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Die Typenwalze [Auszug]


 
 
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Klemens_Fitte
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Wohnort: zuckerstudio waldbrunn


Beitrag08.08.2017 20:36

von Klemens_Fitte
Antworten mit Zitat

Hallo Heidi.

Heidi hat Folgendes geschrieben:
du einen Text geschrieben, der sich mir (erst mal) verweigert, der von mir ein gewisses Loslassen verlangt, der mit jedem neuen Lesen neue Facetten für mich freigibt, der mich fordert, herausfordert, an dem ich mich reiben kann, der niemals langweilig wird, der Zeit braucht, der


Die Hoffnung, wenn man einen solchen Text schreibt, ist ja, dass man dem Leser für das, was man ihm abverlangt, auch etwas bietet – wenn der Text mehrere Anläufe erfordert, sollte er diese im besten Fall mit neuen Facetten belohnen. Zudem ist es meine Erfahrung, dass Leser, die von einem Text aufgefordert werden, sich um ihn zu bemühen, dabei oft mehr in die Lektüre hineinlegen, als man beim Schreiben planen oder vorhersehen kann. Insofern freut es mich sehr, wie du hier dein Lesen darlegst.

Heidi hat Folgendes geschrieben:
Nun, in einem Rutsch gelesen – so ganz ohne innehalten, denn so verstehe ich diesen Text vordergründig, so in einem Stück, als Ganzes, nicht den Fokus aufs Detail gelegt, also, wie ein Bild, das ich in seiner Gesamtheit anschaue, nicht nur die linke untere Ecke; nun, so lese ich auch deinen Text und weil ich ihn so lese, also nicht erst versuche alles zu ergreifen, alles zu verstehen, was die einzelnen Worte in einem Zusammenhang bedeuten könnten, entsteht ein intensives Gefühl, das ich nur bildhaft beschreiben kann:


Ein solches Lesen fordert der Text natürlich heraus. Ich habe auch den Eindruck, dass es in diesen Passagen nicht so sehr um ein Lesen geht, das sozusagen von Highlight zu Highlight, von memorablem Bild zu Bild springt, sondern um einen Lesestrom, in dem, klar, vieles Gefahr läuft, unterzugehen – und der eher durch das aktive Lesen wieder aktualisiert werden muss, nicht über das Erinnern von Details.

Heidi hat Folgendes geschrieben:
Ein Bach, der ruhig fließt, vielleicht auch eher der Ursprung eines Baches, der später breiter wird und nachher noch mal breiter wird und mit der „Verbreitung“ wird das Plätschern intensiver, verstärkt sich zum Ende hin, um schließlich mit den letzten Zeilen ruhig auszuklingen. Vielleicht wie das Finale einer Sinfonie: es ist alles mit drin, was vorher da war und zum Schluss ein sanftes Verhallen, mit Nachhall (nicht, dass ich mich mit Sinfonien auskenne, ist nur eine laienhafte Darstellung meines Empfindens dazu).
Dieses Bachplätschern erlebe ich als mit Melancholie getränkt, die aber nicht in eine depressive Stimmung gleitet, sondern sich als eine Traurigkeit zeigt, die in sich den Widerspruch der Zuversicht trägt – das alles, wie gesagt, ist eine rein subjektive Wahrnehmung meinerseits.


Mit Sinfonien kenne ich mich auch nicht aus, aber mit dem Bild fließenden Wassers kann ich sehr gut mitgehen.

Heidi hat Folgendes geschrieben:
Bisher habe ich erst einen Text hier im Forum gelesen, bei dem ich, in meinem Lesen, ähnlich durchgegangen bin, also mit purer Empfindung, wenn ich es mal platt ausdrücken darf - nur auf andere Weise, mit anderen, hervorgerufenen Wahrnehmungen. Dieser Text zeigt durch Worte das Bild einer Magma-Substanz; die Worte an sich verlieren (für mich) an Bedeutung - denn sie sind Träger dafür, die Substanz erlebbar zu machen - obwohl sie in der näheren Betrachtung weitere Dimensionen eröffnen können, je nach Ausdauer und Belieben des Lesers.


Dein Verweis auf Lorraines Gedicht – meiner Meinung nach einer der gelungensten Texte hier im Forum – ehrt mich natürlich. Ich verfüge sicher nicht über ein vergleichbares stilistisches/sprachliches Repertoire, aber wenn ich mit meinem Auszug Ähnliches wie das oben Markierte erreicht habe, bin ich damit mehr als zufrieden.

Heidi hat Folgendes geschrieben:
Du sagst, es handelt sich um den Auszug eines Romans. Ich denke einen ganzen Roman in diesem Stil, also nur ein Satz über ein-, zweihundert Seiten, würde mir wohl mit der Zeit etwas viel werden, aber als Stimmung, als Ausdrucksmittel deiner Figur im Zwischenraum einer Handlung - und versteh mich nicht falsch, ich würde hier natürlich keine spannungsgeladene, actionreiche Geschichte mit detailliertem Setting erwarten, sondern vielmehr ein Annähern an die Figur auf verschiedenen Ebenen, außerhalb einer "nur-Stimmung" -, könnte ich mir das gut vorstellen, so als Lesestoff.


Es ist tatsächlich so, dass diese Passagen erst nach ca. einem Drittel des derzeitigen Manuskripts verstärkt auftauchen, dann, wenn sich der Fokus der Erzählung mehr und mehr auf die Du-Person verschiebt. Handlung – ja, die gibt es, aber, wie du vermutest, eher spärlich gesetzt und nicht im Sinne einer Interaktion. "Annähern auf verschiedenen Ebenen" trifft es recht gut.

Heidi hat Folgendes geschrieben:
Momentan ist es aber schwer zu sagen, ob mich der Roman als Ganzes gefangen nehmen könnte. Möglicherweise sehe ich gerade „nur“ die linke untere Ecke einer Gesamtheit oder das Detail in der Mitte. Und insgesamt ist Gesamt besser.


Ich habe derzeit noch überhaupt keine Vorstellung vom "Gesamten" – was auch daran liegt, dass ich nicht vorausplane, sondern eher schaue, wohin der Text läuft.

Heidi, du hast mir mit deinem Kommentar eine echte Freude bereitet. Vielen Dank.

LG Inko


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»Es ist illusionär, Schreiben als etwas anderes zu sehen als den Versuch zur extremen Individualisierung.« (Karl Heinz Bohrer)
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Rainer Zufall
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Alter: 70
Beiträge: 801

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Beitrag10.08.2017 19:40

von Rainer Zufall
Antworten mit Zitat

Hallo Unbekannt,

gut, dass ich auf diesen Text gestoßen bin. Ich hatte ihn schon mal wahrgenommen, der Titel war mir aufgefallen, aber weil ich Auszüge grundsätzlich nicht mehr lese, wäre ich beinahe vorbeigeschlittert.
Gut, dass das nicht passiert ist.

So jetzt aber.
Das ist ein irrer Text, der es mir gleich angetan hat. Zunächst nur sprachlich, dann aber noch aus ganz anderen Gründen.
Klar, ich glaube, alle haben geschrieben von dem Sog, den der Text entwickelt, da wird es mir nicht anders gehen, und es war denn auch so.
Ich wollte natürlich schauen, wie du es hingekriegt hast, einerseits Verständlichkeit zu bewahren, was du getan hast, und dennoch diesen Sog zu entwickeln, was heißt, den Leser dazu zu bewegen, sich freiwillig in dieses Netz aus immer intensiver in sich kreisender Gedanken einzuweben.
Es ist die Art der Sätze, die du baust. Da ist wenig bis nichts verschachtelt, alles treibt nach vorne, greift einen Gedanken, ein Bild, auf, schließt ihn grammatikalisch sinnstrukturierend ab und treibt weiter nach vorn zum nächsten Bild. Zwischen sehr viele Teilsätze hätte man grad so gut einen Punkt setzen können, denn die S. verfügen in sich über einen inhaltlichen und syntaktischen Abschluss. Und wenn du schachtelst, einen Gedanken, eine Erinnerung einschiebst, dann wiederholst du beim Aufgreifen des verlassenen Satzfadens den Gedanken sprachlich wiederholend auf. Das fand ich einfach sehr geschickt gemacht. Hat mir total gefallen, und mich, auch wenn ich das so für mich zu beurteilen und in der Analyse zu genießen weiß, trotzdem mit großer Bewunderung erfüllt. Ist einfach so, ich könnt niemals nicht so nicht schreiben, da beißt die Maus keinen Faden ab. smile

Schwierig ist der Text aus meiner Sicht aber weniger wegen des Sprachlichen. Sondern einfach inhaltlich.
Das ist ein irgendwie auch sehr offener und ehrlicher Text, der dazu einlädt, durch die gewählte Perspektive, eine starke Identifizierung zwischen Leser und Erzähler aufzubauen, die aber schnell auch mal nach hinten losgehen könnte. Was hier aber nicht passiert. Warum das so ist, weiß ich nicht. Ich kann es nur sehen, dass man sich von dem permanenten Du nicht abgestoßen fühlt. Sondern das gegenteil passiert.  Macht man das mit dieser Persp nämlich schlecht, ist das Leservertrauen ganz schnell dahin.
Und hier sind die Umstände eigentlich noch viel schwieriger, ich rätsele auch noch darüber, wie du das machst. Aber ich komm dir schon noch drauf!!!
Ich, die ich ja nur den Auszug, nicht den Hintergrund kenne, weiß nicht, wer und was der Erzähler ist und ich weiß auch nicht, wer oder was das Du ist. Im Moment ist das Du für einen völlig leer, nicht mit Person gefüllt, und gleichzeitig schlüpft man als Leser durch die Perspektive der unmittelbaren Anrede - mit dem Erz auf du und du - direkt in die Position des/der Angesprochenen.
Als ob jemand mir erzählt, mich mahnt, was ich während meines Studiums und danach gemacht habe. Ich bin es, die Leserin, die angesprochen wird. Ein Moment großer Eindringlichkeit.

