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Akiragirl Dünnhäuterin
Alter: 33 Beiträge: 3632 Wohnort: Leipzig
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06.05.2018 19:00 Sie kommen immer nachts von Akiragirl
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Sie kommen immer nachts
Seit dem Abendessen ist Farid still geworden.
Gunnar und ich haben versucht, ihn abzulenken, haben geredet und Witze gemacht, aber ohne Erfolg. Jetzt sitzen wir gemeinsam im Wohnzimmer, ich zappe ziellos durch die Kanäle und bleibe bei einer Komödie hängen. Gunnar lacht hin und wieder, ich stelle eine Schüssel mit Erdnussflips auf den Tisch. Farid sitzt schweigend auf dem Sofa. Er sieht nicht einmal hin.
Nach einer Weile steht er auf und verlässt den Raum. Gunnar schaltet den Ton des Fernsehers aus und sieht mich an. In seinem Blick spiegelt sich meine eigene Sorge. Wortlos stehe ich auf und folge Farid.
Er steht ihn in der Küche, am offenen Fenster, und raucht. Als er mich hereinkommen hört, lächelt er schwach. Er ist so blass, seine Wangen sind hohl. Ich lehne mich gegen die Arbeitsplatten, auf denen noch das Geschirr vom Abendessen steht.
„Du siehst nicht gut aus.“
„Ich weiß.“ Er tippt etwas Asche auf eine Untertasse. „Ich kann nicht schlafen, nicht essen. Ich denke immer an die Brief.“ Vor sechs Wochen lag der gefürchtete gelbe Brief zwischen den Zeitungen im Kasten. Der Brief, der das Warten und die Ungewissheit in unser Leben gebracht hat. In der ersten Nacht danach ist Farid schreiend aufgewacht und ließ sich nicht mehr beruhigen. Er hat viel geweint. Wir haben alles versucht, haben immer wieder mit der Anwältin gesprochen, Schreiben aufgesetzt, Widerspruch eingelegt. Farid hat zehn Kilo abgenommen.
„Können wir irgendwas für dich tun?“, frage ich.
Er schüttelt den Kopf, wieder dieses schwache Lächeln. Dann drückt er die Zigarette aus und schließt das Fenster. „Sie kommen immer nachts. Hat Jamal gesagt. Immer nachts.“
Ich gehe zu ihm, greife nach seiner Hand und drücke sie. „Wir lassen nicht zu, dass sie dich holen.“ Was ist das für ein Quatsch, den ich da rede. Glaube ich mir das selbst? Wir können rein gar nichts machen, außer zu hoffen und zu warten.
Einmal, als wir im Park unterwegs waren und er auf den See hinausgeblickt hat, erzählte er mir von seiner Familie. Von früher. Und er sagte, wenn sie ihn holen, bringt er sich um. Keine Ahnung, ob er das ernst gemeint hat.
Erst weit nach Mitternacht gehen wir zu Bett. Ich drehe mich von einer Seite auf die andere; versuche, an etwas anderes zu denken.
Dann höre ich ein Motorengeräusch. Sofort stehe ich auf und trete ans Schlafzimmerfenster. Der Ort liegt im Dunkeln, nur die Straßenlaternen spenden Licht – und die Scheinwerfer des Polizeitransporters, der die Hauptstraße entlang immer näher kommt.
Mein Herz schlägt mir bis zum Hals. Ich will Gunnar wecken, aber ich kann mich nicht bewegen. Jeder Muskel meines Körpers scheint zu Eis erstarrt.
Vor unserem Haus verlangsamt der Transporter seine Fahrt. Von irgendwoher höre ich Hunde bellen.
Der Wagen fährt vorbei.
Ich wage, auszuatmen. Meine Finger, die sich um das Fensterbrett gekrallt hatten, lockern sich.
Langsam gehe ich zurück zum Bett, ziehe die Decke über meinen Körper und drehe mich auf die Seite.
Da höre ich das Motorengeräusch erneut.
Weitere Werke von Akiragirl:
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V.K.B. [Error C7: not in list]
Alter: 51 Beiträge: 6155 Wohnort: Nullraum
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14.05.2018 00:15
von V.K.B.
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Vorweg: Ich interpretiere Un-Gewissheit als zweideutig, einmal eine Ungewissheit (nicht wissen, was kommt oder los ist) und eine Un-Gewissheit wie Un-Ding (oder wie cummings das "un" in seinen Gedichten benutzt hat), also eine schlimme Gewissheit.
