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Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Antiquariat -> Lesezeichenpoesie 05/2018
wie eine Straße hinuntergehen - INMITTEN - ohne Wunsch

 
 
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Aranka
Geschlecht:weiblichBücherwurm
A


Beiträge: 3106
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Lezepo 2017 Pokapro und Lezepo 2014



A
Beitrag06.05.2018 19:00
wie eine Straße hinuntergehen - INMITTEN - ohne Wunsch
von Aranka
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

.
.
.

Holunder greift übers Scheunendach, kein Himmel verdarb
den Vers, der zu nichts führen sollte:
.................. auf geteerten Planken Mittagslicht

ein Auto hupt, eine Taube fliegt auf, ein Ball rollt über die Straße

eine Frau bleibt stehen,
hebt die Hand, lässt sie fallen, hebt sie erneut

eine Hand, die in der Luft stehen bleibt

ein Mädchen in roten Stiefeln lacht, hüpft, geht
geht mit großen Schritten

es ist schwül, ich rieche den Regen

orangefarbene Plastikstühle, Müll in blauen Säcken
ein runder Tisch, am Ende der Straße ein Baggersee

sie steht breitbeinig, siebt das Wasser

er trägt seine Hände zum Tisch, streichelt die Zeitung
im Becher ohne Henkel Holunderbeerwein

ein Lichtfleck wandert, fällt mir aus der Hand

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Literättin
Geschlecht:weiblichReißwolf

Alter: 58
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Wohnort: im Diesseits
Das silberne Stundenglas Der goldene Roboter
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Beitrag14.05.2018 10:05

von Literättin
Antworten mit Zitat

Zentrale Rolle des Themas Un-Gewissheit - Hier entdecke ich sie. Fast schon filmisch plakativ. Aber sie ist deutlich da die Un-Gewissheit.


Einarbeitung des Zitats - Find ich rätselhaft aber schön: Kein Himmel, der den Vers verdarb. Da taucht ein Bild in mir auf von einem klarblauen, irgendwuie "regungslosen", fast schon herunter starrenden Himmel und dieses Bild trägt sich fort in mir, durch die folgende Szenerie.


Lyrischer Gesamteindruck - Sehr schön! Eine kaleidoskopartig eingefangene Straßenszene, geheimnisvoll und wie in Zeitlupe. minimal stören mich die kleinen Klischees vom rollenden Ball und dem stiefelnden Kind. Das ist fast Tatort, aber nur für einen kritischen Moment. Hier ist nichts aufgesetzt, das Ganze wirkt in sich schlüssig, sowohl formal in den Zeilenbrüchen, den Strophen- und Bildfragmenten und ich liebe einfach das Streicheln der Zeitung und vor allem anderen: den Lichtfleck der wandernd aus der Hand fällt. Der ist mir nach dem ersten, flüchtigen Lesedurchgang bereits als Bild in Erinnerung geblieben. Sparsam und großartig. Ein szenischer Stillstand, der gekonnt nach dem verlangt, was wohl als nächstes hier passieren wird. Und natürlich bleibt das un-gewiss: Ist das ein sommerliches Idyll oder ein Trugbild. Sehr schön. Muss ich nicht sagen, oder, dass das mein Favorit ist?


_________________
when I cannot sing my heart
I can only speak my mind
- John Lennon -

Christ wird nicht derjenige, der meint, dass "es Gott gibt", sondern derjenige, der begonnen hat zu glauben, dass Gott die Liebe ist.
- Tomás Halík -

Im günstigsten Fall führt literarisches Schreiben und lesen zu Erkenntnis.
- Marlene Streeruwitz - (Danke Rübenach für diesen Tipp.)
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lebefroh
Geschlecht:weiblichEselsohr
L

Alter: 43
Beiträge: 364
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Der bronzene Durchblick


L
Beitrag14.05.2018 12:56

von lebefroh
Antworten mit Zitat

Hhm. Das ist aber nicht der Vers, der eingefügt werden sollte. Also führt er wohl zu nichts.
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firstoffertio
Geschlecht:weiblichShow-don't-Tellefant


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Das bronzene Stundenglas Der goldene Spiegel - Lyrik (1)
Podcast-Sonderpreis Silberner Sturmschaden


Beitrag14.05.2018 23:07

von firstoffertio
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Holunder greift übers Scheunendach:

Was für ein toller Anfang.

Und ein wunderbares Ende:

ein Lichtfleck wandert, fällt mir aus der Hand.

Dazwischen fast eine Familienidylle. Fast?

Darüber bin ich mir ungewiss.

Ebenso über das durchgezogene Bild der Hände. Ist mir das nicht doch zu viel?
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Constantine
Geschlecht:männlichBücherwurm


Beiträge: 3311

Goldener Sturmschaden Weltrettung in Bronze


Beitrag15.05.2018 11:19

von Constantine
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just points smile

Meine Nr.2
Gefällt mir sehr gut.
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Heidi
Geschlecht:weiblichReißwolf


Beiträge: 1425
Wohnort: Hamburg
Der goldene Durchblick


Beitrag16.05.2018 21:27
Re: wie eine Straße hinuntergehen - INMITTEN - ohne Wunsch
von Heidi
Antworten mit Zitat

Der Text ist sehr bildhaft oder noch mehr: er liest sich wie ein Drehbuch. Ich blicke durch die Kamera neutral auf das Geschehen. Und was ich sehe gefällt mir; Bilder die teils surreal wirken, aber eben nur leicht. Sie könnten für meinen Geschmack ruhig "heftiger" ausfallen.
Hände spielen eine große Rolle. Hände tun, sind unser Werkzeug für unser Tun. Hier werden sie gehoben, fallen gelassen, es wird damit gestreichelt und am Ende ist es der Lichtfleck, der aus der Hand fällt. Wie kommt er dorthin? Ich mag es, mir diese Frage zu stellen.

