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Ernst Clemens
Geschlecht:männlichKlammeraffe

Alter: 77
Beiträge: 594
Wohnort: München


Beitrag17.05.2008 11:42
Profis unter sich
von Ernst Clemens
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Herbst. Beginn der Dämmerung. Landstrasse, kurvenreich, verkehrsarm. 80km/h – und das schon seit mindestens sechs Minuten. Der Fahrer des schweren Lastwagens machte keinerlei Anstalten, sich überholen zu lassen. Warum sollte er auch? Schließlich bezahlt er wesentlich mehr Steuern als der Drängler mit seinem schwarzen Mercedes hinter ihm.  Keine Chance für Günther den LKW zu überholen. Hupe und Lichthupe blieben ohne Wirkung. Günther war sichtlich genervt. Seit vielen Jahren war er beruflich unterwegs. Früher bekam man für diese Menge an Kilometern, die er jedes Jahr als Verkaufsprofi im Auto zurücklegte, noch eine Auszeichnung. Heute schütteln viele Menschen nur noch den Kopf und sind innerlich froh, dass sie sich nicht täglich mehrere Stunden über Autobahnen und Landstraßen quälen müssen.

Endlich – der Kieslaster bog rechts ab. Straße frei. Die kraftvolle Maschine beschleunigte souverän. Günther liebte das Gefühl, sanft, aber bestimmt in die Leder-Polsterung seines Wagens gedrückt zu werden. Noch schnell am Telephon die Hotelreservierung für heute bestätigen. Sicher ist sicher. Gegen zehn Uhr abends wird er dort eintreffen. Das sagte ihm sein Navigationssystem. Der Asphalt trocken und griffig. Kein Nebel. Die starken Scheinwerfer hatten volle Wirkung. Er durchquerte gerade ein langes Waldstück.

Aus dem Autoradio plätscherte die Melodie von der schönen blauen Donau. Gerade die Stelle, bei der sich beim Wiener Neujahrskonzert jeweils Millionen von Fernsehzuschauern auf der ganzen Welt genüsslich im Takt wiegen und die Hauptmelodie mehr oder weniger einfühlsam mitsummen, oder mitpfeifen.

Günther erinnerte sich: Bevor er in die Kurve einfuhr wurde der Anfang des Walzers gespielt. Diese Pianissimo-Stelle, bei welcher man das Gefühl hat, die Musiker würden noch recht unsicher nach der blauen Farbe in der Donau suchen. Günther mochte diese Stelle. Was er weniger mochte war die Tatsache, dass Dampfwolken unter der Kühlerhaube hervorbrachen. Hatte er wohl sein Pferdchen etwas zu sehr rangenommen? Kochte der Motor? Das wäre ihm heute das erstemal passiert. Er fuhr dieses Auto schon einige Monate, aber noch nie war ihm aufgefallen, dass Mercedes das Sternensymbol auf der Kühlerhaube ganz in der Nähe des Armes des Scheibenwischers platziert hatte. Und warum war plötzlich dieser Baumstamm so nahe an der Windschutzscheibe? An der stark und tief gegliederten Borke erkannte Günther sofort, dass es sich um eine Fichte handeln musste. Die Scheinwerfer leuchteten sinnlos links und recht am Stamm vorbei in die Tiefe des Waldes. Obwohl der Abend eher kalt als kühl war, begann Günther zu schwitzen. Die Tropfen perlten über Stirn und Wange. Aber warum war der Schweiß blutrot?

Von beiden Seiten näherte sich kreisendes Blaulicht, vermischt mit kreischenden Sirenen. Die Feuerwehrmänner schnitten Günther mit präzise eingeübten Griffen in wenigen Minuten aus seinem Wrack. Der Notarzt stellte routiniert seine Diagnose. Dass sie in Latein verkündet wurde, gehörte zur Professionalität, die er ausstrahlte. Leider gehörte auch das steinerne Gesicht dazu, das er aufsetzte. Günther verstand kein Wort. Nur die Polizei fehlte noch. „Unprofessionell“, ging es Günther durch den Kopf. Der Unfallhergang wurde erst eine Stunde später protokolliert.

