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Weiße Protagonisten = Rassismus?

 
 
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EinerDerFragenMuss
Erklärbär
E

Alter: 38
Beiträge: 3
Wohnort: Hier


E
Beitrag07.11.2017 19:46
Weiße Protagonisten = Rassismus?
von EinerDerFragenMuss
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Guten Tag allerseits, ich bin neu hier und mir brennt eine Frage unter den Fingern:

Bin ich als Schreiber rassistisch, wenn ich in einer fiktiven Welt keine direkte Diversität einbaue?

Folgende Ausgangssituation: Ich bin selber, was als "weiß" bezeichnet wird und habe meine Romanwelt bzw. meine Charaktere ganz unbewusst dem mir vertrautesten Umfeld nachempfunden, nämlich meiner Heimat, meiner Familie und meinem Freundes- und Bekanntenkreis, welche alle zu meiner Schande (?) eben nicht sehr divers sind. So habe ich also bisher gar keine ethnische Vielfalt in meinem Buch, welche die unserer realen Welt tolerant widerspiegeln würde. Das habe ich nicht böswillig so gehalten, und der Gedanke, dass mir das jemand unterstellen könnte, macht mich gerade wirklich fertig.

Was sollte ich als Schreiber jetzt tun? Muss ich etwas ändern?

Nun aber meine Protagonisten, die ich seit Jahren soundso vor meinem inneren Auge gesehen habe, optisch komplett umzuschreiben, damit die Geschichte verschiedenen Minderheiten ebenso gefallen kann wie dem "privilegierten Weißen" tut mir richtiggehen im Herzen weh, weil ich diese Figuren lieben lernte, so wie ich sie mir zuerst ausgedacht habe.

Ist es denn nicht ebenso rassistisch, Hautfarbenvielfalt in einem Buch zu erzwingen, eben nur weil man gefallen will? Das fühlt sich für mich verheuchelt und respektlos an.

Aber dennoch,  nach einem recht anklagenden englischen Artikel zu dem Thema habe ich mich online regelrecht in die Recherche gestürzt - und bin nicht fündig geworden. Ich bin gerade sehr verunsichert und wollte einfach mal sehen, wie andere Autoren das hier so handhaben.

Viele Grüße von mir
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Poolshark
Geschlecht:weiblichKlammeraffe

Alter: 42
Beiträge: 827
NaNoWriMo: 8384
Wohnort: Berlin


Beitrag07.11.2017 20:09

von Poolshark
Antworten mit Zitat

Hallo Einer und willkommen im Forum,

ich halte auch nichts davon, dass man Diversität erzwingt. Erzwungene Dinge gehen meistens in die Hose. Und ich halte es auch für nicht ungewöhnlich oder verwerflich, dass das erste was einem als weißer Mensch, der aus einem weißen Umfeld kommt, lauter weiße Figuren einfallen. (Vermutlich auch deshalb, weil die Medien, mit denen wir aufgewachsen sind, hauptsächlich von weißen, privilegierten Männern gemacht wurden.)

Allerdings finde ich es als Mensch und Künstler auch wichtig, sich mit sich selbst und der Kultur aus der man kommt, auseinanderzusetzen. Inklusive unterschwellig oder auch vordergründig mitschwingender Vorurteile, Scheuklappen und blinder Flecken.

Was ich spannend und weniger als Einschränkung empfinde, ist, dass ich mich bei meinen Figuren oft frage: Warum ist die erste Eigenschaft meines frisch entwickelten Helden oft standardmäßig weiß und männlich? Warum ist er automatisch heterosexuell, gesund, jung und gutaussehend? Und könnte nicht auch jemand anders diese Rolle ausfüllen? Würde das die Geschichte nicht sogar interessanter, authentischer und weniger einseitig machen? Kopiere ich als Kunstschaffende nicht vielleicht das, was ich schon hundertmal gesehen habe? Will ich das?

