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Der Vehikelverkäufer


 
 
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Charlie Rose Kane
Geschlecht:weiblichLeseratte

Alter: 47
Beiträge: 197
Wohnort: Leipzig


Beitrag11.08.2018 20:06
Der Vehikelverkäufer
von Charlie Rose Kane
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Der Vehikelverkäufer

Herr Schmirgelhüpf war ein Seebär im Ruhestand. Seit geraumer Zeit brachte er Vehikel verschiedenartiger Naturen an den Menschen, um sich seine Rente aufzubessern. Immer wenn er den Geschäftsmann mimte, trug er seinen Sonntagsstaat und war frisch rasiert. Das war auch der Fall, als er Frau Gurgelmaier eins seiner Gedankenfahrräder aufschwatzen wollte. Dieses hatte er erst neulich dem Rednaxela für 'nen Apfel und 'nen Ei abgeluchst.
Das Jackett von Herrn Schmirgelhüpf war kanariengelb, und er hatte dessen Ärmel bis zu den Ellenbogen hockgekrempelt. Auf dem sonnengebräunten Unterarmen zeichneten sich schlohweiße Härchen ab, und die Haut seines linken Arms war mit einem verblassten Herz-Anker-Tattoo und dem Namenszug einer längst verflossenen Liebe tätowiert. Seine Anzugshose hatte eine grasgrüne Färbung, und die Schuhe waren aus kaminrotem Lackleder gefertigt.
Auf Herrn Schmirgelhüpfs Schulter saß Fussel, sein handzahmer Papagei, den er als Nachrichtenübermittler für seine Geschäftspartner und Altkunden sowie für die Akquise von Neukunden gebrauchte. Gelegentlich überbrachte Fussel aber auch Liebesbotschaften an Herr Schmirgelhüpfs Herzensdamen.

Zur Mittagsstunde war Herr Schmirgelhüpf mit Frau Gurgelmaier verabredet. So jedenfalls hatte es der Papagei vor einigen Tagen an sie weitergeleitet. Der alte Seebär schob das Gedankenvehikel neben sich her über die Seufzerbrücke und in den Park hinein. Sein Fussel krakeelte vor sich hin, während er auf der linken Schulter des Seebären saß und nicht auf das kanariengelbe Jackett kackte.
Die Spaziergänger staunten nicht schlecht, als sie Herrn Schmirgelhüpf herannahen sahen und das Geschrei seines Papageien in ihre Gehörgänge und weiter drang. Herr Schmirgelhüpf kam an der tausendjährigen Knorreiche zum Stehen und lehnte das Vehikel an deren Stamm, den er nur mit Gummiarmen hätte umfassen können. Er war überpünktlich. Mit der rechten Hand hielt er seinen Fussel den Schnabel zu und ermahnte ihn zur Ordnung.

Es vergingen etliche Minuten, bis auch Frau Gurgelmaier eintraf. Sie war viel kleiner als Herr Schmirgelhüpf. Ihre Statur war vollschlank, und sie trug beige und khakifarbene Sachen. Fast auf der Nasenspitze saß eine Hornbrille mit dicken Gläsern. Diese ließen Frau Gurgelmaiers Augen sehr klein erscheinen, insbesondere wenn sie blinzelte und die Augen zusammenkniff. Genau in diesem Augenblick flatterten ihre Lider in einem fort. Denn ihr war ein Staubkorn in den rechten Augeninnenwinkel geflogen. Außerdem schien die Sonne grell, und Frau Gurgelmaiers Brillengläser waren nicht selbsttönend.

So kam sie abgekämpft an der Knorreiche an. Sie hatte sich mal wieder in ihrer Zeit vertan und atmete nun heftig durch.
Fussel begrüßte sie mit lautstarkem: „Hallo! Hallo-Hallo! Halloooooo!‟
Herr Schmirgelhüpf reichte ihr seine Pranke. Er strahlte sie an. Vergilbte und schiefe Zähne waren in seinem Mund zu sehen, und die Zunge lugte zwischen einer Lücke in der Zahnfront des Unterkiefers hervor. Während seine Hände ein geschäftiges Eigenleben führten und das Gedankenfahrrad schon fast verkauft schien, begrüßte auch er seine Neukundin. Er kam schnell zur Sache und pries das Vehikel als den letzten Schrei und als einmaliges Schnäppchen an.