Hallo Inko,
deine Idee hat mir gut gefallen, aber die Umsetzung finde ich eher schwach. Ich spüre nichts von Farids Panik, auch die Sorge seiner Freunde kommt nur erzählt rüber, da finde ich eine Menge Potenzial verschenkt.
Das Thema Un-Gewissheit ist da, einmal die Ungewissheit, wann sie kommen, und die Un-Gewissheit, dass sie irgendwann kommen werden.
Die Szene sehe ich nicht ganz erhalten, sondern etwas verändert.
_________________ Hang the cosmic muse!
Oh changelings, thou art so very wrong. T’is not banality that brings us downe. It's fantasy that kills … |
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Michel Bücherwurm
Alter: 52 Beiträge: 3374 Wohnort: bei Freiburg
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14.05.2018 14:28
von Michel
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Familie hat, so lese ich es, einen Flüchtling aufgenommen, Abschiebebescheid ist zugestellt. Das Auto am Ende ist der Polizeitransporter, die Ungewissheit besteht im Schicksal Farids. Die Atmosphäre fängt mich im ersten Satz ein. Dichtes, leises Drama, das genau dadurch den Knoten im Hals schwellen lässt.
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Amarenakirsche Eselsohr
Alter: 30 Beiträge: 394 Wohnort: tief im Westen
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14.05.2018 14:49
von Amarenakirsche
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Einer meiner Favoriten. Der Text zeigt, dass auch mit wenigen Wörtern das show-don't-tell nicht zu kurz kommen muss.
Du zeichnest die Abschiebung als bedrohlichen Schatten, der über der Szene schwebt, und die Reaktionen der drei Protas sehr glaubwürdig.
Es bleibt durchgehend spannend. Am Ende habe ich sogar gehofft, dass der Wagen vorbeifährt, dass Farids Alptraum nicht eintrifft, aber natürlich dreht er um - hätte man sich bei den Vorgaben natürlich denken können.
10 Punkte von mir.
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d.frank Reißwolf
D Alter: 44 Beiträge: 1129 Wohnort: berlin
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D 14.05.2018 21:13
von d.frank
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Wirklich seltsam, dass es auch in diesem Wettbewerb wieder zwei Geschichten, die dasselbe Thema in beinahe selber Form aufgreifen.
Der Flüchtling und die Ungewissheit.
Der andere Beitrag hat mir aber leider besser gefallen.
Hier fehlt mir komplett die Atmosphäre. Es ist einfach nur nüchtern runter erzählt, keine irgendwie gearteten Überraschungen, keine Mehrdeutigkeit, nicht mein Text.
_________________ Die Wahrheit ist keine Hure, die sich denen an den Hals wirft, welche ihrer nicht begehren: Vielmehr ist sie eine so spröde Schöne, daß selbst wer ihr alles opfert noch nicht ihrer Gunst gewiß sein darf.
*Arthur Schopenhauer |
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Heidi Reißwolf
Beiträge: 1425 Wohnort: Hamburg
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15.05.2018 12:03
von Heidi
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Du schaffst es gut, eine innere Zerrissenheit zu transportieren; die Szene entsteht bildhaft im Kopf - Kopfkino. Die Sache mit dem Brief, bei dem es sich bestimmt um einen behördlichen handelt, gefällt mir. Auch die damit verbundene Unsicherheit, das Un-Gewisse. Etwas schade finde ich, dass du das Wort Ungewissheit im Text erwähnst.
Das Hundegebell fällt leider hinten raus, das hättest du noch irgendwo vorher miteinweben können, damit es nicht aufgesetzt wirkt. Insgesamt, mal abgesehen von Rechtschreibfehlern und Vertippern, ein gut in Szene gesetzter Show don´t Tell-Text.
Ach ja, der Titel sagt mir nicht zu. Wirkt so, als wollte er schon vorweg Spannung erzeugen, aber auf künstliche Art.
Bin unentschlossen. Vielleicht bekommst du noch ein paar Pünktchen ab.
Nun sind keine Punkte mehr übrig. Schade.
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Constantine Bücherwurm
Beiträge: 3311
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15.05.2018 15:44
von Constantine
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Da ich leider nur 10 Beiträge bepunkten kann, war die Auswahl schwierig.