Un-gewissheit. Keine Ahnung. Irgendwie erlebe ich nichts Un-gewisses und ich bin weniger intellektuell lesend, zähle eher zu "Empfindungslesern". Die Bilder werden sichtbar, erlebbar; es kommt eine sommerliche Stimmung auf, die Luft riecht schwer, wegen der Schwüle, wegen des Hollunders, klar auch wegen des Reges, den das LI selbst riecht. Ich sehe den Ball hüpfen, höre das hupende Auto, diese Taube und das fröhliche Mädchen. Dann der Fokus auf den Müll, den Tisch, den Baggersee. Sie, die stehen bleibt - das wird wohl die Frau sein, die zu Anfang innehält und die Hand fallen lässt. Jetzt siebt sie Wasser. Wasser ist für mich der Inbegriff von Leben und gleichzeitig auch von Verderben. Es ist in seiner Konsistenz absolut variabel; kann von flüssig bis gefroren, von verschmutzt bis rein, eben alles sein. Und Wasser hat für mich auch etwas Gefühlsmäßiges, anders als etwa Luft, die für mich eher das Denkerische repräsentiert.
Dann kommt eine neue Figur. Ein Mann oder Junge, ich schätze eher, dass es sich um einen Mann handelt, da Jungs eher weniger Zeitung lesen. Na ja, der streichelt sie, könnte also auch ein Junge sein. Warum streichelt man eine Zeitung? Warum siebt man Wasser? Die Zeitung wird glatt gemacht - der Inhalt ist wichtig für ihn. Er liebt die Zeitung, die als Sinnbild für Information stehen könnte. Eventuell. Er liebt also diese Information. Die Frau siebt Wasser. Ich erlebe das als liebevolle Geste. Sie kümmert sich darum. Vielleicht ein Reinigungsprozess? Sie möchte das Wasser vor Verschmutzung bewahren, siebt es. Oder geht es ihr um das, was im Wasser steckt? Siebt sie nach Gold? Nein, dazu steht das Wasser zu sehr im Vordergrund. Und dann ist der zu Anfang um sich greifende (nee, stimmt nicht, er greift übers Scheunendach) Hollunder plötzlich zu Wein geworden. Vergoren, ein Entwicklungsprozess. Von der Beere (bzw. vom Saft) zu Alkohol. Und die Mittagshitze komprimiert sich zu diesem einen Lichtfleck - der geht unter. Fühlt sich am Ende niederschmetternd an. Auch weil er letztendlich verschwindert, fallen gelassen wird bzw. aus der Hand fällt. Wie ein Versehen. Das letzte Fitzelchen Licht ist dann auch noch dahin.

Es war spannend, diese Zeilen in mir zu bewegen, sie tiefer zu ergründen. Dennoch gelingt es mir nicht, das Thema zu greifen. Der Titel könnte die Lösung beherbergen. Der Inmitten-ohneWunsch könnte es sein, der die Un-gewissheit transportiert. Möglicherweise. Wobei ich den Titel eher vom LI ausgehend lese. Es steht inmitten dieser Szene. Es nennt sich selbst nur einmal beim Namen als beobachtendes Wesen, das Geruch empfindet. Und zwar in der Textmitte und dann von mir aus ohne Wunsch. Wäre diese eine Ich-Stelle nicht, dann könnte es sich auch um einen neutralen Erzähler handeln.
Insgesamt ist das Gedicht für mich schwer zu greifen. Aber es fasziniert mich.

Es gibt aber eine Sache, zusätzlich zu dem schweren Erkennen des Un-Gewissheits-Themas, die es mir nicht leicht macht, eine Entscheidung zu treffen, was Punkte betrifft und zwar diese hier:

Postkartenprosa hat Folgendes geschrieben:
verdarb
den Vers, der zu nichts führen sollte:


Klar, Regeln sind dazu da, um gebrochen zu werden, aber der Satz fühlt sich unangenehm an, wenn ich bedenke, wie andere den "richtigen" problemlos in ihren Text miteingebunden haben. Wäre das kein Wettbewerbstext, dann würde ich wohl anders denken, allein schon, weil ich das mag, wenn jemand so trotzig ist, und sich weigert, sich an Regeln zu halten. Hier stehen aber noch andere sechzehn Texte im Board, deren Verfasser versucht haben, das Beste aus dem Gegebenen zu machen, quasi, sich den vorgegebenen Satz anzueignen und durch ihren individuellen Ausdruck darzustellen, ihn neu zu erschaffen.
Das passiert hier leider nicht.
Was tun mit den Punkten? Ich weiß es nicht.

