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Diese Werke sind ihren Autoren besonders wichtig Eckenbert und die Ratte im Spiel[Arbeitstitel]


 
 
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azareon35
Geschlecht:männlichEselsohr


Beiträge: 292
Wohnort: Hessen


Beitrag17.01.2018 02:47
Eckenbert und die Ratte im Spiel[Arbeitstitel]
von azareon35
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Prolog
Der ganze Ärger begann in dem Winter, als meine Eltern starben. Da ihre Kogge – laut dem einzigen Überlebenden - mit Mann und Maus in den Westfluten versank, konnte ich guten Gewissens davon ausgehen, das sie nicht mehr unter den Lebenden weilten. Bastarde.
Verdammte, glückliche Bastarde.
Grauer Schnee fiel gleich Aschenflocken von einem düster verhangenen Himmel. Trotz der beißenden Kälte, die sich unbarmherzig in jede Ritze drängte, war die t-förmige Straßenkreuzung vor meinem Haus vollgestopft. Feiste Kaufleute in dunklen Wämsern eilten über das mit erdbraunem und rußfarbenem Schnee bedeckte Kopfsteinpflaster. Bettler und Aussätzige in abgerissenen Lumpen bedrängten sie von allen Seiten um eine milde Gabe für einen Gang in die nächste Schenke, oder ein Hurenhaus mit sehr niedrigen Ansprüchen.
Ein Aussätziger ging plötzlich sehr dreist vor und riss einem Kaufmann die pralle Geldbörse unverhohlen vom Gürtel. Er kam nicht weit, sondern lief genau in diesem Moment einem Dreiertrupp der Stadtwache in die Arme. Während einer die Schaulustigen mit drohendem Gefuchtel seiner Hellebarde zum Weitergehen aufforderte, prügelten die anderen Wachen dem Aussätzigen mit ihren eisenbeschlagenen Knüppeln das letzte bisschen Gesundheit aus seinem zerfressenen Leib.
Ich zog einen Mundwinkel zu einem verächtlichen Grinsen hoch. Was ein Einfaltspinsel!
Hinter mir knarrte die Tür. Jemand betrat den Raum. Mit ihm wallte ein beißender, allzu bekannter Gestank herein.
Ich drehte mich um. „Schon wieder?“ Ein Blick auf die hellbraunen, klumpigen Flecken an Blatters' linkem Stiefel beantwortete mir die Frage.
Blatters nickte. „Schon wieder, Herr.“
Ich ballte die Fäuste. „Wenn ich diesen Hurensohn erwische, dann verstopfe ich sein Spundloch mit zehn Zoll reinstem Stahl.“
„Würde etwas rostiges Eisen nicht genügen, Herr? Für so etwas guten Stahl zu verschwenden ist doch unsinnig.“
Ich verdrehte die Augen, holte tief Luft. „Blatters, für dich ist der aufrechte Gang unsinnig. Das Tragen von Kleidung...“ ich beäugte ihn kritisch, „ich korrigiere mich, das Tragen von irgendetwas, dass deinen natürlichen Körper bedeckt – und ich verwende 'natürlich' hier nur unter großem Protest – stellt allem Anschein nach ein Tabu gegen deinen persönlichen Glauben dar. Und jedesmal, wenn jemand dazu aufruft, sich mehr als ein Mal im Jahr zu waschen, möchtest du einen Mob mit Fackeln und Mistgabeln zusammenrufen.“
Blatters öffnete den Mund.
Hielt inne.
Schloß ihn.
Glotzte nach links oben. Öffnete den Mund wieder.
Hielt wieder inne.  
Das ging eine Weile so weiter. In der Zwischenzeit hatte ich die wurmstichigen Fensterläden geschlossen. Eine zwecklose Geste. Die Kälte kam immer noch durch. Ich widerstand der Versuchung mich zu kratzen. Gerade im Winter juckten die Narben, die meines Vaters Peitsche auf meinem Rücken hinterlassen hatte, besonders stark.
„Das ist nicht wahr, Herr,“ warf Blatters nun leicht pikiert ein. Was eine besondere Leistung für jemanden war, der nicht mal die Bedeutung des Wortes kannte. „Wir würden ihn höchstens ein bisschen steinigen.“
Ich massierte mir die Nasenwurzel. „Ich wollte damit sagen, dass du die endgültige Entscheidung über Sinn und Unsinn mir überlassen sollst.“ Ein Herzschlag verging. „Und wie, bei Gundron, steinigt man jemanden nur ein bisschen?“
Blatters' Gesicht hellte sich auf. Es war, als würde ein namenloser Schrecken aus dem Abgrund Schoachs in die diesseitige Welt emporsteigen.
Ein erschreckender Anblick. „Das ist ganz einfach, Herr. Ihr nehmt kleinere Steine als gewöhnlich-“
Ich unterbrach ihn mit erhobener Hand. „Kleiner als gewöhnlich?“
Er nickte heftigst. „Oh ja. Für eine normale Steinigung muss ein ordentlicher Stein groß genug sein, dass man seine Faust nicht völlig darum schließen kann. Alles darunter ist sinnlos. Ich sag immer, wenn es noch passt, dann ist es verprasst.“
„Vergiß, dass ich gefragt habe,“ murmelte ich und versuchte, das Gehörte in meinen Verstand zu zwängen.
„Schon vergessen, Herr,“ fuhr Blatters unbekümmert fort. „Jedenfalls nehmt ihr kleinere Steine als gewöhnlich und dann grabt ihr den Verurteilten auch nur bis zu den Knien ein. Und dann strengt ihr euch beim Werfen auch nicht sehr an.“
„Und was hat das Ganze letztendlich für einen Zweck?“ fragte ich, wohl wissend, dass ich die Antwort bereuen würde.
„Es vermittelt eine deutlichere Warnung als einige scharfe Worte, ist aber nicht so endgültig wie eine Klinge im Wanst.“
Ich starrte Blatters eine Weile an. Ließ meinen Blick über die kahlen Wände schweifen. Drehte seine Worte in meinem Kopf hin und her.
Schließlich sagte ich: „Es verstößt gegen jeden einzelnen meiner Grundsätze – und die sind weiß Gundron nicht zimperlich – aber das macht sogar Sinn.“
Blatters reckte die Schultern und strahlte, die Brust vor Stolz geschwellt.
„Zugegeben, es macht auch Sinn, einen Kackehaufen nach dem Ersten Sprecher des Gundron zu werfen und sein Leben unter langsamer Folter auszuhauchen. Wenn man komplett bescheuert ist.“
Blatters sackte in sich zusammen, als hätte ich den Hauptstützbalken seines Fundaments abgefackelt. Ich grinste. „Wie ich schon sagte, überlass es mir, sich um Sinn und Unsinn zu sorgen.“
Wir schwiegen, ich komplett in Gedanken versunken, Blatters erwartungsvoll meinen Anweisungen harrend. Oder sein Verstand hatte sich ein für alle Mal aus dem Staub gemacht. Genau konnte ich das bei ihm nie sagen. Und hoffte immer auf letzteres.
„Sie haben wirklich alles mitgenommen?“ fragte ich. Blatters verzog das Gesicht. Obwohl ich seit dem heutigen Morgen nichts gegessen hatte, verspürte ich doch leichte Übelkeit.
Er druckste etwas herum, dann hielt er meinem bohrenden Blick nicht mehr stand und platzte heraus: „Alles, alles haben sie mitgenommen, Herr, sogar die Wandvertäfelungen. Sie haben euch mit Ach und Krach die Haare auf dem Kopf zurückgelassen und selbst die hat einer schon gierig angeschielt – bitte nicht schlagen.“ Er hob die Hände in einer Geste des Flehens.
Ich hatte mich nicht mal bewegt. „Beruhig dich, Blatters. Was hättest du auch tun können.“ Ich wandte mich um und stützte mich an der Wand ab. „Was hätten wir tun können? Sie waren im Recht. Hätten wir uns gewehrt, dann wären wir jetzt tot oder auf dem Weg in den Palastkerker, um drei Tage später öffentlich hingerichtet zu werden. Und das wäre keine Steinigung geworden, oh nein! In der Arena würden wir, dem Spektakel des Pöbels zu Freude, wie Brathähnchen auf eine glühende Eisenstange geschoben, und ich kann mir wahrlich bessere Todesarten vorstellen.“
„Und was sollen wir jetzt machen, Herr?“
Ich drückte mich von der Wand weg, richtete mich wieder auf. Straffte die Schultern. „Hör mir genau zu, denn ich werde das nur einmal sagen: Erstens, wir hören auf, uns selbst zu bemitleiden. Drittens, wir gehören wieder zu den Obersten der Stadt und rächen uns an allen, die uns demütigen.“
Blatters hob eine Faust und öffnete den Mund zu einem Triumphschrei. Hielt inne. Hielt sich die Faust vor das Gesicht. Wackelte mit den Fingern.
Ich verschränkte die Arme.
Nach einer Weile fragte er: „Und was ist zweitens, Herr?“
Ich zuckte die Schultern. „Das weiß ich auch noch nicht.“ Mein Magen knurrte wie ein blutrünstiger Wolf. „Lass uns etwas essen, dann fällt mir vielleicht was ein.“

Kapitel Eins:
Eine Stadt stellt sich vor, Schulden werden eingetrieben und ein Diener findet einen Herren.

