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Anfang meines namenlosen Romans


 
 
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KyoFINAL
Gänsefüßchen
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Beitrag14.11.2017 22:16
Anfang meines namenlosen Romans
von KyoFINAL
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Hallo liebes Forum,

hier ist der Anfang meines namenlosen Romans (Arbeitstitel 77).
Ein kleiner Text für den Anfang.

77

Kapitel 1: Kai und Said

 1

Im dichten Nebel schleppt sich eine schemenhafte Gestalt durch das Feld. Der Nebel verhüllt fast die gesamte Ebene; in der Ferne sind die Lichter der Innenstadt zu sehen. Die Gestalt wird  von Kai Maar beobachtet, der mit dem Rücken an der Wand gelehnt auf seinem Bett sitzt. Das Zimmer ist klein und viel zu große Möbel verengen den Raum nur noch mehr. Der Mann am Fenster sah die Gestalt oft  um diese Zeit auf dem Feld herumwandern. Es ist ungefähr fünf Uhr morgens. Kai schaut schlaftrunken aus dem Fenster. Der Nebel ist dichter geworden, die Gestalt ist kaum noch zu sehen, lediglich die verschwommenen Umrisse sind noch zu erkennen. Die Gestalt bleibt stehen und richtet sich krampfhaft auf. Kai kennt dieses Ritual, jedoch nicht die Bedeutung. Jede Woche, schon seit Kai nach Dortmund gezogen ist, kommt dieses Wesen von einem unbekannten Ort zum Feld und zelebriert dieses Ritual. Kai beobachtet die Gestalt noch einige Zeit, dann steht er auf, öffnet die Tür und geht über den in dunkel blaues Licht gehüllten Flur ins Badezimmer. Müde und sichtlich angestrengt beginnt er sein eigenes Morgenritual.

2

Es ist neun Uhr morgens. In der Zwischenzeit hat sich der Nebel verzogen. In der Dortmunder Innenstadt lebt der Einunddreißigjährige Said. Regungslos sitzt er in der Küche am Tisch und schaut aus dem Fenster. Auf den Straßen ist es fast Menschenleer, hin und wieder fährt ein Auto am Fenster vorbei, sonst ist es still. Said umschlingt mit seinen Händen eine heiße Kaffeetasse, das Gesicht wirkt angestrengt emotionslos. Die aufgestaute Anspannung scheint für Said unerträglich zu sein. Leicht zitternd blickt er in die Leere. Ruckartig richtet er sich auf und öffnet die Küchenschublade. Langsam zieht er ein Messer aus der Schublade, es ist ein Schälmesser mit einer kleinen Klinge. Said geht mit dem Messer in der Hand zurück zum Tisch. Seine Bewegungen sind ruhig und konzentriert. Er setzt sich, das Messer immer noch eng umklammert. Einen kurzen Moment sitzt er wie versteinert am Tisch. Dann legt er seine Hände auf die Tischplatte, umklammert mit der rechten Hand die Klinge und mit der linken Hand seine Rechte. Seine Augen füllen sich mit Tränen. Konzentriert schaut er auf die Kaffeetasse. Einige Minuten sitzt er regungslos, die Rechte Hand fest die Klinge umklammert am Tisch und Betet, während ihm das Blut aus der Faust tropft.

(Der Rest des Kapitels beschäftigt sich mit Saids Alltag)

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Selanna
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Beitrag15.11.2017 01:19

von Selanna
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Hallo Final!
ich habe mal beim Durchlesen Deines Textes notiert, was mir so einfiel:
Zitat:

 1

Im dichten Nebel schleppt sich eine schemenhafte Gestalt durch das Feld. Der Nebel Wortwiederholung verhüllt fast die gesamte Ebene; das „fast“ im Satzteil davor und dann hier die Ausnahme, die das „fast“ bedingt, würde mich zu einem „nur /doch /aber“ oder irgendeiner andere Verknüpfung reizen in der Ferne sind die Lichter der Innenstadt zu sehen. Die Gestalt wird  von Kai Maar beobachtet ist der Passiv hier bewusst und als Stilmittel gewählt? Sonst wäre „Kai beobachtet die Gestalt“ lebendiger, quasi aktiver wink , der mit dem Rücken an der Wand gelehnt auf seinem Bett sitzt.

An dieser Stelle habe ich noch einmal ein paar Sätze zurückgelesen, weil ich dachte, ich hätte etwas verpasst. Vom Feld ins Zimmer mit Bett - der Ortswechsel geht sehr schnell. Ich empfehle Dir unbedingt einen Absatz nach „sehen“, damit der Leser den Ortswechsel besser verkraftet Wink
Zitat:
Das Zimmer ist klein und viel zu große Möbel verengen den Raum nur noch mehr.

Der Satz hat etwas wink
Zitat:
Der Mann am Fenster…

Gerade saß er doch noch auf dem Bett, an die Wand gelehnt. Er ist also aufgestanden und ans Fenster gegangen?
Zitat:
…sah die Gestalt oft  um diese Zeit auf dem Feld herumwandern. Es ist ungefähr fünf Uhr morgens. Die Zeitangabe platzt - für mein Empfinden - mitten in die Beschreibung hinein. Was hältst Du davon, sie ganz an den Anfang zu setzen? Oder vor die erste Erwähnung von Kai? Kai schaut schlaftrunken aus dem Fenster. Der Nebel ist dichter geworden, die Gestalt ist kaum noch zu sehen, lediglich die verschwommenen Umrisse sind noch zu erkennen.

Ganz kurz zusammengefasst: Kai sieht die Gestalt vom Bett aus. Kai ist am Fenster und sieht die Gestalt oft. Zeitangabe. Kai sieht aus dem Fenster. Kai sieht die Gestalt nicht gut. - Verstehst Du, was ich meine? Du könntest diesen Abschnitt im Text (und ich denke, dieser Abschnitt wäre einen Absatz wert wink ganz einfach, weil Du vor dem Kai-Abschnitt bei der Gestalt bist und nach dem Abschnitt wieder zur Gestalt zurückkehrst) ein bisschen kürzen, indem Du einfach ein paar Wiederholungen streichst. Ich vermute, Du willst eine Atmosphäre aufbauen, den Nebel vor dem Leserauge aufziehen lassen und das gelingt Dir auch. Aber ich denke, das klappt auch ganz gut, wenn es ein wenig gestrafft wird Daumen hoch²
Zitat:
Die Gestalt bleibt stehen und richtet sich krampfhaft auf

Ich bin mir nicht ganz sicher, ob „krampfhaft“ hier das richtige Wort ist. Nach meinem Wortverständnis kann man etwas krampfhaft versuchen (was meistens scheitert) oder krampfhaft an etwas festhalten (was meistens eher schadet). Ich fände hier „mühsam“, „gequält“ oder - um in der Wortfamilie zu bleiben - „verkrampft“ (besser, aber nicht ideal) passender. Was meinst Du?
Zitat:
Kai kennt dieses Ritual, jedoch nicht die Bedeutung

Der Satz ist vollkommen in Ordnung so. Aber Du könntest überlegen, ob Du „nicht seine Bedeutung“ oder „die Bedeutung dahinter“ schreibst, um es noch mehr auf das Ritual zu beziehen. Das ist Geschmackssache
Zitat:
Jede Woche, schon seit Kai nach Dortmund gezogen ist, kommt dieses Wesen von einem unbekannten Ort oder kürzer: von irgendwoher; da Kai das Wesen völlig fremd ist, ist klar, dass er nicht weiß, wo es her kommt. Man könnte es auch ganz streichen. Aber das „von einem unbekannten Ort“ ist ein wenig umständlich für eine fast selbstverständliche Info wink zum Feld und zelebriert dieses Ritual.

Wow, das war ein Schocker! Im Ernst! Aber nicht, dass es sich bei der Gestalt um keinen Menschen, sondern um ein Wesen handelt; sondern dass diese Geschichte in Dortmund spielt. Das katapultiert mich völlig raus. Gerade waren da noch Nebel, Felder und ein Zimmer, das offenbar direkt auf ein Feld ausgerichtet ist - das verbinde ich nicht mit Dortmund. Ist der Schock gewollt? Ich bin hier in einer Dystopie gelandet, hm?
Zitat:
Kai beobachtet die Gestalt noch einige Zeit, dann steht er auf, öffnet die Tür und geht über den in dunkel blaues zusammengeschrieben Licht gehüllten Flur ins Badezimmer. Müde und sichtlich angestrengt beginnt er sein eigenes Morgenritual.

2

Es ist neun Uhr morgens. Komma In der Zwischenzeit hat sich der Nebel hat sich verzogen. In der Dortmunder Innenstadt lebt der Einunddreißigjährige kleingeschrieben und nicht zwingend auszuschreiben Said.

Entschuldige, das ist der erste Satz, der -mMn - querschlägt. Das klingt sehr nach Aufsatz eines jungen Schülers, der einen Bericht schreiben muss: Wann, wer, wo? Und jede Info sachlich vorgetragen in einem eigenen Satz. Was hältst Du davon, die genaue Uhrzeit wegzulassen und etwas zu schreiben (skizziert) à la: Der Nebel hat sich verzogen, als Said an seinem Küchentisch saß und aus dem Fenster schaute… - Vielleicht sind die kurzen Sätze ein Stilmittel oder Dein Markenzeichen, ich habe ja auch nur einen sehr kurzen Texthappen zur Verfügung, da fällt das Urteil schwer Wink , aber auf den ersten Blick wirken die kurzen Info-Sätze stakkatohaft, sehr sachlich und ziehen einen nicht recht in die Geschichte, zumindest mich nicht.
Zitat:
Regungslos sitzt er in der Küche am Tisch und schaut aus dem Fenster. Auf den Straßen ist es fast Menschenleer menschenleer, hin und wieder fährt ein Auto am Fenster vorbei, sonst ist es still. Said umschlingt mit seinen Händen eine heiße Kaffeetasse, das Gesicht wirkt angestrengt emotionslos. Die aufgestaute Anspannung scheint für Said ihn - der Bezug wäre mE noch leicht herstellbar und besser als eine Wiederholung unerträglich zu sein. Leicht zitternd blickt er in die Leere.

