn es denn sein musste, möchte ich meinem Leben ein selbstbestimmtes Ende setzen, bevor er es auf seine Weise macht.

Darf ich euch morgen die Fortsetzung präsentieren?

Es mag gerade für Männer unverständlich sein, dass ich gleich an das Schlimmste dachte, gerade weil es ein Knubbel an einer untypische  Stelle war und nicht im Brustgewebe. Aber es war eine Vorahnung

« Was vorher geschah12



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Gast







Beitrag16.09.2018 21:26

von Gast
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Aber ich hatte doch graefins Einstand gelesen? --> Ah so, es gab zwei, sie sind nun zusammengeführt. Aus der weiteren Lektüre steige ich aus (aufgrund meiner Lebensweise, hier nicht von Belang). Was mir auffällt: Sympathische Erzählstimme, ich lese gern bei Dir.
Liebe graefin,
natürlich darfst du. Es gibt eine Funktion, damit kannst du die Fortsetzungen durchnummerieren, sodass Leser sich durchhangeln können, ohne die Zwischenpostings lesen/scrollen zu müssen. Das geht beim ersten Teil nicht mehr: Sobald eine Antwort druntersteht, kannst du nicht mehr editieren. Weil nun meine unterm zweiten Teil steht ... du verstehst.

Ich poste trotzdem, weil sich um Teil eins sowieso jemand kümmern wird: Bitte einen Moderator(m/w)/Admin darum, das sind die mit den grün/orange markierten Namen in Wer ist online --> "Diese Daten zeigen an, wer in den letzten 24 Stunden online war" (Foren-Übersicht).
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Bananenfischin
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Beitrag16.09.2018 21:33

von Bananenfischin
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Hallo graefin13,

ich habe die Fortsetzung mal als solche markiert. Bei den nächsten Teilen kannst du das selbst machen, indem du unter dem Textfeld das entsprechende Häkchen setzt. Es gibt auch eines, das eine "neue Version" markiert, falls du noch eine posten möchtest.

Liebe Grüße
Bananenfischin


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firstoffertio
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Beitrag16.09.2018 21:55

von firstoffertio
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Ich habe deinen Einstandstext nicht gelesen, Gräfin, (werde ich nun nachholen),habe aber trotzdem das gelesen, worum es dir ging. Weil ich die Erfahrung kenne, und das Herumdenken und Fürchten und Hoffen ...  Erst in den letzten Wochen, aber mein "Mückenstich" ist fast wieder weg. Ich glaube, "Pickel" solltest du ersetzen. Das klingt so nach Pubertät. "Knubbel" ist schon besser.
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SannyB
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Beitrag16.09.2018 22:18

von SannyB
Antworten mit Zitat

Hallo Gräfin,

ich kann sehr gut nachempfinden, was Du beschreibst, und bin gespannt, auf was es in Deiner Geschichte herausläuft.

Mir erging es ähnlich, und ich hoffe damit nichts vorweg zu nehmen ...
Bei mir war es ein Knubbel am Rücken. Anfangs sah er auch fast wie ein Pickel aus, das würde zu Deiner Beschreibung passen. Doch als er langsam größer wurde, wurde ich unruhig. Nach der Entfernung beim Hautarzt hat sich herausgestellt, dass es ein Bassaliom war, Hautkrebs. Aber nicht so schlimm, wenn man es vollständig entfernt, denn diese Art streut nicht. Seitdem möchte ich jedem, bei dem ich einen ähnlichen Knubbel sehe, am liebsten gleich raten, zum Hautarzt zugehen.

Viele Grüße,
Sanny
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graefin13
Geschlecht:weiblichSchneckenpost
G