Frau Gurgelmaier war skeptisch. Sie dachte nicht so schnell wie Herr Schmirgelhüpf und überlegte - wie eine kaputte Schallplatte - immer wieder von vorn, warum sie genau dieses Vehikel der Gedanken benötigen sollte. Klar, sinnierte sie, das Chaos in meinem Kopf braucht manchmal eine Ordnung von Außen. Aber ein Gedankenfahrrad? Sie dachte weiter darüber nach. Musste das unbedingt sein? Wirklich preiswert war es nicht, im Gegenteil, überlegte sie.
Frau Gurgelmaier schwankte hin und her. Das Staubkorn hatte sie inzwischen weggeblinzelt. Die Augen kniff sie allerdings umso mehr zusammen. Denn das Sonnenlicht war wirklich sehr grell.
Herr Schmirgelhüpfs Papagei krakelte, auf seiner linken Schulter sitzend, herum: „Nüüüüützlich! Seeeehr, seeeeehr gut!“ Er flatterte mit den Flügeln und tätschelte mit dem rechten Herrn Schmirgelhüpfs Glatze.
Dieser lachte laut auf und gab seinem Vogel ein Leckerli.
Frau Gurgelmaier wollte gerade in ihrer Handtasche nach der Geldbörse suchen, als es irgendwo - aus dem Nichts heraus - einen Donnerschlag tat. Etwas Unsichtbares riss die Szenerie entzwei und knüllte diese zusammen.

Ein Schrecksekundenlicht erhellte Dodos Schlafzimmer und kurz darauf war abermals ein Donnerkrachen zu hören. Dodo saß kerzengerade in seinem Bett und blickte verwirrt um sich.
Die Leuchtzeiger des Weckers standen auf vier Uhr dreißig.
Der Traum war so eindrücklich gewesen, dass die Bilder in ihm nachklangen. Durcheinander im Kopf sank er mit seinem Oberkörper wieder zurück auf sein Bett. Doch an Schlaf war nicht mehr zu denken. Er dachte über Frau Gurgelmaier und Herrn Schmirgelhüpf und über das vielgepriesene Gedankenvehikel nach ...

© Rose Kane, BS, 08/2018



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gold
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Beitrag11.08.2018 21:57
Re: Der Vehikelverkäufer
von gold
Antworten mit Zitat

Oh, liebe Rose (ouz ausgesprochen),

ich finde diesen Text einfach saustark. Shocked Daumen hoch Daumen hoch Daumen hoch

Und- auch ich habe heute über meinen Papagei in meinem Oeuvre nachgedacht - wen wundert´s , dass ich auch über einen Papagei geschrieben habe (meiner heißt Aloisio), natürlich u.a.
Habe nur einen Punkt nachzufragen: Machen dicke Brillengläser nicht riesige Augen?

Liebe Grüße - sehr gern gelesen
gold
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Charlie Rose Kane
Geschlecht:weiblichLeseratte

Alter: 47
Beiträge: 197
Wohnort: Leipzig


Beitrag11.08.2018 22:15
Re: Der Vehikelverkäufer
von Charlie Rose Kane
pdf-Datei Antworten mit Zitat

gold hat Folgendes geschrieben:

Habe nur einen Punkt nachzufragen: Machen dicke Brillengläser nicht riesige Augen?


hmmm ... also ich hatte die alte briller meiner tante im kopf, die hatte damals glasgläser und war ganz komisch geschliffen ... und da wirkten die augen immer ganz klein. irgendwie ...

aber ich weiß nicht, ob das jetzt konvex oder konkav bedeutet. ich hau das immer durcheinander. also ich meine den schliff der gläser ...

aber ich war da noch kind. vielleicht habe ich das auch einfach nur in falscher erinnerung?

danke für das kompliment.

kommt bestimmt auch noch kritik. smile


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firstoffertio
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Beitrag11.08.2018 23:14

von firstoffertio
Antworten mit Zitat

Ich finde das erfrischend lustig.

Die Vergleiche mit den Gummiarmen und der kaputte Schallplatte, sowie das Gedankenfahrrad, besonders.
Schade, dass sich die Geschichte am Ende als Traum herausstellt.
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