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Eulalia


 
 
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Charlie Rose Kane
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Wohnort: Leipzig


Beitrag16.07.2018 17:19
Eulalia
von Charlie Rose Kane
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Eulalia

aus der Mottenkiste

Eulalia war eine Taschentuchzipfelpuppe, die in einer zeitbemoosten Mottenkiste wohnte.
Ein längst vergessenes Kind hatte ihr einst seine kleine Hand geliehen. Man hatte den Taschentuchzipfel damals um dessen Zeigefinger geknotet und ein lachendes Gesicht auf diesen Knoten gemalt. Jetzt natürlich war die Hand vermodert und bestand nur noch aus Knochen. Ein alles verklärender Zauber hielt diese zusammen. Und auch das Antlitz von Eulalia war durch den Zahn der Zeit kaum mehr zu erkennen. Die Motten hatten dem Taschentuch schwer zugesetzt. Aber das machte Eulalia nichts aus.
Sie lebte am Fuße eines wettergegerbten Gebirges, in unmittelbarer Nachbarschaft einer meterhohen Wegkreuzungsblume. Deren buttergelben Blütenblättern wiesen - jedes für sich - in eine andere Himmelsrichtung.

So wie an allen Nachmittagen hatte Eulalia ihr Eichelbaby liebevoll in den Wallnussschalenkinderwagen gelegt, um mit ihm eine Runde in der Sonne spazieren zu gehen, als plötzlich ein tiefes Grollen zu hören war und ein Zittern durch die Szenerie ging.
Eulalia blickte sich ängstlich um und schob ihren kleinen Kinderwagen eilig weiter. Sie wollte wieder zurück in ihre Mottenkiste, da fühlte sie sich geborgen. Doch ihr Weg zog sich künstlich in die Länge, und keiner ihrer Freunde war da, um ihr Mut zuzusprechen, auch nicht Fuchsius oder Lampulosus.

Das Grollen wurde lauter und wuchs sich in wahres Getöse aus. Eine felsige Pranke brach aus dem steinigen Erdreich hervor und schnippte mit dem Finger einen Felsbrocken wie einen Kieselstein weit von sich über die Ebene. Dann folgte der Hand ein ganzer Arm, eine Schulter und schließlich der Kopf eines Erdriesens.
Eulalia stand stocksteif da, mitten auf dem schmal gewundenen Weg hin zu ihrer Mottenkiste. Daumen und Mittelfinger ihres verwesten Leibes umklammerten den Wallnussschalenkinderwagen und hielten sich daran fest, als der riesige Erdsteinklumpen, der einem unförmigen Eierkopf glich, zu sprechen anfing. Aus seinem schiefen Erdspaltenmund mit unbehauenen Steinbrocken als Zähnen dröhnte eine Grabesstimme: „Spiel mit mir! Komm, spiel mit mir!“
Eulalia schluckte und rang nach Worten. Sie beschlich das unbestimmte Gefühl, diesen Riesen von irgendwoher zu kennen. Dennoch frachte sie: „Wer bist du denn?“ Sie redete mit ihrer Kopfstimme, um das Felsbrocken-weit-schnipsen-Getöse zu übertönen. Innerlich rang sie mit ihren Urängsten.
„Ich bin Humulosius“, sprach die Erdstimme ruhig.
Schweigen …
„Spiel mit mir! Komm, spiel mit mir!“, wiederholte sich der Erdspaltenmund und züngelte mit seiner rosafarbenen schlangenförmigen Zunge um die schiefen Steinzähne herum.
Eulalia nahm sich und all ihren Mut zusammen und entgegnete laut: „Nein!“
Humulosius schien sie nicht gehört zu haben, denn er rief abermals: „Komm, spiel mit mir!“ Nach einer kleinen Atempause fügte er noch hinzu: „Die Felsbrocken benötigen unsere Gesellschaft, sie schnipsen sich nicht von alleine.“
Eulalia blickte an sich herunter und betrachte ihr Eichelbaby und sagte erneut mit lauter Stimme: „Nein!“
Wieder schien Humulosius sie nicht vernommen zu haben. Denn er sprach noch einmal mit seiner Grabesstimme: „Spiel mit mir! Komm, spiel mit mir!“
Eulalia entgegnete daraufhin: „Nein! Denn du bist böse“, und übertönte dabei ihren wild pochenden Herzschlag, der scheinbar ihren ganzen Knotenkopf ausfüllte. Sie hatte Humulosius erkannt.
Ein Grollen war zu hören, so als ob große Wackersteine aneinanderschlagen würden, und Eulalia fragte sich, ob dies das Lachen des Erdriesen sei.
Nach einer kleinen Weile fragte Humulosius: „Was ist schon böse?“
Eulalia zitterte. „Böse ist, dass du mich damals zu dir genommen hast, ohne mich vorher zu fragen, ob ich das überhaupt will.“
Das Grollen verhallte langsam, der schiefe Erdspaltenmund von Humulosius grinste. Er flüsterte: „Ich bin so böse! Böse! Böse! Böse!“
„Du hast mir weh getan“, quiekte Eulalia. „Und das ist böse.“, fuhr sie mit ihrer Kopfstimme fort, nur um sich selbst zu bestätigen, dass sie im Recht war.
Humulosius hmmmte. Er hörte damit auf, die Felssteine aus seiner näheren Umgebung weg zu schnipsen. „Das ist nicht böse“, hob seine erdige Stimme erneut an. „Das ist der Lauf der Dinge …“
Eulalia sagte nichts. Sie hatte aufgehört zu zittern und entspannte sich allmählich. Ihr Herz wusste, dass er die Wahrheit gesprochen hatte.