Dein Beitrag erhält von mir leider 0 Punkte.
Sorry.
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hobbes Tretbootliteratin & Verkaufsgenie
Moderatorin
Beiträge: 4298
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16.05.2018 21:13
von hobbes
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Tja nun. Es kommt mir vor, als hätte ich diese Geschichte schon drei Dutzend Mal gelesen. Irgendwie symptomatisch, dass sie im hier im Wettbewerb gleich zwei Mal vorkommt.
Ich bin ihrer (der Geschichte) müde geworden, auch wenn ich es blöd finde, das zu schreiben, denn es gibt sie ja, die Geschichte und das noch viel öfter als drei Dutzend Mal.
Damit ich sie gern lesen will (was jetzt wiederum ein bekloppter Ausdruck dafür ist, also gern lesen), muss sie noch etwas mehr mitbringen, mehr transportieren, mich überraschen, mir etwas Neues bieten und sei es auch nur etwas klitzekleines.
Das tut sie leider nicht. Sie ist solide geschrieben und alles, allein es nützt nichts.
edit: Sechs Punkte. Weiß auch nicht so recht, warum.
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Jenni Bücherwurm
Beiträge: 3310
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18.05.2018 11:12
von Jenni
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Farid wartet auf seine Abschiebung und hofft, dass sie nicht passiert, dass sie nicht kommen. Das Thema "Un-Gewissheit" finde ich mit der Gewissheit, die man wegzuhoffen versucht, gut verarbeitet, auch die Vorgabe ist hier sinnvoll integriert.
Das ist eine rund erzählte Geschichte und hat auch ein aktuelles Thema - die Frage ist für mich, ob sie diesem Thema etwas hinzufügt, etwas individuelles oder einen neuen Gedanken über bereits Vielgedachtes und Vieldiskutiertes hinaus. Wenn mir hier etwas fehlt, dann Originalität, etwas persönliches, das Farid zu einer Person macht und nicht nur einem Platzhalter im Sinne eines Schicksals vieler.
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Literättin Reißwolf
Alter: 58 Beiträge: 1836 Wohnort: im Diesseits
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18.05.2018 13:46
von Literättin
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Spielt das Thema Un-Gewissheit die zentrale Rolle? Ja, deutlich. Ähnlich wie in der ähnlich titelnden Häscher-Geschichte. Hier zeitgenössischer aufbereitet und auf das un-gewisse Warten Geflohener Menschen zeigend, deren Situation hier sehr nachfühlbar wird.
Eröffnet oder schließt die vorgegebene Szene den Text und bleibt ihr Charakter erhalten? Die Szene schließt die Geschichte in eigentlich bittererer Weise, als es die Vorgabe erwarten ließ. Deren Charakter bleibt in meinen Augen nicht ganz erhalten, weil hier der Bezug irgendwie realer und weniger erzählerisch-belletristisch wirkt. Vielleicht auch, weil hier kaum ein zeitlicher Abstand zur erzählten Geschichte spürbar wird. Man ist als Leser quasi direkt dabei.
Gesamteindruck - Zeitgenössischer Text, sprachlich solide und souverän erzählt, ohne das Literarische und / oder Sprachliches in den Vordergrund zu rücken. Der Text hat einen kritischen Bezug auf aktuelle Politik. Ein Einsteigen und Mitgehen / Mitfühlen ist möglich, der Text hinterlässt mich tatsächlich angerührt von der Situation er ist mir nicht zu tränendrüsig oder opfermäßig, er ist im Grunde einfach nur das, was er ist. Und das tut ihm und dem Thema gut, auch wenn er vielleicht einen Hauch mehr von literarischen Mitteln (mehr Erzähldistanz?) hätte Gebrauch machen können.
_________________ when I cannot sing my heart
I can only speak my mind
- John Lennon -
Christ wird nicht derjenige, der meint, dass "es Gott gibt", sondern derjenige, der begonnen hat zu glauben, dass Gott die Liebe ist.
- Tomás Halík -
Im günstigsten Fall führt literarisches Schreiben und lesen zu Erkenntnis.
- Marlene Streeruwitz - (Danke Rübenach für diesen Tipp.) |
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VwieMargarita Wortedrechsler
V Alter: 40 Beiträge: 56 Wohnort: Remarque-Stadt
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V 18.05.2018 21:21
von VwieMargarita
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Passt in unsere Zeit und liest sich wie ein Zeitungsartikel.