Said sitzt am Küchentisch: angestrengt - emotionslos - voll aufgestauter Anspannung - zitternd, aber nur leicht - dabei sieht er aus dem Fenster und blickt ins Leere. Das sind sehr viele Beschreibungen für seinen Zustand und für mich widersprechen sie sich teilweise. Vielleicht schaffst Du das noch ein bisschen stimmiger und nicht so dick aufgetragen. Ich hatte beim Lesen den Eindruck, Du hast Angst, mir könnte sein Zustand entgehen und schreibst lieber ein Wort zu viel als zu wenig Wink
Zitat:
Ruckartig richtet er sich auf und öffnet die Küchenschublade. Langsam zieht er ein Messer aus der Schublade, es ist ein Schälmesser mit einer kleinen KlingeWenn Du es als ein Schälmesser identifizierst, kannst Du die Beschreibung des Messers streichen; oder Du identifizierst es nicht so exakt und schreibst „ein kleines Messer/ein Messer mit kurzer Klinge“.

Du beginnst drei Sätze hintereinander nach demselben Schema mit einem Adjektiv: Leicht (gut, das ist bezogen auf zitternd, aber trotzdem steht "Leicht" am Anfang), Ruckartig, Langsam. Das wirkt ein wenig monoton, ein bisschen Abwechslung gefiele mir besser.
Zitat:
Said geht mit dem Messer in der Hand zurück zum Tisch. Seine Bewegungen sind ruhig und konzentriert. Er setzt sich, das Messer hier steht das dritte Mal „Messer“ ganz kurz hintereinander  immer noch eng umklammert. Einen kurzen Moment sitzt er wie versteinert am Tisch. Dann legt er seine Hände auf die Tischplatte, umklammert Wortwiederholung mit der rechten Hand die Klinge und mit der linken Hand seine Rechte. Seine Augen füllen sich mit Tränen. Konzentriert Wortwiederholung schaut er auf die Kaffeetasse. Einige Minuten sitzt er regungslos, die Rechte kleingeschrieben Hand fest die Klinge umklammert Wortwiederholung und hier wäre „umklammernd“ zutreffender am Tisch und Betet kleingeschrieben, während ihm das Blut aus der Faust tropft.

Hier habe ich wieder ganz ähnlich das Problem, dass ich die Beschreibungen von Said recht uneinheitlich finde und ihn mir nicht recht vorstellen kann. Er ist also ruhig und konzentriert, aber umklammert das Messer (auf ruhige Art? Du siehst, das passt nicht). Er ist ruhig und konzentriert und versteinert und ein Messer umklammernd - versteinert ist für mich ein Zustand, wo man gar nichts macht, das Messer fällt einem eher aus der Hand und man steht regungslos (regungslos und versteinert harmonieren gut, da hast Du recht) da - wobei regungslos nichts ist, was ich als „ruhig“ bezeichnen würde.
Außerdem verstehe ich nicht, wie man beide Hände auf die Tischplatte legen kann und zugleich die linke Hand die rechte umklammern kann. Dann liegt die linke Hand doch nicht wirklich auf dem Tisch, oder?
Das Ganze ist sehr kleinschrittig beschrieben, das ist an und für sich kein Problem, es ist wie ein Zeitlupeneffekt, aber Du musst aufpassen, dass es dadurch nicht langweilig wird und sich kleinste Begebenheiten wie Kaugummi ziehen.
Insgesamt:
Das sind sehr kurze Abschnitte. Du könntest Dir überlegen, ob es wirklich Sinn ergibt, so kurze Abschnitte in einem Roman zu numerieren (Du ahnst, ich würde wenigstens die Nummern weglassen).

Der Einstieg ist doch schon mal nicht schlecht! Es sind auch zwei interessante Eröffnungsszenarien: Gruselgestalt auf nebligem Feld und innerlich zerrissener Mann mit verzweifelten Autoaggressionen am Küchentisch. Das kann neugierig machen und zum Weiterlesen animieren, somit hast Du ein großes Ziel schon mal erreicht.
Deine Schwächen liegen in Wortwiederholungen und nach meinem Empfinden in der Wortwahl, die sich manchmal etwas widerspricht. Du könntest auch darüber nachdenken, ob die kleinschrittige Erzählweise Dein Stil ist oder ob Du Dich von ein paar Details vielleicht doch trennen könntest.

Das waren alles nur meine Gedanken, ich würde mich freuen, wenn Du was Hilfreiches darunter findest. Alles andere verwirfst Du einfach lol2

Liebe Grüße
Selanna


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KyoFINAL
Gänsefüßchen
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Beitrag15.11.2017 16:05

von KyoFINAL
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Hallo Selanna,

vielen Dank für dein Feedback. Deine Kritik ist sehr treffend, vor allem mit dem Said-Teil.

Diese Figur ist für mich auch die schwierigste, da sie sehr widersprüchlich und sprunghaft ist. Kai ist dagegen noch ein recht einfacher Charakter und somit das 'ruhige Auge' der Geschichte.

Die Absätze, Wortwiederholungen und andere 'Stilprobleme' sind etwas worüber ich mich noch kümmern werde.

Der Aufsatzstil ist eigentlich etwas das ich beibehalten wollte, da ich eine gewisse Distanz zwischen dem Leser und den Figuren aufbauen wollte, aber mittlerweile denke ich auch, dass es anders besser wirkt. Das Problem ist nur: "Ich hasse Anfänge!"

Wenn du willst kann ich noch den Rest des Kapitels hier vorstellen.

Danke nochmal das du dir die Zeit genommen hast meinen Kram zu lesen!

FINAL


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Selanna
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Beitrag15.11.2017 18:32

von Selanna
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Hallo FINAL,

es freut mich, wenn Dir die Anmerkungen ein bisschen weitergeholfen haben! Very Happy

Zu Said: Ich kann nachvollziehen, dass das ein sprunghafter Charakter sein soll, aber er ist sicher von Situation zu Situation sprunghaft und nicht innerhalb einer Situation sprunghaft, oder? Eine glaubhafte Ausarbeitung ist bei Said sicher noch ein ganz schönes Stück harter Arbeit hmm

Ich habs gerne gelesen, kein Problem, und wenn Du noch etwas einstellst, werde ich auch das gerne lesen, wenn es meine Zeitfenster zulassen Embarassed

Aber ich rate Dir, damit noch zu warten. Sicher werden noch ein, zwei oder mehr andere Leser den Text kommentieren, wenn Du ihnen die Zeit dazu lässt (wenn Du gleich einen neuen Text einstellst, verringert sich die Wahrscheinlichkeit ziemlich, dass der alte Text drei Posts weiter oben noch kommentiert wird). Das wäre aber wichtig, denn meine Meinung ist ja nur eine Meinung. Außerdem gibt es hier weitaus erfahrenere Forenmitglieder als meiner einer, warte also besser noch ein wenig ab.

Zum anderen ist es eher üblich bzw. wäre es sehr interesant, wenn Du dann die für Dich hilfreichen Tipps, Anmerkungen und Impulse aus Deinen Rezensentenkommentaren in Deinen Text einfließen lässt und dann die überarbeitete Version einstellst. Sieh Dich mal im Einstand um, wie die anderen das so machen... Dann siehst Du auch, ob Du in die richtige Richtung verbesserst, die Kommentare richtig verstanden hast, übers Ziel hinausgeschossen bist etc. Du verstehst schon.

Der dritte Schritt wäre dann der nächste neue Teil aus Deinem Roman. Wenn Du nämlich schnell hintereinander immer wieder Neues postest, kommt die Textarbeit schnell zu kurz. Laughing

Liebe Grüße
Selanna


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KyoFINAL
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Beitrag15.11.2017 23:52

von KyoFINAL
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Kapitel 1: Kai und Said

Es ist ungefähr fünf Uhr morgens. Im dichten Nebel schleppt sich eine Schemenhafte Gestalt durch das Feld. Fast die gesamte Ebene ist vollständig verhüllt; in der Ferne sind die Lichter der Innenstadt zu sehen.

Die Gestalt wird  von Kai Maar beobachtet, der mit dem Rücken an der Wand gelehnt auf seinem Bett sitzt und aus dem Fenster blickt. Das Zimmer ist klein und viel zu große Möbel verengen den Raum nur noch mehr. Der Mann sah die Gestalt oft  um diese Zeit auf dem Feld herumwandern. Kai schaut schlaftrunken aus dem Fenster. Durch den sich verdichtenden Nebel sind lediglich noch die verschwommenen Umrisse der Gestalt  zu erkennen. Das Wesen bleibt stehen und richtet sich mühsam auf. Kai kennt dieses Ritual, jedoch nicht seine Bedeutung. Jede Woche, schon seit Kai nach Dortmund gezogen ist, kommt dieses Wesen von irgendwo her zum Feld und zelebriert dieses Ritual. Kai beobachtet die Gestalt noch einige Zeit, dann steht er auf, öffnet die Tür und geht über den in dunkel blaues Licht gehüllten Flur ins Badezimmer. Müde und sichtlich angestrengt beginnt er sein eigenes Morgenritual.

