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Das Blut an meinen Händen (Arbeitstitel)


 
 
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Lenny
Geschlecht:männlichWortedrechsler

Alter: 27
Beiträge: 80
Wohnort: Wien


Beitrag25.05.2018 19:57
Das Blut an meinen Händen (Arbeitstitel)
von Lenny
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Hallo!

Kurz zur Vorab-Info: Ich hab das folgende als (Teil der) Leseprobe bereits an ein paar Verlage geschickt, ich würde es nur gerne vor die Nächsten (mit eurer Hilfe) gerne noch besser machen.
Das ist mein Erstlingswerk, zwar dreimal überarbeitet, aber trotzdem weiß ich: Die Qualität wird nicht absolut High-End sein. Seit trotzdem nicht zu gnädig.
(Die Novelle als Genre begründet sich über die kurze Rahmenhandlung, die immer zwischen den Tagebucheinträgen stattfindet, die habe ich hier aber aus Platzgründen nicht mit reingenommen, da es sonst knapp 40% mehr geworden wären).

Das ist mehr oder weniger der Anfang der Kernhandlung.

***

Eintrag 14. April

Der Zug rumpelt über die Schienen und die Geräusche, die er von sich gibt schmerzen in unseren Ohren. Noch nicht einmal der Lärm der Schlacht ist so unangenehm wie dieses Quietschen, wenn es auch deutlich dezenter ist. Seelow liegt vor uns. Wie immer sind wir vorne mit dabei, denn im Krieg müssen wir alle an vorderster Front unseren Mann stehen. Die Mission lautet: Die Deutschen von den weitläufigen Feldern und kleinen Dörfern um die Stadt vertreiben ... Eher gesagt: Sie vernichten. Wir alle wissen, dass es verdammt gefährlich ist, ein regelrechter Ritt auf Höllenhunden und es eine hohe Chance gibt, den Tod aus dem vor uns liegenden Kartendeck zu ziehen. Das Vorhaben wird viele Opfer fordern, das ist vorbestimmt. Doch hoffentlich trifft es keinen von den Genossen unserer Einheit, die im letzten Gefecht vor einer Woche auf uns Wenige dezimiert wurde.
Mit mir sind es Sieben: Soldat Grigorij Titow, unser Spitzname für ihn ist Grisha. Soldat Nikita Beloussow. Gefreiter Dimitrij Kowaljow, alle nennen ihn Dima. Gefreiter Alexander Popow. Ich, Gefreiter Wladimir Romanow. Feldwebel Viktor Schukow. Feldwebel Nikolaj Markow.
Mein Gott, Seelow wird ein schweres Unterfangen, doch noch haben wir die Gelegenheit uns etwas auszuruhen. Die tot zu schlagende Zeit hier auf den Brettern des Güterwagens ist der Hauptgrund, weswegen ich dieses Tagebuch überhaupt schreibe. Zum Glück kann ich mit hohem Tempo schreiben, sonst wären wir mittlerweile schon an der Oder. Aller Voraussicht nach wird diese Zeilen nie irgendwer lesen, zumindest brüllte mir das Sasha eben zu, aber ich lasse mich von ihm nicht beirren. Falls es doch eines Tages jemanden gibt, der das hier liest, sind es hoffentlich meine Kinder, die ich noch nicht habe, wenn sie mich fragen, wie es im Krieg zuging. Dennoch werde ich nichts beschönigen, kein Detail verzerren. Um etwas zu beschönigen, muss es etwas grundsätzlich Schönes geben, wenn auch nur eine Kleinigkeit. Genau die gibt es für mich seit mittlerweile einem Jahr und einigen Tagen nicht mehr.
In zwei Stunden erreichen wir das Lager, das zwanzig Kilometer von der Stadt entfernt liegt. Dort gibt es erstmals ordentlich etwas zwischen die Zähne, oder so hoffe ich zumindest. Darauf freuen sich ohne Frage alle, aber Popow eindeutig am meisten.
Wenn ich so hinhöre und das grässliche Quietschen von Metall auf Metall ausblende, was mir schon ansatzweise gelingt, vernehme ich nur Stille. Für die heutigen Tage spektakulär. Sonst schlagen immer irgendwo in der Entfernung Mörsergranaten ein und sporadisch rattert ein Lastwagen mit Soldaten oder unentbehrlichen Versorgungsgütern auf Kopfsteinpflasterstraßen entlang. Würden Dima, Schukow und ich nicht so enorm schnarchen, hätte ich längst ein kurzes Schläfchen an diesem lauen Nachmittag vorgeschlagen. Die Betten in den Lagern für Soldaten, Gefreite und Feldwebel sind nicht oft gemütlicher als die harten Bretter dieses alten Wagens. Ich frage mich ja, ob er früher Gemüse, Fleisch, Fisch oder gar Weinfässer transportiert hatte. Wenn, lag das eine gefühlte Ewigkeit zurück.

