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Selbst_Gespräch


 
 
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Autor Nachricht
Heidi
Geschlecht:weiblichReißwolf


Beiträge: 1425
Wohnort: Hamburg
Der goldene Durchblick


Beitrag28.02.2018 10:41
Selbst_Gespräch
von Heidi
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

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.




    Du streifst mich jedes Mal
    knapp bevor wir uns
    nicht berühren
    mit einem Gedanken
    den die Wunden
    woandershin lenken
    unterhalb links
    hast du das
    Schneckenhaus
    verlassen und
    bewohnst jetzt eine
    gasförmige Kugel

    Von dort aus
    beobachtest
    du wie die Sonne
    schmilzt






.

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Constantine
Geschlecht:männlichBücherwurm


Beiträge: 3311

Goldener Sturmschaden Weltrettung in Bronze


Beitrag28.02.2018 17:20
Re: Selbst_Gespräch
von Constantine
Antworten mit Zitat

Liebe Heidi,

dein "Selbst_Gespräch" mag ich. Da schwingt einiges an Entfremdung und Schmerz für mich mit, die zwischen LI und LDu bestehen.
Kommunikation findet keine statt, es ist, als lebten LI und LDu in zwei Welten, in zwei Umlaufbahnen, die sich strefen, doch aufgrund von emotionalen Verletzungen, dem Rückzug und der daraus resultierenden Entfremdung des LDu abgelenkt werden.
LI als Beobachtende/r und Reflektierende/r, wissend und verstehend um die gegenseitigen Situationen/Verfassungen (aufgrund von Wunden woanders hingelenkte Gedanken / Schneckenhaus / gasförmige Kugel / Beobachten der schmelzenden Sonne).
Das Bild des Schneckenhauses ist wohl bekannt, dennoch sehr effektiv, da leicht verständlich. Die gasförmige Kugel hingegen ist ein schönes Bild für das LDu, äquivalent zum Schneckenhaus, zwar draußen, aber auch nicht, weiterhin in sich gekehrt, umnebelt in eigenen Gedanken, und somit nicht zugänglich. Was LI übrig bleibt, da es nicht ans LDu rankommt, ist dieses Selbst_Gespräch, das beide Parteien miteinbezieht (schön mit dem underscore zwischen Selbst und Gespräch verbunden und doch getrennt).

Zum Gedicht selbst:
Heidi hat Folgendes geschrieben:
.




    Du streifst mich jedes Mal
    knapp bevor wir uns <-- ich bin mir nicht sicher, ob du dieses knapp brauchst, vermittelt "streifen" bereits dieses Knappe.
    nicht berühren <-- ich bin hin und her gerissen: einerseits betont es diesen Moment sehr schön mit der Verneinung, andererseits in der spielerischen Kombination von "streifen" und "knapp" vielleicht einen Ticken zu dick. Ich mag diesen Ausdruck "mit einem Gedanken steifen", aber das "nicht" nimmt dieser Formulierung irgendwie die Luft zum Atmen und es vermischt sich ein anderer Ton/Stil hinein. Weisst du, was ich meine?
    mit einem Gedanken
    den die Wunden
    woandershin lenken
    unterhalb links
    <-- hier lese ich einen Absatz zwischen den beiden Zeilen, und doch ist da keiner. Für mich beginnt nach "wondershin lenken" ein neues Bild, einen neuen Sinnabschnitt im Gedicht. Was meinst du?
    hast du das
    Schneckenhaus
    verlassen und
    bewohnst jetzt eine
    gasförmige Kugel

    Von dort aus
    beobachtest
    du wie die Sonne
    schmilzt <-- sehr schön und traurig zugleich.






.


Sehr gerne gelesen.

LG
Constantine
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firstoffertio
Geschlecht:weiblichShow-don't-Tellefant


Beiträge: 5854
Wohnort: Irland
Das bronzene Stundenglas Der goldene Spiegel - Lyrik (1)
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Beitrag28.02.2018 22:54
Re: Selbst_Gespräch
von firstoffertio
Antworten mit Zitat

Heidi hat Folgendes geschrieben:
.




    Du streifst mich jedes Mal
    knapp bevor wir uns
    nicht berühren
    mit einem Gedanken
    den die Wunden
    woandershin lenken
    unterhalb links
    hast du das
    Schneckenhaus
    verlassen und
    bewohnst jetzt eine
    gasförmige Kugel

    Von dort aus
    beobachtest
    du wie die Sonne
    schmilzt






.


Ich wurde auch eines von beidem weglassen. Knapp oder nicht. Tendiere dazu, das nicht zu behalten.

"den die Wunden
woandershin lenken
unterhalb links"

Es bleibt offen, wessen Wunden den Gedanken ablenken. Vielleicht beider.
Dann lenkst du meinen Blick um nach unterhalb links: Hae?, ich bin irritiert. Komme dann für mich zu dem Schluss, dass sich das auf das dort, unterhalb links im Text, bezieht, von wo aus LDu nun beobachtet.

Ob das deine Ansicht ist, weiß ich nicht. Mir gefällt aber meine eigene Betrachtungsweise dazu. Wink
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Lorraine
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Beitrag01.03.2018 06:32

von Lorraine
Antworten mit Zitat

Hallo Heidi,

vom regen kompost in die traufe den trash? Schön, dass du dich traust!

Zitat:
Du streifst mich jedes Mal
knapp bevor wir uns
nicht berühren
mit einem Gedanken
den die Wunden
woandershin lenken
unterhalb links


Aus LI-Sicht liegt dort das Herz, "unterhalb links" - und es reicht ein Gedanke, um, ist er erst einmal ausgelöst - hier durch ein Nicht-Berühren - so ein Empfinden zu verursachen.