Um neun Uhr Morgens hat sich der Nebel wieder verzogen. In der Dortmunder Innenstadt sitzt Said regungslos in der Küche am Tisch und schaut aus dem Fenster. Auf den Straßen ist es fast menschenleer, hin und wieder fährt ein Auto am Fenster vorbei, sonst ist es still. Said umschlingt mit seinen Händen eine heiße Kaffeetasse. Unter seiner äußeren Ruhe brodelt eine unerträgliche Anspannung. Ruckartig richtet er sich auf und öffnet die Küchenschublade. Langsam zieht er ein Messer heraus. Er geht zurück zum Tisch. Seine Bewegungen wirken nun deutlich aggressiver. Er setzt sich, das Messer immer noch eng umklammert. Einen kurzen Moment versucht er noch seinen Hass zu unterdrücken, jedoch spürt er den ihn allzu bekannten Druck und weiß wie oft er ihm erlegen war. Er umklammert mit der rechten Hand die Klinge und mit der linken Hand seine Rechte. Seine Augen füllen sich mit Tränen. Mit weit aufgerissenen Augen schaut er auf die Kaffeetasse. Einige Minuten sitzt er, die rechte Hand fest die Klinge umklammernd am Tisch und betet, während ihm das Blut aus der Faust tropft.

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Bin noch nicht zufrieden mit Said, aber ich hoffe das es weniger Widersprüchlich ist.


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MrT
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Ei 3


Beitrag16.11.2017 00:28

von MrT
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Sorry, aber nach nicht einmal der Hälfte bin ich ausgestiegen.

Für mich liest sich alles zu hölzern. Mir fehlt bei deinem Text die Seele. Etwas, dass nicht alles steril beschreibt - wie bei einer nüchternen Aufzählung von Geschehnissen -, sondern meine Vorstellung arbeiten lässt (Emotionen).


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KyoFINAL
Gänsefüßchen
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Beitrag16.11.2017 00:46

von KyoFINAL
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MrT

Musst dich nicht entschuldigen. Ich arbeite noch daran, wirklich zufrieden bin ich auch nicht damit, aber ich mag nüchterne Texte, wenn die "Seele " fehlt ist das natürlich schlecht Smile , aber danke für dein Feedback.

FINAL


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nebenfluss
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Beitrag16.11.2017 01:15

von nebenfluss
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Ich denke, mit der Distanz zwischen Leser und Figuren hast du es deutlich übertrieben.
Das ist dermaßen distanziert, eigentlich schon rein dokumentarisch, dass es sich nicht wie der Anfang eines Romans liest sondern wie der Hörgeschädigten-Text zu einem Spielfilm.


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Canyon
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Beitrag16.11.2017 01:50

von Canyon
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Hey Final,

hier ein paar kurze Anmerkungen zu deiner neuen Version:

KyoFINAL hat Folgendes geschrieben:

Es ist ungefähr fünf Uhr morgens. Im dichten Nebel schleppt sich eine schemenhafte Gestalt durch das Feld. (Da würde mich interessieren - welches Feld? *Durch* klingt eher nach hochgewachsenem Getreide, da würde man aber wohl nicht mehr viel von der Gestalt sehen. Wenn das Feld abgeerntet ist, würde "über" eher passen.) Fast die gesamte Ebene ist vollständig verhüllt; in der Ferne sind die Lichter der Innenstadt zu sehen. (Fast und vollständig widersprechen sich meiner Ansicht nach. Entweder etwas ist fast verhüllt - dann fehlt noch etwas, oder zur Gänze, also vollständig.)

Die Gestalt wird  von Kai Maar beobachtet, der mit dem Rücken an der Wand gelehnt auf seinem Bett sitzt und aus dem Fenster blickt. Das Zimmer ist klein und viel zu große Möbel verengen den Raum nur noch mehr. Der Mann sah die Gestalt oft  um diese Zeit auf dem Feld herumwandern. (Dieser Satz passt für mich überhaupt nicht in den Text, weil er den Eindruck vermittelt, dass es plötzlich um jemand ganz anderen, und nicht mehr um Kai geht.)

Kai schaut schlaftrunken aus dem Fenster. Durch den sich verdichtenden Nebel sind lediglich noch die verschwommenen Umrisse der Gestalt  zu erkennen. Das Wesen bleibt stehen und richtet sich mühsam auf. Kai kennt dieses Ritual, jedoch nicht seine Bedeutung. Jede Woche, schon seit Kai nach Dortmund gezogen ist, kommt dieses Wesen von irgendwo her zum Feld und zelebriert dieses Ritual. (Auch ich war sehr irritiert darüber, dass sich die Szene in einer Großstadt abspielen soll. Vielleicht könntest du nochmal genauer beschreiben, wo genau Kai sich eigentlich aufhält? Oben steht ja, "die Lichter der Innenstadt sind in der Ferne zu sehen", daher vermute ich, Kai befindet sich in einem Haus am Stadtrand, aber ein bisschen mehr Gewissheit wäre schon schön. Auch finde ich die Bezeichnung "Wesen" zu wage, da fehlt mir mehr Beschreibung. Ein Wesen kann alles mögliche sein.)

Kai beobachtet die Gestalt noch einige Zeit, dann steht er auf, öffnet die Tür und geht über den in dunkel blaues Licht gehüllten Flur ins Badezimmer. Müde und sichtlich angestrengt beginnt er sein eigenes Morgenritual.
(Finde ich ein bisschen seltsam, dass er diese Szene schon mehrmals gesehen hat, aber im Grunde gar nicht nennenswert darauf reagiert. Soll das so rüberkommen, als wäre es völlig normal, was da passiert?)

Um neun Uhr Morgens hat sich der Nebel wieder verzogen. In der Dortmunder Innenstadt sitzt Said regungslos in der Küche am Tisch und schaut aus dem Fenster. Auf den Straßen ist es fast menschenleer, hin und wieder fährt ein Auto am Fenster vorbei, sonst ist es still. Said umschlingt mit seinen Händen eine heiße Kaffeetasse. (Umschlingen klingt eher wie etwas, das ein Oktopus mit seinen Armen tut. Vielleicht fällt dir da noch ein anderer Begriff ein.)

Unter seiner äußeren Ruhe brodelt eine unerträgliche Anspannung. ... Seine Bewegungen wirken nun deutlich aggressiver. (Diese beiden Sätze über den Zustand seines Innenlebens würden besser wirken, wenn du statt der blanken wörtlichen Beschreibung - brodelt eine unerträgliche Anspannung, wirken nun deutlich aggressiver - das in Worte fasst, was sich bildhaft darstellt. Wie wirkt sich diese innere Anspannung aus? Zittern seine Hände? Schwitzt er? Atmet er schneller? Das Gleiche mit den wachsenden Aggressionen - was passiert da mit ihm, dass man bei seinem Anblick auf diese Veränderung schließen könnte?)

Er setzt sich, das Messer immer noch eng (fest?) umklammert. Einen kurzen Moment versucht er noch seinen Hass zu unterdrücken, jedoch spürt er den ihm allzu bekannten Druck und weiß wie oft er ihm erlegen war. Er umklammert mit der rechten Hand die Klinge und mit der linken Hand seine Rechte. Seine Augen füllen sich mit Tränen ( ... der Wut? Ansonsten ist er doch scheinbar traurig, und nicht aggressiv.). Mit weit aufgerissenen Augen schaut er auf die Kaffeetasse. (Auch hier: Weit aufgerissene Augen verbinde ich eher mit einem Gefühl von Angst, als mit Aggression. Wenn du Aggression darstellen willst, wäre es ratsam passendere Handlungen zu wählen.) Einige Minuten sitzt er, die rechte Hand fest die Klinge fest umklammernd am Tisch und betet, während ihm das Blut aus der Faust tropft.

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Soviel zu dem, was mir spontan aufgefallen ist.
Zum Schreibstil kann ich leider auch nur sagen, dass er so gar nicht mein Fall ist. Es liest sich eher wie die knappe Szenenbeschreibung für ein Drehbuch, als eine abgerundete Geschichte. Du schreibst, dass du nüchterne Texte magst (Ehrlich? Auch in Büchern?), das ist okay, Geschmäcker sind bekanntermaßen verschieden. Ich denke aber, dass man mit zu viel Nüchternheit einem Prosa-Text sehr viel an Potential rauben kann - was definitiv schade ist. Zudem wird man vermutlich auch eher eine sehr kleine Gruppe von Lesern an Land ziehen ... was aber widerum nix Schlimmes sein muss. Was und wen man mit seinen Texten im Endeffekt erreichen will, liegt ja bei jedem Autor selbst.
smile

Edit: Die Idee des Anfangs an sich finde ich aber gut und auch gut geeignet, um zu Beginn der Geschichte Spannung zu erzeugen. Nur an der Umsetzung müsste noch ein bisschen gearbeitet werden.


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Beitrag16.11.2017 15:39

von KyoFINAL
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Hallo,

@ nebenfluss: Es sollte  am Anfang auch Dokumentarisch wirken, das Problem ist die Balance zwischen Nüchternheit und Langeweile zu finden.

Ich versuche die Figuren noch etwas interessanter darzustellen, aber wenn es zu "verspielt" wird habe ich das Thema des Romans (oder der Dokumentation Smile ) verfehlt.

@ Canyon: Mal wieder vielen Dank für die Tipps.

Zitat:
Der Mann sah die Gestalt oft um diese Zeit auf dem Feld herumwandern. (Dieser Satz passt für mich überhaupt nicht in den Text, weil er den Eindruck vermittelt, dass es plötzlich um jemand ganz anderen, und nicht mehr um Kai geht.)


Ist noch ein Überbleibsel einer älteren Version des Textes, in der ich Kai nicht benennen wollte, werde ich berichtigen.


