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Enfant Terrible alte Motzbirne
Alter: 30 Beiträge: 7278 Wohnort: München
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24.05.2008 08:51 Die windige Stadt von Enfant Terrible
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Mantellos,
mit einem Koffer voll Vergessen
betrete ich die windige Stadt,
und meine Beine verstricken sich
im Labyrinth endloser Straßen.
Ich glaube dem Echo nicht,
glaube nicht den Menschen,
die an mir vorbeifliehen -
in Eile, um ihr Blut
zu Eisen gießen zu lassen.
Den Himmel suche ich nicht,
ein Engel hat ihn zugenäht
mit stahlgrauen Fäden.
Weitere Werke von Enfant Terrible:
_________________ "...und ich bringe dir das Feuer
um die Dunkelheit zu sehen"
ASP
Geschmacksverwirrte über meine Schreibe:
"Schreib nie mehr sowas. Ich bitte dich darum." © Eddie
"Deine Sprache ist so saftig, fast möchte man reinbeißen." © Hallogallo |
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Gast
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24.05.2008 10:08
von Gast
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Ein Wahnsinnsbild!
Hätte es allerdings noch besser gefunden, wenn da LI der einzige Mensch gewesen wäre. Das hätte diesen postapokalyptischen Aspekt noch verstärkt. Trotzdem großen Respekt für den intelligenten Einsatz der Metaphern und das tolle, in sich stimmige Bild, das du heraufbeschwörst.
8 Punkte.
Martin
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Enfant Terrible alte Motzbirne
Alter: 30 Beiträge: 7278 Wohnort: München
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24.05.2008 11:18
von Enfant Terrible
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Ich danke dir ganz herzlich für dein Lob, Krev, es hat mich unheimlich gefreut!
Nun, es ist natürlich immer Interpretationssache, doch war das "Apokalyptische" nicht so sehr mein Ziel bei diesem Gedicht wie die Verlorenheit inmitten ferngesteuerter Menschen. Außerdem ist das "allein in einer verlassenen Stadt/Welt" ein recht abgegriffenes Motiv, dessen ich mich dieses Mal nicht bedienen wollte. Trotzdem, vielen lieben Dank für die Anregung.
_________________ "...und ich bringe dir das Feuer
um die Dunkelheit zu sehen"
ASP
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Mana Mensch
Alter: 39 Beiträge: 2227 Wohnort: Düsseldorf
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10.06.2008 20:50
von Mana
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Liebes Krümelchen.
ein sehr schönes Gedicht, des wirklich zum Denken anregt.
Bereits im Titel findet sich bei mir ein Gedankengang.
Eine windige Stadt, hört sich für mich sehr leer an.
Warum?
Nun es gibt wohl wenig das den Wind blockiert.
Aber in der letzten Strophe, die ich im übrigen wirklich gelungen finde
Zitat: | Den Himmel suche ich nicht,
ein Engel hat ihn zugenäht
mit stahlgrauen Fäden. |
findet sich dann eine widersprüchliche Aussage.
So, nun woher kommt der Wind?
Zitat: | die an mir vorbeifliehen -
in Eile, um ihr Blut |
Von hier?
Vielleicht....
Wind hat für mich mest etwas tempramentvolles und lebendiges.
Auch etwas Freiheit.
Warum also Windige Stadt?
Vielleicht findet sich die Antwort ja auch hier?
Zitat: | Mantellos,
mit einem Koffer voll Vergessen
betrete ich die windige Stadt,
und meine Beine verstricken sich
im Labyrinth endloser Straßen. |
Vielleicht ist die Eile der Menschen ja so gewaltig, das jemand Fremdes sich vollkommen verirrt.
Ich denke hier an jemanden aus dem Dorf, wo des Leben ja etwas ruhiger ist, der plötzlich mit der Großstadthektik vollkommen überfordert ist.
Insgesamt ein gar net mal so schlechtes Gedicht, des zum denken anregt. Ich selbst kenne des von meiner Art des ich oft um den heißen Brei rede, des führt manchmal dazu des ich überhaupt net verstanden werde, oder ich am Ende selbst vergesse worrauf ich hinnaus will.
Aber du projezierst schon ein deutliches Bild, vielmehr Frage ich mich was will dieses Bild von dir erzeugen?
Melancholie? Tristesse? Sehnsucht?
Ich hoffe ich konnte dir ein wenig behilflich sein^^
Gruss Ralf
_________________ Der Verstand schreibt mit Tinte, das Herz mit Leidenschaft...
Wissenschaft ist ein stahlharter Metalldildo zum umschnallen.- Vince Masuka
Mein Lieblingsepigramm:
"Ich selbst bin Ewigkeit, wenn ich die Zeit verlasse
Und mich in gott und gott in mich zusammenfasse." von Johannes Scheffler |
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Enfant Terrible alte Motzbirne
Alter: 30 Beiträge: 7278 Wohnort: München
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10.06.2008 21:14
von Enfant Terrible
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Guten Abend, lieber Ralf,
ich danke dir für deine ausführliche, tiefgründige Rezension. Es freut mich, wenn ich sehe, wie genau sich jemand mit meinem Gedicht befasst. Also, großen Dank an dich!