?

Du ist unerreichbar (in sicherer Entfernung) und zumindest wähnt es sich auf einem Beobachtungsposten, weit genug fort, sodass gar keine Vorstellung davon enstehen kann oder muss, was wirklich vor sich geht.
Vielleicht lebt es (schon) in einer ganz anderen Welt.

Man möchte dem Text (eigentlich) gar nicht so nahe treten.

Einen Gruss von
Lorraine
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Literättin
Geschlecht:weiblichReißwolf

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Beitrag01.03.2018 07:59

von Literättin
Antworten mit Zitat

Erst haderte ich etwas mit dem vagen und der gasförmigen Kugel.

Je öfter ich es lese, desto mehr erkenne ich einen mir sehr wohlbekannten Zustand verwunderter Selbst-Erkenntnis.

Und plötzlich steht er Wort für Wort sehr haargenau da: der Zustand dieses überraschten (Ver)Suchens der Kontaktaufnahme mit dem Selbst: scheu und seltsam real, fast ein wenig überrumpelt und noch ohne Gestalt und fühlbare Substanz und irgendwie abwartend in dieser gasförmigen Kugel. Hinaus schauend und Richtung schmelzender Sonne: der Ausblick auch außerhalb des LI.

Hat was.

Weitermachen wink smile.


_________________
when I cannot sing my heart
I can only speak my mind
- John Lennon -

Christ wird nicht derjenige, der meint, dass "es Gott gibt", sondern derjenige, der begonnen hat zu glauben, dass Gott die Liebe ist.
- Tomás Halík -

Im günstigsten Fall führt literarisches Schreiben und lesen zu Erkenntnis.
- Marlene Streeruwitz - (Danke Rübenach für diesen Tipp.)
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Heidi
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Wohnort: Hamburg
Der goldene Durchblick


Beitrag01.03.2018 21:40
Re: Selbst_Gespräch
von Heidi
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Lieber Constantine,

Constantine hat Folgendes geschrieben:
dein "Selbst_Gespräch" mag ich.


und ich mag es, wenn du mein 'Selbst_Gespräch' magst.

Deine Interpretation gefällt mir und entblättert für mich eine meiner eigenen Interpretationen, zu einem volleren Bild, das ich vorher noch nicht so konkret habe sehen können. Es gibt zwei Ansätze, die ich mit diesem Text verfolgt habe, deshalb spreche ich von meinen 'Interpretationen'.
Dass der Schmerz als Stimmung spürbar wird, freut mich, denn das hatte ich mir, vielleicht auch erst mal etwas unbewusst, davon erhofft.

Constantine hat Folgendes geschrieben:
LI als Beobachtende/r und Reflektierende/r, wissend und verstehend um die gegenseitigen Situationen/Verfassungen (aufgrund von Wunden woanders hingelenkte Gedanken / Schneckenhaus / gasförmige Kugel / Beobachten der schmelzenden Sonne).


Wow, ich finde es grandios, wie sensibel und sorgfältig du den Text analysierst. Es ist extrem spannend, zu erleben, wie sich der von mir geschriebene Text plötzlich vor meinen Augen 'erweitert'. Vielen Dank.

Constantine hat Folgendes geschrieben:
Das Bild des Schneckenhauses ist wohl bekannt, dennoch sehr effektiv, da leicht verständlich. Die gasförmige Kugel hingegen ist ein schönes Bild für das LDu, äquivalent zum Schneckenhaus, zwar draußen, aber auch nicht, weiterhin in sich gekehrt, umnebelt in eigenen Gedanken, und somit nicht zugänglich. Was LI übrig bleibt, da es nicht ans LDu rankommt, ist dieses Selbst_Gespräch, das beide Parteien miteinbezieht (schön mit dem underscore zwischen Selbst und Gespräch verbunden und doch getrennt).


Ich war unsicher, was das Schneckenhaus betrifft, weil ich dachte, dass es etwas abgegriffen wirken könnte. Aber ich hatte dann wieder das Bild von einem leeren Schneckenhaus vor Augen, wie man sie im Frühling im Garten findet, so ganz ohne Schnecke drin. Solche Schneckenhäuser erinnern mich an Einsiedlerkrebse, die sich in deren Hohlräumen verstecken, um sich zu schützen, weil sie keinen Panzer haben. Und so ein Krebs ist wiederum ein spezielles Tier, irgendwie.

Hier habe ich mit grün reingeschrieben:

Heidi hat Folgendes geschrieben:
.




    Du streifst mich jedes Mal
    knapp bevor wir uns <-- ich bin mir nicht sicher, ob du dieses knapp brauchst, vermittelt "streifen" bereits dieses Knappe. Stimmt, das werde ich mal rausnehmen und gucken, wie es wirkt.
    nicht berühren <-- ich bin hin und her gerissen: einerseits betont es diesen Moment sehr schön mit der Verneinung, andererseits in der spielerischen Kombination von "streifen" und "knapp" vielleicht einen Ticken zu dick. Ich mag diesen Ausdruck "mit einem Gedanken steifen", aber das "nicht" nimmt dieser Formulierung irgendwie die Luft zum Atmen und es vermischt sich ein anderer Ton/Stil hinein. Weisst du, was ich meine? Ja, ich weiß was du meinst. Wenn ich nicht weglasse, bekommt der Text aber inhaltlich eine andere Richtung, weil Berührungen zwischen lyrischem Ich und lyrischem Du stattfinden. Áber irgendwie finde ich den Gedanken auch spannend, also mit Berührung . Ich werde mal rumprobieren und gucken wie es sich liest. Ich brauche den Gesamtzusammenhang, muss das Ding als (überarbeitete) Einheit vor mir haben und sehen, ob es so auch stimmig für mich wäre.
    mit einem Gedanken
    den die Wunden
    woandershin lenken
    unterhalb links
    <-- hier lese ich einen Absatz zwischen den beiden Zeilen, und doch ist da keiner. Für mich beginnt nach "wondershin lenken" ein neues Bild, einen neuen Sinnabschnitt im Gedicht. Was meinst du? Ich bin beeindruckt davon, dass dir das aufgefallen ist. Du liest echt sensibel. Das ist die Stelle, mit der ich haderte, aber nicht recht wusste, wie ich damit umgehen soll. Es gibt einen Bruch, ich empfinde es ähnlich, also, dass es noch nicht richtig fließt. Jetzt weiß ich es sicher, also, dass es auch nach außen hin so wirkt. Ich werde in mich gehen und gucken, ob ich die Bilder noch besser verbinden kann.
    hast du das
    Schneckenhaus
    verlassen und
    bewohnst jetzt eine
    gasförmige Kugel