Zitat:
(Auch ich war sehr irritiert darüber, dass sich die Szene in einer Großstadt abspielen soll. Vielleicht könntest du nochmal genauer beschreiben, wo genau Kai sich eigentlich aufhält? Oben steht ja, "die Lichter der Innenstadt sind in der Ferne zu sehen", daher vermute ich, Kai befindet sich in einem Haus am Stadtrand, aber ein bisschen mehr Gewissheit wäre schon schön. Auch finde ich die Bezeichnung "Wesen" zu wage, da fehlt mir mehr Beschreibung. Ein Wesen kann alles mögliche sein.)


Das Wesen bleibt in diesem Teil unbeschrieben. Die Sache mit seinem Wohnort kann ich noch einfügen.

Zitat:
(Finde ich ein bisschen seltsam, dass er diese Szene schon mehrmals gesehen hat, aber im Grunde gar nicht nennenswert darauf reagiert. Soll das so rüberkommen, als wäre es völlig normal, was da passiert?)


Ich kann da noch einfügen was er darüber denkt, vielleicht baut das ja mehr nähe zur Figur auf.


Zitat:
Er setzt sich, das Messer immer noch eng (fest?) umklammert. Einen kurzen Moment versucht er noch seinen Hass zu unterdrücken, jedoch spürt er den ihm allzu bekannten Druck und weiß wie oft er ihm erlegen war. Er umklammert mit der rechten Hand die Klinge und mit der linken Hand seine Rechte. Seine Augen füllen sich mit Tränen ( ... der Wut? Ansonsten ist er doch scheinbar traurig, und nicht aggressiv.). Mit weit aufgerissenen Augen schaut er auf die Kaffeetasse. (Auch hier: Weit aufgerissene Augen verbinde ich eher mit einem Gefühl von Angst, als mit Aggression. Wenn du Aggression darstellen willst, wäre es ratsam passendere Handlungen zu wählen.) Einige Minuten sitzt er, die rechte Hand fest die Klinge fest umklammernd am Tisch und betet, während ihm das Blut aus der Faust tropft.


Den Teil habe ich schon so oft umgeschrieben das er eigentlich nur schlechter wird, er ist wütend und traurig zugleich, kann man sicherlich noch besser verbinden.

Zitat:
Es liest sich eher wie die knappe Szenenbeschreibung für ein Drehbuch, als eine abgerundete Geschichte.


Sollte es ursprünglich auch sein...


Zitat:
Du schreibst, dass du nüchterne Texte magst (Ehrlich? Auch in Büchern?)


Ja Very Happy

Dann werde ich, wenn keine weiteren Reaktionen kommen, bald das ganze Kapitel hier präsentieren, das Feedback war schon mal hilfreich.

Ich habe noch Biographien der Hauptcharaktere wenn das jemanden interessiert, hat ja auch mehr mit der Vorbereitung eines Romans zu tun.
Auch noch habe ich Karten der Orte,  Wohnungsgrundrisse und Kleinkram wie Beschreibungen von Institutionen die im Roman vorkommen u.ä.

Sonst könnt ihr ja mal schreiben wir ihr einen Roman vorbereitet, oder den Anfang einer längeren Geschichte gestaltet.

FINAL


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Beitrag17.11.2017 13:22

von Selanna
Antworten mit Zitat

Hallo FINAL,

Du hast den Text noch einmal durchgeackert und schon viele kompetente Kommentare bekommen. Der Inhalt ist nach wie vor sehr interessant, aber das Problem, das ich hier vor allem sehe, ist, dass Du gerne in deiner Sachbericht-ähnlichen Sprache schreiben willst und Dir von allen vier Rezensenten (hölzern, nüchtern, distanziert, dokumentarisch) gesagt wurde, dass das wahrscheinlich keine überragend große Leserschaft begeistern kann. Du kannst natürlich völlig bei Deiner Einstellung bleiben, aber vielleicht findest Du auch einen Kompromiss?
Ich habe nachgedacht, wie man einen finden könnte. Wie wär’s, wenn Du ein, zwei Bücher aus der Neuen Sachlichkeit liest?
Zitat:
Sprache: Die Handlung wurde meist nur kühl und distanziert beobachtet. Man schrieb ein Minimum an Sprache, dafür hatte diese ein Maximum an Bedeutung. Die Schriftsteller wollten so viele Menschen wie möglich mit ihren Texten erreichen, deshalb wurde eine einfache sowie nüchterne Alltagssprache verwendet. Diese war für jeden Leser verständlich, dadurch wurden breite und unterschiedlich gebildete Schichten der Bevölkerung erreicht. Die Autoren der Neuen Sachlichkeit verfassten die Texte im Stil einer dokumentarisch-exakten Reportage und strebten nach Objektivität.[…] (aus: Wikipedia, s.v. Neue Sachlichkeit (Literatur))

Das ist doch genau das, wo Du hin willst, oder? Diese Romane sind sehr nüchtern geschrieben, aber trotzdem (!) viel lebhafter. Vielleicht kann Dich das ja inspirieren? Du musst ja nicht die ganzen Romane lesen, sondern nur Ausschnitte, um das Gefühl für die Sprache zu bekommen.
Wenn man sich den Anfang von „Im Westen nichts Neues“ anschaut:
Zitat:
Wir liegen neun Kilometer hinter der Front. Gestern wurden wir abgelöst; jetzt haben wir den Magen voll weißer Bohnen mit Rindfleisch und sind satt und zufrieden. Sogar für abends hat jeder noch ein Kochgeschirr voll fassen können; dazu gibt es außerdem doppelte Wurst- und Brotportionen – das schafft. So ein Fall ist schon lange nicht mehr dagewesen: der Küchenbulle mit seinem roten Tomatenkopf bietet das Essen direkt an; jedem, der vorbeikommt, winkt er mit seinem Löffel zu und füllt ihm einen kräftigen Schlag ein. (http://knigger.org/remarque/im_westen_nichts_neues/lang/de/#/page/8)

ist der erste Satz ja frappierend parallel zu Deinem Wink. Trotzdem klingt das viel lebhafter und viel weniger distanziert, als Dein Anfang. Siehst Du das auch?
Wahrscheinlich liegt es daran, dass die Sprache, die Ausdrücke alltäglicher und derber sind und - Du bleibst selbst im Beschreiben distanziert und undeutlich (Wesen, Gestalt; Man weiß nicht, was Kai bewegt, bei Said in der neuen Version ist das allerdings schon besser), aber Remarque schildert ganz schlicht und deutlich, was den Ich-Erzähler bewegt. Das heißt, Du bist NOCH distanzierter.
Der zweite Roman, in den Du mal reinschauen könntest, wäre Kästners Fabian. Die Erzählperspektive wäre hier passender. Aber auch hier sind wesentlich mehr Gedanken und Beweggründe der Figuren eingebaut.
Bitte versteh diese Vorschläge, reinkopierten Zitate aus Wikipedia usw. nicht als Klugscheißerei. Du kannst das auch alles als dämlich von Dir weisen und verwerfen. Ich war nur auf der Suche nach einem Kompromiss, aber ich weiß auch, dass gut gemeint nicht immer gut gemacht ist Embarassed

Zitat:
Es ist ungefähr fünf Uhr morgens. Im dichten Nebel schleppt sich eine Schemenhafte Gestalt durch das Feld. Fast die gesamte Ebene ist vollständig verhüllt; in der Ferne sind die Lichter der Innenstadt zu sehen.

Ich persönlich würde den ersten und zweiten Satz verknüpfen, damit es weniger abgehackt klingt, wenigstens mit einem Komma. Schemenhaft kleinschreiben. „fast“ und „vollständig“ bereiten mir hier keine Probleme (anders als Canyon), da siehst Du, wie verschieden die Leser sind…

Zitat:
Die Gestalt wird  von Kai Maar beobachtet,

Ich bin unverbesserlich, ich weiß, entschuldige, aber als kleiner Zwangsneurotiker muss ich wiederholen, dass ich den Passiv (hier und generell) nicht gut finde. Um Dich zu überzeugen, füge ich mal an, dass ich einige Zeit für eine Tageszeitung ein paar Artikel und Reportagen geschrieben habe und mir der Redakteur erklärte, dass auch in Zeitungsreportagen der Passiv zu vermeiden sei. Auch an dem unerwarteten Wechsel von Feld zu Zimmer in Großstadt hast Du noch nichts verändert. Das wäre wirklich eine Überlegung wert.
Zitat:
Kai schaut schlaftrunken aus dem Fenster. Durch den sich verdichtenden Nebel sind lediglich noch die verschwommenen Umrisse der Gestalt  zu erkennen. Das Wesen bleibt stehen und richtet sich mühsam auf. oder: , das mit einem Mal stehen bleibt und sich mühsam aufrichtet - so hättest Du das „Wesen“ vermieden, das zB Canyon nicht so gefiel, und Du hättest mal einen Nebensatz eingebaut Wink Kai kennt dieses Ritual, jedoch nicht seine Bedeutung. Jede Woche, schon seit Kai nach Dortmund gezogen ist, kommt dieses Wesen von irgendwo her zum Feld und zelebriert dieses Ritual. Kai beobachtet die Gestalt noch einige Zeit, dann steht er auf, öffnet die Tür und geht über den in dunkel blaues dunkelblaues Licht gehüllten Flur ins Badezimmer. Müde und sichtlich angestrengt beginnt er sein eigenes Morgenritual.

Den Absatz hast Du eindeutig verbessert. Aber die Vorschläge von Canyon hierzu finde ich gut, die solltest Du Dich noch mal für eine dritte Version durch den Kopf gehen lassen.

Zitat:
Um neun Uhr Morgens hat sich der Nebel wieder verzogen. In der Dortmunder Innenstadt sitzt Said regungslos in der Küche am Tisch und schaut aus dem Fenster.