1 – Betreffend die Stadt
Ein Reisender, der unsere schöne Stadt zum ersten Mal besucht oder aus der Ferne betrachtet, erblickt zuallererst die glänzend schwarze Kuppel des Regentspalast.
Nein, das ist so nicht richtig. Was er zuallererst erblickt, ist die bis zum Himmel reichende Rauchwolke aus den zahllosen Schornsteinen und Brennöfen. Bis der Reisende den Regentspalast sehen kann, ist er nahe genug an den Stadtmauern, um die Stadt zu hören, das endlose Geschrei der Händler am Markt, das stampfende Marschieren der Stadtwachen, die Todesschreie der Schlachthöfe. Er ist nah genug, um die Stadt zu riechen, die ständig überschwappende Kanalisation, die eitrigen Wunden der Leprösen, die Blutflüsse der Schlachthöfe. Und vom Armenviertel rede ich besser erst gar nicht.
In diesem Beispiel nähert sich der Reisende von Süden her, entlang des östlichen Flussufers. Er betritt die Stadt durch ein halb zerfallenes Tor – soll heißen, er versucht es. Natürlich, und damit sage ich niemandem etwas neues, wird er durch einen Dreiertrupp von sehr gereizten Wachen aufgehalten, bevor er auch nur einen Fuß in den Schatten des Tores setzen kann. Während zwei der Wachen seine Klüngel durchwühlen, stellt der dritte Wächter dem Reisenden alle möglichen Fragen, woher er kommt, was er in der Stadt beabsichtigt, wie lange er bleibt, was seine sexuellen Vorlieben sind, ob er Geschäfte in der Stadt zu tätigen beabsichtigt, ob er Interesse an der Teilnahme an der Tätigkeit der Stadtwache hat, ob er endlich Klarheit über seine sexuellen Vorlieben hat, ob er Verwandte oder andere Bürgen in der Stadt hat, ob er mit gottlosen Anbetern Shoachs kavortiert und was jetzt endlich bitteschön seine sexuellen Vorlieben sind.
Ein erfahrener Reisender weiß, dass er diese hochnotpeinliche Prozedur abkürzen und seine Klüngel vor Beschädigung bewahren kann, indem er dem Wächter auffällig unauffällig eine Bestechung übergibt. Je nach Höhe der Bestechung wird er umso schneller in die Stadt gelassen.
Ein unerfahrener Reisender wird erst am nächsten Tag in die Stadt gelassen, die Klüngel in Trümmern und Fetzen, sowie mit Adressen für ein Hurenhaus versehen, dass genau seinen Vorlieben entspricht.
Jetzt ist der Reisende in der Stadt. Und jetzt fangen die Probleme erst an.
Der Wächter hat, kaum das der Reisende aus seiner Sicht verschwunden ist, ein Straßenkind – oder auch mehrere, wenn der Wächter sich großzügig fühlt – gedungen, den Namen des Reisenden zu allen Ohren zu tragen, denen diese Information eine klingende Münze oder auch mehr wert sein könnte. Der Reisende hat es noch nicht mal geschafft eine Straße entlang zu gehen, da ist seine Ankunft in der Stadt schon in Ecken und Gassen bekannt, die er selbst niemals betreten wird.
Der Reisende hat mittlerweile andere Probleme. Von allen Seiten wird er bedrängt. Aussätzige und Bettler, die ihn um ein Almosen bitten, Straßenhändler, die ihm allen möglichen Ramsch andrehen wollen, da man sie im Marktviertel nicht mehr sehen will, sowie Zuhälter, die ihm Frauen anbieten, welche nur noch mit sehr viel Phantasie als solche erkennbar sind und daher nicht im Hurenviertel arbeiten können.
Vom Stadttor gelangt der Reisende direkt in das Alte Viertel, eine halbwegs saubere Ansammlung von engen, krummen Gassen und gepflasterten Straßen. Neben den Wohnhäusern kann er hier auch die eine oder andere Schenke finden, in denen er halbwegs sauberes Bier und nicht komplett verschimmeltes Essen serviert bekommt, für einen Aufpreis natürlich.
Vom alten Viertel gelangt er auf die von hohen Gebäuden umgebenen, weiten Plätze des Marktviertels oder in die Straßen der Zünfte, welche die Gießereien und Fabriken enthalten. Hinter diesen findet er das von Tang verklebte Hafenviertel, die blutbesudelten Schlachthöfe und das Hurenviertel. Die Schlachthöfe sind der einzige Stadtteil, der regelmäßig von schwerem dickem Rauch überhangen ist. Allenthalben stinkt es nach eingetrocknetem Blut und verfaulten Innereien, sowie dem beißenden Geruch der Pissebottiche der Gerbereien. Hinter all diesem kann ein sehr neugieriger - oder sehr masochistischer - Reisender die Soldatenkasernen finden. Diese sind ein weiterer halbwegs ordentlicher Teil in diesem Durcheinander, mit militärischer Präzision aufgebaute, schmucklose Schuppen, über denen die stark zerfetzten Regimentsfahnen wehen.
Vom Alten Viertel führen zwei Brücken in den nordwestlichen Teil der Stadt. Eine Brücke führt direkt über den Fluss, die andere landet auf der kleinen Insel, die das Armenviertel beherbergt. Der Reisende ist dazu angehalten, letzteres nicht aufzusuchen, sofern er nicht seines Lebens müde ist.
Im nordwestlichen Teil der Stadt betritt der Reisende, kaum das er die Brücke verlassen hat, einen kreisrunden, sehr sauberen Platz aus weißem Marmor.
Von hier aus kann er linkerhand in die Viertel der Reichen und Adligen lustwandeln, rechterhand eröffnen sich ihm die Straßen der Schönen Künste und der Tempelbezirk. Das adlige Viertel und das reiche Viertel ähneln sich in den Augen eines Reisenden, besonders denen eines unerfahrenen Reisenden sehr, doch die Häuser im adligen Viertel - große, wuchtige Herrenhäuser mit Türmchen und Erkern noch und nöcher – sind deutlich älter und tragen die Wappen der jeweiligen adligen Familie.
Der Tempelbezirk wird dem Reisenden verschlossen sein, sofern er nicht eine plötzliche Anwandlung verspürt, sein restliches Leben dem Dienst an Gundron zu widmen. Dieser Bezirk ist eigentlich ein gigantisches Kloster, eine kleine Stadt inmitten der Stadt, eine riesige Hauptkirche zu Ehren des Gottes Gundron des Allmächtigen, sowie mehrere kleinere doch nicht minder kunstvoll verzierte Kirchen und Abteien.
Die Straßen der schönen Künste werden dem Reisenden als  eine Mischung aus einem großen Steingarten und einem Stadtpark erscheinen. Er kann über verschlungene Pfade stolzieren, die von Statuen gesäumt sind oder an Pavillons vorbeiführen, in denen er Darbietungen verschiedenster Art über sich ergehen lassen kann, sei es Malerei, Dichtung, Theater. Künstler, die sich die Gunst der Regentschaften gesichert haben, wohnen hier auf Staatskosten in kleinen Villen.
Doch direkt vor dem Reisenden, auf dem kreisrunden Platz, liegt eine von Bäumen und Statuen gesäumte Allee, die ihn zum absoluten Juwel der Stadt führt. Der Regentspalast. Eine riesige schwarze Kuppel, groß wie ein Berg. Von seinem höchsten Punkt aus, so heißt es, lässt sich die ganze Stadt überblicken.
Im Regentspalast leben der Regent und die Regentin, die Herrscher über alles von Gundrons Gnaden. Tagein, tagaus treffen sie in diesem Palast wichtige Entscheidungen, die das Geschick jedes einzelnen ihrer Untertanen betreffen.
Doch der Reisende wird diesen Palast nur in den seltensten Fällen betreten. Er wird nicht mal in seine Nähe kommen, da der Regentspalast von einer kreisrunden, leeren Ebene aus grauem Basalt umgeben ist, die ihn von der restlichen Stadt abtrennt. Eskadrone der Stadtarmee patroullieren zu jeder Zeit widerscheins die Ebene entlang und haben Befehl, jeden, der sich dort ohne Befugnis aufhält, gnadenlos und unverzüglich an Ort und Stelle hinzurichten.