Ich hätte nicht gedacht, dass du den Wind in so einem starken Zusammenhang mit den anderen Metaphern bringen und ihn dir aus ihnen heraus erklären würdest - ich habe es als einen für sich stehenden Teil des Gesamtbildes gesehen/gemeint. Die Stadt ist windig, chaotisch, hektisch und kalt. Einsam, weil die einzigen Menschen darin - abgesehen von dem verirrten LI - eigentlich bessere Roboter sind.
Ich hoffe, du kannst mit meiner Erklärung irgendetwas anfangen?
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um die Dunkelheit zu sehen"
ASP
Geschmacksverwirrte über meine Schreibe:
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Mana Mensch
Alter: 39 Beiträge: 2227 Wohnort: Düsseldorf
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10.06.2008 21:35
von Mana
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So in etwa hab ichs mir auch gedacht^^
Im übrigen schuldest du mir nochn paar Füße....
_________________ Der Verstand schreibt mit Tinte, das Herz mit Leidenschaft...
Wissenschaft ist ein stahlharter Metalldildo zum umschnallen.- Vince Masuka
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EdgarAllanPoe Poepulistischer Plattfüßler
Alter: 31 Beiträge: 2356 Wohnort: Greifswald
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12.08.2009 09:57
von EdgarAllanPoe
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Da ich dieses Gedicht mag, habe ich beschlossen, es hochzuholen.
Zitat: | Mantellos,
mit einem Koffer voll Vergessen
betrete ich die windige Stadt, |
"Mantellos" könnte man auch mit "schutzlos" übersetzen: Das LI ist der Kälte nicht gefeit. Es möchte einen völligen Neuanfang wagen, und zwar "mit einem Koffer voll Vergessen". Das weist darauf hin, dass es in seinem ursprünglichen Leben wohl etwas erlebt hat, das es nicht verdauen konnte bzw. dass es in langweiliger Routine verfallen ist, die es nun beenden will. Jedoch scheint es nicht die Ruhe zu suchen, denn die Stadt, die es betritt, ist "windig", unruhig. Ich denke, dieses "Windige" deutet auf die vielen Menschen hin, die durch die Straßen laufen und diese verstopfen - das LI fühlt sich hier jedoch geborgen, wohl wegen der Anonymität, die hier herrscht. Das erinnert mich ein bisschen an die expressionistischen Gedichte, die ich letztens im Deutschunterricht gelesen habe - an diese "Stadtkritik", die Menschen, die sich auf engstem Raum zusammendrängen, die sich förmlich stapeln.
Zitat: | und meine Beine verstricken sich
im Labyrinth endloser Straßen. |
Es kennt die Stadt wohl nicht, denn es verirrt sich in dieser Anonymität.
Zitat: | Ich glaube dem Echo nicht,
glaube nicht den Menschen,
die an mir vorbeifliehen - |
Das "Echo": Überall hallt es wider, das LI hört von den Vorzügen der Stadt, den technischen Fortschritten. Es ist zwar hergekommen, glaubt diesem aber trotzdem nicht. Die Menschen scheinen davon begeistert, das LI jedoch nicht. Es erkennt die Gefahren, die in der Stadt lauern: die Abgase, der Smog, die Krankheiten. Auf das Gerede seiner Mitmenschen geht das LI nicht ein. Damit hat es wohl einigen etwas voraus!
Zitat: | in Eile, um ihr Blut
zu Eisen gießen zu lassen. |
Alles muss schnell gehen ("in Eile"): Die Menschen lassen sich bereitwillig auf die Gefahren der Stadt ein, versinken in der Anonymität verstopfter Mietshäuser, und ihr Blut "erkaltet", wird zu "Eisen" gegossen: Einerseits verkümmern ihre Emotionen und das soziale Miteinander, andererseits sind da die Gefahren, von den Abgasen der Fabriken krank zu werden.
Zitat: | Den Himmel suche ich nicht,
ein Engel hat ihn zugenäht
mit stahlgrauen Fäden. |
Das LI hat die Hoffnung, den "Himmel" aufgegeben. Es gibt kaum Licht und keine Liebe. Alles ist grau. Die Menschen sind verschlossen vor positiven Dingen, sie versacken in endlosen düsteren Farben. Diese Stadt ist nicht gut, sie ist hektisch und abgeschirmt von allem, was das Leben darin schön machen könnte. Das LI hat dies wohl als einziger erkannt und übernimmt somit die Position einer Art "Lehrer", der die Menschen über die wahre Natur der Stadt aufklären könnte. Tut es aber nicht - mit seinem Wissen versinkt es in der Trostlosigkeit der Stadt.
Liebe Grüße,
Eddie
_________________ (...) Das Gedicht will zu einem Andern, es braucht dieses Andere, es braucht ein Gegenüber. Paul Celan
Life is what happens while you are busy making other plans.