Ich wünsche dir auch, dass diese Fragen dich mehr inspirieren und auf neue Gedanken bringen, als dass sie Scham und Schuldgefühle bei dir erzeugen. Und wenn deine Geschichte, von der du schreibst, schon in Stein gemeißelt ist, um so grundlegende Fragen noch zu stellen, dann kannst du ja beim nächsten Projekt mal ausprobieren, ob sich das Spektrum deiner Archetypen und damit auch dein eigener Horizont ein bisschen erweitern kann.


_________________
"But in the end, stories are about one person saying to another: This is the way it feels to me. Can you understand what I'm saying? Does it also feel this way to you?"
-Sir Kazuo Ishiguro
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EinerDerFragenMuss
Erklärbär
E

Alter: 38
Beiträge: 3
Wohnort: Hier


E
Beitrag07.11.2017 20:25

von EinerDerFragenMuss
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo Poolshark und danke für die ausführliche Antwort!

Du bringst viele interessante Punkte zum Thema an. Besonders die Fragen, die man als Autor sich selbst bezüglich seiner Figuren stellen muss, unterschreibe ich voll und ganz, wobei ich ehrlich gesagt nicht einen einzigen Protagonisten entworfen habe, der ausschließlich weiß/männlich/heterosexuell/gesund/jung/gutaussehend ist, denn das wäre tatsächlich zum Erbrechen klischeehaft. Viel mehr sind meine Figuren alle mit großen sogenannten Makeln ausgezeichnet, seien sie physisch oder psychisch - was du ja aber nicht wissen konntest. Nur ist eben keiner von ihnen optisch ein Asiate oder ein Türke oder ein Afrikaner. Ob ich nun der Quotenzufriedenheit halber aber meine Protagonisten dementsprechend umschreiben sollte, sie somit noch interessanter machen sollte, besonders im Licht des "Makels", der eine fiktive Figur erst interessant macht - das ist nach wie vor fragwürdig für mich. Ethnische Herkunft sollte schließlich kein Makel sein, auch nicht als Voraussetzung für Tiefgang.
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Nr. 5
Geschlecht:weiblichLachfaltensammler

Alter: 42
Beiträge: 1162
Wohnort: in meiner eigenen Welt


Beitrag07.11.2017 20:38

von Nr. 5
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Die Frage, die ich mir stellen würde: Wenn du die Hautfarbe deiner Leute nicht explizit erwähnt hast, sind sie dann nicht für den Leser so, wie er sie sich vorstellt?
Wenn es also nicht Thema der Geschichte ist, müsste man es also auch nicht erwähnen und jeder kann sich sein eigenes Bild machen. Kommt natürlich auch drauf an, wie genau du das Äußere deiner Charaktere (nicht nur die Protas) beschreibst.
Ich muss in meinen Manus auf öfter die Hautfarbe erwähnen, weil es eine Rasse gibt, die hellblau ist. Lustigerweise (oder ärgerlicherweise) meinte meine Alphaleserin, dass die Leute vor ihrem geistigen Auge immer wieder "weiß" werden, je länger es her ist, dass ich die Hautfarbe erwähnt habe Rolling Eyes


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"Am Ende wird alles gut. Wenn es nicht gut wird, ist es noch nicht das Ende." Oscar Wilde
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EinerDerFragenMuss
Erklärbär
E

Alter: 38
Beiträge: 3
Wohnort: Hier


E
Beitrag07.11.2017 20:48

von EinerDerFragenMuss
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Das ist eine gar nicht dumme Möglichkeit! Zwar habe ich den ein oder anderen Charakter besonders physisch beschrieben, weil er vom Leser durch die Augen eines anderen Charakters vorgestellt wird, aber wieder andere Charaktere bleiben tatsächlich fast gesichtslos, jetzt wo du es sagst - vielen Dank für diesen Hinweis! Ich vergesse wohl immer, dass der Leser nicht in meinen Kopf sehen kann. Durch Weglassung kann also eine Vielfalt entstehen, die man als Autor gar nicht beabsichtigt hat. Das lasse ich mir noch eingehender durch den Kopf gehen.