Mein Bauch hat entschieden: Nein, keine Punkte.
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d.frank
Geschlecht:weiblichReißwolf
D

Alter: 44
Beiträge: 1125
Wohnort: berlin


D
Beitrag17.05.2018 00:43

von d.frank
Antworten mit Zitat

Versuch Nummer zwei, weil alles, was schon stand, grad eben gefressen wurde. Twisted Evil

Was habe ich jetzt noch mal geschrieben?
Also das mit der Lyrik fällt mir wirklich schwer. Crying or Very sad
Auf jeden Fall hatte ich geschrieben, dass mir das gefällt. Dass es für mich die Momentaufnahme eines oberflächlichen Idylls ist, dem der Sprecher ambivalent gegenübersteht. Jetzt, nachdem ich die Wäsche aufgehangen und darüber nachgesonnen habe, kommt es mir vor, als würde sein Bild korrumpiert. Das Bild eines lauen Sommertages, der ihn dazu veranlasst, eine Straße hinunterzugehen, die Gedanken leicht zu lassen. Aber dann schieben sich Dinge davor, Menschen, die sich in ihn eindrängen, ihm die Zwanglosigkeit nehmen.

Der Titel ist widersprüchlich. Alles das, diese Abfolge ist für ihn das Abbild der Unternehmung eine Straße hinunterzugehen, inmitten-und das steht groß-aber trotzdem ohne Wunsch. Ist das jetzt der Wunsch? Dass er es könnte, ohne zu wünschen? Das krieg ich jetzt nicht ganz auf die Reihe. Aber so ähnlich möchte ich es interpretieren.

Noch mal genauer und in erster Linie für mich selbst:

Zitat:
Holunder greift übers Scheunendach, kein Himmel verdarb
den Vers, der zu nichts führen sollte: .................. auf geteerten Planken Mittagslicht




Holunder greift - die Natur wird personalisiert. Das setzt sie in Beziehung zum Sprecher und auch in Beziehung zum von Hand errichteten Dach. Der Himmel verdirbt nichts, er ist nicht trübe und verhangen und verdirbt die Gedanken und damit den Vers. Da spürt also jemand eine Sinnlosigkeit seines Unterfangens und ist froh, ihm ein Mal auch entkommen zu sein.
geteerte Planken - das ist wieder so eine Personalisierung. Planken, das assoziiert man mit Schiffen, mit Weite. Aber auch ein Zaun hat Planken und diese hier sind geteert, von Menschen gemacht, geteert ist für mich hier ein Negativwort.

Zitat:
ein Auto hupt, eine Taube fliegt auf, ein Ball rollt über die Straße


Hier brechen dann die Dinge hinein. Sie werden aber nur beobachtet, in relativ schneller Anfolge

Zitat:
eine Frau bleibt stehen,
hebt die Hand, lässt sie fallen, hebt sie erneut

eine Hand, die in der Luft stehen bleibt


Dann regt sich hier schon das erste Nachsinnen am Ende des Verspaares.

Zitat:
ein Mädchen in roten Stiefeln lacht, hüpft, geht
geht mit großen Schritten


hier ebenfalls


Zitat:
es ist schwül, ich rieche den Regen


Der Sprecher wird überdrüssig. Ihm wird schwül, er wünscht sich einen baldigen Regen

Zitat:
orangefarbene Plastikstühle, Müll in blauen Säcken
ein runder Tisch, am Ende der Straße ein Baggersee


Das hier ist dann schon mit Verbitterung betrachtet. Es klingt, als ließen die Leute überall ihren Müll rumstehen und auch der See wurde von ihnen einfach in die Gegend gepflanzt.

Zitat:
sie steht breitbeinig, siebt das Wasser

er trägt seine Hände zum Tisch, streichelt die Zeitung
im Becher ohne Henkel Holunderbeerwein


Siebt das Wasser?
Darüber stolpere ich und sehe augenblicklich ein mittelalterliches Bild, das ich nicht eingefügt bekomme. Warum siebt sie das Wasser?
Will sie es nicht natürlich lassen? Steht breitbeinig da und zerstört die Harmonie? Und er? Er weiß nicht wohin mit seinen Händen, kann sie für nichts anderes mehr nutzen, als mit ihnen die Zeitung zu streicheln. Der Becher ohne Henkel, natürlich der olle Pappbecher, die blauen Mülltüten und dann trinkt er den Holunder, hat ihn sich zu Wein machen lassen.
Insgesamt stehen die Menschen hier als ordinäre Eindringlinge und deshalb fällt dem Erzähler schon in der nächsten Zeile der Lichtfleck, der für mich hier als Lichtblick steht, aus der Hand, die eine schöne Überleitung zum eigenen wirken ist, denn auch der Erzähler tut ja seiner Hände Arbeit, so ist das eben, als Mensch?

So weit so gut, ich habe wie gesagt, nicht alles verstanden und freue mich auf die Kommentare des Verfassers dazu!


_________________
Die Wahrheit ist keine Hure, die sich denen an den Hals wirft, welche ihrer nicht begehren: Vielmehr ist sie eine so spröde Schöne, daß selbst wer ihr alles opfert noch nicht ihrer Gunst gewiß sein darf.
*Arthur Schopenhauer
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AchWiesoNicht
Gänsefüßchen
A

Alter: 28
Beiträge: 15
Wohnort: Leipzig


A
Beitrag17.05.2018 16:29

von AchWiesoNicht
Antworten mit Zitat

Nicht ganz neutraler Kommentar, um bewerten zu können. Die Atmosphäre ist gut gezeichnet, meine persönlichen Highlights sind
Zitat:
auf geteerten Planken Mittagslicht
sowie
Zitat:
er trägt seine Hände zum Tisch
Einen Abzug muss ich der Fairness halber machen, da das vorgegebene Zitat leicht verfremdet wurde.
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Aranka
Geschlecht:weiblichBücherwurm
A


Beiträge: 3106
Wohnort: Umkreis Mönchengladbach
Lezepo 2017 Pokapro und Lezepo 2014



A
Beitrag17.05.2018 18:28

von Aranka
pdf-Datei Antworten mit Zitat

.
.

verdarb den Vers, der zu nichts führen sollte


Wie habe ich diese Zeile verflucht und wie hat sie mich gereizt und herausgefordert.