2 – Säumige Schulden
Blatters und ich standen in der Speisekammer im Keller des Hauses und sinnierten. Eine einzelne magere Räucherwurst baumelte an einem Haken wie ein Erhängter am Galgenbaum einige Straßen weiter. Auf einem Regal moderte ein verschrumpelter Kohlkopf vor sich hin.
Ich rieb mir das Kinn. “Das ist eine magere Ausbeute.”
“Ich könnte uns immer noch einen Eintopf daraus machen,” schlug Blatters eifrig vor.
“Blatters,” sagte ich, “deine Kochkünste sind – um es höflich auszudrücken – so talentfrei, dass es in die entgegengesetzte Richtung geht. Würde ich deinen Eintopf in den Fluss schütten, wäre das Armenviertel nach weniger als einem Tag kein Problem mehr.”
“Ja, das ist wahr,” sagte Blatters nach kurzer Überlegung. “Soll ich dann wieder versuchen, eine Katze zu fangen?”
“Lieber nicht,” wehrte ich ab. “Es werden langsam Gerüchte laut. Nein, nein, nein, so geht es nicht. Sieht so aus, als müsste ich wieder auf Streifzug gehen.”
“Seid vorsichtig, Herr,” warnte Blatters besorgt. “Wenn euch die Wachen erwischen-”
“Dann kann ich immer noch behaupten, ich wäre im Auftrag dieses oder jenes Lords unterwegs,” schnitt ich ihm das Wort ab. “Mit etwas Glück ist die Patroullie ohnehin halbdreiviertel gekauft.”
In diesem Moment klopfte es über uns an der Haustür. Klopfen ist nicht ganz das richtige Wort. Es ward dagegen gehämmert und gewummert, als ob die Horden von Cromane mit Rammböcken in die Stadt einfielen.
“Wer bei Shoachs Titten ist denn das jetzt wieder?” fluchte ich und wies Blatters an, ebendies herauszufinden. Er eilte die Treppe hinauf und ich war allein im Keller.
Mir wich die Kraft aus den Beinen, ich taumelte und musste mich an der Wand abstützen, als mir die Last meiner Situation unerträglich gewahr wurde. Es war Winter, ich hatte kein Geld, nichts zu Essen im Haus und konnte auf keinerlei Unterstützung hoffen. Meine einzigen Mittel waren meine eigenen Hände und ein Majordomus, dessen Eltern in der achtzigsten Generation Geschwister sein mussten.
Doch prompt regte sich ein urtümlicher und sehr überraschender Widerwille in mir. Ich würde mich von so etwas nicht aufhalten lassen. Ich werde mich von so etwas nicht aufhalten lassen. Ich hatte die Peitsche meines Vaters überlebt, die grausamen Etikette-Lektionen meiner Mutter, den Hohn und Spott der anderen Kinder und aller Menschen, denen ich jemals begegnet war. Ich hatte jeden Schlag, der mich getroffen hatte, mit gleicher Münze vergolten. Ich würde auch dieses Mal zurückschlagen oder dabei versterben.
Ich hatte meine Entschlossenheit gerade gestählt, da krachte es laut und Blatters purzelte die Treppe hinunter. Sein Gesicht erinnerte mich an Hüftspeck unter einem Fleischerhammer. Ein dünner Blutfaden rann aus seiner Nase.
Hinter ihm kam eine hünenhafte Gestalt in derbem Flachs die Treppe hinunter gestapft. Ein schmallippiges Gesicht mit verfilztem Haar und kleinen Schweinsäuglein. Die übliche Schlägerfratze, die mehr Muskeln als Verstand verriet.
“Eckenbert von Hohenhausen,” bollerte der Kerl gleich los und lachte kehlig über einen Scherz, den nur er verstand.
“Und ihr seid...?” sagte ich mit einer drehenden Bewegung meiner Hand.
Er verzog die schmalen Lippen zu einem Grinsen. “Quetscher nennt man mich. Ich komm von Hubert hierher.” Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: “Hubert der Hehler.”
Ich verzog feixend den Mund. “Wirklich? Hubert der Hehler. So was, so was, so was. Dann danke ich euch herzlich, dass ihr mir dies gesagt habt, allerwertester Quetscher. Ich dachte schon, ihr meint Hubert den gundronischen Erzpriester.”
Quetscher zog die Lippen zurück und fletschte die Zähne. “Werd mal nicht frech, Bürschchen! Sonst ergeht es dir wie dem da.” Er deutete auf Blatters.
Ich warf einen kurzen Blick auf ihn. Blatters kam gerade wieder zu sich. Obwohl sein Gesicht immer noch wie eine frische Schlachtung aussah, schien er keine Schmerzen zu spüren.
Ich muss hier angeben, dass ich den Ausdruck 'Bürschchen' als unangebracht empfinde. Ich ging diesem Kerl vielleicht gerade mal bis zur Brust, aber das war noch lange kein Grund persönlich zu werden.
Ich wandte mich wieder Quetscher zu. “Was will Hubert von mir?”
Der Hüne grinste wieder. “Ihm ist da eine Unreinheit aufgefallen.”
Ich machte mir kurzzeitig die Großartigkeit bewußt, mit einem großen, tumben Dummkopf in meiner leeren Speisekammer zu stehen, bevor ich ihn verbesserte. “Ihr meint wohl eine Ungereimtheit?”
“Ja, genau, das war's,” rief er aus und schlug mir seine schwielige Pranke auf die Schulter. Falls er erwartet hatte, dass ich ächzend in die Knie ging, so enttäuschte ich ihn. “Und was für eine Ungereimtheit soll das sein?” fragte ich, obwohl ich aufgrund eines schlechten Bauchgefühls bereits eine ungefähre Ahnung von der Antwort hatte. Oder der Hunger beeinträchtigte meine Eingebungen.
Der Hüne grinste erneut. “Da stimmt was mit den Zahlen nicht.”
“Na, dass überrascht mich jetzt doch,” sagte ich, nicht im geringsten überrascht.
Er hob eine buschige Braue. “Was ist daran so überraschend?”
“Das er überhaupt zählen kann,” sagte ich. “Hubert ist die Sorte von Mensch, die ihre eigenen Finger nummerieren muss, um mit ihnen zählen zu können.”
Der Hüne blinzelte. Dann riss er seinen zahnlückigen, verschorften Rachen weit auf und brüllte vor rauem Gelächter. Ich wagte ein Grinsen.
Quetscher wurde prompt wieder ernst. “Lach nicht. Wenn Hubert das hört, hängt er dich an deinen Fersen auf und entmannt dich.” Er schmatzte lüstern. “Obwohl... du siehst so aus, als hätte man das bei dir schon als Hosenscheißer gemacht.”
Und dich haben sie wohl gleich nach der Geburt kastriert, dachte ich, hütete mich aber, das laut auszusprechen. Stattdessen sagte ich: “Wieviel schulde ich Hubert noch?”
“Zehntausend Taler in Gold,” sagte Quetscher.
“Was?” rief ich empört aus. “Das ist ja dreimal mehr, als mein Vater ihm schuldete. Und die Schulden hat er mindestens achtmal beglichen, als er und das andere gierige Gesocks über mein Elternhaus hergefallen ist.”
Falls meine Ansicht über den Berufstand von Quetschers Meister diesem missfiel, so ließ er es sich nicht anmerken. Er zuckte nur die massigen Schultern und sagte: “Tja, dann trag das doch einem Unparteiischen vor – oh, das geht ja nicht.” Er legte einen schmutzigen Zeigefinger an seine schmalen Lippen und tat, als ob er tiefgehende Gedanken hegte. “Was hat der Boss noch gleich gesagt? 'Hehlerschulden sind nach geltendem Recht ein schweres Verbrechen und sofort mit öffentlicher Folter bis zum Eintritt des Todes zu ahnden.”
Ich strich mir mit den Fingern über das Kinn. “Das mag wohl sein. Was hindert mich aber nun daran, dich einfach hier und jetzt wie einen räudigen Hund niederzustechen?” Insgeheim schob ich die andere Hand hinter meinen Rücken und umschloss Rattenzahns Griff.
Quetscher bemerkte es nicht. Es rettete ihm vorerst das Leben. “Das habe ich den Boss auch gefragt. Er sagte, wenn mir oder ihm etwas zustößt, erfahren bestimmte Leute, wer das Diadem der Herzogin von Crannock, die Juwelen der Drosthoffs oder den Denkenden Kobold von Rathamon entwendet und verhökert hat.”
Ich ließ Rattenzahn wieder los. “Oh.”
Er grinste wieder, diesmal ein richtig aasiges Grinsen. “Das hat dir die Sprache verschlagen, was?”
“Ansonsten würde ich dir wohl keine Antwort geben, oder?” gab ich zurück. Bevor Quetscher darauf antworten konnte, fuhr ich fort: “Hat Hubert eine besondere Vorstellung, wie oder wo ich zehntausend Taler in Gold auftreiben soll?”
Quetscher wedelte nonchalant mit der Hand. “Also, offen hat er nichts gesagt. Er möchte hier niemanden zu unrechten Taten anstiften.”
Ich rollte im Geiste die Augen himmelwärts. “Nein, natürlich möchte er das nicht.”
“Aber nehmen wir mal an, er hätte sowas in der Art gesagt, dann hätte er davon gesprochen, sich im Reichen Viertel umzusehen.”
“Dann würde ich das wohl als Hinweis verstanden haben.”
Quetscher nickte und wandte sich zum Gehen. “Er lässt übrigens noch ausrichten, dass du bis zum nächsten Markttag Zeit hast, die Schulden zu begleichen.”
“Einen Moment noch,” sagte ich. Quetscher hielt inne.
“Warum das alles? Warum erpresst er mich so?” fragte ich und verfluchte mich, weil sich ein Hauch von Weinerlichkeit in meine Stimme geschlichen hatte.
“Zwei Gründe,” sagte Quetscher, ohne sich umzudrehen. “Einmal hatte dein Vater Hubert von Anfang an in der Hand. Da staut sich eine Menge an Groll auf.”
“Verständlich,” sagte ich und schnitt eine säuerliche Grimasse. “Und der zweite Grund?”
“Geiz. Warum soll Hubert einen professionellen, teuren Fassadenkletterer dingen, wenn er einen wie dich für viel weniger zu solchen Taten pressen kann?”
Darauf wußte ich keine Antwort. Quetscher stapfte die Treppe rauf.
Blatters rappelte sich wieder auf die Füße. Das Blut war versiegt. “Es tut mir leid, Herr,” ächzte er. “Ich konnte ihn nicht aufhalten. Kaum hatte ich die Tür aufgemacht, da packte er mich, zerrte mich raus und verpasste mir zwei oder drei Nasenstüber. Dann lag ich hier.”
“Ist schon gut,” sagte ich. Ich ballte die Fäuste, wütend auf mich selbst, wütend auf meine Familie, wütend auf alles und jeden.
“Stimmt das, was er sagt, Herr?” fragte Blatters. “Könnt ihr diesen Hubert wirklich nicht anzeigen?”
“Ansonsten hätte ich das wohl schon getan, Einfaltspinsel!” herrschte ich ihn an.
Fuhr dann ruhiger – und resignierter - fort: “Aber er hat leider Gundrons recht. Die Geschäfte, die mein Vater mit den Hehlern getätigt hat, waren samt und sonders unrechtens. Da ich der Erbe meines Familienzweiges der Hohenhausens bin, trage ich die Schuld. Und die Diebstähle, die ich begangen habe, um mich und – zu einem geringeren Maße – dich durchzufüttern, lassen sich ebenfalls zurückverfolgen. Oh, sicher, es wird eine Untersuchung geben, aber Hubert kann sich davon einfach freikaufen. Uns erwartet die Folter bis zum Tod.”
“Ich dachte, bei einem Diebstahl hacken die Wachen dem Dieb eine Hand ab,” sagte Blatters.
“Das machen sie bei Taschendieben, die inflagranti auf der Straße ertappt werden,” erwiderte ich. “Bei der Größenordnung, in der ich mich bewege, erwartet mich auch Schlimmeres.
Hast du etwa schon vergessen, wie du zu mir gekommen bist? Da hast du die Folgen einer solchen Dämlichkeit doch aus der ersten Reihe miterlebt.”
Blatters lächelte. “Oh ja, Herr.”



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Selanna
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Beitrag24.01.2018 00:51

von Selanna
Antworten mit Zitat

Hallo Azareon35,

ich hab vor einigen Tagen schon in Deinen Text reingelesen, aber gar keine Zeit gehabt, um mich näher damit zu beschäftigen. Ich werde es auch heute nicht in Gänze schaffen, Dein Prolog ist sehr lang, das erste Kapitel habe ich nicht mehr bewältigt. Hier also das, was mir beim Lesen so einfiel:

Zitat:
Der ganze Ärger begann in dem Winter, als meine Eltern starben. Da ihre Kogge – laut dem einzigen Überlebenden - Du eröffnest mit Gedankenstrich und schließt mit Bindestrich mit Mann und Maus in den Westfluten versank, konnte ich guten Gewissens davon ausgehen, das dass sie nicht mehr unter den Lebenden weilten. Bastarde.