Und in diesem Erzählen entsteht auch inhaltlich ein Treiben, ein Kreisen, denn außer der Perspektive, die einen unmittelbar einbezieht,  kennt jeder auch zumindest Teile dieser Situation. Da ist eine Prüfung - und was Prpfungen mit Menschen anstellen, das hat wohl schon jeder am eigenen Leibe erfahrenn müssen. Da ist jemand in einem Umbruch, befindet sich in einer merkwürdig übernächtigten Stimmung, erfährt Fiebrigkeit, und Nicht-loslassen-können, obwohl das Tun manchmal völlig sinnlos ist.
Das Tun des Du geht weit, wenn es zum Beispiel die Unebenheit der Tapete befühlt, als wollte es die Zeit mit irgendetwas füllen oder sich vergewissern, dass es da ist und fühlt und tut. Oder wenn es schreibt. Es schreibt, vielleicht noch anfangs Sinnvolles, aber die Notizen und Entdeckungen überlagerm sich, löschen sich gegenseitig aus. Wenn der Erzähler über das Du sagt:
Zitat:
bis du   am   nächsten   Tag   nur   noch   ein pechschwarzes   Dickicht   vorgefunden   hattest,   in   dem jeder   neue   Gedanke   nicht   nur   den   vorangegangenen, sondern   auch   sich   selbst   unkenntlich   gemacht   hatte   – ähnlich   der   wortlosen   und   somit   unbeschreiblichen Schwärze,   in   die   du   meist   kurz   nach   dem   Morgengrauen gefallen   warst,   wenn   sich   die   Zeilen   auf   dem Notizblatt ineinander und übereinander geschoben, wenn
sich die Worte   überlagert  und  gegenseitig  ausgelöscht hatten
dann ahnt man schon, dass die  Buchstaben, das Schreiben an sich ein Eigenleben entwickeln, ja sogar jedes Schreiben ein Eigenleben besitzt, selbst wenn es ungeöffnet/ungelesen bleibt und also alles bedeuten könnte.
Und dann kam für mich eine Wende innerhalb des Geschehens. Das Du vermag nicht mehr zu träumen. Es sinkt in einen bewusstlosen Schlummer, kann sich an die Träume jedoch nicht mehr erinnern.
Es kann das, was die Träume ihm hätten erzählen und sagen können, Traumatisches, aber vielleicht auch Hilfreiches, nicht mehr wahrnehmen.
Es kann nicht mehr die verschiedenen Häuser und Möglichkeiten erinnern und ihnen nachgehen, sie vielleicht gar verwirklichen. Oder etwas aus ihnen machen. Die Häuser in ihren unterschiedlichen Möglichkeiten sind ein Bild für das, was war und ist und hätte sein können, denn ...
Zitat:
   tatsächlich   hätten   all   diese
Wohnungen   Teil   einer   phantastischen   Erzählung   sein
müssen,   verwunschene   Stätten   inmitten   einer   urbanen
Umgebung, in denen jeder Türspalt, jeder Riss in einer
Wand   oder   Mauer   und   jede   Ritze   im   Dielenboden   den
Blick   hinter   die   Wirklichkeit   freigab


Irgendwie ist deine Geschichte, deine Erzählung eines Erzählers an ein Du auch eine Geschichte eines Verpassens, Und eine Geschichte des Nichtseinkönnens oder gar der Verweigerung dieser Möglichkeiten.

Viele Grüße von Zufall
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Klemens_Fitte
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Beitrag11.08.2017 12:10

von Klemens_Fitte
Antworten mit Zitat

Hallo Rainer Zufall,

auch dir ein Dankeschön für den Kommentar, den du mir hiergelassen hast und der mir Einiges an Bedenkenswertem spiegelt.

Rainer Zufall hat Folgendes geschrieben:
Ich wollte natürlich schauen, wie du es hingekriegt hast, einerseits Verständlichkeit zu bewahren, was du getan hast, und dennoch diesen Sog zu entwickeln, was heißt, den Leser dazu zu bewegen, sich freiwillig in dieses Netz aus immer intensiver in sich kreisender Gedanken einzuweben.
Es ist die Art der Sätze, die du baust. Da ist wenig bis nichts verschachtelt, alles treibt nach vorne, greift einen Gedanken, ein Bild, auf, schließt ihn grammatikalisch sinnstrukturierend ab und treibt weiter nach vorn zum nächsten Bild. Zwischen sehr viele Teilsätze hätte man grad so gut einen Punkt setzen können, denn die S. verfügen in sich über einen inhaltlichen und syntaktischen Abschluss. Und wenn du schachtelst, einen Gedanken, eine Erinnerung einschiebst, dann wiederholst du beim Aufgreifen des verlassenen Satzfadens den Gedanken sprachlich wiederholend auf. Das fand ich einfach sehr geschickt gemacht.


Kann ich gut mitgehen, mit dieser Analyse. Für mich gibt es einen klaren Unterschied zwischen Schachtel- und Reihungssätzen, sowohl in der Lesebewegung als auch in der Lesbarkeit; lange Sätze sind ohnehin schon mühevoll zu lesen, daher versuche ich, so wenig wie möglich zu schachteln – und wenn, dann einigermaßen verständlich – und stattdessen eine fließende Lesebewegung zu erzeugen. Oder sagen wir, nicht nur eine Lese-, sondern auch eine Schreibbewegung – dazu gleich noch was.

Rainer Zufall hat Folgendes geschrieben:
Schwierig ist der Text aus meiner Sicht aber weniger wegen des Sprachlichen. Sondern einfach inhaltlich.
Das ist ein irgendwie auch sehr offener und ehrlicher Text, der dazu einlädt, durch die gewählte Perspektive, eine starke Identifizierung zwischen Leser und Erzähler aufzubauen, die aber schnell auch mal nach hinten losgehen könnte. Was hier aber nicht passiert. Warum das so ist, weiß ich nicht. Ich kann es nur sehen, dass man sich von dem permanenten Du nicht abgestoßen fühlt. Sondern das gegenteil passiert.  Macht man das mit dieser Persp nämlich schlecht, ist das Leservertrauen ganz schnell dahin.
Und hier sind die Umstände eigentlich noch viel schwieriger, ich rätsele auch noch darüber, wie du das machst. Aber ich komm dir schon noch drauf!!!


smile
Das ist ein Aspekt, der mir beim Einstellen dieses Auszugs gar nicht so präsent war, also dass diese Perspektive natürlich schon dazu verleitet, sich als Leser mehr oder weniger direkt angesprochen zu fühlen. Im Manuskript ist es so, dass dieses Du eher nach und nach eingeführt wird und der Fokus zunächst auf einer anderen Figur liegt – das, zusammen mit der Tatsache, dass ich schon ziemlich lange mit der Du-Perspektive arbeite, hat wohl dazu geführt, dass ich die Problematik dieser Leseransprache nicht (mehr) auf dem Schirm hatte.
Warum es in diesem Auszug – im besten Fall bzw. für dich – dann trotzdem funktioniert … ich denke, viel hängt damit zusammen, dass man es als Leser einfach gewohnt ist, eine Figur zu konstruieren, zu projizieren, sich in diesem Mechanismus von Identifikation und Verfremdung zu begeben, den ich ja auch beim Schreiben für mich nutze, in dem Moment, in dem ich (a) die Du- statt der Ich-Perspektive verwende und (b) dieses Du natürlich Themen behandeln lasse, die meine eigenen sind, es aber gleichzeitig mit einer Biografie und einer Identität auszustatten versuche, die eben nicht meine eigene ist; und andererseits, klar, identifiziert man sich als Autor oder Leser, setzt sich nicht nur mit der Figur, sondern mit sich selbst auseinander – und da sehe ich eben auch eine Funktion dieser fließenden Schreib- oder Lesebewegung, der Tatsache, dass Schreiben und Lesen sowohl bewusster als auch unbewusster Prozess ist, weil es einem ermöglicht, Zensurmechanismen des eigenen (Nach)Denkens zu umgehen, Inhalte zu formulieren oder zu rezipieren, die man im bewussten Nachdenken eher vermeiden würde, denen man aber in dieser ganz eigenen Logik und Dynamik von Schreiben und Lesen bereitwilliger folgt und oft erst am Ende merkt, welche Fässer da eigentlich aufgemacht wurden. Zumindest meine ich diese Erfahrung schon des Öfteren gemacht zu haben.