    Von dort aus
    beobachtest
    du wie die Sonne
    schmilzt <-- sehr schön und traurig zugleich., Dankeschön. Traurig war mir bewusst, aber schöntraurig nicht.   






.


Zitat:
Sehr gerne gelesen.


Das freut mich sehr. Vielen Dank für die Interpretation und die Verbesserungsvorschläge.

Mir ist übrigens aufgefallen, dass dein Avatar-Umraum in Bewegung geraten ist und später, gemeinsam mit der hingebenden Figur in der Mitte, farbliche Variationen durchlebt. Das finde ich mal eine schöne Überraschung, die ich mir gerne immer wieder fasziniert anschaue.
Hat was, so ein bewegtes Bild. Cool

Heidi
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Heidi
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Beitrag01.03.2018 21:52
Re: Selbst_Gespräch
von Heidi
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firstoffertio hat Folgendes geschrieben:


Ich wurde auch eines von beidem weglassen. Knapp oder nicht. Tendiere dazu, das nicht zu behalten.

"den die Wunden
woandershin lenken
unterhalb links"

Es bleibt offen, wessen Wunden den Gedanken ablenken. Vielleicht beider.
Dann lenkst du meinen Blick um nach unterhalb links: Hae?, ich bin irritiert. Komme dann für mich zu dem Schluss, dass sich das auf das dort, unterhalb links im Text, bezieht, von wo aus LDu nun beobachtet.

Ob das deine Ansicht ist, weiß ich nicht. Mir gefällt aber meine eigene Betrachtungsweise dazu. Wink


Hallo firstoffertio,

spannend, wie du 'unterhalb links' zuordnest. Klar die Örtlichkeit kann überall sein, nur die Richtung wird vorgegeben.
Nein, ich hatte bzw. habe ein anderes Bild vor Augen, oder eigentlich gibt es zwei Örtlichkeiten, die für mich unterhalb links darstellen, aber deine gefällt mir auch ausgesprochen gut, regt mich zum Nachdenken an. Ich werde den Text noch mehrmals lesen müssen, mit deiner Interpretation im Hinterkopf, um dein Bild davon in mir lebendig zu machen. Sehr spannend.

Was nicht und knapp betrifft, werde ich mal alle Möglichkeiten durchgehen. Aber letzteres kommt ziemlich sicher weg.

Vielen Dank für deine Gedanken zum Text.

Liebe Grüße
Heidi
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Beitrag01.03.2018 22:08

von Heidi
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Hallo Lorraine,

Lorraine hat Folgendes geschrieben:
Hallo Heidi,

vom regen kompost in die traufe den trash? Schön, dass du dich traust!


Trash erlebt andere Recycling-Prozesse als Kompost, deshalb dachte ich mir, dass ich mich mal trauen sollte. Ich bin aber noch immer erstaunt darüber, dass ich es tatsächlich getan habe und gleichzeitig froh.

Lorraine hat Folgendes geschrieben:

Aus LI-Sicht liegt dort das Herz, "unterhalb links" - und es reicht ein Gedanke, um, ist er erst einmal ausgelöst - hier durch ein Nicht-Berühren - so ein Empfinden zu verursachen.

?

Du ist unerreichbar (in sicherer Entfernung) und zumindest wähnt es sich auf einem Beobachtungsposten, weit genug fort, sodass gar keine Vorstellung davon enstehen kann oder muss, was wirklich vor sich geht.
Vielleicht lebt es (schon) in einer ganz anderen Welt.


Ich möchte zu deiner Interpretation eigentlich nicht viel sagen, weil sie von sich aus stark spricht. Vielleicht nur, dass die Herz-Örtlichkeit eines meiner Bilder zu unterhalb links ist.
Und das von mir fett Markierte finde ich sehr treffend. In vielerlei Hinsicht.

Lorraine hat Folgendes geschrieben:
Man möchte dem Text (eigentlich) gar nicht so nahe treten.


Das kann ich verstehen, aber ich finde, gerade durch dieses nahe (Heran)Treten eines Außenstehenden, kann sich ein Text noch besser entfalten und dem Autor zeigen, was sonst noch so drinsteckt.

Vielen Dank für deine konzentrierten Gedanken zum Text.

Heidi
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Heidi
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Beitrag01.03.2018 22:25

von Heidi
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Hallo Literättin,

Literättin hat Folgendes geschrieben:
Erst haderte ich etwas mit dem vagen und der gasförmigen Kugel.


warum hast du damit gehadert? Ich frage, weil ich gerne wissen würde, welches Bild diese Kugel hervorruft, ob überhaupt ein Bild entsteht. Speziell von der Kugel.