Das ist jetzt eine reine Frage, keine Kritik: Aber kann man auch schlechten Gewissens davon ausgehen, dass Eltern nicht mehr unter den Lebenden weilen? Würde das einen anderen Sinn ergeben? Oder könnte man es als Floskel auch weglassen. Ich weiß es nicht.

Zitat:
Verdammte, glückliche Bastarde ab dem „glücklich“ rate ich, dass das Leben in Deiner Geschichte nicht so toll sein kann
Grauer Schnee fiel gleich Aschenflocken da es „Aschewolke“ heißt, würde ich „Ascheflocken“ schreiben von einem düster verhangenen Himmel. Trotz der beißenden Kälte, die sich unbarmherzig in jede Ritze welche Ritze?   drängte, war die t-förmige ist das so wichtig? Das klingt recht modern nach Stadtplanungsüberlegung Straßenkreuzung vor meinem Haus vollgestopft. Feiste Kaufleute in dunklen Wämsern eilten über das mit erdbraunem und rußfarbenem wie wäre es schlichter mit „dreckigem/schmutzigem“ Schnee bedeckte Kopfsteinpflaster. Bettler und Aussätzige in abgerissenen Lumpen bedrängten Du hast im selben Absatz schon „drängte“ sie von allen Seiten um eine milde Gabe für einen Gang in die nächste Schenke, kein Komma nötig oder ein Hurenhaus mit sehr niedrigen Ansprüchen.

Das ist ein sehr heftiger Absatz, zumindest empfand ich es so. Vollgepackt mit Details und Adjektiven, es ist ein Gewurl, aber vielleicht soll das so sein. Der erste Satz ist mir ein wenig zu überladen, Du hast darin grau/Asche/düster/verhangen, also 4 triste Informationen. Was hältst Du von „Schnee fiel gleich Ascheflocken von einem verhangenen Himmel/düsteren Himmel“. Finde ich auch aussagekräftig, aber weniger zaunpfahlwinkend.
Zur Ritze: Als sie vorkam, habe ich schnell noch einmal den bisherigen Text überflogen, ob irgendetwas mit einer Ritze schon erwähnt wurde, dann weitergelesen, aber den Sinn der Ritze kann ich mir nur so erschließen, dass es wohl in den nicht gut gedämmten Häusern Ritzen gibt, durch die Kälte in geheizten Räume eindringt? Das wäre aber weit hergeholt. Könnte sich die Ritze auch durch alle Lagen Kleidung drängen?
Nächste Überlegung: Kann Kälte in Ritzen drängen? Oder dringt Kälte eher in Ritzen? Ich persönlich finde ja, dass sich Kälte auch mal in etwas hineinbeißt oder hineinfrisst. Alles nur haarspalterische Überlegungen wink

Zitat:
Ein Aussätziger ging plötzlich sehr dreist vor und riss einem Kaufmann die pralle Geldbörse unverhohlen vom Gürtel.

Entschuldige, wenn ich das so ehrlich sage, aber der erste Satzteil liest sich gar nicht gut. Er wirkt stilistisch sehr schwach, außerdem erklärst Du mir als Leser, dass die Tat dreist ist (was ich doch eigentlich selbst erkennen sollte), aber Du erklärst es mir noch vorab, Du spoilerst mir quasi die moralische Wertung. Wie wäre es mit: Plötzlich riss einer der Aussätzigen einem Kaufmann die pralle Geldbörse vom Gürtel. - Wenn man das „Plötzlich“ noch vermeiden könnte, wäre es sicher noch eleganter. Dreist und unverhohlen sagen hier in etwa dasselbe aus, denn dass der Dieb es so unverhohlen tut, ist dreist. Aber wenn Du schreibst, dass ein Aussätziger die Börse abreißt und nicht weit kommt, kann ich mir vorstellen, dass er das unverhohlen tat, also brauchst Du eigentlich keines der beiden Wörter.

Zitat:

Ich zog einen Mundwinkel zu einem verächtlichen Grinsen hoch. Was ein Einfaltspinsel!

Vorschlag: Ich grinste verächtlich. wink

Zitat:
Hinter mir knarrte die Tür. Jemand betrat den Raum. Mit ihm wallte ein beißender, allzu bekannter Gestank herein.
Ich drehte mich um. „Schon wieder?“ Ein Blick auf die hellbraunen, klumpigen Flecken an Blatters' linkem Stiefel beantwortete mir die Frage.
Blatters nickte. „Schon wieder, Herr.“
Ich ballte die Fäuste. „Wenn ich diesen Hurensohn erwische, dann verstopfe ich sein Spundloch mit zehn Zoll reinstem Stahl.“ Ich finde den Begriff „Stahl“ in einem nicht neuzeitlichen Roman seltsam, aber das liegt wahrscheinlich an mir
„Würde etwas rostiges Eisen nicht genügen, Herr? Für so etwas guten Stahl zu verschwenden Komma ist doch unsinnig.“
Ich verdrehte die Augen, holte tief Luft. „Blatters, für dich ist der aufrechte Gang unsinnig. Das Tragen von Kleidung...“ Komma   ich beäugte ihn kritisch, „ich korrigiere mich, das Tragen von irgendetwas, dass das deinen natürlichen Körper bedeckt – und ich verwende 'natürlich' hier nur unter großem Protest – stellt allem Anschein nach ein Tabu gegen in deinem deinen persönlichen Glauben dar. Und jedesmal jedes Mal , wenn jemand dazu aufruft, sich mehr als ein Mal im Jahr zu waschen, möchtest du einen Mob mit Fackeln und Mistgabeln zusammenrufen.“

Gibt es in Deinem Roman Menschen, die dazu aufrufen, sich zu waschen? Liest sich etwas übertrieben. Aber das fällt mir wahrscheinlich nur beim Korrekturlesen auf, beim entspannten Lesen hätte ich es wohl nicht bemerkt wink

Zitat:
Blatters öffnete den Mund.
Hielt inne.
Schloß Schloss   ihn.
Glotzte nach links oben. Öffnete den Mund wieder.
Hielt wieder inne.   
Das ging eine Weile so weiter. In der Zwischenzeit hatte ich die wurmstichigen Fensterläden geschlossen. Eine zwecklose Geste. Die Kälte kam immer noch durch. Ich widerstand der Versuchung Komma mich zu kratzen. Gerade im Winter juckten die Narben, die meines Vaters Peitsche auf meinem Rücken hinterlassen hatte, besonders stark.
„Das ist nicht wahr, Herr,“ das Komma ist nach dem Anführungszeichen zu setzen warf Blatters nun leicht pikiert ein. Was eine besondere Leistung für jemanden war, der nicht mal die Bedeutung des Wortes kannte. „Wir würden ihn höchstens ein bisschen steinigen.“
Ich massierte mir die Nasenwurzel. „Ich wollte damit sagen, dass du die endgültige Entscheidung über Sinn und Unsinn mir überlassen sollst.“ Ein Herzschlag verging. „Und wie, bei Gundron, steinigt man jemanden nur ein bisschen?“
Blatters' Gesicht hellte sich auf. Es war, als würde ein namenloser Schrecken aus dem Abgrund Schoachs in die diesseitige Welt emporsteigen.

Du stellst Blatters als wirklich sehr dümmlich dar. Ist das gewollt?
Nachdem Du lange nichts zur Mythologie Deiner Welt hast fallen lassen, führst Du nun innerhalb von drei Sätzen zwei Götter(?) ein. Es wäre schöner, wenn Du das ein wenig weiter über den Text verteilen würdest.
Was mir noch auffiel: Als ich „pikiert“ las, dachte ich mir: das passt nicht zu einer tumben Nuss wie Blatters. Gleich darauf sah ich, dass das auch so da steht. Als Blatters von „ein bisschen steinigen“ sprach, dachte ich mir: wie steinigt man denn ein bisschen, ist das ein Witz? Dann spricht „Ich“ genau das aus. Ob Du das jetzt positiv wertest (nachvollziehbare Reaktionen) oder negativ (vorausschaubar) überlasse ich Dir wink

Zitat:
Ein erschreckender Anblick. „Das ist ganz einfach, Herr. Ihr nehmt kleinere Steine als gewöhnlich-“
Ich unterbrach ihn mit erhobener Hand. „Kleiner als gewöhnlich?“
Er nickte heftigst. heftig. Der Superlativ ist ein bisschen stark für die Situation (imho)   „Oh ja. Für eine normale Steinigung muss ein ordentlicher Stein groß genug sein, dass man seine Faust nicht völlig darum schließen kann. Alles darunter ist sinnlos. Ich sag immer, wenn es noch passt, dann ist es verprasst.“
„Vergiß Vergiss , dass ich gefragt habe,“ Komma nach dem Anführungszeichen murmelte ich und versuchte, das Gehörte in meinen Verstand zu zwängen.
„Schon vergessen, Herr,“ s.o. fuhr Blatters unbekümmert fort. „Jedenfalls nehmt ihr Ihr kleinere Steine als gewöhnlich und dann grabt ihr Ihr den Verurteilten auch nur bis zu den Knien ein. Und dann strengt ihr euch Ihr Euch beim Werfen auch nicht sehr an.“
„Und was hat das Ganze letztendlich für einen Zweck?“ Komma fragte ich, wohl wissend, dass ich die Antwort bereuen würde.
„Es vermittelt eine deutlichere Warnung als einige scharfe Worte, ist aber nicht so endgültig wie eine Klinge im Wanst.“
Ich starrte Blatters eine Weile an. Ließ meinen Blick über die kahlen Wände schweifen. Drehte seine Worte in meinem Kopf hin und her. Kein Absatz, da es noch dieselbe Handlung ist bzw. das dazugehörige Ende des Hinauszögerns
Schließlich sagte ich: „Es verstößt gegen jeden einzelnen meiner Grundsätze – und die sind weiß Gundron nicht zimperlich – aber das macht sogar Sinn.“
Blatters reckte die Schultern und strahlte, die Brust vor Stolz geschwellt.