Bis Dienstagabend habe ich diese Zeile mit mir rumgeschleppt:
in den Keller zum Bügeln, durch den Garten zum Rosen anbinden,
habe sie durch Aldi geschoben und nur die Hälfte des Einkaufszettels abgearbeitet.

Ich musste durch manche Straße laufen um mich endlich – endlich INMITTEN zu verirren.

Mir begegnete ein LI, dass nichts wollte, nur gehen im Zeitmaß der Straße:
durchlässig sein für die Ereignisse, sie behutsam einsammeln.
Es lud mich ein, ich wurde sein Autor,  
fand den Augenblicken einen Ton,
ließ den Dingen ihren Platz.

NUR AUGE! NUR OHR!

Der Welt keinen Entwurf unterschieben!
Den Versen nicht die Bürde des Wissens aufhalsen!


Verse pflücken. Verse, die zu nichts führen sollten.
Verse, die sind, was sie sind: Möglichkeiten.
Möglichkeiten INMITTEN.

Diese Möglichkeiten ihre einzigen Gewissheiten.

Wer oder was könnte diese Verse verderben?


Jetzt sind sie auf dem Weg zum Leser.


Die Schreibzeit war spannend und intensiv
und ich war mit meinem LI in einer freudigen Weise unterwegs.

Nun freue ich mich auf Rückmeldungen, hoffentlich kritisch und ungeschönt.
Möchte erfahren, was die Leser mitnehmen können, was sie irritiert.

Unebenheiten sind drin. Habe selbst schon Fragezeichen gesetzt.
Die Zeit mit meinem LI war zu kurz, aber sie war ein guter Anfang
und vielleicht ein neuer Einstieg.

Den Moderatoren meinen Fluch und Dank für dieses sperrige Zitat,
das zum Motor meiner Schreibtage wurde.

wie eine Straße hinuntergehen -INMITTEN- ohne Wollen

Ich wünsche jedem Leser, dass er sich gründlich verirrt und vielleicht,
ganz weit in der Ferne, das Zeitmaß seiner Straße finden wird. Aranka


_________________
"Wie dahingelangen, Alltägliches zu schreiben, so unauffällig, dass es gereiht aussieht und doch als Ganzes leuchtet?" (Peter Handke)

„Erst als ihm die Welt geheimnisvoll wurde, öffnete sie sich und konnte zurückerobert werden.“ (Peter Handke)
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menetekel
Geschlecht:weiblichExposéadler

Alter: 104
Beiträge: 2452
Wohnort: Planet der Frühvergreisten


Beitrag17.05.2018 18:55

von menetekel
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Hallo Anonyma,

aus meiner Sicht weicht

Holunder greift übers Scheunendach, kein Himmel verdarb
den Vers, der zu nichts führen sollte:
.................. auf geteerten Planken Mittagslicht

doch ziemlich von unserer Vorgabe ab ... und ich kann mir zudem keinen rechten Vers darauf machen, welche Bedeutung deinem Vers in den Versen überhaupt zukommt.

Der ganze Rest gefällt mir super, weil ich diese minimalistische Art mag.
Eine sehr schöne Momentaufnahme in Zeitlupe.

m.


_________________
Alles Amok! (Anita Augustin)
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Stimmgabel
Geschlecht:männlichPapiertiger


Beiträge: 4370
Wohnort: vor allem da
Bronzener Sturmschaden Der goldene Spiegel - Lyrik (2)



Beitrag18.05.2018 13:29
Re: wie eine Straße hinuntergehen - INMITTEN - ohne Wunsch
von Stimmgabel
Antworten mit Zitat

-

wie eine Straße hinuntergehen - INMITTEN - ohne Wunsch


Holunder greift übers Scheunendach, kein Himmel verdarb
den Vers, der zu nichts führen sollte:
.................. auf geteerten Planken Mittagslicht

ein Auto hupt, eine Taube fliegt auf, ein Ball rollt über die Straße

eine Frau bleibt stehen,
hebt die Hand, lässt sie fallen, hebt sie erneut

eine Hand, die in der Luft stehen bleibt

ein Mädchen in roten Stiefeln lacht, hüpft, geht
geht mit großen Schritten

es ist schwül, ich rieche den Regen

orangefarbene Plastikstühle, Müll in blauen Säcken
ein runder Tisch, am Ende der Straße ein Baggersee

sie steht breitbeinig, siebt das Wasser

er trägt seine Hände zum Tisch, streichelt die Zeitung
im Becher ohne Henkel Holunderbeerwein

ein Lichtfleck wandert, fällt mir aus der Hand


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Hallo Inko [ wink ],

eine Lyrikerin zeigt sich mit diesem Text; wir kennen sie, und wieder ein Text, eine Sprachführung in einer, ihrer unverkennbaren Unaufgeregtheit  / passiert die Bewegung tatsächich immanent, ohne auch nur einen angelegten Bild-Ton außer Acht zu lassen  / mir eine lyrische Erlebnisfreude    Smile

Und. Ich darf über das text_Innere nachdenken; wollte er uns regen, und er tut es gewiss  / ein weiterer Grund. Inko, sind deine Texte immer ein Grund, nachzudenken; ein lapidares Drüberlesen ist nicht dein Ding; mir zum Glück. Und genau so beginnt auch diese Lyrik. Eröffnet sie das Bild mit der Lebhaftigkeit dieses Holunders, krabbelt er an der “geteerten, geplankten Scheunenwand“ hoch [ reicharm ], in die Höh ... darf er’s, weiß es  / lässt ihn die Himmelsweite diese Freiheit,

setzt hier das Zitat ein:    (kein Himmel) verdarb den Vers, der zu nichts führen sollte ...     , mMn höchst geschickt integriert [ trotz der komplizierten Imperfekt und Konjunktiv-Struktur, trotz des irr_Reals, dass das Zitat selbst einzig fragment-fetzig aus seinem Kontext herausgerissen ist  Wink ].