Rainer Zufall hat Folgendes geschrieben:
Und dann kam für mich eine Wende innerhalb des Geschehens. Das Du vermag nicht mehr zu träumen. Es sinkt in einen bewusstlosen Schlummer, kann sich an die Träume jedoch nicht mehr erinnern.
Es kann das, was die Träume ihm hätten erzählen und sagen können, Traumatisches, aber vielleicht auch Hilfreiches, nicht mehr wahrnehmen.
Es kann nicht mehr die verschiedenen Häuser und Möglichkeiten erinnern und ihnen nachgehen, sie vielleicht gar verwirklichen. Oder etwas aus ihnen machen. Die Häuser in ihren unterschiedlichen Möglichkeiten sind ein Bild für das, was war und ist und hätte sein können, denn ...
Zitat:
   tatsächlich   hätten   all   diese
Wohnungen   Teil   einer   phantastischen   Erzählung   sein
müssen,   verwunschene   Stätten   inmitten   einer   urbanen
Umgebung, in denen jeder Türspalt, jeder Riss in einer
Wand   oder   Mauer   und   jede   Ritze   im   Dielenboden   den
Blick   hinter   die   Wirklichkeit   freigab


Irgendwie ist deine Geschichte, deine Erzählung eines Erzählers an ein Du auch eine Geschichte eines Verpassens, Und eine Geschichte des Nichtseinkönnens oder gar der Verweigerung dieser Möglichkeiten.


Auch das finde ich schön beobachtet, auch deine Schlussfolgerung daraus würde ich unterschreiben. Im Grunde ist für mich jedes Erzählen ein Durchspielen/Durchdenken verpasster oder bewusst nicht wahrgenommener Möglichkeiten, eine Auseinandersetzung mit dem, was uns ausmacht oder eben ausmachen könnte.

Hat mich sehr gefreut, mich mit deinen Anmerkungen befassen zu können.

LG Inko
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firstoffertio
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Beitrag13.08.2017 22:49

von firstoffertio
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Ich gucke nicht oft in die Prosa und entdeckte das jetzt erst. Fasziniert.

Viel kann ich den Kommentaren nicht hinzufügen.

Vielleicht, dass die Sogwirkung auch deshalb gelingt, weil andauernd anschauliche Dinge und Bilder da sind, die mich die Komplexität des Textes vergessen machen, die meine Aufmerksamkeit ständig frisch auf sich ziehen.

Beliebig herausgegriffene Passage:

Zitat:
Anmerkungen und Überlegungen und Erkenntnisse auf ein leeres Blatt Papier übertragen hattest, bis das Papier mit Zeile um Zeile deiner unleserlichen Handschrift gefüllt gewesen war und du zunächst die Zwischenräume zwischen den Zeilen angefüllt und dann wieder von oben begonnen hattest, Zeile um Zeile mit Zeile um Zeile zu überschreiben, bis du am nächsten Tag nur noch ein pechschwarzes Dickicht vorgefunden hattest, in dem jeder neue Gedanke nicht nur den vorangegangenen, sondern auch sich selbst unkenntlich gemacht hatte – ähnlich der wortlosen und somit unbeschreiblichen Schwärze, in die du meist kurz nach dem Morgengrauen gefallen warst, wenn sich die Zeilen auf dem Notizblatt ineinander und übereinander geschoben, wenn sich die Worte überlagert und gegenseitig ausgelöscht hatten, wenn die Zeilen auf deinem Laptopmonitor oder auf den vergilbten Seiten der Nachschlagewerke, der Chroniken und Ausstellungskataloge ihre Ordnung verloren und Risse und Brüche bekommen hatten, bei jedem Blinzeln mehr und mehr durcheinander geraten waren und sich aus den Schränken, aus den

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Klemens_Fitte
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Beitrag14.08.2017 08:50

von Klemens_Fitte
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Hallo firstoffertio,

freut mich, dass dich dein Weg gestern in die Prosa und zu meinem Text geführt hat; und dein Kommentar freut mich natürlich auch.

Spannend für mich ist, meine eigene Reaktion zu beobachten, wenn diesem Text eine "Sogwirkung" attestiert wird – es gab Zeiten, da stand ich dem Gedanken, man werde beim Lesen durch den Text gezogen, fließe sozusagen auf der Sprache dahin, sehr kritisch gegenüber. Zugegeben: beim Wort Lesefluss kriege ich heute noch Pickel. Für mich war das immer gleichbedeutend mit einem unaufmerksamen, lediglich konsumierenden Lesen – anscheinend hat sich mein Standpunkt ein wenig geändert, und momentan spiele ich ganz gern mit diesem Versuch, den Leser in einen Text hinein- bzw. durch einen Text hindurchzuziehen. Und wenn du schreibst,
firstoffertio hat Folgendes geschrieben:
dass die Sogwirkung auch deshalb gelingt, weil andauernd anschauliche Dinge und Bilder da sind, die mich die Komplexität des Textes vergessen machen, die meine Aufmerksamkeit ständig frisch auf sich ziehen

dann merke ich, dass "Sog" und "Aufmerksamkeit" sich nicht ausschließen müssen. Mir gefällt auch dein "anschaulich", weil es mir schon darum geht, mich nicht im Abstrakten, Verkopften zu verlieren, sondern recht konkrete Dinge zu erzählen.

Danke fürs Lesen und Kommentieren.

LG ehem. Inko

P.S.: tadaa! Verstecken
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Tape Dispenser
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Beitrag19.09.2017 00:02

von Tape Dispenser
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Hallo Fitter_Klemens,

ich habe den Text in einem Rutsch durchgelesen. Ähnelt sehr stark dem Stream of Consciousness. Form und Inhalt passen hier sehr gut zusammen, auch wenn die Breite (Forumsbedingt) nicht optimal ist. Der Text dürfte in einem Buch noch einen stärkeren Sog entwickeln, aber da hast Du auch mehr Kontrolle. Er hat etwas Maschinenhaftes, Monontones, gleichzeitig schreit er und prescht voran. Gelungen finde ich.

Auf längere Sicht wäre mir dieses "Atemlose" zu viel. Da würde ich ruhigere Texpassagen zwischendurch benötigen.

Ich habe keine innere Stimme, wenn ich lese; bei diesen Text bekam ich eine die irgendwo zwischen Liturgie, Monotonie und Hast wechselte. Und sie war recht tonlos.
Ich habe mich gefragt, wie Du diesen Text vorlesen würdest.
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Klemens_Fitte
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Beitrag20.09.2017 14:39

von Klemens_Fitte
Antworten mit Zitat

Hallo Tape Dispenser,

danke für deinen Kommentar und das Lob, das ich mir einfach mal aus deinen Zeilen herausziehe.

Tape Dispenser hat Folgendes geschrieben:
ich habe den Text in einem Rutsch durchgelesen. Ähnelt sehr stark dem Stream of Consciousness. Form und Inhalt passen hier sehr gut zusammen, auch wenn die Breite (Forumsbedingt) nicht optimal ist. Der Text dürfte in einem Buch noch einen stärkeren Sog entwickeln, aber da hast Du auch mehr Kontrolle. Er hat etwas Maschinenhaftes, Monontones, gleichzeitig schreit er und prescht voran. Gelungen finde ich.


Stream of Consciousness beschreibt das Prinzip, nach dem der Text (sowohl im Ausschnitt als auch im Ganzen) aufgebaut ist und funktioniert, mE recht gut. Den Aspekt des Maschinenhaften finde ich interessant, habe ich aus der Warte noch nicht betrachtet.

Tape Dispenser hat Folgendes geschrieben:
Auf längere Sicht wäre mir dieses "Atemlose" zu viel. Da würde ich ruhigere Texpassagen zwischendurch benötigen.