Alter: 79
Beiträge: 10
Wohnort: Bad Kissingen


G
Beitrag17.09.2018 06:51
-> Prosa> Einstand
von graefin13
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Guten Morgen, habe den Anfang von meiner Erzählung neu geschrieben. Klingt es so besser?
                                         Kapitel 1
                                    September 2007
Seit Tagen herrschten ungewöhnlich spätsommerliche Temperaturen. Es waren aber nicht die heißen Tage, die mich nervten, sondern die schwülen Nächte. Unter der Steppdecke hatte sich wieder die Hitze gestaut, ich hob die Decke an, schüttelte sie kräftig und drehte die Innenseite nach Außen. Auf diese Weise verschaffte ich mir wenigstens etwas Abkühlung, lag aber nun wach im Bett und wartete darauf, endlich wieder einzuschlafen. Daraus wurde aber nichts. Der Schweiß drang durch die Poren, auf meiner Stirn bildeten sich Tropfen. Diese zuckelten in Richtung Schläfe, perlten da entlang, versickerten im Haar und sorgte für eine feuchte Stelle am Kissen.
Nun reichte es mir. Ich schlug die Decke zurück, stieg aus dem Bett und tappte zum Fenster. Mit einem Ruck zog ich den Vorhang zur Seite, öffnete beide Fensterflügel, blieb mit ausgebreiteten Armen, die Hände links und rechts am Fensterrahmen erst mal da stehen. Gierig saugte ich die frische Nachtluft ein, die nun ungehindert in den Raum strömte und das dünne Hemdchen an meinem Körper flattern ließ. Genau das brachte mich auf eine Idee. Ich holte ein Bettlaken aus dem Schrank, tauschte es gegen die Steppdecke aus, legte mich wieder ins Bett und dachte: Warum ist dir das nicht schon früher eingefallen. Egal, es war inzwischen weit nach Mitternacht, ich mehr wach als müde, wollte aber dieser Nacht aber unbedingt noch ein paar Stunden Schlaf abtrotzen. Das Bett war ausgekühlt, ich abgekühlt, und um entspannt einzuschlafen, versuchte ich an nichts zu denken.
An denken funktionierte so gut, dass es eine kleine Weile dauerte, bis mir bewusst wurde, woran mein Zeigefinger fummelte. Es war ein erbsengroßer Knoten und er saß etwas oberhalb vom Brustansatz, ziemlich genau in der Mitte am Brustbein. Mein erster Gedanke war: Verdammt, da hat dich eine Mücke gestochen! Als nächstes folgte der Vorwurf: Geschieht dir recht, so etwas passiert halt, wenn man vor dem Einschlafen unbedingt noch ein paar Seiten lesen muss. Bestimmt hat das Licht eine Mücke angelockt, die durch das gekippte Fenster und trotz zugezogenen Vorhänge, den Weg zu mir fand. Um dem Vieh keine weitere Angriffsfläche zu bieten, zog ich das Laken über die Schulter und wollte endlich wieder einschlafen. In der Hoffnung, das Summen diesmal rechtzeitig zu hören, um das stechfreudige Tier zu vernichten, hielt ich meine Augen geschlossen, lauschte aber dennoch in die Dunkelheit. Was ich vernahm, war aber kein Summen. Mir war, als hörte ich eine Stimme sagen: "Das ist kein Mückenstich!"
Wie ein Stromschlag durchzuckte mich der Schrecken. Ich zog meine Beine an, rollte mich zusammen, als wollte ich mich unsichtbar machen. Bewegungslos blieb ich liegen und wartete. Ich wartete so lange, bis ich mir selber sagte: 'Hey, das war keine richtige Stimme, du hast nur geträumt!' Bis ich meiner eigenen Stimme traute, vergingen nochmal ein paar Minuten. Erst danach drehte ich mich auf den Rücken, streckte meine Beine wieder aus und atmete erleichtert durch. Meine Hand tastete übers Brustbein und ich hoffte, wirklich nur geträumt zu haben. Doch der Knoten oder Knubbel war noch da.
Jetzt wollte ich es genau wissen. Im Schein der Leselampe schaute ich mir diesen winzigen Schlafräuber an, kratzte mit dem Fingernagel dran, drückte und knibbelte an dem Knötchen herum. Es tat nicht wen, juckte auch nicht und schien wirklich nur ein harmloser Pickel zu sein.
Mit dem Licht war auch die Stimme verstummt, und um wieder einzuschlafen, bemühte ich mich erneut, an nichts zu denken. Schäfchen zählen erwies sich als hilfreich, allerdings nur, bis sich in mein Zahlengemurmel die Worte mischten: "Mach dir nichts vor, das ist kein Mückenstich!" Diesmal war die Stimme etwas lauter, der Ton bestimmender und sie kam nicht aus der Dunkelheit, sondern aus meinem Kopf.
"Nein, nein und nochmal nein!" rief ich zornig, schnellte im Bett hoch und lieferte mir mit dieser Stimme ein Wortgefecht.
Ich: "Das ist ein Mückenstich!"
Die Stimme: "Das ist kein Mückenstich!"
So ging es mehrmals hin und her. Meine Stimme wurde weinerlich, ich lies mich nach hinten sinken und presste mit beiden Händen das Kissen an meine Ohren. Ich wollte weder meine noch diese andere Stimme hören, und schlief tatsächlich ein.
Nach wenigen Stunden traumlosen Schlaf schlug ich die Augen auf. Ich gähnte laut, streckte mich, fühlte mich gestärkt und fit für den neuen Tag, bis mich das nächtliche Intermezzo einholte. Eben hatte mein Magen noch einem Frühstückt geknurrt, nun fühlte es sich an, als wollte er sich umstülpen. Es sah ganz so aus, als sollte mir nach dieser Nacht, auch noch der Morgen vermiest werden. Um dem vorzubeugen, wollte ich das nächtliche Erlebnis einfach als bösen Traum abhaken, und hoffte, es damit aus dem Kopf zu bekommen. Doch je mehr ich mich bemühte, dieses kleine, unscheinbare, harmlos aussehende Ding in den Hintergrund zu verbannen, umso hartnäckiger drängte es sich in den Vordergrund. Es fehlte auch noch immer dieses typische Jucken, das für mich der Beweis wäre, es handelt sich wirklich nur um einen Mückenstich. Und weil ich dieses nicht spürte, steigerte sich meine Befürchtung, es handelt sich doch um die dramatischere Version von so einem Knoten.