___________________________________________  will der Text diesen Einstieg:

Holunder greift übers Scheunendach, kein Himmel verdarb
den Vers, der zu nichts führen sollte:                  auf geteerten Planken Mittagslicht


Braucht’s nun ein genaues Lesen, was hier tatsächlich intoniert ist, sein will, zumal mit dem Doppelpunkt direkt hinter dem Zitat vor der Bezugs-Sequenz:  auf geteerten Planken Mittagslicht   / wird hier die Freiheit des Holunders ein gleichbedeutender Wert dieses “Himmels“ , liegt die Freiheit im Ding selbst,  ist das Ding, wie es ist ...

sucht der Text den Blick im ersten Schritt. Das Ding erfassen, was es freigibt. Lass dich auf das Unbekannte, Fremde ein [ auf das IST ], kann die denk_Axt immer noch, danach, dazwischen hacken ... "verderben"   / mMn genau die Intention des gesamten Textes.  LI's Reise durch diese Straße in ihrerselbst_Gesicht  / im Gleichsinn der Zitat-Sequenz:  ... der zu nichts führen sollte , quasi die Freiheit des ersten Hinschauens. Wird nun dieses zitate "sollte" zu einem Wollen, was LI im Text einzig will, eben sich einlassen auf diese Straße ihrerselbst.

Ist da der Doppelpunkt. Wird nun der Vers:  "auf geteerten Planken Mittagslicht“  in den IST-Mittelpunkt seinerselbst gerückt.  Ist:  Mittagslicht, Holzplanken, geteert ... LI’s Ausgangspunkt, seine/ihre Empathie-Reise zu beginnen. Die Straße hin, entlang  / auf ihr, mit ihrerselbst_Gesicht begehen, lässt sich LI ein.

Für mich ein Hineinschauen in ein Stillleben, darf ich als Leser mitgehen, LI's Straßensplitter durch LI's Augen mit auflesen  / Dinge, Menschen, sich agierende Menschen und Dinge im Gesicht dieser Straße ; wird der Text zu einer IST-Collage, die ihre Bildteile selbst anordnet. Da ist kein Hinzu, kein Wegnehmen, kein Kaschieren

... der dahinrollende Ball hat natürlich eine Ursache
... die Frau weiß natürlich, warum sie ihre Hand hebt und wieder sinken lässt, wieder hebt
... warum das rot-gestiefelte Kind mit großen Schritten geht, ist ihm bewusst

... zeigt sich die Straße ihrerselbst in ihrem un_Geschmink, IST_farbig [ Plastikstühle, Müll, ein runder Tisch ], sieht LI einen belassenen Grund ohne Scham,

... eine ’SIE’ steht breitbeinig da, siebt Wasser [ was für ein Vorgang, Wasser sieben ... vielleicht dem Innen des Dings auf diese Weise näher kommen ]

... ein ’ER’ streichelt seine Zeitung ... neben, ein Becher voll Holunderbeerwein [ schließt sich vielleicht mit diesem Bild, das freie Streben des hochkrabbelnden Holunders übers Dach und doch sensibel, ungierig, als würde auch der Holunder das Holz, das Dach streicheln ]

                                           ---------------------------------

... lässt sich LI auf diese Sehweise ein, kein Hinzu, kein Wegnehmen, kein Kaschieren ... passiert Leben in seinerselbst Laute, still im außen_Auge  / für mich genau dieses Dual Stillleben ... zweimal gibt dann doch Li Empfindungen, Reflektionen wider: greift für einen Moment ich-personal ins Geschehen ein.

Einmal in der text_Mitte: es ist schwül, ich rieche den Regen

... eine Deutung fällt mir hier schwer  / eine Unterbrechung LI’s Reise auf dieser Straße. Vielleicht ja ein solcher quer_Moment in LI, sich dem inneren quäl_Geist zur Wehr zu sezen, ihn bändigen; sich selbst von ihm abzulenken ... greift zudem der Text diese Bilder “Schwüle“ und “Regen“ nicht mehr auf, stehen sie einerseits ohne konkreten Halt im Text da, vielleicht eine zwischen-wehende Mahnung?

Dann ein zweites ich_Einlassen am text_Ende :  ein Lichtfleck wandert, fällt mir aus der Hand    ...

auch hier personalisiert LI einen Moment auf der Straße, spricht von  ’einem’ Lichtfleck. Greift dieser Lichtfleck in LI's Bewusstsein  / frage ich mich natürlich warum gerade dieser unbestimmte “ein Lichtfleck“ ... und nicht “der Lichtfleck“ ... würde ich kongruent hier jenes Mittagslicht vom text_Beginn wieder aufgreifen. Hat sich mittlerweile weiterbewegt [ gleichwie LI selbst ].