Ich denke, über einen Mangel an ruhigeren Textpassagen – oder sagen wir: Gemächlichkeit – kann man sich, aufs Gesamtmanuskript bezogen, eher nicht beschweren. Ob ich da schon eine Balance gefunden habe oder erst noch finden muss, kann ich noch nicht sagen, da steht mir die Funktionsweise des Textes – der recht unplanbar ist oder, wie gesagt, als Bewusstseinstrom angelegt – ein wenig im Weg.

Tape Dispenser hat Folgendes geschrieben:
Ich habe keine innere Stimme, wenn ich lese; bei diesen Text bekam ich eine die irgendwo zwischen Liturgie, Monotonie und Hast wechselte. Und sie war recht tonlos.
Ich habe mich gefragt, wie Du diesen Text vorlesen würdest.


Eine gute Frage, die ich dir leider ad hoc nicht beantworten kann, weil ich beim Vorlesen eher intuitiv lese und mir vorher nicht groß Gedanken darum mache; heißt, ich müsste das mal einsprechen und aufnehmen. Ob ich dazu in nächster Zeit Gelegenheit haben werde – keine Ahnung.

Danke noch mal fürs Kommentieren.

LG Klemens


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Beitrag07.02.2018 11:00
Re: Die Typenwalze [Auszug]
von Klemens_Fitte
Antworten mit Zitat

[…]

Womöglich, sagst du dir, mochten sie diese Zeichnungen, die sie in Blatt um Blatt und Version um Version an die Kühlschrank- oder Kinderzimmertür geklebt oder in Mappen und Kartons gesammelt, die sie gerahmt und auf den Schreibtisch im Arbeitszimmer gestellt hätten, mit ebenso viel Neugierde oder Freude wie Befremden betrachtet haben, diese zweidimensionalen Darstellungen, die sie nicht mit sich, mit ihrem Selbstbild in Übereinstimmung hätten bringen können, nicht deshalb, weil ihre Körper zu schmächtig für ihre Herzen und ihre Köpfe zu groß für ihre Gedanken gewesen seien, sondern eben aufgrund dieser Bezeichnung als »Papa« und »Mama«, die sie stillschweigend hingenommen hätten, obwohl sie ihnen – oder vor allem ihm? – fremd oder zumindest problematisch geblieben sein mochte, egal in wie vielen Variationen, in wie vielen Schichten von Verfälschung um Verfälschung diese Abfolge von Buchstaben, »Papa«, »Mama«, »Papa«, »Mama«, wieder und wieder in ihre Lebens- und Vorstellungswelt, in ihre Selbstwahrnehmung und ihr Denken gehämmert worden seien, bis zur völligen Sinnentleerung, als wäre dir in dem Moment, in dem du P und A und M zu schreiben gelernt oder es dir selbst beigebracht hattest, die alleinige Macht der Begriffsetzung übertragen worden – ausgerechnet dir, dem Produkt ihrer Erziehung oder der Geisel ihrer eigenen Begrifflichkeiten oder ihrer vorgelebten Wirklichkeit, dem Kind, das bisweilen mit einem ebenso offenen wie leeren Gesicht in der Tür zum Arbeitszimmer stand, mit einem Ausdruck, in den man alle möglichen ungestellten Fragen hineinlesen konnte, denn es sprach wenig oder wenn, dann nur mit sich selbst, wenn es sich aus seinen Spielsachen oder mit Buntstiften eine eigene Wirklichkeit erschuf und dabei so ernst und verschlossen wirkte, so in sich gekehrt, als wären alle Dinge nur so weit interessant, wie sie vereinnahmt und umbenannt, in eine eigene Begrifflichkeit übersetzt werden konnten, ein Vorgang, den man zunächst amüsiert und schließlich, wenn sich die Erziehungsratschläge oder -gebote der eigenen oder befreundeter Eltern wie Moskitosummen am Ohr festsetzten, mit Sorge betrachtete, bis man mit dem Kind zum Logopäden ging, in eine Praxis im ersten Stock eines Einfamilienhauses, zu der man über eine schmale Treppe gelangte, auf der Blumentöpfe und Schuhe standen, und wo das Kind mit einem Korken im Mund sprechen, Worte formen musste, als würde eine körperliche Ursache hinter seiner Weigerung stecken, die Dinge beim Namen zu nennen, und wo man Auskunft über Alter und Entwicklungsstand des Kindes gab, dabei sich oder dem Logopäden eingestand, noch nie zuvor so viel und so intensiv über das Kind gesprochen oder nachgedacht, es noch nie so aufmerksam oder eindringlich beobachtet zu haben, und von wo aus man mit dem Kind in die Buchhandlung ging, um die empfohlenen Bücher zu bestellen, die man später dem Kind zeigte, Bild um Bild und Wort um Wort, Seite um Seite, in zuvor untereinander und mit dem Logopäden vereinbarten Übungen, bis das Kind sich an die gängigen Begriffe anpasste, wenn es sprach, »Papa« und »Mama« sagte und sich einer Welt anglich, in der jeder Fehler erst dann wieder Bestand hatte, wenn man ihn erneut beging – oder anders: als hätten sie dir in diesem Moment die Verantwortung dafür übertragen, die bis dato informelle, mündlich getroffene Vereinbarung von »Papa« und »Mama« ein für alle Mal schriftlich zu fixieren, euch damit vor vollendete Tatsachen zu stellen und jeden Zweifel auszuräumen, denn schließlich, mochten sie sich gesagt haben, sei es doch deine ungelenke Kinderschrift, die Buchstabe um Buchstabe »Papa« notiert habe, ein Wort und eine Zuweisung, die sich nicht mehr löschen, wegradieren lassen würde, ohne Spuren zu hinterlassen, sichtbare Narben, und ohne mit ihrem Verschwinden einen Teil des Untergrunds, auf dem sie gestanden hätte, mit sich zu reißen.

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firstoffertio
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Beitrag07.02.2018 23:07

von firstoffertio
Antworten mit Zitat

Das ist wieder beachtlich.

Am Anfang aber

Zitat:
Womöglich, sagst du dir, mochten sie diese Zeichnungen, die sie in Blatt um Blatt und Version um Version an die Kühlschrank- oder Kinderzimmertür geklebt oder in Mappen und Kartons gesammelt, die sie gerahmt und auf den Schreibtisch im Arbeitszimmer gestellt hätten, mit ebenso viel Neugierde oder Freude wie Befremden betrachtet haben, diese zweidimensionalen Darstellungen, die sie nicht mit sich, mit ihrem Selbstbild in Übereinstimmung hätten bringen können, nicht deshalb, weil ihre Körper zu schmächtig für ihre Herzen und ihre Köpfe zu groß für ihre Gedanken gewesen seien, sondern eben aufgrund dieser Bezeichnung als »Papa« und »Mama«, die sie stillschweigend hingenommen hätten,


bin ich irritiert von dem Wechsel zwischen Konjunktiv und Indikativ. Den kriege ich nicht auf die Reihe. Sie mochten die Zeichnungen, die sie ... hätten. Sie haben betrachtet, und hätten nicht ... Bei letzterem klappt es noch eher.
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Klemens_Fitte
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Beitrag08.02.2018 09:56

von Klemens_Fitte
Antworten mit Zitat

firstoffertio hat Folgendes geschrieben:
Das ist wieder beachtlich.


Dankeschön.

firstoffertio hat Folgendes geschrieben:
Am Anfang aber

Zitat:
Womöglich, sagst du dir, mochten sie diese Zeichnungen, die sie in Blatt um Blatt und Version um Version an die Kühlschrank- oder Kinderzimmertür geklebt oder in Mappen und Kartons gesammelt, die sie gerahmt und auf den Schreibtisch im Arbeitszimmer gestellt hätten, mit ebenso viel Neugierde oder Freude wie Befremden betrachtet haben, diese zweidimensionalen Darstellungen, die sie nicht mit sich, mit ihrem Selbstbild in Übereinstimmung hätten bringen können, nicht deshalb, weil ihre Körper zu schmächtig für ihre Herzen und ihre Köpfe zu groß für ihre Gedanken gewesen seien, sondern eben aufgrund dieser Bezeichnung als »Papa« und »Mama«, die sie stillschweigend hingenommen hätten,


bin ich irritiert von dem Wechsel zwischen Konjunktiv und Indikativ. Den kriege ich nicht auf die Reihe. Sie mochten die Zeichnungen, die sie ... hätten. Sie haben betrachtet, und hätten nicht ... Bei letzterem klappt es noch eher.