Sie nahm ihr Eichelbaby aus dem Wallnussschalenkinderwagen, setzte sich neben Humulosius' riesiger Pranke hin und wiegte es mit dem Daumen- und Mittelfingerknochen in ihrem Schoß. Dabei summte sie eine uralte Kindermelodie, deren Text sie einst gewusst hatte …
Humulosius jedoch umfasste Eulalia sanft mit seiner Felsenhand und nahm sie mit sich fort.

© Rose Kane, Le., 02/07/2018


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Charlie Rose Kane
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Beitrag16.07.2018 17:35

von Charlie Rose Kane
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LeviathanII hat Folgendes geschrieben:
Mir gefällt der Text, glaube ich.
 Der Anfang ist verdreht, es fiel mir erheblich schwer einen Fuß in ihn zu kriegen, musste, beim ersten Lesen den ersten Absatz neu beginnen und hatte Schwierigkeiten überhaupt ein erstes Bild aus ihm zu ziehen, ein erstes grobes Gefühl.
 Dabei zeigt er gerade seine Stärken, wenn man erstmal dieses erste Gefühl, Bild bekommen hat, einen Ausgangspunkt, eine grobe Übersicht und man den kreativen weiteren Begebenheiten, Bildern um die unbelebten Figuren folgen kann.


ich mir deinen ratschlag zu herzen genommen und den anfang mal "logisch" aufgebaut. ich weiß, ich weiß, oft "stürze" ich sozusagen in meine geschichten, falle hinein und ziehe meinen leser irgendwie mit. aber dabei führe ich sozusagen nicht den kamerafokus, nicht genügend ... du hast meinen chaotismus mir ziemlich gut verdeutlicht. ich hoffe, jetzt ist es mir besser gelungen, meinen leser sozusagen "zu geleiten"?

mir gefällt der anfang jetzt auch besser. smile


LeviathanII hat Folgendes geschrieben:
Was das Ende angeht:
 Am meisten Probleme machen mir Sätze wie: "Er flüsterte, „Ich bin so böse! … Böse! Böse! Böse! … Ich bin die Vergänglichkeit.“ " und  wenn er sagt „Das ist der Lauf der Dinge …“
 Sie sind mir, im Hintergrund dieses Textes, nicht subtil genug. Man interpretiert ja eh schon, alleine um sich zurecht zu finden, aber dem Interpretieren sind Deklarationen wie "Ich bin die Vergänglichkeit.", gefühlt, ein Schlag ins Gesicht.
 Ein anderer Kritikpunkt wäre, dass, anders als über den Rest des Textes, das Ende, das ermüden, einschlafen, etwas zu rasch erscheint um wirklich mitfühlen zu können.
 (Ich weiß beispielsweise auch gar nicht, ob das letzte "und schlief ein" überhaupt erforderlich ist, oder einfach impliziert verbleiben könnte.)


das ende hat mir in der überarbeitung die größte schwierigkeit bereitet, und ich bin auch nicht ganz deinem eindruck gefolgt, wie du beim nochmaligen lesen feststellen wirst ...
die vergänglichkeit sowie das einschlafen von eulalia sind rausgeflogen. allerdings fand ich den lauf der dinge doch passend und beließ es dabei.

naja, eulalia ist halt ein "altes" kind. und kinder fühlen gut und böse weniger differenziert als erwachsene menschen. *glaub* und das wollte ich mir am schluss der geschichte erhalten.

hmmm ...

im detail habe ich mir meine geschichten aber nicht analysiert. das mache ich sogutwie nie ... ergo: habe auch ich als autor so meine gefühlten rätsel in meinen geschichten.