Haben sich im Zeitverstrich die Dinge konsequent verändert [ wie auch LI selbst ], erkennt LI, dass mit diesem Gedankeneinschub die stilllebende Reise damit beendet ist ... unterbräche sich die Situation selbst, die Begegnung mit LI  / mMn LI's vorab_Wissen. eine Reise, die sich selbst bestimmt, also auch ihr Ende.

Greife ich dbzgl nochmal die bei_Erwähnung auf, führt die Straße zum Baggersee, dort weit hinten, zu diesem geformten Formlos [ am Ende der Straße ein Baggersee ] und das Einstiegsbild der “geteerten Planken“. Sehe ich nun als zwei_Bild dafür, lägen von der Scheune aus geteerte Weg-Planken in ein Irgendwohin [ ohne näheres Ziel ] ausgelegt,

der Beginn LI’s kleiner Reise ... hinüber die Straße und doch ohne Ziel [ ein Ziellos, kein Wahllos ], LI’s Einlassen auf das Drin –und Drumherum dieser Straße, mMn schon im Titel bedeutet:

wie eine Straße hinuntergehen - INMITTEN - ohne Wunsch

Will LI inmitten der Straße sein  / ’sie’ in ihrersebst erleben, das Eigenleben ’Straße’ begehen ... da sein und sehen, spüren. Intoniert mir das Anhängsel “ohne Wunsch“ diesen Fakt außerdem, wobei für mich persönlich ein Unnötig, kündigt ja schon das “wie“  [ quasi, als ob ] jenen anders_Weg von LI an, mMn.

                                                                                                                                     -----------------

zur sprachlichen Umsetzung  _________________________ :

bleibt der erzähl_Duktus konsequent in der Ebene des Sehens, Wahrnehmens und Beschreibens ohne auch nur einen Moment die innere Lebendigkeit der einzelnen Sequenzen auszusparen  / ganz im Gegenteil, toniert mMn gerade dieser unaufgeregte Stil die still-lebende Lebendigkeit jener Straße so nah wider. Werden die einzelnen Szenen sich selbst überlassen [ genau ihr Grund, eben so zu sein ].

Das Warum? ist nicht das Thema dieses lyrischen Textes. Wird quasi die Straße selbst zum Autoren dieses Textes;  zeichnet ihr Gesicht, lässt LI einen Blick darauf  / erzählt uns LI davon ... darf der Leser mitgehen.

Noch erwähnenswert für mich der geschickte benenn_Wechsel der Personen, Dinge  / einesteils unbestimmt in Form: ’ein, eine, einer’ hin zu konkreten Bennungen wie ’der, die, das’ bis hin zu dritte-Person Personalisierungen wie ’er, sie’ . Sicher ein tragendes Duktus-Element dieses Textes, eben die Straße sich in ihrerselbst erzählen zu lassen.

                                               ---------------------------------------------


Inko [ Wink ], wieder eine mitgeh_Freude für mich, dein eigenwill_Text  Smile    ... für mich die Nummer Eins des Wettbewerbs  / ein fröhpfeifendes Tschüss dir,  Stimmgabel ...



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V.K.B.
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Beitrag20.05.2018 23:17

von V.K.B.
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Hallo Inko,
da du keins der beiden Zitate wortgetreu in das Gedicht eingebaut hast, sehe ich die Vorgaben nicht umgesetzt und muss den Text aus meiner Wertung disqualifizieren.


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gold
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Beitrag21.05.2018 13:34

von gold
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Am Besten gefallen mir die beiden ersten Sätze.
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d.frank
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Beitrag21.05.2018 16:11

von d.frank
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12 Punkte von mir.
Ich mag, was sich für mich dahinter versteckt, die Gedanken, die es anregt, und das Spiel mit Sprache.


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Beitrag21.05.2018 19:54

von Zinna
Antworten mit Zitat

Hallo Inko,

bei diesem Wettbewerb werde ich meinen Kommentar nach einem Schema erarbeiten.

Titel
Wie ein Armschwung, der den Blick auf alles lenkt.

Thema
Was ist/geschieht echt, kommt Wer oder doch nicht?
Wie, wenn überhaupt, lässt sich etwas festhalten?

Zitat
Inko, du bist am mutigsten von allen Teilnehmern. Du hast den Vers nicht nur eingesetzt sondern mit/an ihm gearbeitet, ihn ins Aktiv gesetzt.

Weiteres
Der Holunder zieht mich in eine Szenerie hinein.
Wasser, Hafen, Menschen.
Das Gedicht hat keinen weichen Rhythmus, seine Verse sind wie Skizzenstriche, das Gedicht eine mit Tusche versehene Skizze, aus Bildern, Bewegungen, Stimmung.
Beim wiederholten Lesen möchte ich zugreifen, doch ist jedes Bild irgendwie anders, wie mit dem Licht gewandert.

Lieblingsstelle
"Holunder greift übers Scheunendach"
"Ein Lichtfleck wandert, fällt mir aus der Hand"

Weit oben in den Punkterängen.