_________________ "Sobald du dir vertraust, sobald weißt du zu leben".
J.W.v.G |
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Tjana Reißwolf
Alter: 63 Beiträge: 1786 Wohnort: Inne Peerle
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19.05.2018 19:34
von Tjana
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Spannende Geschichte, gut nachvollziehbare Emotionen.
Der Name Farid, das falsche Deutsch und die Anwältin deuten auf Abschiebung. Der nächtliche Polizeitransporter allerdings lässt NS-Zeiten vermuten. Das wiederum passt nicht zu den Fernsehkanälen.
Hmmmm ...
_________________ Wir sehnen uns nicht nach bestimmten Plätzen zurück, sondern nach Gefühlen, die sie ins uns auslösen
In der Mitte von Schwierigkeiten liegen die Möglichkeiten (Albert Einstein) |
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traumLos Eselsohr
Beiträge: 380
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20.05.2018 06:13
von traumLos
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Hallo, ich weiß nicht wer.
Die Abschiebung steht fest. Ist gewiss. Und doch ist da dieses Gefühl. Vielleicht. Ist noch etwas möglich. Fahrzeuge die vorbeifahren. Mtorengeräusche die eine Umkehr eines Wagens befürchten lassen. Wieviel Un.Gewiss noch in Gewissheit steckt. Wieviel Un-Gewissen steckt in Entscheidungen.
Ob es nötig ist, die Bedrohung noch mit einer Nacht und Nebel Aktion zu toppen?
Meine 3 Punkte
_________________ Meine Beiträge geben nur meine Meinung wieder. Jede Einbeziehung realer oder fiktiver Personen wäre nur ein Angebot. Zwinkersmiley |
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Malaga Klammeraffe
Beiträge: 826
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20.05.2018 15:11
von Malaga
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Das Problem bei der Geschichte ist, dass man in der aktuellen politischen Lage bei der Kombination des Titels mit dem Namen Farid schon ahnt, was kommen wird, und beim "gelben Brief" es auch weiß.
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gold Papiertiger
Beiträge: 4943 Wohnort: unter Wasser
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20.05.2018 16:13
von gold
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Macht betroffen, da sehr realistisch. Das einzige, was mir nicht gefällt, ist der Ausdruck "die Brief". Entweder du legst dem Prota mehrere falsche Ausdrücke in den Mund oder du lässt ihn Schriftdeutsch sprechen, wie du das sonst auch machst.
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rieka Sucher und Seiteneinsteiger
Beiträge: 816
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20.05.2018 20:06
von rieka
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Für mich ist das ein verdammt gutes Thema und die Un-Gewissheit zieht sich stimmig durch die ganze Geschichte. Durch die Art, wie du schreibst, kann ich eng im Geschehen und bei den Protagonisten bleiben. Es ist ein sehr realer Text und ein aktuelles Thema und das Ganze finde ich gut aufgebaut.
Der Text wäre weiter vorne, wenn, ja wenn die Küstenstadt als solche eindeutig zu erkennen wäre, Farid also nicht auf den sondern auf die See geschaut hätte. Und die Hunde nicht irgendwo, sondern im Zusammenhang mit dem vorbeifahrenden Auto gebellt hätten.
6 Punkte
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Eliane Klammeraffe
Beiträge: 823
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21.05.2018 22:40
von Eliane
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Toller Text. Thema hervorragend umgesetzt, gut geschrieben. Die Geschehnisse erwachen vor meinem inneren Auge zum Leben. Die Schlussszene ist organisch in die Geschichte integriert, nicht nur eingebaut.
Einhaltung der Vorgaben:
Szene: ja
Thema: ja
Meine 10 Punkte.
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lebefroh Eselsohr
L Alter: 43 Beiträge: 364 Wohnort: Berlin
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L 22.05.2018 21:17
von lebefroh
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Die Geschichte funktioniert für mich nicht, weil sie nicht überraschend ist. Mit dem Titel und dem ersten Satz war eigentlich klar, was geschehen würde.