Noch einmal laut überlegt: Ich kenne den Ausdruck „das Kinn recken“, das heißt, man hebt das Kinn. „Die Schultern recken“ habe ich noch nie gehört und wenn es bedeutet, dass jmd die Schultern hebt, also hochzieht, ist das kein Zeichen von Stolz, sondern von Scham oder Angst. Man kann die Schultern straffen, das würde zu Stolz passen.

Zitat:
„Zugegeben, es macht auch Sinn, einen Kackehaufen nach dem Ersten Sprecher des Gundron zu werfen und sein Leben unter langsamer Folter auszuhauchen. Wenn man komplett bescheuert ist.“
Blatters sackte in sich zusammen, als hätte ich den Hauptstützbalken seines Fundaments abgefackelt. Ich grinste. „Wie ich schon sagte, überlass es mir, sich um Sinn und Unsinn zu sorgen.“
Wir schwiegen, ich komplett in Gedanken versunken, Blatters erwartungsvoll meinen Anweisungen harrend. Gemäß „der Dinge harrend“ würde ich hier schreiben: meiner Anweisungen harrend Oder sein Verstand hatte sich ein für alle Mal aus dem Staub gemacht. Genau konnte ich das bei ihm nie sagen. Und hoffte immer auf letzteres.
„Sie haben wirklich alles mitgenommen?“ Komma fragte ich. Blatters verzog das Gesicht. Obwohl ich seit dem heutigen Morgen nichts gegessen hatte, verspürte ich doch leichte Übelkeit.
Er druckste etwas herum, dann hielt er meinem bohrenden Blick nicht mehr stand und platzte heraus: „Alles, alles haben sie mitgenommen, Herr, sogar die Wandvertäfelungen. Sie haben euch Euch mit Ach und Krach die Haare auf dem Kopf zurückgelassen und selbst die hat einer schon gierig angeschielt – bitte nicht schlagen.“ Er hob die Hände in einer Geste des Flehens.
Ich hatte mich nicht mal bewegt. „Beruhig dich, Blatters. Was hättest du auch tun können.“ Ich wandte mich um und stützte mich an der Wand ab. „Was hätten wir tun können? Sie waren im Recht. Hätten wir uns gewehrt, dann wären wir jetzt tot oder auf dem Weg in den Palastkerker, um drei Tage später öffentlich hingerichtet zu werden. Und das wäre keine Steinigung geworden, oh nein! In der Arena würden wir, dem Spektakel des Pöbels zu zur Freude, wie Brathähnchen auf eine glühende Eisenstange geschoben, und ich kann mir wahrlich bessere Todesarten vorstellen.“
„Und was sollen wir jetzt machen, Herr?“
Ich drückte mich von der Wand weg, richtete mich wieder auf. Straffte die Schultern genau wink . „Hör mir genau zu, denn ich werde das nur einmal sagen: Erstens, wir hören auf, uns selbst zu bemitleiden. Drittens, wir gehören bald? so schnell wie möglich? wieder zu den Obersten der Stadt und rächen uns an allen, die uns demütigen.“ Hier frag ich mich natürlich: was ist zweitens?
Blatters hob eine Faust und öffnete den Mund zu einem Triumphschrei. Hielt inne. Hielt sich die Faust vor das Gesicht. Wackelte mit den Fingern. sehr, sehr deutlich: Blatters ist grenzdebil
Ich verschränkte die Arme.
Nach einer Weile fragte er: „Und was ist zweitens, Herr?“ Und jetzt komme ich mir ganz elend vor, weil ich mich dasselbe gefragt habe wie der Vollidiot Blatters sad  
Ich zuckte die Schultern. „Das weiß ich auch noch nicht.“ Mein Magen knurrte wie ein blutrünstiger Wolf. „Lass uns etwas essen, dann fällt mir vielleicht was ein.“


Ich frage mich, für welche Altersgruppe Du das geschrieben hast. Für ein Jugendbuch ist die Charakterzeichnung sicher gut gelungen, auch die Dialoge sind dann witzig. Aber für ein Erwachsenenbuch sind die Figuren (d.h. Blatters) überzeichnet, karikaturenhaft. Du zeigst dem Leser mit dem Vorschlaghammer, wie dämlich Blatters ist. Je nach Zielgruppe also lassen oder zurückhaltender gestalten.
Der Prolog sagt noch nicht allzu viel aus. Ich erfahre, dass sich ein Diener mit seinem Herrn unterhält, kurz nachdem man den Herrn enteignet hat und dieser somit nicht mehr zur Oberschicht gehört. Das alles findet in einer Welt mit Folter und grausamen Hinrichtungen statt, umgeben von Armut und schlechtem Gesundheitssystem wink ich tippe ganz verwegen auf Mittelalter und der Mythologie nach auf Fantasy. Waren diese Infos Dein Ziel?
Dein Erzählstil setzt auf dramatische Denkpausen der Akteure, das fand ich ganz sympathisch, aber Du musst aufpassen, dass Du das nicht zu häufig vorkommen lässt, sonst läuft es Gefahr, redundant und somit langweilig zu werden. Manchmal triffst Du, glaube ich, nicht ganz das Wort oder den Ausdruck, der zur Situation passt, aber das geht mir beim Schreiben auch oft so. Insgesamt schreibst Du sehr plastisch, ich kann mir alles gut vorstellen (manchmal beschreibst Du es fast zu genau), die Erzählung ist in sich logisch, nachvollziehbar (nur eine Anmerkung: inwiefern ist die Erwähnung des Tods der Eltern am Anfang relevant?) und auch nicht langweilig.
Ich hoffe, es sind ein paar für Dich brauchbare Gedanken darunter gewesen. Wenn nicht, Du weißt ja … wink

Liebe Grüße
Selanna


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azareon35
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Beitrag24.01.2018 02:37

von azareon35
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Hallo Selanna,

vielen Dank schonmal für diese Anmerkungen, ich werde auf einige eingehen. Würde mich natürlich sehr über Kommentare zum Rest des Textes freuen.


Selanna hat Folgendes geschrieben:
Du eröffnest mit Gedankenstrich und schließt mit Bindestrich

Das war mein Schreibprogramm. Der Text ist schon etwas älter und ich verwendete damals Wordpad.


Selanna hat Folgendes geschrieben:
Entschuldige, wenn ich das so ehrlich sage, aber der erste Satzteil liest sich gar nicht gut. Er wirkt stilistisch sehr schwach, außerdem erklärst Du mir als Leser, dass die Tat dreist ist (was ich doch eigentlich selbst erkennen sollte), aber Du erklärst es mir noch vorab, Du spoilerst mir quasi die moralische Wertung. Wie wäre es mit: Plötzlich riss einer der Aussätzigen einem Kaufmann die pralle Geldbörse vom Gürtel. - Wenn man das „Plötzlich“ noch vermeiden könnte, wäre es sicher noch eleganter. Dreist und unverhohlen sagen hier in etwa dasselbe aus, denn dass der Dieb es so unverhohlen tut, ist dreist. Aber wenn Du schreibst, dass ein Aussätziger die Börse abreißt und nicht weit kommt, kann ich mir vorstellen, dass er das unverhohlen tat, also brauchst Du eigentlich keines der beiden Wörter.

Der Satz soll keine moralische Wertung des Lesers spoilern. Ich verwende 'dreist' hier als 'Mutige Entschlossenheit', nicht als 'Frechheit'. Das 'unverhohlen' soll erklären, warum der Aussätzige dann auch gleich von der Wache aufgegriffen wird.
Aber das 'Plötzlich' kann ich rauswerfen, das passt wirklich nicht.

Selanna hat Folgendes geschrieben:
Ich finde den Begriff „Stahl“ in einem nicht neuzeitlichen Roman seltsam, aber das liegt wahrscheinlich an mir

Stahl als Begriff kennt man seit dem Mittelalter, auch wenn es da nicht mit dem heutigen Industriestahl vergleichbar ist. Der Begriff bezeichnet bereinigtes Schmiedeeisen als Abgrenzung zu unreinem Roheisen.

Selanna hat Folgendes geschrieben:

Du stellst Blatters als wirklich sehr dümmlich dar. Ist das gewollt?

Oh ja.

Selanna hat Folgendes geschrieben:

Nachdem Du lange nichts zur Mythologie Deiner Welt hast fallen lassen, führst Du nun innerhalb von drei Sätzen zwei Götter(?) ein. Es wäre schöner, wenn Du das ein wenig weiter über den Text verteilen würdest.

Das kann ich jetzt nicht nachvollziehen. Es klingt, als hätte ich ellenlange Satzmonster geschrieben, die einen massiven Infodump enthalten.

Selanna hat Folgendes geschrieben:
Was mir noch auffiel: Als ich „pikiert“ las, dachte ich mir: das passt nicht zu einer tumben Nuss wie Blatters. Gleich darauf sah ich, dass das auch so da steht. Als Blatters von „ein bisschen steinigen“ sprach, dachte ich mir: wie steinigt man denn ein bisschen, ist das ein Witz? Dann spricht „Ich“ genau das aus. Ob Du das jetzt positiv wertest (nachvollziehbare Reaktionen) oder negativ (vorausschaubar) überlasse ich Dir

Ich sehe es positiv. Wenn ich mit meiner Schreibe die Reaktion der Leser spiegeln kann, dann mache ich etwas richtig.

Selanna hat Folgendes geschrieben:

Noch einmal laut überlegt: Ich kenne den Ausdruck „das Kinn recken“, das heißt, man hebt das Kinn. „Die Schultern recken“ habe ich noch nie gehört und wenn es bedeutet, dass jmd die Schultern hebt, also hochzieht, ist das kein Zeichen von Stolz, sondern von Scham oder Angst. Man kann die Schultern straffen, das würde zu Stolz passen.

Stimmt. Wird geändert.

Selanna hat Folgendes geschrieben:
sehr, sehr deutlich: Blatters ist grenzdebil

Mhmm... mehr oder weniger.