LG
Zinna


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(c) Zinna
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Sue Rovia
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Beitrag22.05.2018 23:30

von Sue Rovia
Antworten mit Zitat

Ich hatte die Vorgaben tatsächlich so verstanden, dass der vorgegebene Vers nicht verändert werden sollte.
Die Einbettung des Verses ist aus meiner Sicht insgesamt nicht so gelungen, er wirkt ein bisschen wie ein Fremdkörper im Rest des Textes.
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poetnick
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Wohnort: nach wie vor


Beitrag23.05.2018 11:36

von poetnick
Antworten mit Zitat

Hallo Unbekannt,

ein Text der sich, mit wiederholtem Lesen - unaufdringlich, zu meinem Favoriten entwickelt hat.
Diese flirrenden, etwas traumartigen Szenerie hat mich doch gepackt. Für mich
das poetischste Gedicht im ganzen Feld.

Liebe Grüsse - Poetnick


_________________
Wortlos ging er hinein,
schweigend lauschte er der Stille
und kam sprachlos heraus
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Lorraine
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Das goldene Stundenglas Ei 10
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Beitrag24.05.2018 09:40

von Lorraine
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Auffällig in diesem Gedicht waren zunächst (für mich) die besonders schönen Stellen, die hervorblitzen, als würden sie von diesem wandernden Lichtfleck, der dem LI am Ende aus der Hand fällt, gestreift werden.

Das Zitat, das keins mehr ist, da es von dir verändert (dennoch nicht an- oder eingepasst) wurde, bleibt ein Fremdkörper, stellt vielleicht einen Gedanken dar, der den Beschreibungen, Beobachtungen und Sinneseindrücken ein Bedauern über einen nicht zustande gekommenen Text vorausschickt, eine aufgeschobene oder verpasste Begegnung in gewissem Sinn.

Etwa in der Mitte des Gedichts taucht dieses beobachtende Ich mit

Zitat:
ich rieche den Regen


auf, einer bloßen Feststellung, die wie eine Justierung funktioniert, eine Feineinstellung. Es ordnet sich in das Beschriebene ein, ist inmitten all dessen, was passiert (vorbei geht, aber gleichzeitig als Zeitpunkte in Beobachtungen festgehalten wird.
Ob der Regen bereits gefallen ist, oder in der Luft liegt, noch kommen wird – es bleibt mir überlassen, wie ich das lesen will. Und das ist ein Merkmal dieses Gedichts: Es deutet an, es skizziert, es will nicht überzeugen. Vieles bleibt (wie die Hand, die in der Luft stehen bleibt), verharrt für den kurzen Moment einer Stimmung – wird die Hand zum Gruß gehoben, ist es eine warnende Geste? Schon kommt die nächste Beobachtung, und wieder ist da (auch) der Eindruck, dass die Verschriftlichung mit Antwortversuchen zu hat, mit der implizit im Titel angedeuteten Frage »Wie (sieht das aus/könnte das sein:) eine Straße hinunter gehen […]


Der Wunsch, ohne Wunsch zu sein? – Es ist nicht klar, ob und wie das Ich in Kontakt mit der Umgebung treten könnte – es scheint isoliert in seiner Haltung des Beobachtenden. Was jede einzelne Szene oder Beobachtung mit allen gemeinsam hat: Je nach Vorzeichen (positiv oder negativ), das man setzen würde, könnte sie in die eine oder andere Deutung kippen. Jedes Detail trägt zu diesem Eindruck der Ungewissheit bei, denn aufgelöst wird nichts. Auch nichts beurteilt, und das gefällt mir.

Zitat:
ein Lichtfleck wandert, fällt mir aus der Hand


Das Ich bleibt bewegungslos, geht nirgendwo hin.

Ich mag einzelne Verse sehr gern und in sich bergen sie eine poetische Kraft, wie dieser hier:

Zitat:
er trägt seine Hände zum Tisch, streichelt die Zeitung


Auch wenn (mir) insgesamt in diesem Text eine rhythmische Gestaltung fehlt, oder ich sie nur angedeutet finde und trotz der Tatsache, dass ich nicht verstehe, wozu das Zitat verändert wurde (wenn es dann genau so herausfällt, wie es das Original getan hätte), bleibt dieses Gedicht für mich dasjenige, in dem ich mich am liebsten aufgehalten habe.

12 Punkte.

Grüße,
Lorraine
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Rübenach
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Beitrag25.05.2018 16:43

von Rübenach
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Und am Ende geht einem doch die Kommentierzeit aus. Kein Wunder, wenn man sich erst Freitagmorgen dazu entschließt, zu befedern und zu kommentieren.

Auch hier wurde die Zitatvorgabe nicht erfüllt, aus verdarb den vers, aus dem nichts folgen sollte wurde  verdarb/ den Vers, der zu nichts führen sollte. Was also tun beim Bewerten? In Anbetracht der tatsache, dass von den Texten, die dieses Gedicht eventuell von seinem Platz verdrängen könnten, auch keine ein den Anfordrungen entsprechendes Zitat enthält, bleibt es beim zweiten Platz.


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Aranka
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Beitrag26.05.2018 00:14

von Aranka
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Heute euch allen nur ein kurzes Danke fürs Lesen, Kommentieren und Bewerten.

Wunderbare Gedanken finde ich unter meinem Text und bin sprachlos.

Werde mich erst in den nächsten Tagen dazu melden,
im Augenblick erfreue ich mich an all euren Lesergedanken,
die mich meinen Text noch einmal anders anschauen lassen.

Liebe Grüße. Aranka


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"Wie dahingelangen, Alltägliches zu schreiben, so unauffällig, dass es gereiht aussieht und doch als Ganzes leuchtet?" (Peter Handke)

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Aranka
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Beitrag27.05.2018 08:40

von Aranka
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Werde nun nach und nach auf die Kommentare eingehen, nicht unbedingt in der gegebenen Reihenfolge.