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Charlie Rose Kane
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Beitrag16.07.2018 17:38

von Charlie Rose Kane
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lindaa hat Folgendes geschrieben:


Zitat:
„Böse ist, dass du mich damals zu dir genommen hast, ohne mich vorher zu fragen, ob ich das überhaupt will.“


An dieser Stelle kommt die Wendung finde ich etwas überraschend. Noch wenige Zeilen darüber, scheint es als würden sich die beiden nicht kennen. Und auf ein Mal hat sie eine Vorgeschichte mit ihm und macht ihm einen Vorwurf.


ganz auflösen wollte ich den sprung bei der überarbeitung jetzt nicht, allerdings habe ich etwas zusätzliches eingeflochten ... um die vorgeschichte ganz leicht anzudeuten.


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Beitrag16.07.2018 17:44

von Charlie Rose Kane
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catalina & jon,

ich hoffe, ich habe jetzt keine weiteren zeichenfehler eingebaut und die alten fehler auch ausgemerzt. ich habe auch meine lieblings-auslassungspunkte ziemlich stark dezimiert. DAS hat WEH getan. wink

jon, und entschuldige noch einmal, dass ich mich etwas im ton vergriffen habe. es ist komplett neu für mich, dass jemand einen text derartig seziert und auseinandernimmt. das hat mich etwas angegriffen. aber letzten endes bin ich dir und meinen anderen kritikern sehr dankbar, weil ihr euch einen kopf macht und mir mit euren kommentaren sehr dolle helft. und letzten endes ist es für mich eine gute übung, denn ein lektorat würde ja auch nichts anderes tun, ... und spätestens dann sollte ich damit gut umgehen können.

smile


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Beitrag16.07.2018 17:48

von Charlie Rose Kane
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blubermuffin hat Folgendes geschrieben:
Hallo, Rose Kane:)
Ich habe mir deinen Text jetzt auch einmal durchgelesen.

An sich finde ich die Geschichte gut, jedoch habe ich etwas zu bemängeln und das ist die Lesbarkeit.
Ich finde dein Text liest sich schwer und ich glaube das liegt daran, dass du einfach zu komplizierte Wörter benutzt.
Es kann natürlich auch ein Stilmittel sein, solche Wörter einzubauen, aber ich denke einfach ein bisschen mehr Simplizität, täte deinem Text wirklich gut.


mein stil der sprache, meine art mit worten umzugehen, in vielen geschichten auch die wortspielereien und wortneuschöpfungen sind - insbesondere bei meinen fantasy-geschichten - tatsächlich mein markenzeichen. daran ist nix zu rütteln. dazu stehe ich auch.

ich gebe allerdings schon zu, dass ich es gelegentlich etwas übertreibe und ich mich selbst auch etwas ausbremsen muss ...

es gibt allerdings auch geschichten gänzlich ohne meinen zauberwald. diese sind dann aber i.d.r. keine fantasy-geschichten.


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Beitrag16.07.2018 17:58
Re: Eulalia
von Charlie Rose Kane
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Rose Kane hat Folgendes geschrieben:
Dennoch frachgte sie: „Wer bist du denn?“


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Beitrag16.07.2018 20:52

von jon
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Hallo Rose Kane,

"Alles gut!", würde mein Chef sagen. wink Bei meiner allerersten Kritik war ich auch sehr angefressen (vor allem, weil ich dem Mädel das gar nicht zum Zwecke des Lektorierens gegeben hatte) und mir passiert es heute immer noch, dass ich im ersten Moment auf "echt jetzt?!" schalte. Das ist normal, denke ich, man muss "nur" trainieren, sich rasch wieder einzukriegen. Das kann auch mal heißen, dass man merkt, dass man mit dem anderen so gar nicht auf einer Wellenlänge ist.

Und um dich zu beruhigen: Meine Anmerkungen betrafen wirklich nur Details, sozusagen die Politur. Also auch insofern: "Alles gut!"

Liebe Grüße von Ulrike


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Beitrag16.07.2018 20:57

von Charlie Rose Kane
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jon hat Folgendes geschrieben:

Liebe Grüße von Ulrike


ich notiere, jon ist ulrike. entschuldige bitte, ich hatte dich als männlich verortet. Embarassed

und dafür, dass dieserlei art von texten nicht magst, warste doch fleißig mit deinen anmerkungen. smile


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Beitrag16.07.2018 21:04

von jon
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… auch dafür: Kein Problem! Ich bin da gar nicht gender-affin. Ein bisschen provoziere ich das mit dem Miss-Erkennen ja auch. wink

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Beitrag16.07.2018 21:14

von Charlie Rose Kane
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achso. na, dann können wir uns die hand reichen. ich mach das zwar nicht mit meinem pseudonym, jedenfalls nicht so "offensichtlich", aber in real dann schon. also ich meine genderbendern und mein transsein pflegen. *g*

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