Es ist später Abend. Vor knapp zwei Stunden sind wir im Lager angekommen, dass sich direkt neben der Stadt Küstrin befindet. Im Gegensatz zu unseren Erwartungen, obwohl wir genau das geahnt hatten, gab es nur ein paar Kartoffeln zu essen, dazu einen Schöpfer weich gekochtes Gemüse und einige Gläser Wasser. Fleisch habe ich, glaube ich, seit dem Tag nach meinem letzten Gefecht nicht mehr gegessen. Inzwischen kann ich mich daran auch nur mehr so erinnern, als wäre es eine Täuschung meiner Sinne gewesen. Am Tisch, an dem sich unsere Truppe und ein paar Jungs aus dem Zug, die mit uns gereist sind, gesessen sind, meinte Dima doch glatt, dass wir in wenigen Tagen Urlaub bekommen. Grisha meinte, es sei realistischer, dass wir vor dem Tag, an dem die sowjetische Fahne über dem deutschen Reichstag baumelt, nur von Urlaub träumen dürfen.
Seelow ist das Tor nach Berlin. Das waren zumindest die Worte von Feldwebel Markow, ehe er von uns Ruhe beim Essen verlangte. Fallweise muss man Dima schon aus seinen Tagträumen holen, und Grisha und ich sind da immer über alle Maßen gerne behilflich. Man mag hinsichtlich des Krieges ja vieles sagen, doch er schweißt Fremde in wenigen Wochen so solide zusammen, wie es eine so manche Kindheit mit Geschwistern nicht schafft. Nicht, dass ich diese Bindung zu meinen Kameraden nicht ohne einen Augenblick lang nachzudenken dafür eintauschen würde, meine zwei Brüder und zwei Schwestern und meine Eltern nochmals in dem Arm nehmen zu können. Eines Tages, der mit hoher Wahrscheinlichkeit in nicht so ferner Zukunft liegt, werden ich, Mutter, Vater und einer meiner Brüder wieder vereint sein. Am besten nach einer Kugel direkt durch den Kopf – kurz und schmerzlos. Später würden auch meine zwei Schwestern und mein noch kindlicher Bruder nachkommen, wenn sie mir nicht in den letzten paar Wochen bereits vorausgeeilt sind. Der Fronturlaub kommt mir vor, als wäre er in dem Nebel der Vergangenheit verschwunden, mehr noch als das letzte Mal vernünftig Zähneputzen.
Nikita putzte sich im Übrigen vorhin die Zähne mit dem Finger, als uns Schukow ein paar jungfräuliche Rekruten zuteilte, um die Lücken in unserer Einheit zu füllen. Es sind Frischlinge, gerade aus der Grundausbildung gekommen. Ihre Namen merken wir uns gar nicht. Kanonenfutter hat schließlich keinen Namen, außer eben Kanonenfutter.
Erst jetzt hier im Bett erinnere ich mich dunkel, dass einer Vladimir heißt und das auch nur, weil ich da an meinen Onkel denken muss. Der hatte es gut erwischt. Mein Vater war der Jüngling seiner Familie und hatte mich recht spät in die Welt gesetzt, woraus sich ergab, dass sein Bruder bereits so alt war, dass ihn die Rote Armee nicht einmal aufgenommen hätte, wenn er darum gebeten hätte. Wer würde so etwas Wahnsinniges machen? In Kriegszeiten darum betteln mit Siebzig noch kämpfen zu dürfen. Nichtmal die Ärzte in den Lagern der Nazis wären so verrückt, dabei traue ich denen eigentlich alles zu. Ob die sich wohl die Gesichter der Juden merkten, die sie auf grausamste Weise folterten?