Die Spritze wirkte schnell. Das kreisende Blaulicht wurde dunkler und verlor an Intensität. Die Geräusche entfernten sich und machten einer inneren Ruhe Platz.

Die Totengräber schwitzten trotz der kühlen November-Temperatur. Als sie das Metermaß anlegten, um die Dimension der ausgehobenen Grube zu kontrollieren, klopften sie sich gegenseitig auf die Schultern. Per Augenmaß hatten sie es wieder geschafft, exakt die Länge und Breite des Sarges abzuschätzen. Und außerdem hatten sie den Rekord, den ihre Kollegen für das Ausheben eines Grabes aufstellten, um sage und schreibe 2 Minuten unter boten. Sie prosteten sich zufrieden über die offene Grube hinweg zu. Endlich Feierabend!

Der Pfarrer war ein Pedant. Er führte genau Buch. Dies war seine 579, Beerdigung in seiner Laufbahn als Seelsorger. Er hatte gelernt, sich zu organisieren. Die 563. Bestattung war ein ähnlich gelagerter Fall wie bei Günther. In der Datei „Lebenslauf 543“ im Computer musste er nur Namen und Daten austauschen. Der Rest war perfekt. Gott sei Dank war das Wetter lausig kalt. So, dass das ganze Zeremoniell am Grab kurz ausfallen konnte. Jetzt hatte er noch genügend Zeit, im nahe gelegenen Altersheim die reiche Witwe Mehler zu besuchen. Sie liegt schon seit gut einer Woche im Sterben. Er machte persönlich mit ihr das Testament, denn sie hatte keine Erben.

Der Autohändler rieb sich die Hände. Die Dollar-Zeichen in seinen Augen blitzen auf. Günthers  Witwe wollte den Unfallwagen möglichst schnell los werden. In spätestens zwei Wochen würde das Fahrzeug wieder hergerichtet sein. Er machte dann im Laufe von nur fünf Monaten mit diesem Auto zweimal einen satten Gewinn.

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Franziska
Eselsohr

Alter: 48
Beiträge: 334
Wohnort: Freistaat


Beitrag17.05.2008 11:56

von Franziska
Antworten mit Zitat

DAS liest sich super.
Es hat ZUG.

Gratuliere.
Weiter so.

Eine Kleinigkeit:

sind innerlich froh: innerlich ist unnötig.
das hat mich irritiert.

Liebe Grüße
Katharina


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*wenn ein Vogel die Disposition hat, in Übereinstimmung mit den Gesetzen der Aerodynamik zu fliegen, dann brauchen wir ihm deshalb noch nicht die Kenntnisse dieser Gesetze zuzuschreiben*
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silvie111
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Beitrag17.05.2008 12:23

von silvie111
Antworten mit Zitat

Hallo Ernst Clemens,

die Geschichte liest sich gut. Die "professionellen" Formulierungen zu den bestimmten Berufsgruppen passen gut zur Handlung, zur Aussage und zum Titel und stören nicht. Etwas unglabwürdig finde ich, dass der Pfarrer so gefühllos Buch führt. Das mit der Donau-Musik ist auch gut eingeflochten. Man verliert sich als Leser selber darin wie der Autofahrer, der dann nicht mehr auf den Weg achtet. Die Wirkung ist gelungen!

Und noch zwei Formulierungen, die ich nicht so gut finde:

Zitat:
Pferdchen etwas zu sehr rangenommen

darunter versteh ich etwas anderes  Wink

Zitat:
der Anfang des Walzers

2 X der bestimmte Artikel liest sich nicht so schön

Das Ärztevokabular ist auch kein wirkliches Latein, aber das ist bestimmt aus der "Laien"-sicht des Fahrers.

Und einmal wechselst du zu früh die Perspektive. Hier:
Zitat:
Die Feuerwehrmänner schnitten Günther mit präzise eingeübten Griffen in wenigen Minuten aus seinem Wrack. Der Notarzt stellte routiniert seine Diagnose. Dass sie in Latein verkündet wurde, gehörte zur Professionalität, die er ausstrahlte. Leider gehörte auch das steinerne Gesicht dazu, das er aufsetzte. Günther verstand kein Wort.

das Herausschneiden würde ich noch aus der Sicht des Fahrers beschrieben.