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Aneurysm Eselsohr
Beiträge: 462
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22.05.2018 22:15
von Aneurysm
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Wie ich den Text verstanden habe, behandelt er die Abschiebung von Farid, einem Asylbewerber. Der Brief hat die Abschiebung angekündigt, Gunnar und der Ich-Erzähler sind Freunde von Farid und haben die Abschiebung zu verhindern versucht. Die Geschichte hat einen schönen Spannungsbogen, ist in einer klaren und routinierten Art erzählt. Die Ungewissheit darüber, ob und wann Farid abgeschoben wird, ist meines Erachtens ein zentrales Thema – ich fände es besser, wenn die Ungewissheit nicht namentlich genannt würde, aber das ist nur eine Kleinigkeit. Die Szene mit dem Auto ist gut in den Text eingefügt.
Bedenken habe ich, weil der Text eine politische Botschaft sendet, ohne das Thema in seiner Gesamtheit zu beleuchten. Der Staat ist übermächtig und handelt willkürlich – dass Abschiebungen immer nachts stattfinden, bezweifle ich, und wenn es darum ging, ein Gerücht darzustellen, hätten sie nicht wirklich nachts kommen sollen. Farid hingegen ist unschuldig; dass die Abschiebung berechtigt sein könnte, kommt keiner der Hauptfiguren in den Sinn. Ich hätte mir statt dieser klaren Aufteilung in Gut und Böse eine differenzierte Betrachtung gewünscht, aber das ist für fünfhundert Wörter vielleicht zu viel verlangt.
Weil mir der Text sonst gut gefallen hat, bekommt er von mir fünf Punkte.
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Yorinde Leseratte
Alter: 36 Beiträge: 165 Wohnort: Stendal
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24.05.2018 22:13
von Yorinde
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Dein Text mit seiner bedrückenden Realität gefällt mir. Da ich die Vorgaben des Wettbewerbs kannte, wusste ich, dass das Auto am Ende zurückkommen muss. Aber bei dieser Geschichte dachte ich: Hoffentlich fahren sie zu jemand anderem...
_________________ Es heißt, das Leben schreibe die besten Geschichten. Hin und wieder sollten wir dem Leben aber auch einen Stift leihen. |
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Akiragirl Dünnhäuterin
Alter: 33 Beiträge: 3632 Wohnort: Leipzig
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25.05.2018 20:28
von Akiragirl
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Liebe DSFOler,
danke euch allen für eure vielfältigen und interessanten Gedanken und Bemerkungen zu meiner Geschichte. Ich werde jetzt nicht auf jede im Einzelnen eingehen, nur auf ein paar allgemeine Punkte, die sich z.T. auch in mehreren Kommentaren wiedergefunden haben.
Einige sind mit der eher nüchternen Herangehensweise nicht warm geworden, andere fanden es gerade gut, dass nicht zu stark überdramatisiert und verkitscht wurde. Da kann man es wohl nicht allen Recht machen. Ich wollte die Geschichte auf keinen Fall zu einer Tränendrüsen-Arie machen, sondern einfach ganz konkret zeigen, was die Angst und die Ungewissheit (nicht ob, sondern wann die Abschiebung stattfinden wird) mit Menschen macht.
Ein anderer Kritikpunkt war, dass Geschichten wie diese so oder so ähnlich schon oft erzählt wurden und meine dem nichts wirklich Neues hinzufügt. Das ist sicherlich richtig, wobei das im Umfang eines PoKaPro und bei all den Vorgaben auch ein schwieriges Unterfangen wäre. Außerdem finde ich nach wie vor, solange weite Teile der Bevölkerung vollkommen empathielos gegenüber Menschen wie Farid sind, bleiben solche Geschichten wichtig, auch wenn sie anderen Teilen der Bevölkerung sicher schon langsam zum Hals raushängen.