Literättin hat Folgendes geschrieben:
Je öfter ich es lese, desto mehr erkenne ich einen mir sehr wohlbekannten Zustand verwunderter Selbst-Erkenntnis.

Und plötzlich steht er Wort für Wort sehr haargenau da: der Zustand dieses überraschten (Ver)Suchens der Kontaktaufnahme mit dem Selbst: scheu und seltsam real, fast ein wenig überrumpelt und noch ohne Gestalt und fühlbare Substanz und irgendwie abwartend in dieser gasförmigen Kugel. Hinaus schauend und Richtung schmelzender Sonne: der Ausblick auch außerhalb des LI.


Ich finde das lustig, weil ich, als sich mir der Titel aufdrängte, an dich denken musste.
Ja, die Selbst-Sache ist ein komplexes Gebiet. Der Ausblick ins Außerhalb erschien mir zeitweise etwas apokalytisch, aber dann doch wieder nicht. Irgendwie weiß ich - je nachdem, wie ich den Text als Gesamtbild betrachte - nicht, was ich von dieser schmelzenden Sonne halten soll, weil sie doch auch etwas Positives an sich hat. Gerade, wenn ich den Text so lese, wie du ihn darstellst. Wie empfindest du sie? Eher dramatisch oder eher zuversichtlich?

Literättin hat Folgendes geschrieben:


Hat was.

Weitermachen wink smile.


Das freut mich
und ich werde weitermachen.

Liebe Grüße
Heidi
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Literättin
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Beitrag02.03.2018 07:49

von Literättin
Antworten mit Zitat

Heidi hat Folgendes geschrieben:
Hallo Literättin,

Literättin hat Folgendes geschrieben:
Erst haderte ich etwas mit dem vagen und der gasförmigen Kugel.


warum hast du damit gehadert? Ich frage, weil ich gerne wissen würde, welches Bild diese Kugel hervorruft, ob überhaupt ein Bild entsteht. Speziell von der Kugel.

 (...)
Ja, die Selbst-Sache ist ein komplexes Gebiet. Der Ausblick ins Außerhalb erschien mir zeitweise etwas apokalytisch, aber dann doch wieder nicht. Irgendwie weiß ich - je nachdem, wie ich den Text als Gesamtbild betrachte - nicht, was ich von dieser schmelzenden Sonne halten soll, weil sie doch auch etwas Positives an sich hat. Gerade, wenn ich den Text so lese, wie du ihn darstellst. Wie empfindest du sie? Eher dramatisch oder eher zuversichtlich?
(...)



Ich glaube, ich haderte, weil es fast zu viele vage Bilder und Bildversuche sind: erst das viele nicht bildhafte, dem ich nachzuspüren versuche:

Zitat:
Du streifst mich jedes Mal
knapp bevor wir uns
nicht berühren

mit einem Gedanken
den die Wunden
woandershin lenken
unterhalb links



Diese Zeilen sind recht voll mit Ungreifbarem (was sich ja nach mehrfachem lesen als genau das heraus stellt, was mit Worten einzufangen gesucht wird vom LI).

Aber wenn ich es zum Beispiel kürzen würde und da stünde

Du streifst mich jedes Mal
mit einem Gedanken
den die Wunden
woandershin lenken

... dann läse es sich beim ersten Mal klarer, deutlicher - was zwar der eigentlichen angehauchten Suchbewegung des LI nicht entspräche, es aber zusammen mit dem Titel (der gut gesetzt ist und dem vielen vagen gut auf die Sprünge hilft), dem Leser zu Anfang klarer machte, wohin die Reise geht. Und es ist - bis auf die "angestrengt-konzentrierte Suchbewegung" gesagt, was zu sagen ist und der leser denkt sich vielleicht eher (vor dem x-ten lesen) "Huch, das kenne ich, ich ahne was, da fasst jemand in Worte, was für mich bislang so gar nicht zu fassen war".

Unterhalb links war mir übrigens direkt deutlich die Herzgegend. Find iich gut so.

Das Schneckenhaus dann plötzlich sehr konkret und fast zu umgangssprachlich im Ganzen Textgewebe.

Und plötzlich die gasförmige Kugel, die beim lesen fest wirkt trotz "gasförmigen" vielleicht weil da noch das Schneckenhaus nachwirkt.

Auch die Kugel: fest.

Ich kenne sie zwar, die gasförmige Kugel aus eigener Anschauung (am Ende, wie gesagt, finde ich da Wort für Wort einen mir vertrauten Zustand wieder Laughing ) aber im Text erscheint sie mir im Textganzen nicht konsistent eingefügt.

Vielleicht weil der Text auch so "unentschlossen" in den Bildern ist, sich nicht auf ein Bildfeld konzentriert.

Und im Text, wie er ist, sehe ich eher noch eine wabernde Zusammenballung, als eine so "fest runde Kugel".

Die schmelzende Sonne sehe ich übrigens fast schmerzhaft wonnevoll sehnsüchtig-zuversichtlich. Zum Dahinschmelzen einfach smile. Sehr schön.

Und ich freue mich auf Weiteres smile!

P.S. Und verzeiht wieder mal von mir übersehene Tippfehler, bin wieder mal auf meiner Netbook-Miniatur unterwegs.


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gold
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Beitrag03.03.2018 12:18
Re: Selbst_Gespräch
von gold
Antworten mit Zitat

Heidi hat Folgendes geschrieben:
.