Selanna hat Folgendes geschrieben:
Und jetzt komme ich mir ganz elend vor, weil ich mich dasselbe gefragt habe wie der Vollidiot Blatters

 lol

Selanna hat Folgendes geschrieben:
Ich frage mich, für welche Altersgruppe Du das geschrieben hast. Für ein Jugendbuch ist die Charakterzeichnung sicher gut gelungen, auch die Dialoge sind dann witzig. Aber für ein Erwachsenenbuch sind die Figuren (d.h. Blatters) überzeichnet, karikaturenhaft. Du zeigst dem Leser mit dem Vorschlaghammer, wie dämlich Blatters ist. Je nach Zielgruppe also lassen oder zurückhaltender gestalten.

Das Ganze soll, wenn mal fertig, grundsätzlich eine rabenschwarze Komödie sein, deswegen die Überzeichnungen.

Selanna hat Folgendes geschrieben:
Der Prolog sagt noch nicht allzu viel aus. Ich erfahre, dass sich ein Diener mit seinem Herrn unterhält, kurz nachdem man den Herrn enteignet hat und dieser somit nicht mehr zur Oberschicht gehört. Das alles findet in einer Welt mit Folter und grausamen Hinrichtungen statt, umgeben von Armut und schlechtem Gesundheitssystem wink ich tippe ganz verwegen auf Mittelalter und der Mythologie nach auf Fantasy. Waren diese Infos Dein Ziel?
Die Zeit ist eher Renaissance mit einigen technischen Errungenschaften des 19. Jahrhunderts, davon abgesehen bist du in der richtigen Nachbarschaft.

Selanna hat Folgendes geschrieben:

Dein Erzählstil setzt auf dramatische Denkpausen der Akteure, das fand ich ganz sympathisch, aber Du musst aufpassen, dass Du das nicht zu häufig vorkommen lässt, sonst läuft es Gefahr, redundant und somit langweilig zu werden. Manchmal triffst Du, glaube ich, nicht ganz das Wort oder den Ausdruck, der zur Situation passt, aber das geht mir beim Schreiben auch oft so. Insgesamt schreibst Du sehr plastisch, ich kann mir alles gut vorstellen (manchmal beschreibst Du es fast zu genau), die Erzählung ist in sich logisch, nachvollziehbar (nur eine Anmerkung: inwiefern ist die Erwähnung des Tods der Eltern am Anfang relevant?) und auch nicht langweilig.

Vielen Dank, ich werde das mit den Denkpausen zu beherzigen versuchen.
(Der Tod der Eltern ist vorerst nur eine kurze Erwähnung, der Impetus für den ganzen Ärger, in dem sich der Protagonist befindet)

MfG
Azareon


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Beitrag24.01.2018 17:28

von Selanna
Antworten mit Zitat

Hallo Azareon,

Zitat:
Würde mich natürlich sehr über Kommentare zum Rest des Textes freuen.

Gern. Nur brauch ich da ein etwas größeres Zeitfenster wink

Zitat:
Der Satz soll keine moralische Wertung des Lesers spoilern. Ich verwende 'dreist' hier als 'Mutige Entschlossenheit', nicht als 'Frechheit'. Das 'unverhohlen' soll erklären, warum der Aussätzige dann auch gleich von der Wache aufgegriffen wird.
Aber das 'Plötzlich' kann ich rauswerfen, das passt wirklich nicht.

Achtung, Duden-Klugscheißer-Alarm: (mutig) entschlossen wäre resolut, couragiert, beherzt, energisch, zupackend oder, was mir hier dann am besten gefiele: forsch. - Für dreist bietet duden.de folgende Synonyme: frech, dummdreist, kühn, unverschämt, unverfroren. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass „dreist“ hier in der Bedeutung von „frech, da so unverhohlen“ gelesen werden könnte. Aber es ist natürlich Dein Text und ich bin i-Tüpfchen-Reiter. wink

Zitat:
Stahl als Begriff kennt man seit dem Mittelalter, auch wenn es da nicht mit dem heutigen Industriestahl vergleichbar ist. Der Begriff bezeichnet bereinigtes Schmiedeeisen als Abgrenzung zu unreinem Roheisen.

Ich habe, bevor ich meinen Kommentar schrieb, das in wiki nachgelesen, da steht es so, wie Du es darstellst. Ich hatte mich trotzdem dazu entschlossen, meinen ersten Leseeindruck wiederzugeben, weil ich ein ehrliches Bild abgeben wollte. Und aus germanistischer Sicht: auch wenn „Stahl“ früher schon verwendet wurde, hat es doch einen kleinen Bedeutungswandel durchlebt. So ähnlich wie „Dirne“. Falls es mein Text wäre, würde ich lieber „Schmiedeeisen“ schreiben, dann weiß der heutige Leser genau. woran er ist - aber es ist nicht mein Text und ich habe dazu jetzt genug klug dahergeredet Embarassed

Zitat:
Das kann ich jetzt nicht nachvollziehen. Es klingt, als hätte ich ellenlange Satzmonster geschrieben, die einen massiven Infodump enthalten.

Nein! Gar kein Infodump. Den Dreh hast Du heraus, das ist Dir mE nirgendwo passiert. Was ich meinte war: Die zwei unterhalten sich minutenlang und denken ebenso munter vor sich hin, ohne dass einmal ein Gott erwähnt wird. Und dann bezieht sich der Ich gleich zweimal in einer einzigen Gedankensequenz auf Götter. Das fiel mir beim erstmaligen Lesen auf. Jetzt, da ich nochmal drüber nachdenke, finde ich es nicht mehr so wichtig.

Zitat:
Ich sehe es positiv. Wenn ich mit meiner Schreibe die Reaktion der Leser spiegeln kann, dann mache ich etwas richtig.

Geschmackssache wink

Zitat:
Das Ganze soll, wenn mal fertig, grundsätzlich eine rabenschwarze Komödie sein, deswegen die Überzeichnungen.

Ich werde demnächst mal weiterlesen, das hilft sicher, den Ton besser zu verstehen smile

Liebe Grüße
Selanna


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Beitrag26.01.2018 17:52

von Selanna
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Hallo Azareon,

das fiel mir in Deinem ersten Kapitel auf:

Zitat:
1 – Betreffend die Stadt

Das ist eine schlimme Unterüberschrift. Wer will denn, wenn er zu einem Fantasyroman greift und in fremden Welten schwelgen will, etwas lesen, das klingt, als wolle hier der Wertstoffhof die unterschiedliche Müllentsorgung in Landkreis und Stadt erklären. Mir ist aufgefallen, dass Du alles vor dem Schreiben gut zu durchdenken scheinst und dann auch immer gut begründen kannst, warum Du etwas auf genau diese Art geschrieben hast. Darum nur zwei vorsichtige Vorschläge wink : Wie wär’s mit entweder nur „Die Stadt“ oder, was ich persönlich noch schöner fände, „[Name der Stadt]“

Zitat:
Ein Reisender, der unsere schöne Stadt zum ersten Mal besucht oder aus der Ferne betrachtet, erblickt zuallererst die glänzend schwarze Kuppel des Regentspalast.
Nein, das ist so nicht richtig. Was er zuallererst erblickt, ist die bis zum Himmel reichende Rauchwolke aus den zahllosen Schornsteinen und Brennöfen. Bis der Reisende den Regentspalast sehen kann, ist er nahe genug an den Stadtmauern, um die Stadt zu hören, das endlose Geschrei der Händler am Markt, das stampfende Marschieren der Stadtwachen, die Todesschreie der aus den - die Schlachthöfe selber schreien ja nicht wink Schlachthöfe. Er ist nah genug, um die Stadt zu riechen, die ständig überschwappende schwappt sie über, das wäre wellenähnlich, oder läuft sie über?  Kanalisation, die eitrigen Wunden der Leprösen, die Blutflüsse der Schlachthöfe. Und vom Armenviertel rede ich besser erst gar nicht.

Ist „Regentspalast“ eine englisch-deutsche Kombination? Also „regent“ englisch ausgesprochen und „Palast“ deutsch? Das wäre für mich ein rotes Tuch. Wenn es ein rein deutsches Wort ist, dann fände ich es unglücklich gewählt, weil es sich sperrig liest, es klingt grammatikalisch falsch. Warum nicht „Regentenpalast“? Oder ganz simpel: die „Residenz“?
Das Geschrei der Händler ist mit Sicherheit endlich, da der Markt am Abend endet und damit auch das Geschrei. Wie wäre es mit „ausdauernd“ oder „lärmend“, „schrill“, „penetrant“?
Bei den Geruchseindrücken würde ich statt den eitrigen Wunden, die ja doch sicher nicht allzu weit stinken können, eher den Unrat und Abfall nehmen, der die Straßen säumt, der stinkt voluminöser wink

Zitat:
In diesem Beispiel nähert sich der Reisende von Süden her, entlang des östlichen Flussufers. Er betritt die Stadt durch ein halb zerfallenes Tor – soll heißen, er versucht es. Natürlich, und damit sage ich niemandem etwas neues Neues, wird er durch einen Dreiertrupp von sehr gereizten Wachen aufgehalten, bevor er auch nur einen Fuß in den Schatten des Tores setzen kann. Während zwei der Wachen seine Klüngel auch wenn Du hier sicher auf „kleines Knäuel“ hinauswillst, ist das weit hergeholt. Man versteht darunter eher Vetternkreis/eine Gruppe von sich nahe stehenden Leuten. Das Wort würde ich ersetzen durchwühlen, stellt der dritte Wächter dem Reisenden alle möglichen Fragen, woher er kommt, was er in der Stadt zu tun beabsichtigt, wie lange er bleibt vorhat zu bleiben, was seine sexuellen Vorlieben sind, ob er Geschäfte in der Stadt zu tätigen beabsichtigt Wortwiederholung, ob er Interesse an der Teilnahme an der Tätigkeit der Stadtwache hat, ob er endlich Klarheit über seine sexuellen Vorlieben hat, ob er Verwandte oder andere Bürgen in der Stadt hat, ob er mit gottlosen Anbetern Shoachs weiter oben schriebst Du „Schoach“  kavortiert und was jetzt endlich bitteschön seine sexuellen Vorlieben sind.