Hellblau finde ich im Übrigen wunderschön, weil eben so gar nicht von dieser Welt. Das würde ich mir beim Lesen bestimmt merken können Wink
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Taranisa
Geschlecht:weiblichBücherwurm

Alter: 54
Beiträge: 3212
Wohnort: Frankenberg/Eder


Beitrag08.11.2017 16:40

von Taranisa
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Ich unterstütze Nr.5s Meinung. Und ist es nicht (fast) immer so, dass man sich bei Verfilmungen denkt: die/den habe ich mir beim Lesen aber immer anders vorgestellt?

Und wie Poolshark schon schrieb, solltest du nichts aus welchen Gründen auch immer erzwingen. Den Lesern würde es negativ auffallen.

Schreib besser so, wie es sich für dich stimmig anfühlt. Allein bei manchen Namen entstehen schon persönliche Assoziationen und Vorstellungen, auch wenn der Charakter von dir auf eine bestimmte Art angedacht war.
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Spectre
Geschlecht:männlichGänsefüßchen
S


Beiträge: 29



S
Beitrag11.11.2017 00:20

von Spectre
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Zensiere dich nicht selbst. Schreib deine Geschichten nicht um, damit sie anderen gefallen. Baue nichts ein, was Du nicht von alleine schreiben würdest. Die Schere im Kopf ist der Tod echter Kreativität.

Schreib deine Geschichte ehrlich, und so, wie Du sie dir vorstellst. Und lass dir ja von niemandem Schuldgefühle deswegen einreden.


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Magpie
Geschlecht:weiblichReißwolf

Alter: 48
Beiträge: 1263
Wohnort: NRW


Beitrag14.11.2017 09:20

von Magpie
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Neulich hatte ich ein Gespräch mit einer recht bekannten Jugendbuchautorin. Die hatte erzählt, dass sie die dunkle Hautfarbe eines ihrer Nebendarsteller erst im 2. Band erwähnt hatte. Es kamen einige Reaktionen (Was, der war Schwarz?), bei denen sie überhaupt erst gemerkt hatte, dass sie "vergaß", die Hautfarbe im 1. Band zu erwähnen. Es war nur eine kleine Nebenrolle und in ihrem Kopf war er eben Dunkelhäutig.

Natürlich sollte man als Schriftsteller durchaus alle Auffälligkeiten seiner Charaktere irgendwie (und sei es nur subtil) erwähnen. Dazu gehört alles, was beim ersten Blick ins Auge fällt: von der Zahnlücke und den Sommersprossen bis hin zu Locken oder eben dunkle Hautfarbe.
Aber ein großes Trara würde ich nicht darum machen, entweder es ist eben ein solcher dabei oder nicht.
Ich denke auch nicht, dass es z.B. in indischen oder japanischen Büchern viele "Weiße" gibt wink
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MJH
Erklärbär

Alter: 22
Beiträge: 2
Wohnort: Bayern


Beitrag11.12.2017 20:18

von MJH
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Der Gleiche Gedanke hat mir vor etwa einem Jahr auch Kopfzerbrechen bereitet!
Ich denke es ist absolut natürlich, dass weiße Autoren auch "weiße" Hauptcharaktere haben, weil, wie du bereits sagtest, man von seinem eigenem Sein und Umfeld stark beeinflusst wird. Ich bin Asiatin und meine Charaktere sind das sehr häufig auch.

Es ist schön "diversity" einzubauen, pass dabei aber bitte auf. Wenn du niemand solches in deinem Umfeld hast, kann es gut sein, dass du total daneben greifst und einen Stereotypen darstellst.

Ich schließe mich den Beiträgen oben jedoch an - nichts erzwingen, wenn es dir unwohl ist! Ich habe allerdings bestimmte Charaktere auch schon seit Jahren und die haben sich auch ständig vom Aussehen verändert, bleib also doch einfach nochmal offen für alles, manchmal passiert die Veränderung von ganz alleine.


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