Aneurysm schrieb:
Zitat: | Bedenken habe ich, weil der Text eine politische Botschaft sendet, ohne das Thema in seiner Gesamtheit zu beleuchten. (…). Farid hingegen ist unschuldig; dass die Abschiebung berechtigt sein könnte, kommt keiner der Hauptfiguren in den Sinn. |
Dazu möchte ich sagen: Ich bin ein politischer Mensch und wer mich ein bisschen kennt weiß, wie ich zum Thema Abschiebungen stehe. Ich bin nicht der Meinung, dass jeder Text die gesamte politische Weltlage abdecken muss und ich finde auch, dass man als Autor das Recht hat, seine eigene politische Haltung in seinen Texten deutlich zu machen. Die Formulierung „dass die Abschiebung berechtigt sein könnte, kommt keiner der Hauptfiguren in den Sinn“ möchte ich wiefolgt beantworten:
Es gibt Recht/Gesetze und dann gibt es Gerechtigkeit (im Sinne von: was man als Einzelner persönlich als richtig empfindet). Nicht immer sind beide deckungsgleich. Dazu kommen viele schon formell falsche Abschiebebescheide. Aber auf all das bin ich hier bewusst nicht eingegangen, denn für die Geschichte ändert es nichts. Selbst wenn Farid nach rechtlich vollkommen eindeutiger Sachlage abgeschoben wird, leidet er und leiden seine Helfer trotzdem unter der Situation. Egal, wie berechtigt eine Abschiebung ist, dahinter stehen trotzdem immer Menschen mit ihrem persönlichen Schicksal und ihrem persönlichen Leid. Das war, was ich mit diesem Text zeigen wollte. Dass wir immer mal im Hinterkopf behalten sollten, wenn wir nach „mehr Abschiebungen“ schreien, dass dahinter am Ende Menschen stehen, die Ängste, Träume und Hoffnungen hatten wie wir selbst.
Ich habe eine Menge Berichte gelesen, in denen Flüchtlinge selbst zu Wort gekommen sind über ihre Situation. Vieles aus diesen Berichten ist hier eingeflossen, unter anderem die Alpträume/Schlaflosigkeit, die starke Gewichtsabnahme, Depressionen, Selbstmordgedanken. Inzwischen haben sich schon zahlreiche Geflüchtete nach Erhalt ihres Ablehnungsbescheids das Leben genommen.
Dann kam noch die Frage auf, ob Abschiebungen denn tatsächlich immer nachts durchgeführt werden. Natürlich ist das „immer“ hier eine Übertreibung, die aber aus meiner Sicht auch aus dem Text so herauszulesen war. Tatsächlich ist es in Deutschland aber eine verbreitete und weithin übliche Praxis, nachts abzuschieben, da die Personen dann in aller Regel anzutreffen sind und man eben nicht nochmal kommen muss, falls gerade keiner Zuhause ist. Die Auswirkungen dieser Nacht-Abschiebungen auf Familien mit kleinen Kindern kann man sich vorstellen.
Manchen war die Ungewissheit nicht ganz klar, also worin genau sie hier bestand, wo Farid seinen Ablehnungsbescheid doch schon bekommen hat. In der Praxis sieht es so aus, dass Geflüchtete oft erst Monate nach dem Ablehnungsbescheid wirklich abgeschoben werden. In der Zwischenzeit versucht man eben, alle möglichen rechtlichen Mittel auszuschöpfen und manchmal bekommt man dann doch nochmal ein halbes Jahr Duldung oder so. Insofern war hier der Schwerpunkt eher auf dem „wann“ als auf dem „ob“ und der quälenden Ungewissheit, über Wochen und Monate hinweg.
Der letzte Kritikpunkt, der mehrfach vorkam, war noch die Tatsache, dass die Geschichte nicht „spannend“/überraschend war. Man weiß eh was passiert, der Titel, die Vorgabe, der Kontext nehmen es vorweg. Aber diese Geschichte wollte auch nie spannend sein. Ehrlich gesagt ist mir das Thema zu ernst um da einen reißerischen Thriller draus zu machen. Das Ziel war, ein Gefühl für die Ausweglosigkeit, die Angst und die doch immer noch ein bisschen vorhandene Hoffnung von Menschen in dieser Situation zu vermitteln. Nicht mehr und nicht weniger.
Ich freue mich sehr über die vielen Punkte und euer vielfältiges Feedback. Ich war selbst nicht 100%ig zufrieden mit dem Text, vor allem, weil er eben wie schon einige anmerkten, zu wenig „besonderes“ hatte um wirklich hervorzustechen. Trotzdem hat das Thema mich bei der Vorgabe des Wettbewerbs einfach angesprungen.
Liebe Grüße an alle
Anne
_________________ "Man bereut nicht, was man getan hat, sondern das, was man nicht getan hat." (Mark Aurel) |
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firstoffertio Show-don't-Tellefant
Beiträge: 5854 Wohnort: Irland
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27.05.2018 01:20
von firstoffertio
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Ich merke, dass ich diesen Text beim Kommentieren übersehen habe. Will das noch nachholen, wenn ich wieder mehr Zeit habe. Bevor ich andere Kommentare dazu lese.
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