    Du streifst mich jedes Mal
    knapp bevor wir uns
    nicht berühren
    mit einem Gedanken
    den die Wunden
    woandershin lenken
    unterhalb links
    hast du das
    Schneckenhaus
    verlassen und
    bewohnst jetzt eine
    gasförmige Kugel

    Von dort aus
    beobachtest
    du wie die Sonne
    schmilzt




.




du streifst  mich jedes  Mal
kurz bevor wir uns nicht berühren
mit einem Gedanken
den die Wunden woanders hin lenken        (wohin?)

unterhalb deines Herzens
hast du dein Schneckenhaus verlassen
und bist in eine Kugel aus Gas eingezogen
von dort aus beobachtest du
wie die Sonne schmilzt



Liebe Heidi,

habe mal ein bisschen `rumgespielt. Das Wort kurz anstelle von knapp gefällt mir besser, es klingt geschmeidiger.
Unterhalb links habe ich ersetzt durch unterhalb deines Herzens, klingt m.E.  ebenfalls besser.
Anstelle von bewohnst jetzt, habe ich bist in eine Kugel .... eingezogen. Erzeugt m. E. mehr Spannung.

 Ich hätte gerne gewusst, wohin die Gedanken gelenkt werden.

Beim ersten Lesedurchgang bin ich über die Passagen deines Textes gestolpert, die ich markiert habe.

Zunächst hatte ich den Titel übersehen, so glaubte ich, das LI richtet sich an  ein LDu. Ich kann mich aber auch mit dem Gedanken befreunden, dass das LI das Gespräch an sich selbst richtet.
Die Thematik finde ich interessant. Was mir besonders gut an deinem Gedicht gefällt, ist die Bedeutung der drei letzten Verse und  hier insbesondere die Formulierung der letzten beiden. Ich sehe das LI in der gasförmigen Kugel sitzen, bereit mit dem Gas wegzuschweben, wenn es keinen Ausweg mehr gibt, wenn die Apokalypse eintritt.


Gerne gelesen

 Wink

Liebe Grüße
gold
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gold
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Beitrag03.03.2018 12:19
Re: Selbst_Gespräch
von gold
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Abari
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Beitrag03.03.2018 14:26

von Abari
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Hey,

ich streiche schon eine Weile um Dein Gedicht herum und muss sagen: Ich mag es sehr. Ich frage mich natürlich, wen das LDu jetzt meint, aber das ist für den Text irrelevant. Interessant ist, wie das LDu in der Beziehung zum LI gestalten ist, nämlich so nah und doch so unerreichbar fern. Selbst das fast Ergreifbare in
Heidi hat Folgendes geschrieben:
Du streifst mich jedes Mal
knapp bevor wir uns
nicht berühren
verliert sich in der Unerreichbarkeit des LDu, das zwar in Bewegung gekommen ist,
Heidi hat Folgendes geschrieben:
hast du das
Schneckenhaus
verlassen und
bewohnst jetzt eine
gasförmige Kugel
, aber letztlich doch abgesondert vom LI bleibt. Meine Frage wäre: Kann das LI das LDu noch erreichen? Oder ist die Chance durch Tod zB vertan?

Da findet kein Zwiegespräch statt, da gibt es keine erlösende Berührung, da bleiben LDu und LI seltsam passiv, statt in Aktion zu treten und aufeinander zuzugehen, das "böse" Entfremdetsein in herzliche Wärme aufzulösen. Grade das Passive der Figuren lässt mich stutzen. Manchmal dachte ich mir: Das ist ein Antiliebeslied. Ein "Das-wärs-gewesen"-Lied.
Heidi hat Folgendes geschrieben:
die Sonne
schmilzt
zwar, aber sie vermag diese beiden so nahen und doch so fernen in ihrer Supernova nicht zu verbinden. Anscheinend vermag das nichts. Das stimmt mich zwar textimmanent traurig, aber so ist es nun einmal... Diese Beinahe-Beziehung löst sich nicht auf, ich bleibe mit ihr starr zurück. So wie ein Selbstgespräch seltsam passiv ist, werde ich hier auf seine Wägbarkeiten mitgenommen und versuche zu eruieren, wieviel "noch geht" zwischen den beiden. Gibt es ein Zusammentreffen? Kann es eine Lösung geben? Der Text sagt in meinen Augen vorsichtshalber Nein. Aber es ist auch nicht seine Aufgabe, die Möglichkeiten zu erwägen; seine ist, den Istzustand aufzunehmen. Ich würde an dieser Stelle gern weiter dem Selbstgespräch lauschen, wohl wissend, mich als unerwünschten Zuhörer zu ertappen. Aber ich möchte nun wissen, wie es ausgeht mit den beiden; wissen, ob die Chance noch kam oder ob sie vertan blieb; wissen, ob die Sonne, die das einzig wirklich Aktive in dem Text ist, eine Metapher oder ein reales Bild ist...
Der Text lässt mich fragen, aber Fragen, die mich erfreuen.

Noch eine artfremde Frage: Warum hast Du ihn im Trash geparkt?


_________________
Das zeigt Dir lediglich meine persönliche, höchst subjektive Meinung.
Ich mache (mir) bewusst, damit ich bewusst machen kann.

LG
Abari
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Heidi
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Wohnort: Hamburg
Der goldene Durchblick


Beitrag03.03.2018 21:21

von Heidi
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Literättin hat Folgendes geschrieben:
Ich glaube, ich haderte, weil es fast zu viele vage Bilder und Bildversuche sind: erst das viele nicht bildhafte, dem ich nachzuspüren versuche:

Zitat:
Du streifst mich jedes Mal
knapp bevor wir uns
nicht berühren

mit einem Gedanken
den die Wunden
woandershin lenken
unterhalb links



Diese Zeilen sind recht voll mit Ungreifbarem (was sich ja nach mehrfachem lesen als genau das heraus stellt, was mit Worten einzufangen gesucht wird vom LI).