„morgens“ ist kleinzuschreiben. Dass Du hier so viel zusammengezogen und gekürzt hast, tut der Geschichte gut! Aber füge das „Dortmunder Innenstadt“ später ein, sonst denkt man, die Küche Saids ist mitten auf einem Platz der Dortmunder Innenstadt Wink
Zitat:
Auf den Straßen ist es fast menschenleer oder: Die Straßen der Dortmunder Innenstadt sind fast menschenleer, hin und wieder fährt ein Auto am Fenster vorbei, sonst ist es still. Said umschlingt mit seinen Händen eine heiße Kaffeetasse. Unter seiner äußeren Ruhe brodelt eine unerträgliche Anspannung. Ruckartig richtet er sich auf und öffnet die Küchenschublade. Langsam zieht er ein Messer heraus. Er geht zurück zum Tisch. Seine Bewegungen wirken nun deutlich aggressiver. Er setzt sich, das Messer immer noch eng umklammert. Einen kurzen Moment versucht er noch seinen Hass zu unterdrücken, jedoch spürt er den ihn allzu bekannten Druck und weiß wie oft er ihm erlegen war. Er umklammert mit der rechten Hand die Klinge und mit der linken Hand seine Rechte. Seine Augen füllen sich mit Tränen. Mit weit aufgerissenen Augen schaut er auf die Kaffeetasse. Einige Minuten sitzt er, die rechte Hand fest die Klinge umklammernd am Tisch und betet, während ihm das Blut aus der Faust tropft.

Ich finde, Du hast seinen Gefühlszustand ganz deutlich besser hinbekommen! Jetzt weiß ich, dass die Ruhe nur Schein ist, jetzt verstehe ich, was in ihm vorgeht, warum er etwas macht.
Mir sind die Sätze zu kurz. Das ist der von Dir angestrebte Stil, das habe ich schon verstanden, und man kann argumentieren, dass das die Ruckartigkeit der Szene, das Aggressive, unterstreicht. Aber ich - mal wieder imho - mag keine so kurzen Sätze und dann auch noch in der Häufigkeit direkt hintereinander gereiht.
Auch hier hat Canyon viele gute Anmerkungen gemacht, mit denen Du Dich auseinandersetzen könntest.

Ich wünsch Dir viel Erfolg! Deinen Stil zu finden, zwischen Roman und Reportage, wird sicher noch eine Herausforderung.
Liebe Grüße
Selanna


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Beitrag17.11.2017 19:26

von KyoFINAL
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Hallo Selanna,

auch diesmal wieder sehr nützliche Tipps, ist mir aber schon ein bisschen peinlich mit den Rechtschreibfehlern, aber wenn mir ein Wort wichtig ist schreibe ich es Groß Smile .

Ich werde bald das ganze Kapitel hier hochladen und dann erst einmal weiterschreiben.
Hatte es schon auf einer anderen Seite veröffentlicht und recht gute Reaktionen bekommen, jedoch möchte ich auch wissen was andere "Schreiberlinge" dazu sagen, und eine wirklich tiefgründige Behandlung des Materials gab es da nicht, ein einfaches ist gut, ist schlecht hilft mir kaum.

Ihr habt mir jedenfalls sehr geholfen, danke dafür.
Ich möchte keine große Leserschaft, aber es ist mir schon wichtig einen guten Text zu haben, auch wenn die Geschichte und der Stil sehr "undeutlich, distanziert" ist.

Bisher habe ich das Kapitel nur sehr wenigen außerhalb meines Freundes/Familienkreises gezeigt, ich bin gespannt Very Happy  .


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Beitrag18.11.2017 23:39
Siebenundsiebzig, Roman, erstes Kapitel
von KyoFINAL
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77 (Arbeitstitel)


Kapitel 1


1


Es ist ungefähr fünf Uhr morgens. Im dichten Nebel schleppt sich eine Schemenhafte Gestalt über das frisch gemähte Feld. Die gesamte Ebene ist unter diesem Schleier verdeckt; in der Ferne sind die Lichter der Innenstadt zu sehen.

Die Gestalt wird  von Kai Maar beobachtet, der mit dem Rücken an der Wand gelehnt auf seinem Bett sitzt und aus dem Fenster blickt.
Das Zimmer ist klein und viel zu große Möbel verengen den Raum nur noch mehr.
Kai sah die Gestalt oft  um diese Zeit auf dem Feld herumwandern. Schlaftrunken verfolgt er die schleppenden Bewegungen, durch den sich verdichtenden Nebel.
Wieder dieses Ding… Wir sind bestimmt die einzigen die schon wach sind.
Das Wesen bleibt stehen richtet sich mühsam auf und blickt in den Himmel. Kai kennt dieses Ritual, jedoch nicht seine Bedeutung.
Jede Woche, schon seit Er nach Dortmund gezogen ist, kommt dieses Wesen von irgendwo her und führt in ritueller Genauigkeit die gleichen Bewegungen aus.
Kai beobachtet die Gestalt noch einige Zeit, dann steht er auf, öffnet die Tür und geht über den in dunkelblaues Licht gehüllten Flur ins Badezimmer. Müde und sichtlich angestrengt beginnt er sein eigenes Morgenritual.

2


Um neun Uhr Morgens hat sich der Nebel wieder verzogen. In der Dortmunder Innenstadt sitzt Said regungslos in der Küche am Tisch und schaut aus dem Fenster. Auf den Straßen ist es fast menschenleer, hin und wieder fährt ein Auto am Fenster vorbei, sonst ist es still. Said umschlingt mit seinen Händen eine heiße Kaffeetasse. Unter seiner äußeren Ruhe brodelt eine unerträgliche Anspannung, eine chaotische Verbindung aus Wut und Angst.
Ruckartig richtet er sich auf und öffnet die Küchenschublade, heraus zieht er ein langes Messer. Er geht zurück zum Tisch und setzt sich, das Messer immer noch fest umklammert, der Rest seines Körpers bebt jedoch vor innerer Unruhe. Einen kurzen Moment versucht er noch seinen Hass zu unterdrücken, jedoch spürt er den allzu bekannten Druck und weiß wie oft er ihm erlegen war. Er umklammert mit der rechten Hand die Klinge, der Schmerz lässt ihn wieder entspannen. Seine Augen füllen sich mit Tränen. Einige Minuten sitzt er, fest die Klinge umklammernd, am Tisch und betet, während ihm das Blut aus der Faust tropft.

Um Zwölf Uhr hat sich wieder ein leichter Nebel über die Stadt gelegt. Der Hansaplatz wirkt wie ausgestorben. Nur eine kleine Gruppe steht vor der Neuchristlichen Kirche. Das  Gotteshaus befindet sich in einem ehemaligen Bekleidungsgeschäft; notdürftig prangert ein Banner über dem Eingang. Said geht über den Platz, seine rechte Hand in die Jackentasche gesteckt.
Ein paar Leute aus der Gruppe schauen zu ihm hinüber. „Hallo Said, alles klar bei dir?“ sagt ein älterer Mann im weißen Regenmantel. Said nickt kurz. „Können wir noch nicht rein?“ fragt er. Der Mann wirkt für einen Augenblick etwas verwundert, setzt dann aber wieder ein Lächeln auf und antwortet: „Die Gemeinde bereitet noch was für die Messe vor.“ Said erkennt in seinen Augen einen kurzen Anflug von Scham. Seit Said der Neuchristlichen Gemeinde beigetreten ist, sind immer mehr Mitglieder ausgetreten oder haben sich nicht mehr sehen lassen. Said blickt mit sorgenvollem Blick zum Banner. Die ganze Scene hat für ihn etwas Lächerliches.

Dann öffnen sich die Türen und die Gemeinde betritt das Gebäude. Das Innere des ehemaligen Bekleidungsgeschäfts ist fast leergeräumt, man sieht jedoch noch diverse Kleiderständer an denen noch Bügel hängen in den Ecken stehen. Der Raum wird durch große Deckenlampen erhellt, alles in diesem Raum wirkt verbraucht und leer. Die Wände haben über die Jahre eine gelbliche Farbe angenommen, der helle Eichenlaminat, ist an vielen Stellen zerkratzt und verdreckt. Das grelle Licht lässt den Raum jedoch sauberer wirken als er ist. In der Mitte wurden einige Klappstühle aufgestellt, gegenüber befindet sich ein kleiner Altar auf dem eine Rote Tischdecke und die Bibel  liegt.
Eine junge Frau die hinter dem Altar steht, spricht in ein Mikrofon, das sie fest in beiden Händen hält, sie bittet die Anwesenden sich zu setzen. Ihre Stimme verhallt sanft im Raum. Es sind deutlich mehr Stühle im Raum als Personen, was dazu führt, dass die Gemeinde nun noch winziger erscheint. Said setzt sich weit abseits der Gruppe hin und schaut hinüber zum Altar.
Jedes mal wenn Said in der Kirche ist wird ihm schlecht, er bekommt ein leeres Gefühl im Magen, seine Augen tränen und sein Kopf fühlt sich an als würde sich sein Gehirn gegen die Stirn drücken.
Der Pfarrer betritt den Raum, die junge Frau setzt sich, nachdem sie dem Pfarrer das Mikrofon gegeben hat, vor die Gemeinde. Said schaut sie während der gesamten Messe wie gebannt an, er vergisst alles um sich herum. Nach kurzer Zeit achtet er nicht mehr auf die Messe oder auf die Frau, aber er blickt immer noch in ihre Richtung. Er versinkt in seine Gedanken, nichts anderes nimmt er in diesem Moment wahr. Es Ist dunkel geworden. Die Bilder die sich einst in seinem Geist eingebrannt haben, tauchen aus dem schwarzen Morast wieder auf. Bilder seiner Kindheit. Die Körper seiner Eltern, die Augen seiner Adoptivmutter, seine Freunde aus der Grundschule, all diese Menschen vermischten sich zu einem Körper, der sich durch einen engen Gang zieht.
Wie aus einem Traum, erwacht Said aus seinen Gedanken. Die Messe ist vorbei, wenige sind noch ins Gebet vertieft, andere ziehen schon ihre Jacken an um zu gehen. Said steht auf, er fühlt sich als wäre er aus einem langen Schlaf erwacht. Seine Übelkeit ist verflogen.