Als ein Träumer, wenn auch nicht mit so unrealistischen Gedanken wie Dima, hatte Markov neulich ein paar Gerüchte erzählt, die er im Beisein eines etwas höheren Offizier aufgeschnappt hatte. Den armen Angehörigen der für die Nazis verdammungswerten Religion wurden angeblich Dinge angetan, die sich ein normaler Mensch noch nicht einmal ausdenken könnte. Zwillinge, die mit Nadel und Faden verbunden wurden. Spritzen voller Benzin ins Herz, nur um die Überlebensdauer von Nicht-Ariern zu überprüfen. Sie haben garantiert niemals einem vollblütigen Deutschen solche Qualen zugemutet. Ich und sechs Millionen meiner Mitkämpfer in diesem Krieg würden nichts lieber tun, als das einmal oder am besten mehrmals auszuprobieren.
Was schreibe ich da nur? Vor etwas über einem Jahr wäre das doch noch nicht ich gewesen und das obwohl mein Vater schon gefallen war, meine Mutter von einem deutschen Soldaten blutig geschlagen worden war, nur weil sie versuchte, meine Schwestern zu verteidigen, als diese von zwei der ach so überragenden Arier in einer Scheune in sämtlichen Wegen entehrt wurde. Wenn ich meine Augen schließe, sehe ich öfters einen wehrlosen Jungen, der aus purer Neugier durch das Fenster in einen dunklen Raum voller Kerzen und Heu blickt und dort mit eigenen Augen die Vergewaltigung eines Großteils der weiblichen Mitglieder seiner Familie mitansehen muss. Manchmal sehe ich in meinen Träumen die Gesichter meiner den Kinderschuhen entwachsenen Schwester und der Deutschen, die sich ineinander fressen und abnorme Kinder formen, welche mich auf dem Heuboden wie kleine, bösartige Puppen verfolgen. Darum kann ich solche Worte niederschreiben. Das bin jetzt ich.
Wenn ich so darüber nachdenke, wäre es keine schlechte Idee, meinen Kindern diese Seiten vorzuenthalten. Ich werde sie ohnehin nie bekommen. Welche Frau sollte und wollte so ein Monster denn ins Herz schließen? Oder würde ich eine Reihe von unehelichen Nachkommen zeugen, weil ich es unseren Feinden so abgeschaut hatte?
Die einzige Gnade, die meine Schwestern erfuhren, war, dass sie während der zwei Wochen arischer Belagerung unseres Dorfes nicht schwanger wurden, denn meiner Mutter hätte das den frühen Tod gebracht – wenn nicht durch einen Herzinfarkt, dann durch den Strick, den sie mit eigenen Händen gedreht hätte. So wie es gekommen war, übernahm ihr Dahinscheiden eine deutsche Mörsergranate, als diese Schweine bei ihrem feigen Rückzug vor der Roten Armee alles zerstörten, was sie nicht mitnehmen konnten.
Verdammt, ich kann immer noch nicht schlafen. Ich bin zwar hundemüde, aber nach dem Albtraum, den ich heute mal wieder hatte, wird es garantiert noch etwas dauern, bis sich meine Gedanken im Alleingang in normale Bahnen lenken. Es waren zum wiederholten Male diese leidigen Bilder, die ich schon so oft im Traum sah. Mehrere Dutzende abgemagerter Männer, Frauen und Kinder, die hinter einem Zaun standen. Sie starrten uns mit Augen an, in denen ich zum einen absolute Erleichterung sah, zum anderen jedoch die Angst, ob wir nicht etwas noch Schlimmeres bringen würden als die Menschen, die sie nur Stunden vor unserem Eintreffen verlassen hatten. Das Vernichtungslager oder Arbeitslager, so stand es zumindest in einer der wenigen nicht verbrannten Akten, die wir noch finden konnten, war einer der Orte auf dieser Welt, in denen die Hölle aus dem tiefsten Inneren der Erde herausgebrochen war. Nur um Leuten in Lumpen, denen bereits alles, was sie hatten, genommen wurde, die leidvollsten Wochen und Monate ihres Lebens zu bereiten, ehe sie in Todeskammern geschickt wurden, um qualvoller zu enden, als die Schweine beim Schlachter.