Aber wenn ich es zum Beispiel kürzen würde und da stünde

Du streifst mich jedes Mal
mit einem Gedanken
den die Wunden
woandershin lenken


... dann läse es sich beim ersten Mal klarer, deutlicher - was zwar der eigentlichen angehauchten Suchbewegung des LI nicht entspräche, es aber zusammen mit dem Titel (der gut gesetzt ist und dem vielen vagen gut auf die Sprünge hilft), dem Leser zu Anfang klarer machte, wohin die Reise geht. Und es ist - bis auf die "angestrengt-konzentrierte Suchbewegung" gesagt, was zu sagen ist und der leser denkt sich vielleicht eher (vor dem x-ten lesen) "Huch, das kenne ich, ich ahne was, da fasst jemand in Worte, was für mich bislang so gar nicht zu fassen war".


Klarer wäre dein Vorschlag (ich hab ihn gerade orange markiert), da hast du recht. Ich werde darüber nachdenken, welche Unklarheiten ich im Text haben möchte und ob und wo für mich ein klareres Bild vorstellbar wäre.

Literättin hat Folgendes geschrieben:
Das Schneckenhaus dann plötzlich sehr konkret und fast zu umgangssprachlich im Ganzen Textgewebe.

Und plötzlich die gasförmige Kugel, die beim lesen fest wirkt trotz "gasförmigen" vielleicht weil da noch das Schneckenhaus nachwirkt.

Auch die Kugel: fest.


Finde ich spannend, dass du die gasförmige Kugel als fest empfindest. Ich sehe sie sehr deutlich vor mir, habe eine konkrete Vorstellung davon und sie ist tatsächlich ausgeformt, sichtbar, hat einen Durchmesser von 143.000 Kilometern, wirkt fest, aber ich weiß, dass sie bloß aus Gas besteht. Vielleicht ist Kugel auch (noch) nicht der richtige Begriff, aber je konkreter ich die Bilder fasse, desto mehr Offenheit geht verloren. Das ist immer das Problem, das ich habe, in Bezug auf Klarheit. Embarassed An welchen Stellen werde ich konkret, wo lasse ich den Text verschwimmen.

Literättin hat Folgendes geschrieben:
Ich kenne sie zwar, die gasförmige Kugel aus eigener Anschauung (am Ende, wie gesagt, finde ich da Wort für Wort einen mir vertrauten Zustand wieder Laughing ) aber im Text erscheint sie mir im Textganzen nicht konsistent eingefügt.


Ich werde die Kugel beim Überarbeiten im Auge behalten.

Literättin hat Folgendes geschrieben:
Die schmelzende Sonne sehe ich übrigens fast schmerzhaft wonnevoll sehnsüchtig-zuversichtlich. Zum Dahinschmelzen einfach smile. Sehr schön.


Das freut mich, weil es mir mit der schmelzenden Sonne ähnlich geht. Manchmal. Dann aber gibt es auch die andere eher traurige vielleicht auch apokalyptische Anschauung, je nachdem, in welchem "Zustand" ich den Text lese.

Danke für die weiteren Gedanken. smile Ich werde Weitermachen, hier und auch anderswo.

Grüße von
Heidi
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Heidi
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Beiträge: 1425
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Der goldene Durchblick


Beitrag03.03.2018 21:41
Re: Selbst_Gespräch
von Heidi
pdf-Datei Antworten mit Zitat

gold hat Folgendes geschrieben:



du streifst  mich jedes  Mal
kurz bevor wir uns nicht berühren
mit einem Gedanken
den die Wunden woanders hin lenken        (wohin?)

unterhalb deines Herzens
hast du dein Schneckenhaus verlassen
und bist in eine Kugel aus Gas eingezogen
von dort aus beobachtest du
wie die Sonne schmilzt



Liebe Heidi,

habe mal ein bisschen `rumgespielt. Das Wort kurz anstelle von knapp gefällt mir besser, es klingt geschmeidiger.
Unterhalb links habe ich ersetzt durch unterhalb deines Herzens, klingt m.E.  ebenfalls besser.
Anstelle von bewohnst jetzt, habe ich bist in eine Kugel .... eingezogen. Erzeugt m. E. mehr Spannung.


Liebe gold,

schön, dass du am Text herumgebastelt hast. Deine Form gefällt mir auch. Du hast recht, kurz klingt irgendwie besser als knapp. Wenn ich das Wort vor bevor nicht komplett rausnehme, werde ich tauschen. Das Herz als solches zu benennen ist mir vermutlich zu direkt, obwohl es im Gesamtbild nicht schlecht wirkt, wenn ich das Gedicht so lese, wie du es jetzt ausgeformt hast. Ich muss dann mitsamt allen Vorschlägen noch mal an den Text ran, um zu gucken, was ich daraus mache.

gold hat Folgendes geschrieben:
Ich hätte gerne gewusst, wohin die Gedanken gelenkt werden.


Ja, die Antwort darauf wäre gewiss spannend. Ich habe eine für mich, die vage ist und schön.

gold hat Folgendes geschrieben:
Zunächst hatte ich den Titel übersehen, so glaubte ich, das LI richtet sich an  ein LDu. Ich kann mich aber auch mit dem Gedanken befreunden, dass das LI das Gespräch an sich selbst richtet.
Die Thematik finde ich interessant. Was mir besonders gut an deinem Gedicht gefällt, ist die Bedeutung der drei letzten Verse und  hier insbesondere die Formulierung der letzten beiden. Ich sehe das LI in der gasförmigen Kugel sitzen, bereit mit dem Gas wegzuschweben, wenn es keinen Ausweg mehr gibt, wenn die Apokalypse eintritt.