Vor der Kirche versammelt sich die Gemeinde. Said schreitet durch die Gruppe ohne auf ihre Verabschiedungen oder Einladungen zu reagieren. Normalerweise ging er noch mit den einen oder anderen etwas essen, jedoch traute er sich nicht und durch seinen raschen Abgang befürchtete er, sie wüssten, dass dies seine letzte Messe war. Er konnte es ihnen nicht sagen, obwohl er es sich fest vorgenommen hatte. Enttäuscht von sich selbst geht er einen Umweg durch die Innenstadt, um seine Gedanken zu ordnen.
Said wandert durch die leeren Straßen und erinnert sich an die Zeit, in der Dortmund noch eine dicht bevölkerte Großstadt war, man konnte in der Masse untergehen, für ihn war es wie eine schützende Hülle. Diese Hülle wurde jedoch immer rissiger, jetzt verhalten sich die wenigen Menschen, die noch hier waren, wie Geister.

Es ist kälter geworden als er vor der Mietskaserne ankommt.
Said öffnet die Tür und schleicht in den Hausflur. Mit übervorsichtigen Bewegungen versucht er den Postkasten aufzuschließen.
Er lebt seit ungefähr vier Monaten in dem Haus und hat früh lernen müssen, dass die Nachbarn auch außerhalb der Ruhezeit absolute Ruhe verlangen. Er zieht zwei Briefe aus dem Kasten, einer von der Technischen Universität Dortmund und der andere von der Staatlichen Wohnungsbehörde. Als er den Brief der TU Dortmund sieht reißt er ihn sofort auf und ließt ihn durch. Vergeblich unterdrückt er einen Freudenschrei, der durch das ganze Treppenhaus schallt. Überrascht von seiner Reaktion stopft er die Briefe in seine Jackentasche und erklimmt vorsichtig die Treppen zu seiner Wohnung.

Im Wohnzimmer schmeißt er die Jacke in die ecke des Raumes und setzt sich, nachdem er seine Füße von den Schuhen befreit hat, im Schneidersitz vor den Fernseher. Die Briefe legt er vor sich  auf den Boden. Das große Fenster im Wohnzimmer lässt den spärlich eingerichteten Raum wie eine Halle wirken. Direkt unter dem Fenster liegt ein Schlafsack, der Fernseher steht auf der anderen Seite des Raumes auf dem Boden. Said schaltet das Gerät an und sucht nach einem Kanal der noch Empfang hat. Er landet auf den Internationalen Nachrichtenkanal und schaltet sofort die Untertitel ein, da er kein Esperanto versteht.
„...Heute wurde der Neununddreißigste Sicherheitskongress in New York City begonnen. Die Mitglieder der ISZ, China, USA, Australien,  Afrikanische Union und Europäische Union haben ihrer Vertreter unter den Augen aufgebrachter Massen, im One World Center versammelt. Der Themenkatalog wurde noch nicht veröffentlicht, trotz Versprechungen die Konferenz transparenter zu gestalten...“ Es werden protestierende New Yorker gezeigt, die von der Polizei verzweifelt im Schach gehalten werden. Said sieht das Elend in den USA, wie überfüllt und verkommen es ist. Er wollte in seiner Kindheit auf dem Times Square spazieren gehen und die Freiheitsstatue besichtigen, das isolierte Ruhegebiet war ein langweiliger Zementblock im Gegensatz zum Big Apple, diese Meinung hat er jedoch schon lange verworfen.

Die Bilder wurden verstörender, Said achtet gar nicht mehr auf die Untertitel, er sieht nur noch die Gewalt und den Zerfall. Millionen Flüchtlinge und die Gräueltaten der Grenzposten.
Berichte von Chemischen und Biologischen Waffen, die gegen Demonstranten eingesetzt werden, währen vor ein paar Jahren noch ein unglaublicher Skandal gewesen, mittlerweile interessiert es kaum noch jemanden.
Es wird ein Menschenrechtsexperte eingeblendet. Said hatte diesen Mann schon mal gesehen, sein Name ist Fabian Maier, er ist oft im Deutschen Fernsehen und spricht über Kriegsverbrechen und dem wachsenden Verlust von Bürgerrechten. Said verabscheut diesen Mann, da er in seiner Kritik eine hinterhältige Rechtfertigung dieser Taten proklamiert. Er scheint in seiner Sicht die wachsende Tyrannei in Schutz zu nehmen und gleichzeitig deren Opposition zu spielen.

Ab Sechzehn Uhr bricht die Verbindung ab, noch vor einem Monat wurde der Strom erst ab Zweiundzwanzig Uhr abgestellt. Said überkommt wieder das selbe Gefühl das er auch in der Kirche hatte, Traurigkeit und daraus entstehende Übelkeit. Er zwängt sich in den Schlafsack und er schläft vor Erschöpfung ein.

3


Die Dunkelheit breitet sich über die Randbezirke Dortmunds aus, während die Sonne hinter der Wolkendecke versinkt. Auf der Radiouhr des Kombi ist es Siebzehn Uhr geworden, Kai sitzt hinter dem Steuer und fährt zu seiner Wohnung, am Rande der Stadt.
Die Umgebung wird weiter, die fruchtlosen Felder und vereinzelten Gebäude machen es möglich die Lichtinseln aus der Ferne zu betrachten.

Kai fährt auf dem Platz vor seiner Wohnung und hält neben der Straße an der äußersten Parkzelle. Er steigt aus und geht in Richtung Haustür, bleibt jedoch auf halber Strecke stehen und blickt hinaus aufs Feld; ein leichter Frost hat sich über der Ebene gebildet.
Für einen kurzen Moment denkt er nach.
Vielleicht bin ich einfach nur überarbeitet, oder verrückt.
Seit er das Wesen gesehen hat, hält er sich von dem Feld fern, nicht aus Angst  sondern mehr aus Respekt.
Die Gestalt war schwer zu beschreiben, jedes mal wenn er sie sah konnte er nicht vollends erfassen was Es ist. Der Körper schien Humanoid, doch selbst an einem klaren Morgen entzog es sich jeglicher genauer Beschreibung.
Mit diesen Gedanken geht er über die Straße zum Feld.
Zu seiner Enttäuschung erkennt er Fußspuren die über die Wochen, oder vielleicht sogar Jahre, einen Trampelpfad gebildet haben.
Es gibt das Ding also Wirklich…
Der Pfad zieht sich bis zu der Stelle an der das Wesen, wie jeden Morgen stehen bleibt, dann schlägt der Pfad nach links aus und folgt der Bövinghauser Dorfstraße südwärts. Kai geht entlang des Weges , sein Atem zieht in der Kälte kondensierte Luft hinter sich her.
Der Pfad schneidet sich nach ungefähr Achtzig Metern mit der Straße, die Spuren verlieren sich.
Naja, wenigstens hatte ich einen kleinen Spaziergang… Hoffentlich bilde ich mir das nur ein und es ist nur irgendein alter Mann der sich hier die Beine vertritt.

Er kehrt zurück zu seinem Auto, holt seine Tasche vom Beifahrersitz und geht ins Haus. Hinter der Haustür liegen dutzende Flyer verteilt auf dem Flurboden und den Treppen.
Hatte der der Postbote ne Herzattacke, oder machen Die das jetzt so?
Er hebt einen der Zettel auf. Die Titelseite des Faltblattes zeigt ein Symbol das aus einem in der Mitte geteilten Dreiecks und eines darüber schweben Kreises zusammengesetzt ist, dabei ist das linke Dreieck kleiner als das Rechte. Die Mitte des Logos ist gelb der Rest schwarz, darunter steht „Internationale Union“. Was soll das denn sein? Fragt er sich und blättert durch den Flyer. Im Fuhr ist noch die einzige Lichtquelle, da die Städtische Stromversorgung um diese Zeit den Saft abdreht, noch früher als in der Innenstadt.
Er überfliegt die Bildchen und Texthappen, nichts besonderes für ihn, also gesellt sich das Blättchen wieder zu seinem Haufen. Kai geht die Treppe hoch, öffnet die Tür und lässt sich ohne weiteres ins Bett fallen. Nach dem er feststellt das die Batterien des Radios leer sind, stellt er seinen Wecker und schläft ein.


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Beitrag19.11.2017 03:06

von Bananenfischin
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Hallo,

deine Threads habe ich zusammengeführt. Poste Überarbeitungen oder auch Weiterführungen von ein und demselben Werk bitte in nur einem Thread.

Liebe Grüße
Bananenfischin


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Beitrag21.11.2017 20:13

von Austrobass
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Servus FINAL,

mir gefällt deine 2.Version sehr gut, ich mag einen spartanischen Stil und ich finde du hast, vor allem im 2.Kapitel, die Stimmung gut eingefangen.
Dieser Satz
Zitat:
Es sind deutlich mehr Stühle im Raum als Personen, was dazu führt, dass die Gemeinde nun noch winziger erscheint.

ist toll, gute Beobachtung, ich kann mir die Gemeinde schön vorstellen.

Vielleicht könnte man
Zitat:
Unter seiner äußeren Ruhe brodelt eine unerträgliche Anspannung, eine chaotische Verbindung aus Wut und Angst.

durch eine Handlung von Said darstellen?