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Catalina
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Beitrag17.09.2018 07:30

von Catalina
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Für mich funktioniert es so wesentlich besser. So kann ich es nachvollziehen.

Vielleicht baust Du noch ein, warum Dir der Gedanke an Krebs bzw. die Angst davor so naheliegend war? Hattest Du Betroffene im näheren Umkreis? Bist Du eine Person, die sich generell etwas mehr sorgt als andere? Hattest Du öfter Gedanken von Deinem Tod? Hattest Du eine so reine Haut, dass sich da niemals vorher irgendeine Hautveränderung zeigte?

Ich weiß, das wäre dann noch eine Spur mehr Seelenstriptease, als es sowieso schon ist. Aber es könnte helfen, die Gedanken für eine breitere Masse nachvollziehbar zu machen. Außerdem lernte man die Prota besser kennen, was hälfe, gleich von Anfang an mit ihr mitzufiebern.
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graefin13
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Beitrag17.09.2018 14:52
Prosa Einstand
von graefin13
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Danke Catalina, das ist eine gute Idee. Eine sehr gute sogar Very Happy Very Happy Very Happy

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graefin13
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Beitrag19.09.2018 12:55
Prosa Einstand
von graefin13
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Fortsetzung:

Ich: "Das ist ein Mückenstich!"
Die Stimme: "Das ist kein Mückenstich!" So ging es mehrmals hin und her. Als ich merkte, der Klang meine Stimme wir weinerlich, ließ ich mich nach hinten sinken und presste völlig entnervt mit beiden Händen das Kissen gegen die Ohren. Ich wollte weder meine, noch diese andere Stimme im Kopf hören, doch einfach einen Schalter umlegen, war nicht möglich.
Meine Gedanken kreisten um zwei Fälle von Brustkrebs in der Familie. Doch das waren die Frauen meiner Brüder. Wir waren doch nicht Blutsverwandt? Und beide hatte nach Operation und Chemotherapie, alles gut überstanden. Doch ich erinnere mich an keine meiner Omas, oder Schwestern von meiner Mutter oder meinem Vater, die Bruskrebs gehabt hatten. Sollte ich die Erste in der Familie sein?
Dieser Schwebezustand zwischen hoffen und bangen, zwischen gut und böse, war nur schwer zu ertragen. Nun geht wohl jede Frau, je nach Gefühlstiefe der Emotionalität, mit so einer Situation anders um. Dabei einen Partner an seiner Seite zu haben, kann sich als hilfreich erweisen, muss aber nicht unbedingt so sein. Jahre nach meiner ersten Erkrankung erfuhr ich von einem Mann, der seine Frau durch diese Krankheit verloren hat, er war seiner Frau keine große Stütze in dieser schweren Zeit. Sie war es, die ihn immer wieder aufgebaut hat, wenn er an der Tatsache, sie bald zu verlieren, verzweifelt war. Da erweist sich mein Singledasein ja doch als vorteilhaft.


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