Du hast hier den Wortstamm „-tätig-“ zweimal kurz hintereinander. Die Stadtwache, die Du hier anschaulich als sehr nervig darstellst, hat ein recht hohes Sprachniveau. Meinst Du, die reden von „Teilnahme an der Tätigkeit der Stadtwache“? Oder fragen sie einfach, ob man in die Stadtwache eintreten will. „kavortiert“ ist so selten, dass es nicht einmal im Duden steht, und somit glaube ich nicht, dass die Stadtwache ein solches Wort kennt oder verwendet.
Zitat:
Ein erfahrener Reisender weiß, dass er diese hochnotpeinliche Prozedur abkürzen und seine Klüngel Das liest sich wie „seine Geschäftsfreunde“, aber Du meinst das Gepäck. Du musst mir nicht glauben, aber google das Wort mal, Du wirst sehen, es will hier nicht recht passen vor Beschädigung bewahren kann, indem er dem Wächter auffällig unauffällig eine Bestechung übergibt wie wäre es mit „zusteckt“. Je nach Höhe der Bestechung zur Vermeidung einer WW: Summe/Betrag wird er umso schneller in die Stadt gelassen.
Ein unerfahrener Reisender wird erst am nächsten Tag in die Stadt gelassen, die Klüngel s.o. in Trümmern und Fetzen, sowie mit Adressen für ein Hurenhaus versehen, dass genau seinen Vorlieben entspricht.
Jetzt ist der Reisende in der Stadt. Und jetzt fangen die Probleme erst an.
Der Wächter hat, kaum das dass der Reisende aus seiner Sicht verschwunden ist, ein Straßenkind – oder auch mehrere, wenn der Wächter sich großzügig fühlt – gedungen, den Namen des Reisenden zu allen Ohren zu tragen, denen diese Information welche Information? eine klingende Münze oder auch mehr wert sein könnte

Der letzte Teil ist recht umständlich. Wie wäre es mit: Jetzt ist der Reisende in der Stadt. Damit fangen die Probleme erst an. /Damit fangen die eigentlichen Probleme an
Der Wächter hingegen dingt, kaum dass der Reisende ihm den Rücken kehrt, ein - oder auch mehrere - Straßenkinder, die den Namen all jenen kundtun, die dafür eine Münze springen lassen/ die es einem mit klingender Münze vergelten.
Zitat:
Der Reisende hat es noch nicht mal geschafft Komma eine Straße entlang zu gehen, da ist seine Ankunft in der Stadt schon in Ecken und Gassen bekannt, die er selbst niemals betreten wird.
Der Reisende hat mittlerweile andere Probleme Du hast schon geschrieben, dass die Probleme jetzt anfangen. Also ist klar, dass er mittlerweile Probleme hat. Den Satz kannst Du streichen . Von allen Seiten wird er bedrängt. Aussätzige und Bettler, die ihn um ein Almosen bitten, Straßenhändler, die ihm allen möglichen Ramsch andrehen wollen, da man sie im Marktviertel nicht mehr sehen will, sowie Zuhälter, die ihm Frauen anbieten, welche nur noch mit sehr viel Phantasie als solche erkennbar sind und daher nicht im Hurenviertel arbeiten können.
Vom Stadttor gelangt der Reisende direkt in das Alte Viertel, eine halbwegs saubere Ansammlung von engen, krummen Gassen und gepflasterten Straßen Ein Viertel ist doch eher eine Ansammlung von Gebäuden und keine Ansammlung von Straßen/Gassen. Die sind doch in erster Linie der ungefüllte Raum zwischen den Gebäuden. So wie ein Supermarkt ja auch eher aus Waren und Regalen besteht und nicht aus den Gängen. Verstehst Du, worauf ich hinaus will? . Neben den Wohnhäusern kann er hier auch die eine oder andere Schenke finden, in denen er halbwegs sauberes Bier und nicht komplett verschimmeltes Essen serviert bekommt, für einen Aufpreis natürlich.
Vom alten Viertel oben schreibst Du „alt“ groß gelangt er auf die von hohen Gebäuden umgebenen, weiten Plätze des Marktviertels oder in die Straßen der Zünfte, welche die Gießereien und Fabriken enthalten. Hinter diesen findet er das von Tang verklebte Hafenviertel, die blutbesudelten Schlachthöfe und das Hurenviertel. Die Schlachthöfe sind Die Schlachthöfe sind mE kein Stadtteil, sondern bilden einen Stadtteil, oder? der einzige Stadtteil, der regelmäßig von schwerem dickem Rauch überhangen ist. Allenthalben stinkt es nach eingetrocknetem Blut und verfaulten Innereien, sowie dem beißenden Geruch der Pissebottiche der Gerbereien.

Schlachthöfe sind (imho) eine eher neuzeitliche Einrichtung, früher schlachteten kleinere Metzgereien/Fleischereien in ihren eigenen Räumlichkeiten. Da Gerbereien eben derart stanken, waren sie tatsächlich in eigenen Vierteln, auch weil sie sozial abgedrängt wurden. Das trifft beides (wieder imho) auf das Fleischerhandwerk nicht zu (die waren zB in München direkt am Marienplatz und sind heute noch am Viktualienmarkt).
Zitat:

Vom Alten Viertel führen WW   zwei Brücken in den nordwestlichen Teil der Stadt. Eine Brücke führt WW direkt über den Fluss, die andere landet Kann eine Brücke landen? Klingt falsch auf der kleinen Insel, die das Armenviertel beherbergt. Der Reisende ist dazu angehalten, letzteres nicht aufzusuchen, sofern er nicht seines Lebens müde ist.

Die Straßen der schönen hast Du weiter oben großgeschrieben Künste werden dem Reisenden als eine Mischung aus einem großen Steingarten und einem Stadtpark erscheinen. Er kann über verschlungene Pfade stolzieren, die von Statuen gesäumt sind oder an Pavillons vorbeiführen, in denen er Darbietungen verschiedenster Art über sich ergehen lassen kann, sei es Malerei, Dichtung, Theater. Künstler, die sich die Gunst der Regentschaften klingt komisch gesichert haben, wohnen hier auf Staatskosten in kleinen Villen.
Doch direkt vor dem Reisenden, auf dem kreisrunden Platz, liegt eine von Bäumen und Statuen gesäumte Allee, die ihn zum absoluten Juwel der Stadt führt. Der Regentspalast. Eine riesige schwarze Kuppel, groß wie ein Berg. Von seinem höchsten Punkt aus, so heißt es, lässt sich die ganze Stadt überblicken.
Im Regentspalast leben der Regent und die Regentin, die Herrscher über alles all das - wobei Du wahrscheinlich die Stadt meinst und nicht wirklich alles, oder? Was ist denn um die Stadt herum? von Gundrons Gnaden. Tagein, tagaus treffen sie in diesem Palast wichtige Entscheidungen, die das Geschick jedes einzelnen ihrer Untertanen betreffen. das ist das Geschäft eines Regenten. Würde er es nicht tun, wäre er kein Regent
Doch der Reisende wird diesen Palast nur in den seltensten Fällen betreten. Er wird nicht mal in seine Nähe kommen, da der Regentspalast von einer kreisrunden, leeren Ebene aus grauem Basalt umgeben ist, die ihn von der restlichen Stadt abtrennt. Eskadrone der Stadtarmee patroullieren patrouillieren zu jeder Zeit widerscheins Was drückt das hier aus? Das kann man doch genauso gut weglassen, ohne Bedeutungsverlust, oder? die Ebene entlang und haben Befehl, jeden, der sich dort ohne Befugnis aufhält, gnadenlos und unverzüglich an Ort und Stelle hinzurichten.


Allgemein fällt mir dazu noch ein, dass Dein 1. Unterkapitel ziemlich kurz ist, ich glaube, es ist sogar kürzer als Dein Prolog, kann das sein? In dem Fall, dass dem so ist, stimmen für mich die Dimensionen nicht so ganz… Außerdem glaube ich, die Einteilung in Unterkapitel ist in Belletristik nicht gerade üblich und insbesondere in phantastischen Geschichten finde ich es befremdlich. Unterkapitel haben etwas sehr nüchtern Analysierendes, klar Ordnendes, etwas mit Sachbüchern Assoziiertes, verstehst Du, was ich meine? Das verbinde ich so gar nicht mit Fantasy. Fantasy hat für mich eher etwas herausragend Schöpferisches, Kreatives, also quasi das Gegenteil selektiver Analyse. Da würde ich nicht auf das Schema von Sachbüchern zurückgreifen. Außerdem reißt es einen unnötig oft aus dem Lesefluss, wenn man alle zwei bis drei Seiten vor einem neuen Kapitelanfang mit Überschrift und gleich danach Unterkapitelüberschrift steht und erst wieder neu eintauchen muss.
Deine Kapitelüberschriften haben zwar einen eigenen Charme durch die auktorialen Vorwegnahmen, sie stehen für mich in einer konservativen Märchenerzählertradition (à la: Vom Fischer und seiner Frau) und das ist durchaus nostalgisch nett. Aber sie verraten sehr viel, sie nehmen wie eine Mini-Inhaltsangabe so viel vorweg, das finde ich schade. Ich weiß, dass Du gerne Lesererwartungen erfüllst, aber Du machst so viel Spannung und Entdeckungsmöglichkeiten unnötig kaputt.
Zum Inhalt: Du beschreibst die Stadt, so detailreich, wie Du es für Dich als Autor auch wissen musst. Ich sehe, Du kennst den Aufbau genau, hast jeden Winkel im Kopf, die Gerüche, die Farben, die Menschen. Es ist auch schön, wie gehaltvoll Du Eindrücke wiedergeben kannst und Atmosphäre schaffst. Aber das ist viel zu lang. Das ist ein Text, den Du für Dich zum Schreiben brauchst, aber für den Leser ist das fad. Es gab einen ganz ähnlichen Text im Forum, an dem sehr viele die detaillierte Stadtbeschreibung kritisiert haben, sieh da mal rein:  http://www.dsfo.de/fo/viewtopic.php?t=62037&postdays=0&postorder=asc&highlight=magier&start=0

Zur Sprache: Du schreibst so gut wie fehlerfrei und bedienst Dich durchaus gewandt alter Ausdrücke, das trägt zur Stimmung bei. Allerdings vergreifst Du Dich ein, zwei Mal auch in den Ausdrücken, die nicht wirklich den Sachverhalt treffen, den Du meinst. Im Satzbau finde ich manche Stellen sehr schön ausgedrückt, zwar immer weitläufig und mit einem Hang zum Überbordendem, aber andere Sequenzen sind langatmig und umständlich. Da das Thema nun schon nicht mitreißend ist, macht das langatmige Formulieren gerade dieses Einstiegskapitel leider recht langweilig.