Da weiß ich nicht ganz was du mit den Lichtinseln meinst.
Zitat:
Die Umgebung wird weiter, die fruchtlosen Felder und vereinzelten Gebäude machen es möglich die Lichtinseln aus der Ferne zu betrachten.


Gerne gelesen und mich würd's interessieren wie es weitergeht.

liebe Grüße

Martin


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Beitrag22.11.2017 21:51

von KyoFINAL
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Hallo Austrobass,

freut mich, dass es dir gefallen hat.

Zitat:
Da weiß ich nicht ganz was du mit den Lichtinseln meinst.


Das sollen die Lichter aus der Bochumer und Dortmunder Innenstadt sein. Ich wollte nicht wieder den ersten Teil wiederholen, aber ich fand das Bild sehr schön, da ich selbst in meiner Ausbildung zwischen Bochum und Dortmund unterwegs war.

Es sollten Isolierte Lichtquellen sein, da die Stromversorgung eingeschränkt ist.
Aber ich stimme dir zu, das kann man klarer beschreiben, der dritte Teil hat aber noch ein paar Fehler, die mir noch aufgefallen sind.

Viele Grüße,

FINAL


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Beitrag25.11.2017 08:46

von Pickman
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Schon das erste Kapitel verstehe ich nicht. Kai Maar beobachtet eine Gestalt, die für ihn unsichtbar sein müsste, da sie (1.) in weiter Entfernung, (2.) im Dunkeln (da um fünf Uhr Morgens) und (3.) in dichtem Nebel unterwegs ist. Wie soll das gehen?

Den Rest habe ich nicht mehr gelesen.
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Beitrag25.11.2017 22:24

von KyoFINAL
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Hallo Pickman,

ist es in weiter Entfernung?

Um fünf Uhr Morgens kann man schon was sehen, auch im Nebel und er sieht die Gestalt ja auch nur "Schlecht". Wenn er sie erkennt kann es nicht allzu weit entfernt sein, oder?


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Beitrag25.11.2017 23:11

von Pickman
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KyoFINAL hat Folgendes geschrieben:
Es ist ungefähr fünf Uhr morgens Da ist es an den meisten Tagen des Jahres dunkel.. Im dichten Nebel Zur Erinnerung: das Nebelrücklicht darf ich nur bei Sichtweiten unter 50 Metern einschalten. Bei Dir ist der Nebel auch noch dicht. Ich bin mal in einem Nebel Rad gefahren, in dem ich absteigen und mich bücken musste, um die Markierungen auf der Fahrbahn zu erkennen. schleppt sich eine Schemenhafte Gestalt durch das Feld Felder sind im Regelfall nicht beleuchtet.. Fast die gesamte Ebene ist vollständig verhüllt Und damit auch fast alles, was sich in dieser Ebene tut.; in der Ferne sind die Lichter der Innenstadt zu sehen Der letzte Teilsatz irritiert. Für wen sind die Lichter der Innenstadt zu sehen? Der Typ im Feld ist doch von dichtem Nebel umgeben. Der also kaum. Zusammengefasst: Der Typ ist so gut wie unsichtbar und kann selbst auch kaum etwas sehen..

Die Gestalt wird  von Kai Maar beobachtet, der mit dem Rücken an der Wand gelehnt auf seinem Bett sitzt und aus dem Fenster blickt. Wie ist Herr Maar zum nebeligen Feld positioniert? Steht er in einem Bauernhaus am Rande des Feldes? Dann hätte er vielleicht eine Chance, die Gestalt wahrzunehmen. Steht sein Haus in der Innenstadt, in die Dein Text den Leser am Ende des vorherigen Absatzes lenkst, dürfte es für ihn unmöglich sein.
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Beitrag25.11.2017 23:31

von KyoFINAL
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Zitat:
Steht er in einem Bauernhaus am Rande des Feldes?


Das Haus ist am Rande des Feldes. Wenn es irritierend ist kann ich es noch genauer beschreiben, aber da es bisher noch kein Problem war lasse ich es noch so.

Ist das verständlicher?

"Von einem Flachdachhaus in der nähe des Feldes wird die Gestalt wird von Kai Maar beobachtet, der mit dem Rücken an der Wand gelehnt auf seinem Bett sitzt und aus dem Fenster blickt."


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Beitrag25.11.2017 23:39

von KyoFINAL
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Ich stell mir das Haus ungefähr so vor:


http://www.cpbau.de/cms/templates/includes/modules/pixlie.php?q=/4921-4710_x.jpg&bildpfad=montessouri


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Beitrag26.11.2017 14:34

von KyoFINAL
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Kapitel 1

1

Es ist ungefähr fünf Uhr morgens. Im dichten Nebel schleppt sich eine Schemenhafte Gestalt über das frisch gemähte Feld. Die gesamte Ebene ist unter diesem Schleier verdeckt; in der Ferne sind die Lichter der Innenstadt zu sehen.

Von einem Flachdachhaus in der Nähe des Feldes wird die Gestalt wird  von Kai Maar beobachtet, der mit dem Rücken an der Wand gelehnt auf seinem Bett sitzt und aus dem Fenster blickt.
Das Zimmer ist klein und viel zu große Möbel verengen den Raum nur noch mehr.
Kai sah die Gestalt oft  um diese Zeit auf dem Feld herumwandern. Schlaftrunken verfolgt er die schleppenden Bewegungen, durch den sich verdichtenden Nebel.
Wieder dieses Ding… Wir sind bestimmt die einzigen die schon wach sind.
Das Wesen bleibt stehen richtet sich mühsam auf und blickt in den Himmel. Kai kennt dieses Ritual, jedoch nicht seine Bedeutung.
Jede Woche, schon seit Er nach Dortmund gezogen ist, kommt dieses Wesen von irgendwo her und führt in ritueller Genauigkeit die gleichen Bewegungen aus.
Kai beobachtet die Gestalt noch einige Zeit, dann steht er auf, öffnet die Tür und geht über den in dunkelblaues Licht gehüllten Flur ins Badezimmer. Müde und sichtlich angestrengt beginnt er sein eigenes Morgenritual.

2

Um neun Uhr Morgens hat sich der Nebel wieder verzogen. In der Dortmunder Innenstadt sitzt Said regungslos in der Küche am Tisch und schaut aus dem Fenster. Auf den Straßen ist es fast menschenleer, hin und wieder fährt ein Auto am Fenster vorbei, sonst ist es still. Said umschlingt mit seinen Händen eine heiße Kaffeetasse. Unter seiner äußeren Ruhe brodelt eine unerträgliche Anspannung, eine chaotische Verbindung aus Wut und Angst.
Ruckartig richtet er sich auf und öffnet die Küchenschublade, heraus zieht er ein langes Messer. Er geht zurück zum Tisch und setzt sich, das Messer immer noch fest umklammert, der Rest seines Körpers bebt jedoch vor innerer Unruhe. Einen kurzen Moment versucht er noch seinen Hass zu unterdrücken, jedoch spürt er den allzu bekannten Druck und weiß wie oft er ihm erlegen war. Er umklammert mit der rechten Hand die Klinge, der Schmerz lässt ihn wieder entspannen. Seine Augen füllen sich mit Tränen. Einige Minuten sitzt er, fest die Klinge umklammernd, am Tisch und betet, während ihm das Blut aus der Faust tropft.

Um Zwölf Uhr hat sich wieder ein leichter Nebel über die Stadt gelegt. Der Hansaplatz wirkt wie ausgestorben. Nur eine kleine Gruppe steht vor der Neuchristlichen Kirche. Das  Gotteshaus befindet sich in einem ehemaligen Bekleidungsgeschäft; notdürftig prangert ein Banner über dem Eingang. Said geht über den Platz, seine rechte Hand in die Jackentasche gesteckt.
Ein paar Leute aus der Gruppe schauen zu ihm hinüber. „Hallo Said, alles klar bei dir?“ sagt ein älterer Mann im weißen Regenmantel. Said nickt kurz. „Können wir noch nicht rein?“ fragt er. Der Mann wirkt für einen Augenblick etwas verwundert, setzt dann aber wieder ein Lächeln auf und antwortet: „Die Gemeinde bereitet noch was für die Messe vor.“ Said erkennt in seinen Augen einen kurzen Anflug von Scham. Seit Said der Neuchristlichen Gemeinde beigetreten ist, sind immer mehr Mitglieder ausgetreten oder haben sich nicht mehr sehen lassen. Said blickt mit sorgenvollem Blick zum Banner. Die ganze Szene hat für ihn etwas Lächerliches.