Hallo Literättin!

„Sparsam und großartig“ schreibst du an einer Stelle in deinem Kommentar und wenn du das so empfunden hast, freut mich das sehr.
Ein anzustrebendes Schreib-Ziel in weiter Ferne würde ich mal sagen, aber vielleicht stimmt ja der eingeschlagene Weg: Den Satz von Handke (meine Texte sind weit davon entfernt) seit Jahren fest im Blick:
 
"Wie dahingelangen, Alltägliches zu schreiben, so unauffällig, dass es gereiht aussieht und doch als Ganzes leuchtet?" (Peter Handke)

Du stellst Textstellen herausstellst: das Streicheln der Zeitung und der Lichtfleck der wandert, weil sie dir in Erinnerung geblieben sind.
Auch diese Rückmeldung ist mir wertvoll, sagt sie mir doch, dass diese Verse etwas berühren, das auf irgendeine Weise nach dem Leser greift. Ich denke einmal, sie treffen in einen Erlebnishintergrund des Lesers und lassen ein Bild oder einen Gedanken aufleuchten. Wenn mir das mit ein zwei Versen gelingt, bin ich schon sehr zufrieden. Für mich sind solche Verse, die nach mir greifen, in fremden Texten immer die Türöffner, sie sind die freundliche Einladung: „Hereinspaziert!“

Ich möchte noch einen weiteren Kommentarsatz herausgreifen, weil er mir eine wichtige Auskunft gibt:

Zitat:
Ein szenischer Stillstand, der gekonnt nach dem verlangt, was wohl als nächstes hier passieren wird. Und natürlich bleibt das un-gewiss: Ist das ein sommerliches Idyll oder ein Trugbild.


Wie eine Straße hinuntergehen? INMITTEN – ohne Wunsch:
Ich wollte den Leser mitnehmen in dieses „Un-Gewiss“ des Unterwegs-Seins, das immer auch Möglichkeit und Freiheit ist. ***

Jede Begegnung, jede Beobachtung: ein Anfang von etwas. Ein Geschenk!
Das ist häufig meine Grundstimmung, wenn ich „unterwegs“ bin.
Wie es weitergeht und ob es weitergeht?  – Un-gewiss!
Ich könnte es frei-phantasieren, immer neu, immer anders – bleibe ich unterwegs. Inmitten …

Diese Un-Gewissheit, diese Möglichkeit, diese Freiheit wollte ich dem Leser schenken: Jeder Vers ein Anfang von etwas!
Wohin sie den Leser führen, ob sie ineinandergreifen oder ob jeder Vers für sich alleine bleibt? Der Leser wird diese Straße auf seine Weise hinuntergehen.

Du glaubst nicht, wie es mich freut, wenn das nicht Ausgesprochene im Text zum Leser gelangt. Und das erfahre ich nur in solchen Kommentaren.

Wichtig sind mir auch die Störungen und Irritationen, die beim Leser entstehen. So benennst du den rollenden Ball und das stiefelnde Kind (fast Tatort). Für dich Klischees.
Ich muss drüber nachdenken. Liegt es an der sprachlichen Setzung? Liegt es an der Stellung im Text? Liegt es daran, dass sich bei dir ein Zusammenhang zwischen diesen Zeile in den Vordergrund drängt? Ich markiere die Zeilen, behalte sie im Auge, gehe mit mehr zeitlichem Abstand eh noch mal an den Text heran.

Für den aufschlussreichen Kommentar ein Danke. Liebe Grüße Aranka

*** Übrigens: Die Un-Gewissheit des "Unterwegs-Seins" und die innewohnende Möglichkeit und Freiheit, dieses "frei-phantasieren", dieses ich könnte, ich könnte es lassen, das alles habe ich auch in deinem RB90 gefunden. Von daher fühlte ich mich fast zuhause in deinen Zeilen.


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Aranka
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Beitrag27.05.2018 17:00

von Aranka
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Hallo Firstoffertio,

schön, dass du bei mir reingeschaut hast und mir ein paar deiner Leseeindrücke, deine Unsicherheiten und deine Fragen dagelassen hast.

Interessant ist mir deine Bemerkung zu den Händen und die Überlegung eines „Zuviel“:

Zitat:
: Ebenso über das durchgezogene Bild der Hände. Ist mir das nicht doch zu viel?


Die Straße, die Dinge, die Menschen bei sich belassen, sie wahrnehmen, ohne die Nähe, die von Schlussfolgerungen, Sehgewohnheiten und Deutungen überrumpelt wird.  
Diese Wahrnehmung braucht eine Distanz, die ein direktes Kommunizieren, das immer schon die deutende Einbeziehung der Gesichtsmimik impliziert, aus.
Die Straße, die Dinge, die Menschen allein mit sich, allein in ihrem Tun.

In dieser Wahrnehmung spielen die Hände eine wichtige Rolle. Mit ihren Händen treten die Menschen in Kommunikation zu den Dingen.

Dennoch habe ich die Hände weder als Idee noch als Motiv in den Text legen wollen. In den ausgewählten (inneren) Bildern sind sie ganz einfach an ihrem Platz.

Ob es ein „Zuviel“ geworden ist – die Frage muss ich mir stellen und auch stellen lassen, denn die Verantwortung über Auswahl der Bilder ist meine.

Der Abstand zum Text wird es mir zeigen. Daher danke für den Fingerzeig.

Liebe Grüße Aranka


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