Gerne gelesen


Vielen Dank dafür, dass du mir deinen Leseeindruck mitteilst und mir die Bilder 'zeigst', die in dir aufkommen. Das finde ich sehr schön hier im Lyrikboard - zu erfahren, welche Bilder und Empfindungen bei den Leserinnen und Lesern entstehen.

Heidi
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Heidi
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Der goldene Durchblick


Beitrag03.03.2018 22:20

von Heidi
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Hi Abari,

Abari hat Folgendes geschrieben:
Hey,

ich streiche schon eine Weile um Dein Gedicht herum und muss sagen: Ich mag es sehr. Ich frage mich natürlich, wen das LDu jetzt meint, aber das ist für den Text irrelevant. Interessant ist, wie das LDu in der Beziehung zum LI gestalten ist, nämlich so nah und doch so unerreichbar fern. Selbst das fast Ergreifbare in
Heidi hat Folgendes geschrieben:
Du streifst mich jedes Mal
knapp bevor wir uns
nicht berühren
verliert sich in der Unerreichbarkeit des LDu, das zwar in Bewegung gekommen ist,
Heidi hat Folgendes geschrieben:
hast du das
Schneckenhaus
verlassen und
bewohnst jetzt eine
gasförmige Kugel
, aber letztlich doch abgesondert vom LI bleibt. Meine Frage wäre: Kann das LI das LDu noch erreichen? Oder ist die Chance durch Tod zB vertan?


es freut mich, dass dir der Text gefällt.
Du hast sehr treffend analysiert. Ich meine, die Sache mit der (kleinen) Bewegung, die nur im lyrischen Du stattfindet und das, was du über die Beziehung zwischen ihm und dem lyrischen Ich sagst: dieses Nähe-und-Distanz-Ding, weil mir gerade das, wie du es nennst: so nah und doch so fern, auszudrücken, wichtig war und ist.

Abari hat Folgendes geschrieben:
Da findet kein Zwiegespräch statt, da gibt es keine erlösende Berührung, da bleiben LDu und LI seltsam passiv, statt in Aktion zu treten und aufeinander zuzugehen, das "böse" Entfremdetsein in herzliche Wärme aufzulösen. Grade das Passive der Figuren lässt mich stutzen. Manchmal dachte ich mir: Das ist ein Antiliebeslied. Ein "Das-wärs-gewesen"-Lied.


Anti finde ich gut. Cool Und Antiliebeslied dann auch. Hab gerade gegoogelt, so eins gibts wirklich. Kennst du das? Muss ich gleich mal hören. Laughing
Gerade die Nicht-Erlösung trägt den Text für mich, oder es war eben das, was ich (unter anderem) ausdrücken wollte. Es gibt keine Berührung, LI und LDu bleiben passiv, das hast du sehr gut herausgefiltert, sodass ich meinen eigenen Text noch klarer vor Augen habe. Dankeschön.

Abari hat Folgendes geschrieben:
Heidi hat Folgendes geschrieben:
die Sonne
schmilzt
zwar, aber sie vermag diese beiden so nahen und doch so fernen in ihrer Supernova nicht zu verbinden. Anscheinend vermag das nichts. Das stimmt mich zwar textimmanent traurig, aber so ist es nun einmal... Diese Beinahe-Beziehung löst sich nicht auf, ich bleibe mit ihr starr zurück. So wie ein Selbstgespräch seltsam passiv ist, werde ich hier auf seine Wägbarkeiten mitgenommen und versuche zu eruieren, wieviel "noch geht" zwischen den beiden. Gibt es ein Zusammentreffen? Kann es eine Lösung geben? Der Text sagt in meinen Augen vorsichtshalber Nein. Aber es ist auch nicht seine Aufgabe, die Möglichkeiten zu erwägen; seine ist, den Istzustand aufzunehmen.


Der Text wirft Fragen auf und das gefällt mir. Wenn Fragen auftauchen, habe ich das Gefühl etwas richtig gemacht zu haben.
Und dann die von mir fett markierte Empfindung, die bei dir aufkommt. Auch wenn es eine traurige Stimmung ist, die zurückbleibt, freue ich mich darüber (nicht weil ich dich/jemanden traurig machen will ... aber egal - du weißt, was ich meine, nehme ich an).

Abari hat Folgendes geschrieben:
Ich würde an dieser Stelle gern weiter dem Selbstgespräch lauschen, wohl wissend, mich als unerwünschten Zuhörer zu ertappen. Aber ich möchte nun wissen, wie es ausgeht mit den beiden; wissen, ob die Chance noch kam oder ob sie vertan blieb; wissen, ob die Sonne, die das einzig wirklich Aktive in dem Text ist, eine Metapher oder ein reales Bild ist...
Der Text lässt mich fragen, aber Fragen, die mich erfreuen.


Ein Text kann keine unerwünschten Zuhörer haben, denn einer, der öffentlich zugänglich ist, will gelesen werden. Das Selbst_Gespräch fühlt sich nach dem Lesen möglicherweise so an. Ich selbst kann das schwer beurteilen.
Und Fragen die dich erfreuen, erfreuen mich dann umso mehr (wie schon weiter oben beschrieben).

Abari hat Folgendes geschrieben:
Noch eine artfremde Frage: Warum hast Du ihn im Trash geparkt?