Hm … ich bin jetzt beileibe kein Grammatikexperte – vielleicht meldet sich hier noch jemand zu Wort – aber ich bin bzw. war beim Schreiben der Meinung, dass hier durchgehend der Konjunktiv steht. Und zwar wegen der indirekten Rede: sagst du dir.

diese Zeichnungen, die sie […] auf den Schreibtisch im Arbeitszimmer gestellt hätten

Hier steht der Konjunktiv II, weil der Konjunktiv I in diesem Fall nicht vom Indikativ Präteritum zu unterscheiden wäre: haben

Der Konjunktiv steht hier einzig aufgrund der indirekten Rede; sie haben die Zeichnungen also tatsächlich gesammelt, gerahmt etc.
Ginge es nicht um zwei, sondern um eine Person, lautete der Satz:
diese Zeichnungen, die er […] auf den Schreibtisch im Arbeitszimmer gestellt habe

firstoffertio hat Folgendes geschrieben:
Sie haben betrachtet


Kleine Korrektur: da steht sie mochten (womöglich) betrachtet haben

Hier steckt der Konjunktiv in der Wendung mochten … haben – äußerlich nicht unterscheidbar vom Indikativ Perfekt – zumal es ja Spekulation des Du ist, ob sie die Zeichnungen nun mit Neugierde, Befremden etc. betrachtet hatten oder nicht.

Wie gesagt: nur meine (Laien)Meinung.


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firstoffertio
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Beitrag08.02.2018 22:03

von firstoffertio
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Oh je. Ja, mochten ...  betrachtet haben.

Da war mir wohl zu viel dazwischen, um das zusammenzubringen.

Ich habe trotzdem Probleme beim Lesen, finde das nicht einfach. Das liegt wohl an mir.
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Klemens_Fitte
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Beitrag08.02.2018 22:18

von Klemens_Fitte
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firstoffertio hat Folgendes geschrieben:
Oh je. Ja, mochten ...  betrachtet haben.

Da war mir wohl zu viel dazwischen, um das zusammenzubringen.


Da hast du allerdings recht, das ist an der Stelle nicht einfach zusammenzubringen, grade so als Einstiegssatz. Da hoffe ich einfach, dass es im Kontext des restlichen Manuskripts besser eingebettet ist, zumal die Wendung womöglich … mochte haben etc. dort des Öfteren vorkommt und dem Leser dann schon recht geläufig sein sollte.

firstoffertio hat Folgendes geschrieben:
Ich habe trotzdem Probleme beim Lesen, finde das nicht einfach. Das liegt wohl an mir.


Das will ich gar nicht behaupten. Es ist halt oftmals eine sprachliche Zwickmühle mit dem Konjunktiv – ich habe mich an der Stelle jetzt entschlossen, zumindest für die Dinge, deren Tatsächlichkeit (auf Ebene der Textrealität) ich gar nicht infragestellen will, trotz indirekter Rede in den Indikativ zu wechseln. Heißt, in diesem Ausschnitt aus den hätten – hatten zu machen.


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Selanna
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Beitrag11.02.2018 00:32

von Selanna
Antworten mit Zitat

Hallo Klemens,
hat eine Weile gedauert, aber ich habe mir den Text schon ein paar Mal durchgelesen und würde auch gerne noch ein paar Dinge dazu sagen.
Zitat:
Zeichnungen, die sie in Blatt um Blatt und Version um Version an die Kühlschrank- oder Kinderzimmertür geklebt

Oder habe ich den Abschnitt nicht verstanden?
Zitat:
Schichten von Verfälschung um Verfälschung

Ist eine Analogie zu oben und zu weiter unten, aber nicht ganz so eingängig. Wahrscheinlich gewollt, aber fiel mir auf
Zitat:
ebenso offenen wie leeren Gesicht

Das gefällt mir sehr. Offen für die Welt, aber leer, weil es der Welt noch nichts zurückgeben kann. So interpretiere ich es zumindest. Finde ich sehr treffend.
Zitat:
noch nie zuvor so viel und so intensiv über das Kind gesprochen oder nachgedacht, es noch nie so aufmerksam oder eindringlich beobachtet zu haben,

Ich lese da eine leise Ironie heraus, denn mit den oben genannten Bildern und dem Auftauchen im Arbeitszimmer assoziiere ich doch eine große Aufmerksamkeit für das Kind.

Was hier durch den endlosen Satz gut transportiert wird, ist die Atemlosigkeit des Elterndaseins. Auch die „Umwertung“, weg davon „jemand“ zu sein, hin zu „Eltern“ zu sein, habe ich herausgelesen. Damit beschäftigt sich der Text in einem vorderen Teil und das Problem eines gewissen Persönlichkeitsverlusts geht unter, als das Kind nicht so funktioniert, als man sich es erwarten würde.
Dein Ausschnitt ist Dir gut gelungen, er hat klar einen literarischen Anspruch und erfüllt ihn (mE - soweit das zählt) auch. Ich könnte sagen, Du kannst eindeutig mit Sprache im Allgmeinen, Satzbau und Wortwahl insbesondere umgehen, aber das ist hier überflüssig. Natürlich ist das anstrengend zu lesen, das haben schon einige vor mir angemerkt, ich stimme zu.
Trotzdem, ein großes Lob! Besonders, was die gewählte Thematik angeht, die hier so viele Bereiche der Eltern-Kind-Beziehung streift, ohne sie wirklich je abfällig, kritisch oder positiv zu nennen, sondern vieles in der Wahrscheinlichkeitsform belässt Wink

Liebe Grüße
Selanna


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Klemens_Fitte
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Beitrag11.02.2018 13:03

von Klemens_Fitte
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Hallo Selanna,

auch dir ein Dankeschön für deinen Kommentar und das darin enthaltene Lob. Ich lese da viel, das ich ungemein interessant finde, weil ich es selbst ganz anders wahrnehme. Aber der Reihe nach.

Selanna hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Zeichnungen, die sie in Blatt um Blatt und Version um Version an die Kühlschrank- oder Kinderzimmertür geklebt

Oder habe ich den Abschnitt nicht verstanden?


Ungelogen: ich musste den zitierten Satz ein Dutzend Mal lesen, bis ich das durchgestrichene in entdeckt habe Laughing
Für mich war das bislang eine gängige Wendung: etwas in Schicht um Schicht, in Blatt um Blatt, in Karton um Karton, in Ebene um Ebene anhäufen/stapeln/sammeln etc. – sollte das nicht der Fall sein, müsste ich viele Stellen im Manuskript überarbeiten.

Selanna hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Schichten von Verfälschung um Verfälschung

Ist eine Analogie zu oben und zu weiter unten, aber nicht ganz so eingängig. Wahrscheinlich gewollt, aber fiel mir auf


Eingängig – das kann ich, fürchte ich, nicht beurteilen. Gewollt – zumindest denke ich, dass es an dieser Stelle das korrekte Wort ist; bezieht sich auch auf eine frühere Stelle im Manuskript, die den Prozess der Verfälschung – in den Zeichnungen – bereits beschreibt. Ist natürlich wenig hilfreich, wenn man nur diesen Ausschnitt hat.

Selanna hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
ebenso offenen wie leeren Gesicht

Das gefällt mir sehr. Offen für die Welt, aber leer, weil es der Welt noch nichts zurückgeben kann. So interpretiere ich es zumindest. Finde ich sehr treffend.


Ist auf jeden Fall eine mögliche Deutung. Ich habe keine eigene.

Selanna hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
noch nie zuvor so viel und so intensiv über das Kind gesprochen oder nachgedacht, es noch nie so aufmerksam oder eindringlich beobachtet zu haben,

Ich lese da eine leise Ironie heraus, denn mit den oben genannten Bildern und dem Auftauchen im Arbeitszimmer assoziiere ich doch eine große Aufmerksamkeit für das Kind.


Da bin ich mir unsicher; ein Kind zu bemerken, das in der Tür steht – wie lange schon? – seine Zeichnungen aufzuhängen, weil sie halt da sind – wie lange dauert das? – steht für mich noch nicht zwangsläufig für eine Aufmerksamkeit. Und zum anderen ist das, was hier beschrieben wird, ja die Perspektive der Du-Person – des früheren Kindes – und somit haben wir hier ohnehin einen unzuverlässigen Erzähler, sprich: es könnte auch sein, dass die oben zitierten Worte den Eltern nachträglich zugeschrieben wurden.

Selanna hat Folgendes geschrieben:
Was hier durch den endlosen Satz gut transportiert wird, ist die Atemlosigkeit des Elterndaseins. Auch die „Umwertung“, weg davon „jemand“ zu sein, hin zu „Eltern“ zu sein, habe ich herausgelesen. Damit beschäftigt sich der Text in einem vorderen Teil und das Problem eines gewissen Persönlichkeitsverlusts geht unter, als das Kind nicht so funktioniert, als man sich es erwarten würde.