- JOHN LENNON, "Beautiful Boy"
Uns gefällt Ihr Sound nicht. Gitarrengruppen sind von gestern. (Aus der Begründung der Plattenfirma Decca, die 1962 die Beatles ablehnte.) |
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Enfant Terrible alte Motzbirne
Alter: 30 Beiträge: 7278 Wohnort: München
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12.08.2009 10:03
von Enfant Terrible
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Eddie, mein Süßer!
Ich bewundere die Ausdauer, mit der du dich meiner Gedichte annimmst, der alten ebenso wie der neuen. Ich frage mich immer wieder, wann mein Stil anfängt, dich anzuöden.
Wie immer ist deine Rezension sehr treffend, du hast die Stimmung, die ich zu transportieren versucht habe, erkannt und auf die Gesellschaft bezogen.
_________________ "...und ich bringe dir das Feuer
um die Dunkelheit zu sehen"
ASP
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EdgarAllanPoe Poepulistischer Plattfüßler
Alter: 31 Beiträge: 2356 Wohnort: Greifswald
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12.08.2009 10:10
von EdgarAllanPoe
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Dankeschön, Reggy.
Dein Stil ödet mich nicht an. Für diese Art von Gedichten finde ich ihn sogar angemessen: düster, alarmierend, erweckend. Seit "Wer hat sie erfunden?" von letzter Woche achte ich auch ein bisschen mehr auf die Sensationsgier, die du darin beschrieben hast. Unheimlich, als ich am gleichen Tag "Aktenzeichen XY" gesehen habe, musste ich ständig daran denken
Aber manchmal frage ich mich ständig: "Wie kommt sie denn wieder auf diese Metapher?"
Jedoch macht das deine Gedichte umso reizvoller für mich, da sie ständig etwas Neues bieten.
_________________ (...) Das Gedicht will zu einem Andern, es braucht dieses Andere, es braucht ein Gegenüber. Paul Celan
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Jocelyn Bernsteinzimmer
Alter: 59 Beiträge: 2251 Wohnort: Königstein im Taunus
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12.08.2009 10:33
von Jocelyn
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Hallo Enfant,
diese Stimmung gefällt mir auch sehr gut!
Mana hat Folgendes geschrieben: |
Vielleicht....
Wind hat für mich mest etwas tempramentvolles und lebendiges.
Auch etwas Freiheit.
Warum also Windige Stadt?
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Windig verstehe ich diesem Zusammenhang auch anders:
Die Stadt ist Gewinde, sie windet sich um das LI, das LI windet sich durch das Labyrinth. Beide verstricken, sind schicksalshaft verbunden, ineinander verwunden.
Windig auch im Sinne "Verlogen-Sein", was ja auch schön von dir ausgedrückt wird, da das LI den Menschen keinen Glauben schenkt.
Heute werden wohl die Gäste beschenkt, mit so beeindruckender Lyrik!
Cilia
_________________ If you dig it, do it. If you really dig it, do it twice.
(Jim Croce)
Die beständigen Dinge vergeuden sich nicht, sie brauchen nichts als eine einzige, ewig gleiche Beziehung zur Welt.
(Aus: Atemschaukel von Herta Müller, Carl Hanser Verlag, München 2009, Seite 198)
"Si Dieu n'existait pas, il faudrait l'inventer."
(Voltaire) |
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Enfant Terrible alte Motzbirne
Alter: 30 Beiträge: 7278 Wohnort: München
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13.08.2009 08:41
von Enfant Terrible
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Eine sehr interessante Interpretation, sehr schlüssig!
Meine persönliche Intention war die, den Wind die "Hektik" unterstreichen zu lassen. Es verändert sich alles, aber nicht unbedingt zum Guten. Der Wind als der kalte Sklaventreiber, der die Menschen antreibt, ihnen in den Rücken bläst, damit sie noch schneller vorbeifliehen - ist es nicht logisch, dass so eine Stadt vom "Wind" beherrscht wird?
_________________ "...und ich bringe dir das Feuer
um die Dunkelheit zu sehen"
ASP
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Jocelyn Bernsteinzimmer
Alter: 59 Beiträge: 2251 Wohnort: Königstein im Taunus
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13.08.2009 15:33
von Jocelyn
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Enfant Terrible hat Folgendes geschrieben: | Der Wind als der kalte Sklaventreiber, der die Menschen antreibt, ihnen in den Rücken bläst, damit sie noch schneller vorbeifliehen - ist es nicht logisch, dass so eine Stadt vom "Wind" beherrscht wird? |
Für mich nicht so sehr.
Natürlich weiß ich, was du meinst.
Aber in Städten ist genauso viel düsterer Verfall. Tristesse.
Deswegen ist mir Hektik als Charakteristikum zu mager.
Lieben Gruß, Caecilia
_________________ If you dig it, do it. If you really dig it, do it twice.
(Jim Croce)
Die beständigen Dinge vergeuden sich nicht, sie brauchen nichts als eine einzige, ewig gleiche Beziehung zur Welt.
(Aus: Atemschaukel von Herta Müller, Carl Hanser Verlag, München 2009, Seite 198)
"Si Dieu n'existait pas, il faudrait l'inventer."
(Voltaire) |
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