Das ist der erste Text, den ich in ein Lyrikboard gestellt habe. Für mich war klar, dass er in den Trash kommt, einerseits, weil ich unsicher bin und weiß, dass es bei der Lyrik unter anderem auch gewisse Regeln gibt, von denen ich keine Ahnung habe, andererseits, weil ich bei Prosatexten die Erfahrung gemacht habe, dass im Trash dann auch Interpretationen kamen, zusätzlich oder auch gesondert von Verbesserungsvorschlägen.
Werkstatt wäre auch möglich gewesen, für Feedback ist der Text noch nicht ausgereift genug. Wenn du also Vorschläge hast, wie ich das Ding aufpolieren kann, dann darfst du sie hier gerne hinterlassen. Ich habe aber auch schon jede Menge Tipps bekommen. Werde dann mit etwas Abstand noch mal rangehen.

Vielen Dank, lieber Abari, für deine ausführlichen Gedanken zum Text.

Liebe Grüße
Heidi
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Heidi
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Der goldene Durchblick


Beitrag06.03.2018 14:32
Selbst_Gespräch
von Heidi
pdf-Datei Antworten mit Zitat

    .


    Du streifst mich jedes Mal
    bevor wir uns nicht berühren
    mit einem Gedanken
    den Wunden lenken
    unterhalb links

    Das leere
    Schneckenhaus
    hinter dir  
    bewohnst du jetzt
    einen Gasplaneten

    Von dort aus
    beobachtest
    du wie die Sonne
    schmilzt


    .
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Literättin
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Beitrag06.03.2018 16:55
Re: Selbst_Gespräch
von Literättin
Antworten mit Zitat

Heidi hat Folgendes geschrieben:
    .


    Du streifst mich jedes Mal
    bevor wir uns nicht berühren
    mit einem Gedanken
    den Wunden lenken
    unterhalb links

    Das leere
    Schneckenhaus
    hinter dir  
    bewohnst du jetzt
    einen Gasplaneten

    Von dort aus
    beobachtest
    du wie die Sonne
    schmilzt


    .


Das hat, finde ich, auf alle Fälle dazu gewonnen an Klarheit, in sich gekehrter Ruhe und Weite (durch den Gasplaneten, von dem aus ...), Stimmigkeit in den Bildern und ich mag besonders das "du wie die Sonne" smile


_________________
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I can only speak my mind
- John Lennon -

Christ wird nicht derjenige, der meint, dass "es Gott gibt", sondern derjenige, der begonnen hat zu glauben, dass Gott die Liebe ist.
- Tomás Halík -

Im günstigsten Fall führt literarisches Schreiben und lesen zu Erkenntnis.
- Marlene Streeruwitz - (Danke Rübenach für diesen Tipp.)
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Abari
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Beitrag06.03.2018 20:27

von Abari
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Hey,

Du hast scharf geschnitten, was dem Text auf eine Art und Weise, die ich noch nicht in Worte zu fassen vermag, gut getan hat. Da ist kein Wörtchen zuviel dran. Er ist irgendwie konzentrierter geworden, verlangt mir mehr ab, umkreist das kleine Universum einer wie auch immer gearteten Beziehung schärfer und in kleineren Runden. Ich bin als Leser aufgefordert, die Lücken, die Du sprachlich gemacht hast, aufzufüllen und zu verbinden; was er an erzählendem Charakter verloren hat, hat er für mich an Geheimnis und Kraft gewonnen. Irgendwie habe ich das Gefühl, einen ganz neuen Text zu lesen, der sich von Epik hin zur Lyrik bewegt hat. Ich will damit nicht andeuten, dass der Ursprungstext in irgendeinem Sinne "schlecht" gewesen wäre. Er war anders.

Irgendwie ist er jetzt noch feiner gesponnen und ich freue mich, dass Du Dich zu so einem radikalen Schritt/Schnitt durchgerungen hast. Bleib (an der Lyrik) dran. Das lohnt sich.


_________________
Das zeigt Dir lediglich meine persönliche, höchst subjektive Meinung.
Ich mache (mir) bewusst, damit ich bewusst machen kann.

LG
Abari
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firstoffertio
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Das bronzene Stundenglas Der goldene Spiegel - Lyrik (1)
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Beitrag06.03.2018 20:53

von firstoffertio
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Ja. Was soll ich mehr sagen?
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gold
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DSFo-Sponsor


Beitrag06.03.2018 21:04

von gold
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liebe Heidi,

für mich passt es auch bis auf die Stelle "unterhalb links". Kann mich mit diesem Ausdruck einfach nicht anfreunden. Rolling Eyes

Liebe Grüße
gold
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Heidi
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Wohnort: Hamburg
Der goldene Durchblick


Beitrag08.03.2018 21:48

von Heidi
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Danke euch allen für die Rückmeldung. Ich freu mich, dass der Text dazugewonnen hat. Man gewöhnt sich doch schnell an den ursprünglichen Rhythmus, die Worte, sodass manches nach dem Überarbeiten fremd wirkt. Erst mal. Aber ich bin zufrieden und freue mich besonders über

Abari hat Folgendes geschrieben:
[...] scharf geschnitten.


Abari hat Folgendes geschrieben:
[...] was er an erzählendem Charakter verloren hat, hat er für mich an Geheimnis und Kraft gewonnen.


@Abari: Mir war nicht aufgefallen, dass die erste Version einen erzählenden Charakter hatte und nun verstehe ich Lyrik völlig neu (was nicht bedeutet, dass ich Lyrik jemals verstanden hätte). Deine Antwort hilft mir also sehr.

@gold: Ja, unterhalb links ist speziell ...
Ich verstehe dich, aber mein Dickkopf ist nicht davon abzubringen.

Übrigens war ich bei einer Kommentarantwort (weiß gerade nicht, zu wem sie gehört) ungenau. Die Kugel besteht natürlich nicht bloß aus Gas sondern hat innendrin einen (harten) Kern.
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