Hier finde ich zwei Aspekte interessant: zum einen den der Atemlosigkeit – das klang ja schon in manchen Kommentaren zum ersten Ausschnitt an, und ich tue mich immer noch schwer, lange Sätze, die scheinbar endlos dahinfließen und in denen sich jeder Aspekt gewissermaßen zwangsläufig aus dem vorangegangenen ergibt, als atemlos zu lesen. Würde ich einen atemlosen Text schreiben wollen, würde ich viel eher zu kurzen, treibenden, abgehackten Sätzen greifen. Vielleicht ist aber diese Atemlosigkeit eher die, die dem langsamen Versinken in Treibsand innewohnt?
Der andere Aspekt, der für mich interessant ist, weil ich ihn ganz anders lese, ist der der Perspektive. Du bist hier – perspektivisch – sehr auf Seite der Eltern, während ich diese nur als zweidimensionale Figuren in der Schilderung des (früheren) Kindes sehe. Aber gut, ich habe ja das restliche Manuskript vor Augen, in dem auf dreihundert Seiten die Sicht der Du-Person nicht verlassen wird.
Das meint jetzt übrigens nicht, dass meine Sicht richtiger ist als deine, es ist nur die Feststellung, wie jedes Lesen – auch meins – den zugrundegelegten Text transformiert.

Selanna hat Folgendes geschrieben:
Trotzdem, ein großes Lob! Besonders, was die gewählte Thematik angeht, die hier so viele Bereiche der Eltern-Kind-Beziehung streift, ohne sie wirklich je abfällig, kritisch oder positiv zu nennen, sondern vieles in der Wahrscheinlichkeitsform belässt Wink


Danke dafür.


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Poolshark
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Beitrag11.02.2018 13:37

von Poolshark
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Ich hab ja schon viel zur Typenwalze gesagt und will mich nicht wiederholen.
Was ich an diesem Ausschnitt interessant finde, ist der Abstand und die Unbeholfenheit zu und mit diesem Kind, der da so deutlich wird. Hier wird die Ansprache mit Du dabei auch besonders faszinierend. Da ist ein Erzähler, der mir "meine" Kindheit erklärt. Das ist unglaublich intim.
Obwohl die Sätze gewohnt verschachtelt sind, ergibt sich dabei für mich ein glasklares Gefühl. Dieses Gefühl bricht am Ende allerdings auch ein bisschen auf. Erst ist da eine Unbeholfenheit der Eltern, aber offensichtlich doch eine Bindung, der man sich selbst als unbegabtestes Elternteil wohl nicht entziehen kann. Diese Differenzierung in deinen Charakterbetrachtungen gefällt mir. (Ist für mich auch essenziell für jede Form von Erzählung.)

Was mir noch aufgefallen ist, ist die Änderung in der Ansprache von du zu euch an einer Stelle. Ob ich das mag, weiß ich nicht. Aber es hat auf jeden Fall meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen.


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Klemens_Fitte
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Beitrag11.02.2018 16:19

von Klemens_Fitte
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Poolshark hat Folgendes geschrieben:
Ich hab ja schon viel zur Typenwalze gesagt


Deshalb an dieser Stelle ein Dankeschön fürs erneute Einlassen.

Poolshark hat Folgendes geschrieben:
Was ich an diesem Ausschnitt interessant finde, ist der Abstand und die Unbeholfenheit zu und mit diesem Kind, der da so deutlich wird. Hier wird die Ansprache mit Du dabei auch besonders faszinierend. Da ist ein Erzähler, der mir "meine" Kindheit erklärt. Das ist unglaublich intim.


Ich habe das kürzlich an ganz anderer Stelle mal erwähnt: ich denke, dass diese Du-Ansprache ein zweischneidiges Schwert ist, weil sie genau das, was sie mir erlaubt – nämlich, Distanz einzunehmen, Aspekte zu verschriftlichen, die ich nicht in der Ich-Perspektive fassen könnte/wollte – dem Leser verweigert. Anders gesagt, ich schaffe mir ein Gegenüber und nehme es dafür dem Leser. Selbst wenn diesem klar ist, dass diese Du-Ansprache eine künstliche, fiktionale ist, hat ein ständiges Du eine aushöhlende Wirkung, und bisweilen kommt mir das wie eine Art Geiselhaft vor.
Mir ist das durchaus bewusst, ich halte es auch für eine Stärke dieser Perspektive, aber es ist eben nicht unproblematisch.

Und klar, in dem Moment, in dem Dynamiken/Prozesse zwar deutlich beschrieben, ansonsten aber auf ein Setting oder eine figürliche/dramatische Einfassung verzichtet wird, erhöht sich natürlich das Potential, das Beschriebene direkt auf sich/das eigene Erleben zu beziehen.

Poolshark hat Folgendes geschrieben:
Obwohl die Sätze gewohnt verschachtelt sind, ergibt sich dabei für mich ein glasklares Gefühl. Dieses Gefühl bricht am Ende allerdings auch ein bisschen auf. Erst ist da eine Unbeholfenheit der Eltern, aber offensichtlich doch eine Bindung, der man sich selbst als unbegabtestes Elternteil wohl nicht entziehen kann. Diese Differenzierung in deinen Charakterbetrachtungen gefällt mir. (Ist für mich auch essenziell für jede Form von Erzählung.)


Die Frage ist auch da für mich wieder: wie viel davon beschreibt tatsächlich das Verhalten/die Wahrnehmung der Eltern, und wie viel ist Projektion der Du-Figur, die sich diese ganze Konstellation ja gewissermaßen im Nachhinein auseinandersetzt? Und was ist ohnehin zwangsläufig Bestandteil jeder Eltern-Kind-Beziehung?

Poolshark hat Folgendes geschrieben:
Was mir noch aufgefallen ist, ist die Änderung in der Ansprache von du zu euch an einer Stelle. Ob ich das mag, weiß ich nicht. Aber es hat auf jeden Fall meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen.


Den Wechsel – der, glaube ich, auf diese und vielleicht ein, zwei weitere Stellen beschränkt ist – brauche ich, weil es eben um die Frage der Familie als Lebens- oder gar Schicksalsgemeinschaft geht oder darum, inwiefern das Verhalten oder die "Deutungen" des Kindes auch die Selbstwahrnehmung der Erwachsenen beeinflusst.


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Poolshark
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Beitrag11.02.2018 21:02

von Poolshark
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Zitat:
Ich habe das kürzlich an ganz anderer Stelle mal erwähnt: ich denke, dass diese Du-Ansprache ein zweischneidiges Schwert ist

Die besten Dinge in einer Erzählung sind die zweischneidigen und problematischen. Laughing
Zitat:
Und klar, in dem Moment, in dem Dynamiken/Prozesse zwar deutlich beschrieben, ansonsten aber auf ein Setting oder eine figürliche/dramatische Einfassung verzichtet wird, erhöht sich natürlich das Potential, das Beschriebene direkt auf sich/das eigene Erleben zu beziehen.

Nicht zwangsläufig. Mit "intim" meine ich auch diese Verbindung zwischen Erzähler und dem Du (das man nicht so einnehmen muss, wie ich das manchmal mache). Man belauscht und beobachtet quasi "heimlich" diese Ansprache, die nicht für einen selbst gedacht ist. Durch diesen Gedankenstromstil verstärkt sich das Gefühl noch, dass man da etwas mithört, das man vielleicht gar nicht mithören dürfte. Auch das ist intim.
Zitat:
Die Frage ist auch da für mich wieder: wie viel davon beschreibt tatsächlich das Verhalten/die Wahrnehmung der Eltern, und wie viel ist Projektion der Du-Figur, die sich diese ganze Konstellation ja gewissermaßen im Nachhinein auseinandersetzt?

Ich habe für mich längst akzeptiert, dass der Erzähler potenziell auch nur rumklugscheißern könnte, dass er das Du womöglich manipuliert und in die Irre treiben will. Vielleicht ist er sogar eine innere Stimme der Protagonistin selbst. Mit dieser Ungewissheit kann ich gut leben. Das macht für mich ein Stückweit auch die Magie der Typenwalze aus.


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Beitrag11.02.2018 22:41

von firstoffertio
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Ich lese die Du Perspektive hier als Selbstgespräch, was ja eine Art von innerer Monolog ist?

Und wenn dann die Perspektive zum "Kind" wechselt, sehe ich den selbst mit sich Sprechenden Distanz einnehmen. Da guckt er auf sich aus einer Sicht von angenommenem Außen. Oder besser, aus zeitlicher Entfernung. Trotzdem bleibt das Kind für mich der mit sich Sprechende. Und "euch" sind dann die drei zusammen so betrachtet.
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Selanna
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Beitrag11.02.2018 23:25

von Selanna
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Hallo Klemens,

gern geschehen und ehrlich gemeint.