Grisha hatte damals treffend bemerkt, dass sämtliche Schandtaten der Faschisten auf dem Boden unseres Landes den Grausamkeiten auf ihrem eigenen nicht auch nur ansatzweise das Wasser reichen konnten. Ich meine, dass er damit den Kern des Übels auf dieser Welt, das zu unserer Zeit von den Deutschen verkörpert wird, genau getroffen hatte. Die verabscheuungswürdigsten Taten werden von denjenigen vollbracht, die sich vor Nichts scheuen, noch nicht einmal der Ausrottung einer Rasse in der einen Stunde und dem Spielen eines glücklichen Familienvaters in der nächsten. Bei dem Gedanken, dass diese Menschen, reale Personen mit Namen wie Hans Landmann, Rüdiger Schmied, Alfons Wadenberg und Gustav König vor dem Abendessen Menschen wie sie mit vorgehaltenen Pistolen ans Messer liefern und abends ihre Frauen und Kinder umarmen, da dreht sich mein Magen um die eigene Achse. Selbstverständlich würden Hans, Rüdiger, Alfons und Gustav so eine Aussage vehement bestreiten.
Doch diesem Treiben wird spätestens dann ein Ende gesetzt, wenn wir die Tore von Berlin aufgebrochen haben und die Höchsten ihrer Rasse zur Rechenschaft ziehen. Im Falle, dass ich diesen Tag erlebe, könnte ich nach viel zu langer Zeit erneut etwas Empfinden, was mit dem Gefühl von Freude ansatzweise verglichen werden kann. Vielleicht habe ich bereits vergessen, wie es sich anfühlt. Wenn mich die Gefühlswelle überrollt fühlt es sich nicht anders an, als die letzten Momente in der Haut von Vlad, der Letzte tot zu Beklagende unserer Kompanie. Er war von einem deutschen Tiger überrollt worden, als wir zwei Tage nach der Befreiung der Juden aus dem polnischen Lager mit unseren Winterstiefeln ein Feld überquerten. Die Deutschen rückten mit einer Panzerdivision an, die uns ein paar Stunden lang beschäftigt hielt, ehe Verstärkung in Form einer Staffel unserer Po-2 Flugzeuge auftauchte. Mit ihren grässlich dröhnend explodierenden Bomben sprengten sie die Deckel der deutschen Blechbüchsen auf und der einzige noch intakte Panzer preschte wie ein wahnsinniges Ungetüm in unsere Stellung. Dabei zerquetschte er meinen Kriegsbruder wie eine Fliege, bevor Markov dem Kraftmonster mit Hilfe einer Granate den Garaus machten konnte.
Viele Worte für ein paar Momente in einem schier chronischen Krieg, und doch können keine tausend Worte in meiner Sprache, der unserer Feinde und Verbündeten den wahren Grauen erfassen, dass in den letzten Monaten in mein Leben trat, um sich auf ewig festzusetzen. Ich mag kein weiser Mann zu sein, kein Dostojewski oder Lenin, aber ich vermag genug philosophisches Potenzial in meinen Genen zu haben, um mich mit meinen Gedanken lange genug beschäftigen zu können, dass ich davon müde werde. Genau das passiert aktuell.
Endlich fühle ich die Welle des Schlafes aufziehen, die sich nicht durch plagende und schweifende Lebensanschauungen und Erkenntnisse aufhalten lässt. Ich bin froh darüber. Froh, für eine handvoll Stunden vergessen zu können und endlich eine Form von Frieden zu finden. In dem annähernd narkotischen Schlaf, der mich erwartet, hoffe ich auf keine Albträume, sondern nur das weiträumige Nichts. Wie wundervoll das wäre. So jämmerlich Wundervolles gibt es nur noch.