Dann öffnen sich die Türen und die Gemeinde betritt das Gebäude. Das Innere des ehemaligen Bekleidungsgeschäfts ist fast leergeräumt, man sieht jedoch noch diverse Kleiderständer an denen noch Bügel hängen in den Ecken stehen. Der Raum wird durch große Deckenlampen erhellt, alles in diesem Raum wirkt verbraucht und leer. Die Wände haben über die Jahre eine gelbliche Farbe angenommen, der helle Eichenlaminat, ist an vielen Stellen zerkratzt und verdreckt. Das grelle Licht lässt den Raum jedoch sauberer wirken als er ist. In der Mitte wurden einige Klappstühle aufgestellt, gegenüber befindet sich ein kleiner Altar auf dem eine Rote Tischdecke und die Bibel  liegt.
Eine junge Frau die hinter dem Altar steht, spricht in ein Mikrofon, das sie fest in beiden Händen hält, sie bittet die Anwesenden sich zu setzen. Ihre Stimme verhallt sanft im Raum. Es sind deutlich mehr Stühle im Raum als Personen, was dazu führt, dass die Gemeinde nun noch winziger erscheint. Said setzt sich weit abseits der Gruppe hin und schaut hinüber zum Altar.
Jedes mal wenn Said in der Kirche ist wird ihm schlecht, er bekommt ein leeres Gefühl im Magen, seine Augen tränen und sein Kopf fühlt sich an als würde sich sein Gehirn gegen die Stirn drücken.
Der Pfarrer betritt den Raum, die junge Frau setzt sich, nachdem sie dem Pfarrer das Mikrofon gegeben hat, vor die Gemeinde. Said schaut sie während der gesamten Messe wie gebannt an, er vergisst alles um sich herum. Nach kurzer Zeit achtet er nicht mehr auf die Messe oder auf die Frau, aber er blickt immer noch in ihre Richtung. Er versinkt in seine Gedanken, nichts anderes nimmt er in diesem Moment wahr. Es Ist dunkel geworden. Die Bilder die sich einst in seinem Geist eingebrannt haben, tauchen aus dem schwarzen Morast wieder auf. Bilder seiner Kindheit. Die Körper seiner Eltern, die Augen seiner Adoptivmutter, seine Freunde aus der Grundschule, all diese Menschen vermischten sich zu einem Körper, der sich durch einen engen Gang zieht.
Wie aus einem Traum, erwacht Said aus seinen Gedanken. Die Messe ist vorbei, wenige sind noch ins Gebet vertieft, andere ziehen schon ihre Jacken an um zu gehen. Said steht auf, er fühlt sich als wäre er aus einem langen Schlaf erwacht. Seine Übelkeit ist verflogen.

Vor der Kirche versammelt sich die Gemeinde. Said schreitet durch die Gruppe ohne auf ihre Verabschiedungen oder Einladungen zu reagieren. Normalerweise ging er noch mit den einen oder anderen etwas essen, jedoch traute er sich nicht und durch seinen raschen Abgang befürchtete er, sie wüssten, dass dies seine letzte Messe war. Er konnte es ihnen nicht sagen, obwohl er es sich fest vorgenommen hatte. Enttäuscht von sich selbst geht er einen Umweg durch die Innenstadt, um seine Gedanken zu ordnen.
Said wandert durch die leeren Straßen und erinnert sich an die Zeit, in der Dortmund noch eine dicht bevölkerte Großstadt war, man konnte in der Masse untergehen, für ihn war es wie eine schützende Hülle. Diese Hülle wurde jedoch immer rissiger, jetzt verhalten sich die wenigen Menschen, die noch hier waren, wie Geister.

Es ist kälter geworden als er vor der Mietskaserne ankommt.
Said öffnet die Tür und schleicht in den Hausflur. Mit übervorsichtigen Bewegungen versucht er den Postkasten aufzuschließen.
Er lebt seit ungefähr vier Monaten in dem Haus und hat früh lernen müssen, dass die Nachbarn auch außerhalb der Ruhezeit absolute Ruhe verlangen. Er zieht zwei Briefe aus dem Kasten, einer von der Technischen Universität Dortmund und der andere von der Staatlichen Wohnungsbehörde. Als er den Brief der TU Dortmund sieht reißt er ihn sofort auf und ließt ihn durch. Vergeblich unterdrückt er einen Freudenschrei, der durch das ganze Treppenhaus schallt. Überrascht von seiner Reaktion stopft er die Briefe in seine Jackentasche und erklimmt vorsichtig die Treppen zu seiner Wohnung.

Im Wohnzimmer schmeißt er die Jacke in die ecke des Raumes und setzt sich, nachdem er seine Füße von den Schuhen befreit hat, im Schneidersitz vor den Fernseher. Die Briefe legt er vor sich  auf den Boden. Das große Fenster im Wohnzimmer lässt den spärlich eingerichteten Raum wie eine Halle wirken. Direkt unter dem Fenster liegt ein Schlafsack, der Fernseher steht auf der anderen Seite des Raumes auf dem Boden. Said schaltet das Gerät an und sucht nach einem Kanal der noch Empfang hat. Er landet auf den Internationalen Nachrichtenkanal und schaltet sofort die Untertitel ein, da er kein Esperanto versteht.
„...Heute wurde der Neununddreißigste Sicherheitskongress in New York City begonnen. Die Mitglieder der ISZ, Korea, USA, Japan und der Europäische Union haben ihre Vertreter unter den Augen aufgebrachter Massen im One World Center versammelt. Der Themenkatalog wurde noch nicht veröffentlicht, trotz Versprechungen die Konferenz transparenter zu gestalten...“ Es werden protestierende New Yorker gezeigt, die von der Polizei verzweifelt im Schach gehalten werden. Said sieht das Elend in den USA, wie überfüllt und verkommen es ist.
Er wollte in seiner Kindheit auf dem Times Square spazieren gehen und die Freiheitsstatue besichtigen, das isolierte Ruhegebiet war ein langweiliger Zementblock im Gegensatz zum Big Apple, diese Meinung hat er jedoch schon lange verworfen.

Die Bilder wurden verstörender, Said achtet gar nicht mehr auf die Untertitel, er sieht nur noch die Gewalt und den Zerfall. Millionen Flüchtlinge und die Gräueltaten der Grenzposten.
Berichte von Chemischen und Biologischen Waffen, die gegen Demonstranten eingesetzt werden, währen vor ein paar Jahren noch ein unglaublicher Skandal gewesen, mittlerweile interessiert es kaum noch jemanden.
Es wird ein Menschenrechtsexperte eingeblendet. Said hatte diesen Mann schon mal gesehen, sein Name ist Fabian Maier, er ist oft im Deutschen Fernsehen und spricht über Kriegsverbrechen und dem wachsenden Verlust von Bürgerrechten.
Said verabscheut diesen Mann, da er in seiner Kritik eine hinterhältige Rechtfertigung dieser Taten proklamiert. Er scheint in seiner Sicht die wachsende Tyrannei in Schutz zu nehmen und gleichzeitig deren Opposition zu spielen.

Ab Sechzehn Uhr bricht die Verbindung ab, noch vor einem Monat wurde der Strom erst ab Zweiundzwanzig Uhr abgestellt. Said überkommt wieder das selbe Gefühl das er auch in der Kirche hatte, Traurigkeit und daraus entstehende Übelkeit. Er zwängt sich in den Schlafsack und er schläft vor Erschöpfung ein.

3

Die Dunkelheit breitet sich über die Randbezirke Dortmunds aus, während die Sonne hinter der Wolkendecke versinkt. Auf der Radiouhr des Kombi ist es Siebzehn Uhr geworden, Kai sitzt hinter dem Steuer und fährt zu seiner Wohnung, am Rande der Stadt.
Die Umgebung wird weiter, die fruchtlosen Felder und vereinzelten Gebäude machen es möglich die Lichtinseln aus der Ferne zu betrachten.
Kai fährt auf dem Platz vor seiner Wohnung und hält neben der Straße an der äußersten Parkzelle. Er steigt aus und geht in Richtung Haustür, bleibt jedoch auf halber Strecke stehen und blickt hinaus aufs Feld; ein leichter Frost hat sich über der Ebene gebildet.
Für einen kurzen Moment denkt er nach.
Vielleicht bin ich einfach nur überarbeitet, oder verrückt.
Seit er das Wesen gesehen hat, hält er sich von dem Feld fern, nicht aus Angst  sondern mehr aus Respekt.
Die Gestalt war schwer zu beschreiben, jedes mal wenn er sie sah konnte er nicht vollends erfassen was Es ist. Der Körper schien Humanoid, doch selbst an einem klaren Morgen entzog es sich jeglicher genauer Beschreibung.
Mit diesen Gedanken geht er über die Straße zum Feld.
Zu seiner Enttäuschung erkennt er Fußspuren die über die Wochen, oder vielleicht sogar Jahre, einen Trampelpfad gebildet haben.
Es gibt das Ding also Wirklich…
Der Pfad zieht sich bis zu der Stelle an der das Wesen, wie jeden Morgen stehen bleibt, dann schlägt der Pfad nach links aus und folgt der Bövinghauser Dorfstraße südwärts. Kai geht entlang des Weges , sein Atem zieht in der Kälte kondensierte Luft hinter sich her.
Der Pfad schneidet sich nach ungefähr Achtzig Metern mit der Straße, die Spuren verlieren sich.
Naja, wenigstens hatte ich einen kleinen Spaziergang… Hoffentlich bilde ich mir das nur ein und es ist nur irgendein alter Mann der sich hier die Beine vertritt.
Er kehrt zurück zu seinem Auto, holt seine Tasche vom Beifahrersitz und geht ins Haus. Hinter der Haustür liegen dutzende Flyer verteilt auf dem Flurboden und den Treppen.
Hatte der der Postbote ne Herzattacke, oder machen Die das jetzt so?
Er hebt einen der Zettel auf. Die Titelseite des Faltblattes zeigt ein Symbol das aus einem in der Mitte geteilten Dreiecks und eines darüber schweben Kreises zusammengesetzt ist, dabei ist das linke Dreieck kleiner als das Rechte. Die Mitte des Logos ist gelb der Rest schwarz, darunter steht „Internationale Union“. Was soll das denn sein? Fragt er sich und blättert durch den Flyer. Im Fuhr ist noch die einzige Lichtquelle, da die Städtische Stromversorgung um diese Zeit den Saft abdreht, noch früher als in der Innenstadt.
Er überfliegt die Bildchen und Texthappen, nichts besonderes für ihn, also gesellt sich das Blättchen wieder zu seinem Haufen. Kai geht die Treppe hoch, öffnet die Tür und lässt sich ohne weiteres ins Bett fallen. Nach dem er feststellt das die Batterien des Radios leer sind, stellt er seinen Wecker und schläft ein.


_________________
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