Liebe Grüße,

silvie


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sleepless_lives
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Beitrag17.05.2008 12:29

von sleepless_lives
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Hallo Ernst Clemens,
wenn da einem nicht die moralisierende Botschaft mit Gewalt eingetrichtert würde, fände ich das eine absolut gelungene Geschichte. Besonders der Autounfall ist genial beschrieben, hätte nur auch noch sich etwas langsamer entwickeln können, so dass auch der Leser es nur allmählich realisiert.
Der Rest ist dann leider zu stark von der Absicht getragen, der Pfarrer muss natürlich auch noch ein Testament erschleichen und der Autohändler hat Dollar-Zeichen in den  Augen (warum eigentlich Dollar, und nicht Euro?). Hauptperson, Arzt, Totengräber, Pfarrer und Autohändler sind Stereotypen und sie werden nicht hinterfragt. Die Idee und der Titel sind großartig, aber könntest du dann das ganze distanzierter und ohne den Zeigefinger beschreiben? Einfach nur kalt, wie jeder seine Arbeit tut (ohne Rekorde, Erbschleichung, usw). Wäre meiner Meinung nach viel packender und was du ausdrücken willst, käme trotzdem rüber. Nur dass du dem Leser das Denken und das Urteil überlassen würdest, anstatt es ihm/ihr vorzukauen.

Grüße,

- sleepless_lives


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Ernst Clemens
Geschlecht:männlichKlammeraffe

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Beitrag17.05.2008 16:58

von Ernst Clemens
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euch allen mal zuerst vielen dank fürs lesen und für eure kommentare.

@ Katharina: danke für dein lob. dein hinweis ist richtig: ich streiche das "innerlich"

@ silvie: es geht hier um die pferdchen unter der motorhaube....also die PS

mir ging es darum, die professionalität jeder berufsgruppe anhand ihrer handlungen darzustellen. deshalb nicht die sicht des fahrers

@ sleepless:
ich kann deine kritik nicht ganz nachvollziehen: wo siehst du hier den "moralischen zeigefinger"? ich habe lediglich neutral und mit einem augenzwinkern beschrieben, was die betreffenden berufsgruppen tun, wie sie es tun und vor allem: was sie aus ihrer sicht und "professionell" verstehen.

das "dollar-zeichen" in den augen ist für mich ein feststehender begriff, welcher besagt, dass jemand geldgierig ist. in kombination mit euro habe ich es noch nie gehört, obwohl es sicher logisch wäre und genau so gut funktionieren könnte.

herzliche grüße
ernst
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silvie111
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Beitrag17.05.2008 17:07

von silvie111
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Ernst Clemens hat Folgendes geschrieben:


@ silvie: es geht hier um die pferdchen unter der motorhaube....also die PS

mir ging es darum, die professionalität jeder berufsgruppe anhand ihrer handlungen darzustellen. deshalb nicht die sicht des fahrers



- schon klar, aber das Verb "rannehmen" passt in diesem Zusammenhang nicht.

- Aber du beschreibst doch die Sicht des Fahrers. Der gesamte erste Teil ist doch aus der Sicht des Fahrers geschrieben. (Ich meine jetzt, die Sicht auf die Handlung, nicht auf die Professionalität) Außerdem denkt der Fahrer ja selbst:
Zitat:
„Unprofessionell“, ging es Günther durch den Kopf.

Oder reden wir grad aneinander vorbei?

Liebe Grüße,

silvie


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Ernst Clemens
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Beitrag17.05.2008 17:16

von Ernst Clemens
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@ silvie: gefällt dir "strapaziert" statt "rannehmen" in diesem zusammenhang besser?

die ganze geschichte ist aus der sicht des beobachters geschrieben. das war jedenfalls meine absicht.

herzliche grüße
ernst
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silvie111
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Beitrag17.05.2008 17:21

von silvie111
Antworten mit Zitat

Ernst Clemens hat Folgendes geschrieben:
@ silvie: gefällt dir "strapaziert" statt "rannehmen" in diesem zusammenhang besser?

die ganze geschichte ist aus der sicht des beobachters geschrieben. das war jedenfalls meine absicht.

herzliche grüße
ernst


ja, "strapaziert" ist viel besser.