Weitere Werke von Lenny:


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Yorinde
Geschlecht:weiblichLeseratte

Alter: 36
Beiträge: 165
Wohnort: Stendal


Beitrag25.05.2018 20:55

von Yorinde
Antworten mit Zitat

Hallo Lenny,
ich hab mich mal an deinen Text gewagt. Danke, dass du nicht noch mehr reingestellt hast. Wink
Ich musste hier schon ab und zu unterbrechen bzw. überfliegen. Nicht, dass es schlecht geschrieben ist. Ich finde nur, dein Prota gerät schnell ins Schwafeln, was m.E. für das Setting eher untypisch ist. Mach doch mal einen Test und schreib das alles handschriftlich ab. Dann frag dich, ob dein Prota, der gerade ein paar Stunden Ruhe zwischen den Gefechten genießen kann, wirklich so viel (zum Teil irrelevante Sachen) in sein Tagebuch schreiben würde.
Beispiel:

Zitat:
Wir alle wissen, dass es verdammt gefährlich ist, ein regelrechter Ritt auf Höllenhunden und es eine hohe Chance gibt, den Tod aus dem vor uns liegenden Kartendeck zu ziehen. Das Vorhaben wird viele Opfer fordern, das ist vorbestimmt. Doch hoffentlich trifft es keinen von den Genossen unserer Einheit, die im letzten Gefecht vor einer Woche auf uns Wenige dezimiert wurde.


Ich glaube, ein kriegsmüder Soldat würde in sein Tagebuch etwas schreiben wie:
Es werden wieder welche draufgehen. Hoffentlich keiner von uns, wir haben erst letzte Woche Kameraden verloren.
Das Wort Genossen finde ich dort auch etwas fehl am Platz, ich verbinde das eher mit der Politik der DDR.

Des Weiteren bin ich mir nicht sicher, ob die Details alle so stimmen, wie du sie beschreibst. Kannst mich gern eines besseren belehren. Wink

Zitat:
Soldat Grigorij Titow, unser Spitzname für ihn ist Grisha. Soldat Nikita Beloussow. Gefreiter Dimitrij Kowaljow, alle nennen ihn Dima. Gefreiter Alexander Popow. Ich, Gefreiter Wladimir Romanow. Feldwebel Viktor Schukow. Feldwebel Nikolaj Markow.


Die Ränge, die du hier aufzählst, sind aus der Wehrmacht. Du schreibst aber über die Rote Armee (von der ich auch nicht weiß, ob sie sich selbst als Rote Armee bezeichnet hat...?), möglicherweise hatten die ganz andere Bezeichnungen. Später gehst du auch darauf ein, dass die Kameraden sich durch den Krieg besser kennen als manche Geschwister. Würde er dann nicht nur ihre Namen schreiben, vielleicht sogar nur die Spitznamen? Das riecht nach verstecktem Infodump. Wink

Zitat:
Nicht, dass ich diese Bindung zu meinen Kameraden nicht ohne einen Augenblick lang nachzudenken dafür eintauschen würde, meine zwei Brüder und zwei Schwestern und meine Eltern nochmals in dem Arm nehmen zu können. Eines Tages, der mit hoher Wahrscheinlichkeit in nicht so ferner Zukunft liegt, werden ich, Mutter, Vater und einer meiner Brüder wieder vereint sein. Am besten nach einer Kugel direkt durch den Kopf – kurz und schmerzlos. Später würden auch meine zwei Schwestern und mein noch kindlicher Bruder nachkommen, wenn sie mir nicht in den letzten paar Wochen bereits vorausgeeilt sind.