Zitat:
für mich war das bislang eine gängige Wendung: etwas in Schicht um Schicht, in Blatt um Blatt, in Karton um Karton, in Ebene um Ebene anhäufen/stapeln/sammeln etc. – sollte das nicht der Fall sein, müsste ich viele Stellen im Manuskript überarbeiten.

Wenn es für Dich gängig ist (ist es für mich nicht), kann das an dem berlinerisch-süddeutschen Gefälle liegen. Überarbeite besser vorerst mal nichts, wahrscheinlich kenne ich es nur nicht

Zitat:
eingängig – das kann ich, fürchte ich, nicht beurteilen. Gewollt – zumindest denke ich, dass es an dieser Stelle das korrekte Wort ist; bezieht sich auch auf eine frühere Stelle im Manuskript,

Ich habe alles benannt, was mir auffiel. Das war eine Stelle davon. Wenn es gewollt ist und aus dem Manuskript heraus schlüssig, geht mein Hinweis klar ins Leere.

Zitat:
ist auf jeden Fall eine mögliche Deutung. Ich habe keine eigene.

Schade. Gerade die hätte mich interessiert Wink

Zitat:
da bin ich mir unsicher; ein Kind zu bemerken, das in der Tür steht – wie lange schon? – seine Zeichnungen aufzuhängen, weil sie halt da sind – wie lange dauert das? – steht für mich noch nicht zwangsläufig für eine Aufmerksamkeit. Und zum anderen ist das, was hier beschrieben wird, ja die Perspektive der Du-Person – des früheren Kindes – und somit haben wir hier ohnehin einen unzuverlässigen Erzähler, sprich: es könnte auch sein, dass die oben zitierten Worte den Eltern nachträglich zugeschrieben wurden.

Es war nur mein Leseeindruck, der kann gut falsch sein. Embarassed

Zitat:
zum einen den der Atemlosigkeit – das klang ja schon in manchen Kommentaren zum ersten Ausschnitt an, und ich tue mich immer noch schwer, lange Sätze, die scheinbar endlos dahinfließen und in denen sich jeder Aspekt gewissermaßen zwangsläufig aus dem vorangegangenen ergibt, als atemlos zu lesen. Würde ich einen atemlosen Text schreiben wollen, würde ich viel eher zu kurzen, treibenden, abgehackten Sätzen greifen. Vielleicht ist aber diese Atemlosigkeit eher die, die dem langsamen Versinken in Treibsand innewohnt?

Ich gestehe, ich habe den ersten Ausschnitt und die Kommentare dazu nicht gelesen, nur diesen zweiten Ausschnitt und die Kommentare dazu eher überflogen.
Ich meine, glaube ich, ein anderes atemlos als Du. Du meinst das „atemlos“, wenn man außer Atem ist und hektisch spricht, d.h. abgekackt (das unterstelle ich Dir einfach mal, aber arglos). Ich meine das „atemlos“, wenn man so viel spricht, so viel aus jemandem herausquillt, dass dem jemand keine Zeit zum Atemholen bleibt. Dann spricht man schnell, in langen, verschachtelten Sätzen und holt zwischendrin nicht Luft. Erst ganz am Ende des Satzes zwingt die Lunge den Sprechenden, tief Luft zu holen, und dann spricht er für zwei Minuten wieder „atemlos“ (=ohne Luftholen) weiter. Verstehst Du, was ich sagen will? (Übrigens einer der Gründe, warum ich mir bei Vorträgen mit Bleistift immer Atemstriche einzeichnen muss, sonst spreche ich eine halbe Seite ohne Luftholen und schnappe dann wie ein Fisch auf dem Trockenen nach Atem Embarassed und genauso empfand ich Deinen Ausschnitt).

Zitat:
Du bist hier – perspektivisch – sehr auf Seite der Eltern, während ich diese nur als zweidimensionale Figuren in der Schilderung des (früheren) Kindes sehe. Aber gut, ich habe ja das restliche Manuskript vor Augen, in dem auf dreihundert Seiten die Sicht der Du-Person nicht verlassen wird.

Du hast auch hier die Du-Perspektive nicht verlassen. Aber ja, ich habe aus dem Text vor allem die Schilderung der Eltern wahrgenommen. Wie Eltern mit dem Kind agieren, wie sie mit sich kämpfen und eventuell scheitern. Aber ist das wirklich ein Widerspruch, schließt sich das aus? Kann nicht ein Kind, das seine Eltern rückblickend betrachtet, auch sehen, dass die Eltern mit ihrer Rolle kämpften und Konflikten nicht gewachsen waren?

Zitat:
das meint jetzt übrigens nicht, dass meine Sicht richtiger ist als deine

Danke Very Happy Du hast eine wunderbar charmante Art, auf Feedback zu antworten Smile

Liebe Grüße
Selanna


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Beitrag12.02.2018 02:51

von Poolshark
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firstoffertio hat Folgendes geschrieben:
Ich lese die Du Perspektive hier als Selbstgespräch, was ja eine Art von innerer Monolog ist?

Und wenn dann die Perspektive zum "Kind" wechselt, sehe ich den selbst mit sich Sprechenden Distanz einnehmen. Da guckt er auf sich aus einer Sicht von angenommenem Außen. Oder besser, aus zeitlicher Entfernung. Trotzdem bleibt das Kind für mich der mit sich Sprechende. Und "euch" sind dann die drei zusammen so betrachtet.

Ja, jetzt wo du's schreibst, frage ich mich auch, warum das für mich nicht offensichtlicher ist, dass das genauso gut die Protagonistin oder ein etwas älteres Kind sein könnte.
Liegt wahrscheinlich an den Live-Vorträgen, bei denen sich der Herr Fitte über den Bart streicht. ^^'
Dadurch hatte sich vermutlich der allwissende Erzähler bei mir so eingeprägt.


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Beitrag12.02.2018 09:18

von Klemens_Fitte
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Oh. Da habe ich gestern Abend wohl noch Einiges verpasst …

Poolshark hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Und klar, in dem Moment, in dem Dynamiken/Prozesse zwar deutlich beschrieben, ansonsten aber auf ein Setting oder eine figürliche/dramatische Einfassung verzichtet wird, erhöht sich natürlich das Potential, das Beschriebene direkt auf sich/das eigene Erleben zu beziehen.

Nicht zwangsläufig. Mit "intim" meine ich auch diese Verbindung zwischen Erzähler und dem Du (das man nicht so einnehmen muss, wie ich das manchmal mache). Man belauscht und beobachtet quasi "heimlich" diese Ansprache, die nicht für einen selbst gedacht ist. Durch diesen Gedankenstromstil verstärkt sich das Gefühl noch, dass man da etwas mithört, das man vielleicht gar nicht mithören dürfte. Auch das ist intim.


Da hast du natürlich absolut recht.

Poolshark hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Die Frage ist auch da für mich wieder: wie viel davon beschreibt tatsächlich das Verhalten/die Wahrnehmung der Eltern, und wie viel ist Projektion der Du-Figur, die sich diese ganze Konstellation ja gewissermaßen im Nachhinein auseinandersetzt?

Ich habe für mich längst akzeptiert, dass der Erzähler potenziell auch nur rumklugscheißern könnte, dass er das Du womöglich manipuliert und in die Irre treiben will. Vielleicht ist er sogar eine innere Stimme der Protagonistin selbst. Mit dieser Ungewissheit kann ich gut leben. Das macht für mich ein Stückweit auch die Magie der Typenwalze aus.


Ich bin inzwischen an dem Punkt, an dem ich gar keinen Erzähler mehr ausmachen kann. Die Konstellation mag zu Beginn eine ganz andere gewesen sein, als mir noch nicht klar war, was genau es mit der Du-Ansprache auf sich hat/wer das Du ist/wer spricht, aber jetzt, da ich mir dieses Du sozusagen erschrieben habe, wüsste ich nicht, wo da ein (allwissender) Erzähler Platz fände.

Ich sehe das im Grunde so wie firstoffertio.

firstoffertio hat Folgendes geschrieben:
Ich lese die Du Perspektive hier als Selbstgespräch, was ja eine Art von innerer Monolog ist?

Und wenn dann die Perspektive zum "Kind" wechselt, sehe ich den selbst mit sich Sprechenden Distanz einnehmen. Da guckt er auf sich aus einer Sicht von angenommenem Außen. Oder besser, aus zeitlicher Entfernung. Trotzdem bleibt das Kind für mich der mit sich Sprechende. Und "euch" sind dann die drei zusammen so betrachtet.


Dass sich da der Autor dazwischenschieben könnte … da fällt mir keine Lösung für ein Laughing

Selanna hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
für mich war das bislang eine gängige Wendung: etwas in Schicht um Schicht, in Blatt um Blatt, in Karton um Karton, in Ebene um Ebene anhäufen/stapeln/sammeln etc. – sollte das nicht der Fall sein, müsste ich viele Stellen im Manuskript überarbeiten.