Tut mir leid, dass ich diesmal so viel zum Anmerken und Kritisieren fand. Es ist alles subjektiv, das weißt Du ja. Nimm, was Dir nützt.
Liebe Grüße
Selanna


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azareon35
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Beitrag29.04.2018 20:05

von azareon35
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Hi Selanna,

bitte entschuldige, dass ich mit der Antwort so lange gewartet habe (persönlicher Krempel kam dazwischen).


Selanna hat Folgendes geschrieben:

Das ist eine schlimme Unterüberschrift. Wer will denn, wenn er zu einem Fantasyroman greift und in fremden Welten schwelgen will, etwas lesen, das klingt, als wolle hier der Wertstoffhof die unterschiedliche Müllentsorgung in Landkreis und Stadt erklären.


Allgemein fällt mir dazu noch ein, dass Dein 1. Unterkapitel ziemlich kurz ist, ich glaube, es ist sogar kürzer als Dein Prolog, kann das sein? In dem Fall, dass dem so ist, stimmen für mich die Dimensionen nicht so ganz… Außerdem glaube ich, die Einteilung in Unterkapitel ist in Belletristik nicht gerade üblich und insbesondere in phantastischen Geschichten finde ich es befremdlich. Unterkapitel haben etwas sehr nüchtern Analysierendes, klar Ordnendes, etwas mit Sachbüchern Assoziiertes, verstehst Du, was ich meine? Das verbinde ich so gar nicht mit Fantasy. Fantasy hat für mich eher etwas herausragend Schöpferisches, Kreatives, also quasi das Gegenteil selektiver Analyse. Da würde ich nicht auf das Schema von Sachbüchern zurückgreifen. Außerdem reißt es einen unnötig oft aus dem Lesefluss, wenn man alle zwei bis drei Seiten vor einem neuen Kapitelanfang mit Überschrift und gleich danach Unterkapitelüberschrift steht und erst wieder neu eintauchen muss.
Deine Kapitelüberschriften haben zwar einen eigenen Charme durch die auktorialen Vorwegnahmen, sie stehen für mich in einer konservativen Märchenerzählertradition (à la: Vom Fischer und seiner Frau) und das ist durchaus nostalgisch nett. Aber sie verraten sehr viel, sie nehmen wie eine Mini-Inhaltsangabe so viel vorweg, das finde ich schade. Ich weiß, dass Du gerne Lesererwartungen erfüllst, aber Du machst so viel Spannung und Entdeckungsmöglichkeiten unnötig kaputt.
Zum Inhalt: Du beschreibst die Stadt, so detailreich, wie Du es für Dich als Autor auch wissen musst. Ich sehe, Du kennst den Aufbau genau, hast jeden Winkel im Kopf, die Gerüche, die Farben, die Menschen. Es ist auch schön, wie gehaltvoll Du Eindrücke wiedergeben kannst und Atmosphäre schaffst. Aber das ist viel zu lang. Das ist ein Text, den Du für Dich zum Schreiben brauchst, aber für den Leser ist das fad.

Ich versuche, diesen Text in einem Stil zu schreiben, der eine Parodie/Homage auf frühere Konventionen ist. Viele Romane, Gedichte und Theaterstücke so ca. 19./20. Jahrhundert (oder noch früher) benutzen solche Überschriften und Unterkapitel á la "In welchem X beschrieben wird/passiert" oder "Betreffend X".
Ich muss das wahrscheinlich im Text noch herausarbeiten, aber vielleicht hilft es, wenn du dir vorstellst, dass der Protagonist die ganze Stadtbeschreibung in einem trockenen, sarkastischen Tonfall vorträgt. Charles Dickens hat viel in diesem Stil geschrieben. Wenn du ein zeitgenössisches Beispiel willst, dann lies mal Johnathan Strange und Mr Norrell, das war unter anderem einer der Stile, die ich parodieren wollte.
Nein, in der modernen Belletristik ist das nicht üblich, da gebe ich dir recht. Es ist aber auch nicht verboten und je nach Aufmachung kann das zum Charme des Buches beitragen.


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Selanna
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Wohnort: Süddeutschland


Beitrag30.04.2018 15:55

von Selanna
Antworten mit Zitat

Hallo Azareon,

Zitat:
bitte entschuldige, dass ich mit der Antwort so lange gewartet habe

Kein Problem, so was kenn ich gut.  

Zitat:
Wenn du ein zeitgenössisches Beispiel willst, dann lies mal Johnathan Strange und Mr Norrell, das war unter anderem einer der Stile, die ich parodieren wollte.

Ich bin ein großer Fan von Jonathan Strange & Mr. Norrell, ich habe auch sofort bei Deinem Hinweis die ersten Überschriften der Kapitel durchgeblättert. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass auch Susanna Clarke als Überschrift den Stadtnamen gesetzt hätte ohne „betreffend“ und nicht allgemein von der „die Stadt“ sprechend.

Zitat:
Es ist aber auch nicht verboten

Natürlich ist es nicht verboten! Im Schriftstellermetier ist gar nichts verboten, außer Plagiate. Ich habe Dir einfach nur meine Eindrücke und Meinungen geschrieben, wie ich es unter einigen Texten schon gemacht habe. Ich weiß, dass alles, was ich schreibe, subjektiv ist und ich hoffe, dass der Autor des Textes weiß, dass ich nie irgendetwas übergriffig oder boshaft meine. Du darfst gerne alles verwerfen, was ich schreibe, es sind Eindrücke, von denen ich hoffe, dass sie dem Autoren helfen. Wenn sie es nicht tun: denk nicht weiter über sie nach Very Happy

Liebe Grüße
Selanna


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Gast







Beitrag03.06.2020 16:10

von Gast
Antworten mit Zitat

Das ist richtig gut geschrieben. Besonders gefällt mir der Sarkasmus innerhalb der Geschichte und der Charakter der Hauptfigur.
Zwei Dinge habe ich aber doch anzumerken:
1. Deine Geschichte scheint in einer altertümlichen Welt zu spielen, ich bin mir ziemlich sicher, dass das Wort ,,Hurensohn“ damals nicht zum Wortschatz der Menschen gezählt hat. Aber vielleicht ist das vermischen von moderner Sprache und alter Sprache ja auch der Stil deiner Geschichte. Mir gefällt es sogar ganz gut.

2. Dein Protagonist hat wurde doch in der Vergangenheit von anderen Kindern ausgelacht und erniedrigt. So wie er das beschreibt, war das für ihn auch nicht wirklich angenehm. Die Frage ist, wieso macht er das jetzt mit seinem Diener auch. Vielleicht versucht er ja auch damit seine eigenen Bürden, die er zu tragen hat, zu verstecken? Aber das gehört für mich jetzt irgendwie zu seinem Charakter dazu und macht einen Großteil der Geschichte aus.


Aber es ist die beste und klügste Geschichte, die ich hier bisher gelesen habe.
(Ich bin noch nicht lange hier)

Deine Quinn
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azareon35
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Wohnort: Hessen


Beitrag08.06.2020 23:57

von azareon35
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Zitat:
Deine Geschichte scheint in einer altertümlichen Welt zu spielen, ich bin mir ziemlich sicher, dass das Wort ,,Hurensohn“ damals nicht zum Wortschatz der Menschen gezählt hat. Aber vielleicht ist das vermischen von moderner Sprache und alter Sprache ja auch der Stil deiner Geschichte. Mir gefällt es sogar ganz gut.

Das Wort Hurensohn ist uralt, das gibt es mindestens seit dem 18. Jahrhundert. Noch früher hat man dazu wahrscheinlich eher Bastard oder Bankert gesagt, aber die Grundintention sollte verständlich sein.

Zitat:
Dein Protagonist hat wurde doch in der Vergangenheit von anderen Kindern ausgelacht und erniedrigt. So wie er das beschreibt, war das für ihn auch nicht wirklich angenehm. Die Frage ist, wieso macht er das jetzt mit seinem Diener auch. Vielleicht versucht er ja auch damit seine eigenen Bürden, die er zu tragen hat, zu verstecken? Aber das gehört für mich jetzt irgendwie zu seinem Charakter dazu und macht einen Großteil der Geschichte aus.

Der Text ist als finsterer Galgenhumor konzipiert, da sollte es wenig verwundern, dass der Protagonist seinen Diener ebenfalls erniedrigt. Hinzu kommt noch, was in einem Kapitel angerissen wird, welches ich noch nicht gepostet habe, dass besagter Diener weniger Verstand als Tapetenkleister besitzt.

Zitat:

Aber es ist die beste und klügste Geschichte, die ich hier bisher gelesen habe.
(Ich bin noch nicht lange hier)


Danke.
Azareon


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Willebroer
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Wohnort: OWL


Beitrag09.06.2020 02:27

von Willebroer
Antworten mit Zitat

Ich würde Hurensohn eher bis ins 9. Jhd. zurück vermuten. Zumindest die Mama gab es da schon als Begriff.
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azareon35
Geschlecht:männlichEselsohr


Beiträge: 292
Wohnort: Hessen


Beitrag09.06.2020 12:41

von azareon35
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Willebroer hat Folgendes geschrieben:
Ich würde Hurensohn eher bis ins 9. Jhd. zurück vermuten. Zumindest die Mama gab es da schon als Begriff.

Was er gesagt hat.

Der belegte Begriff aus dem Duden stammt von 1698. Die Idee dahinter ist mindestens so alt wie das älteste Gewerbe.


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