Natürlich ist die Geschichte aus der Sicht der dritten Person beschrieben, also nicht in der 1. Person Singular. Klar. Aber trotzdem ist der Erzähler auktorial, er hat also Einblick in die Gefühlswelt und Gedankenwelt des Fahrers. War das beabsichtigt oder wolltest du einen gänzlich neutralen Erzähler haben? Denn so ganz neutral ist er ja dann nicht.

Liebe Grüße,

silvie


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Ernst Clemens
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Beitrag17.05.2008 17:30

von Ernst Clemens
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nein, ganz neutral sollte der erzähler nicht sein, denn ich wollte ja eine GESCHICHTE schreiben und keinen BERICHT

ernst
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silvie111
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Alter: 38
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Beitrag17.05.2008 17:38

von silvie111
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gut, jetzt hab ich dich verstanden.

Dann würde ich aber das noch umändern:

Zitat:
Die Feuerwehrmänner schnitten Günther mit präzise eingeübten Griffen in wenigen Minuten aus seinem Wrack.


in etwa:

Günther hörte Maschinen, die ansprangen. Ein lautes, schneidenes Geräusch. Was war das? So laut, dass sein Trommelfell zu platzen drohte. Und plötzlich hörte das Geräusch auf.
Du erkennst hoffentlich grob die Richtung, auf die ich hinaus will.
Das meinte ich mit "aus der Sicht des Fahrers" erzählen. Würde sich besser einfügen.

Liebe Grüße,

silvie


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Lore
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Beitrag17.05.2008 18:52

von Lore
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Die ungeliebte Arbeit mit den  - je nach Kommentator - nicht so ganz passenden Kleinigkeiten kann ich ja als Spätkommentator gelassen übergehen, man sollte immer erst auftauchen, wenn der Teil erledigt ist, denn nun habe ich die angenehme Aufgabe, nur sagen zu können, wie der Text bei mir ankam.

Fazit: Klasse.
Ich finde ihn genau mit den Emotionen befrachtet, die offensichtlich erwünscht waren, keine *Moral von der Geschicht*  zu erkennen, da werden einige ganz normale Menschen geschildert, alle nicht sonderlich liebenswert, aber auf eine beklemmende Weise realistisch.

Dass der Pfarrer einfühlsamer sein müsste, sehe ich nicht so, unter denen gibts genau die gleichen, am Leid ihrer Mitmenschen uninteressierten Typen  wie in jeder anderen Berufsgruppe.

Für mich ist die Story also gelungen.

Lore


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Ernst Clemens
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Beitrag17.05.2008 21:50

von Ernst Clemens
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@ silvie: nein, das möchte ich nicht, denn meine absicht ist ganz klar: die arbeit jeder berufsgruppe sollte hier beschrieben werden....und zwar immer so, dass sie aus deren sicht eben professionell gemacht wird.

@ lore: danke für das lob

ich wünsche euch einen schönen abend
ernst
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Merlinor
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Beitrag17.05.2008 23:17

von Merlinor
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Hmm... Im Prinzip ein ordentlicher Text. Da muss ich Lore Recht geben.

Allerdings auch Sleepless: Ich habe das Ende auch als zu Klischeehaft empfunden.
Besonders der „abgebrühte“ Pfarrer, der sich um die nächste hmm... ich will es nicht „Erberschleichung“ nennen, aber so soll es wohl rüberkommen, sorgt, gefällt mir gar nicht, denn das hat mit „Professionalität“ ja nur wenig gemein.
Auch wenn ich Religionsgemeinschaften skeptisch gegenüberstehe, glaube ich da an ein deutlich mitfühlenderes Denken und Verhalten.
Das ist platt, ebenso der „Wettbewerb der Totengräber“. So funktioniert hier „Professionalität“ nicht: Diese Leute haben andere Probleme als „Geschwindigkeit“. Alleine schon deswegen, weil die Bodenbeschaffenheit an den verschiedenen Gräbern variiert.
Glaubwürdig und teilweise sehr gut erzählt der Unfall selbst, annnehmbar das „Latein“ des Arztes, ab dann Klischee und in diesem versteckt der „moralische Zeigefinger“.
Schade um einen guten Beginn.