Wenn es für Dich gängig ist (ist es für mich nicht), kann das an dem berlinerisch-süddeutschen Gefälle liegen. Überarbeite besser vorerst mal nichts, wahrscheinlich kenne ich es nur nicht


Ich hab gestern noch versucht, Belege für meinen Standpunkt zu finden, aber weit bin ich nicht gekommen, um ehrlich zu sein; ausgenommen diese Stelle aus der Übersetzung von "Die Jupitermonde" von Alice Munro:

Übersetzerin von Alice Munro hat Folgendes geschrieben:
Sie fühlte sich, als sei sie eingemummelt, eingewickelt in Schicht um Schicht aus dumpfem Wissen, gut geschützt


Auf das berlinerisch-süddeutsche Gefälle kann ich's leider nicht schieben; bin ja selbst nur ein aus Baden-Württemberg Zugreister.

Selanna hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
eingängig – das kann ich, fürchte ich, nicht beurteilen. Gewollt – zumindest denke ich, dass es an dieser Stelle das korrekte Wort ist; bezieht sich auch auf eine frühere Stelle im Manuskript,

Ich habe alles benannt, was mir auffiel. Das war eine Stelle davon. Wenn es gewollt ist und aus dem Manuskript heraus schlüssig, geht mein Hinweis klar ins Leere.


Was ja auch nicht tragisch ist.

Selanna hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
ist auf jeden Fall eine mögliche Deutung. Ich habe keine eigene.

Schade. Gerade die hätte mich interessiert Wink


Nee, ich halte mich immer für am wenigsten befugt, meine eigenen Sätze zu deuten.

Selanna hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
da bin ich mir unsicher; ein Kind zu bemerken, das in der Tür steht – wie lange schon? – seine Zeichnungen aufzuhängen, weil sie halt da sind – wie lange dauert das? – steht für mich noch nicht zwangsläufig für eine Aufmerksamkeit. Und zum anderen ist das, was hier beschrieben wird, ja die Perspektive der Du-Person – des früheren Kindes – und somit haben wir hier ohnehin einen unzuverlässigen Erzähler, sprich: es könnte auch sein, dass die oben zitierten Worte den Eltern nachträglich zugeschrieben wurden.

Es war nur mein Leseeindruck, der kann gut falsch sein. Embarassed


Nun ja, 'falsch' – ich sehe das so: je 'ergebnisoffener' eine Thematik im Text verhandelt wird, desto größer ist das Spektrum an Lesarten oder Fokussierungen. Jetzt kann ich mir zwar immer überlegen, ob eine rückgemeldete Lesart, die ich nicht auf dem Schirm hatte, neben den von mir intendierten störungsfrei stehen kann oder ob ich den Text in eine eindeutigere Richtung führen muss. Auch kann ich mich selbst noch einmal hinterfragen – wie lese ich? kann ich mich dieser neuen Lesart ebenfalls anschließen? wenn nicht: eröffnet mir das neue Erkenntnisse über meine eigene Sicht auf den Text et cetera – nur: all das ändert an der Existenz der ursprünglichen Lesart nichts. Und es ist Teil des Lernprozesses für mich, meine eigene Auseinandersetzung mit fremden Lesarten zwar abzubilden, aber nicht den Eindruck zu vermitteln, eine Lesart sei schlichtweg 'falsch'.

Selanna hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
zum einen den der Atemlosigkeit – das klang ja schon in manchen Kommentaren zum ersten Ausschnitt an, und ich tue mich immer noch schwer, lange Sätze, die scheinbar endlos dahinfließen und in denen sich jeder Aspekt gewissermaßen zwangsläufig aus dem vorangegangenen ergibt, als atemlos zu lesen. Würde ich einen atemlosen Text schreiben wollen, würde ich viel eher zu kurzen, treibenden, abgehackten Sätzen greifen. Vielleicht ist aber diese Atemlosigkeit eher die, die dem langsamen Versinken in Treibsand innewohnt?

Ich gestehe, ich habe den ersten Ausschnitt und die Kommentare dazu nicht gelesen, nur diesen zweiten Ausschnitt und die Kommentare dazu eher überflogen.
Ich meine, glaube ich, ein anderes atemlos als Du. Du meinst das „atemlos“, wenn man außer Atem ist und hektisch spricht, d.h. abgekackt (das unterstelle ich Dir einfach mal, aber arglos). Ich meine das „atemlos“, wenn man so viel spricht, so viel aus jemandem herausquillt, dass dem jemand keine Zeit zum Atemholen bleibt. Dann spricht man schnell, in langen, verschachtelten Sätzen und holt zwischendrin nicht Luft. Erst ganz am Ende des Satzes zwingt die Lunge den Sprechenden, tief Luft zu holen, und dann spricht er für zwei Minuten wieder „atemlos“ (=ohne Luftholen) weiter. Verstehst Du, was ich sagen will?


Ja, definitiv. Da hatte ich dich wohl wirklich missverstanden. Mit dieser Form von "Atemlosigkeit" kann ich auf jeden Fall schon sehr viel besser mitgehen; ich sehe es als einen Strom – von Gedanken – der zum Strudel wird, in dem man mehr und mehr nach Fixpunkten sucht. Trotzdem hoffe ich, dass nicht der Eindruck einer ungeordneten Rede, eines Drauflosplapperns entsteht – beim letzten 10k gab es ein, zwei Texte, in denen mir diese 'Gefahr' des Bewusstseinsstroms klarer wurde.

Selanna hat Folgendes geschrieben:
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Du bist hier – perspektivisch – sehr auf Seite der Eltern, während ich diese nur als zweidimensionale Figuren in der Schilderung des (früheren) Kindes sehe. Aber gut, ich habe ja das restliche Manuskript vor Augen, in dem auf dreihundert Seiten die Sicht der Du-Person nicht verlassen wird.

Du hast auch hier die Du-Perspektive nicht verlassen. Aber ja, ich habe aus dem Text vor allem die Schilderung der Eltern wahrgenommen. Wie Eltern mit dem Kind agieren, wie sie mit sich kämpfen und eventuell scheitern. Aber ist das wirklich ein Widerspruch, schließt sich das aus? Kann nicht ein Kind, das seine Eltern rückblickend betrachtet, auch sehen, dass die Eltern mit ihrer Rolle kämpften und Konflikten nicht gewachsen waren?


Nein, ich denke nicht, dass sich das ausschließt. Ich glaube, ich bin in meiner Lesart einfach durch die Kenntnis der restlichen dreihundert Seiten schon zu determiniert und kann mir nicht mehr vorstellen, es könne hier um eine (empathische) Übernahme der elterlichen Perspektive/Situation gehen.

Selanna hat Folgendes geschrieben:
Du hast eine wunderbar charmante Art, auf Feedback zu antworten Smile


 rotwerd

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Vielen Dank noch mal für die Kommentare, das war eine schöne Überraschung heute Morgen.


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Beitrag12.02.2018 14:09

von Tlönfahrer
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Es ist ja nicht nur die Sprachhandhabung, dieses langsame Voranschreiten und Vorantasten (nicht umsonst wiederholt sich das Bild des Aufschichtens oder Aufhäufens) das einem stetigen Freilegen gleichkommt, dem der Leser von Anfang an beiwohnt, irgendwann beiwohnen muss, weil er selbst die Stelle desjeningen einnimmt, der da versucht, den Dingen auf den Grund zu kommen. Der Text ist auch stark durch das Hand-in-Hand-Gehen von Sprache und Inhalt, sodass man sich an keiner Stelle fragt "Warum nur dieser lange, scheinbar endlose Satz mit dieser schwachen Statik in der Perspektive?", weil es sich einem unwillkürlich erschließt in dem Moment, wenn man erkennt, wie brüchig die Begriffe sind, mit denen man die Sprache ausstattet und seien sie auch noch so alltäglich, wie z.B. Mama und Papa.

Und weil Poolshark von Intimität sprach. Die sehe ich auch, aber als eine verletzte. Die der Eltern verletzt durch das Kind, weil es ihnen ihre Deutung von Mama und Papa Stück für Stück durch die eigene, hingekritztelte- und hingenuschelte ersetzt. Und die Intimität des Kindes wird verletzt, indem man wiederum ihm versucht seinen Anspruch auf eine eigene Beschreibung der Welt (der Eltern) wieder zu entreissen, indem man es lehrt, wie man spricht.

Wie so oft bei dir Klemens, findet man auch in diesem Ausschnitt die großartige Bebilderung von Konflikten, die ihre Ursache letztlich in der Sprache haben und das Gelesene geht einem dehalb so nahe, weil du selbst eine Sprache benutzt, die sich dieser Schuld vollkommen bewusst ist.
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