Das ist auch sowas. Für einen Tagebucheintrag eines Soldaten an der Front für meinen Geschmack zu geschwollen. Außerdem - zwei Brüder, zwei Schwestern, er weiß doch wie viele Geschwister er hat, das bräuchte er sich nicht so aufschreiben. Das riecht mir auch nach verstecktem Infodump. Wink

Zitat:
Ihre Namen merken wir uns gar nicht. Kanonenfutter hat schließlich keinen Namen, außer eben Kanonenfutter.


Diese Bemerkung macht mir den Prota extrem unsympatisch. Gerade hat er noch davon geträumt, seine Eltern wiederzusehen, hat gehofft, seine Kameraden fallen nicht im nächsten Gefecht, sie als Brüder bezeichnet. Und junge Männer, die das gleiche Schicksal wie er teilen, sind plötzlich nur Kanonenfutter? Ich weiß nicht...

Zitat:
Den armen Angehörigen der für die Nazis verdammungswerten Religion wurden angeblich Dinge angetan, die sich ein normaler Mensch noch nicht einmal ausdenken könnte.


Waren die Gräultaten der Nazis den Rotarmisten tatsächlich noch während des Krieges bekannt? Oder ist das erst danach nach und nach ans Licht gekommen?

Zitat:
einen dunklen Raum voller Kerzen und Heu blickt


Ich kann mir schwer vorstellen, dass die Vergewaltigungen (die übrigens in der gleichen Grausamkeit beim Vorrücken der Roten Armee an deutschen Frauen passiert sind) in so einem romantischen Setting stattfanden.

Das waren mal ein paar Anmerkungen von meiner Seite.
Du hast dir echt ein ordentliches Stück Arbeit mit so einem Thema vorgenommen. Ich denke, das Setting dürfte noch düsterer, trostloser sein, weniger ausschmückende Details. Kalt, grausam - all diese Dinge, die du sowieso schon andeutest kannst du auch in ihrer harten Realität benennen, denn du schreibst zwar am Anfang, er möchte nichts beschönigen, aber durch seine teilweise geschwollene Sprache beschönigt er schon in gewissem Maße - für meinen Geschmack.

Aber es ist dein Werk! Nimm dir von meinen Anmerkungen, was du gebrauchen kannst, den Rest lass getrost beiseite.
VG, Yorinde


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BirgitJ
Klammeraffe


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Beitrag26.05.2018 10:06

von BirgitJ
Antworten mit Zitat

Moin,

der ausschweifende Stil wurde ja schon angesprochen. Ansonsten sind das LARPer, die WK II spielen? So liest es sich. Von 1945 aus sowjetischer Sicht gesehen, erkenne ich nichts in dem Text.

Grüße BirgitJ


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Fedor
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Beiträge: 37
Wohnort: Frankfurt am Main


Beitrag01.06.2018 12:07

von Fedor
Antworten mit Zitat

Hallo Lenny,

frei nach Tschechow: Die wahre Meisterschaft des Schreibens liegt im Streichen. So kommt man zum Wesentlichen.

Yorinde hat zum Tagebuch einiges gesagt. Darin, im Tagebuch, spiegeln sich Gedanken und Emotionen, keine Dienstgrade und Auslassungen über quietschende Räder.

Für mich würde es viel aufregender und interessanter klingen:

Eintrag 14. April 1945

Mama, wir fahren in den Tod! Zur beschissenen Musik quietschender Räder...

Grischa hat gerade unsere Wodka-Rationen weggeputzt. Er braucht´s. Wir ziehen ihm den Holzsplitter aus der Wade.

Gruß
Fedor
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