Herzlich  Very Happy  Very Happy  Very Happy

Merlinor
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MosesBob
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Beitrag21.05.2008 08:57
Re: Profis unter sich
von MosesBob
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Guten Morgen, Ernst Clemens!

Ernst Clemens hat Folgendes geschrieben:
Er fuhr dieses Auto schon einige Monate, aber noch nie war ihm aufgefallen, dass Mercedes das Sternensymbol auf der Kühlerhaube ganz in der Nähe des Armes des Scheibenwischers platziert hatte. Und warum war plötzlich dieser Baumstamm so nahe an der Windschutzscheibe? An der stark und tief gegliederten Borke erkannte Günther sofort, dass es sich um eine Fichte handeln musste. Die Scheinwerfer leuchteten sinnlos links und recht am Stamm vorbei in die Tiefe des Waldes.

Der doppelte Genitiv „des Armes des Scheibenwischers“ liest sich hier etwas hakelig, zumal er auch unnötig ist. Ich würde entweder gleich vom Wischerarm sprechen oder nur vom Scheibenwischer. Denn da der Wischer, also das Wischerblatt, und der Wischerarm in Ruhestellung auf gleicher Höhe liegen, spielt es keine große Rolle, ob es sich nun um den Arm handelt oder nicht.

Was die Scheinwerfer angeht ... sicherlich ist es ein atmosphärisch starkes Bild, wenn sie beide noch sinnlos in den Wald leuchten. Aber nachdem sich ein Baumstamm bis (fast?) zur Windschutzscheibe durch den Motorraum gepflügt hat – wenn auch vielleicht mittig –, bezweifle ich zum einen, dass die Scheinwerfer noch leuchten und zum anderen, dass sie am Stamm vorbei (!) leuchten, der sich ja (fast?) auf Höhe der Windschutzscheibe befindet. Somit ist dieses Bild beim ersten Lesen zwar durchaus stimmungsvoll, während es beim zweiten Lesen aber leider ein paar Unstimmigkeiten offenbart. Dass der oder die Airbags hier unerwähnt bleiben, führe ich auf das zwischenzeitliche Weggetretensein Günthers zurück.

Ernst Clemens hat Folgendes geschrieben:
Obwohl der Abend eher kalt als kühl war, begann Günther zu schwitzen. Die Tropfen perlten über Stirn und Wange. Aber warum war der Schweiß blutrot?

Das klingt mir zu zaunpfahlmäßig, auch wenn es im Schockzustand gewiss ein plausibler Gedanke und eine plausible Frage an sich selbst sein mögen. Die Formulierung taugt hier meiner Meinung nach aber nichts. Beim Lesen habe ich das Gefühl, dass etwas überstrapaziert wird, bzw. dass mir etwas unter die Nase gerieben werden soll. Als Leser ist mir inzwischen klar, dass der Unfall gravierend war, und dass Günther blutet, kann auch geschickter verpackt werden, zumal ich die Assoziation vom Schweiß zum Blut ungünstig finde – der Eindruck von Günther, aus dessen Sicht bis hierhin noch erzählt wird, ist der, dass er zu schwitzen beginnt (!) und dass die Tropfen (!) über Stirn und Wange perlen (!). Da er das Blut also unter anderem auf seiner Stirn spürt, würde ich auch aufgrund der Unfallschwere mindestens von einer Platzwunde oder einem Cut ausgehen – und die tropfen nicht, nein, die bluten wie Sau. Was ich damit sagen will: Ich finde, dass die Assoziation vom Schweiß hin zum Blut gründlich misslingt. Eine weitere Frage, die ich mir stelle, ist die, wie er erfährt, dass der Schweiß blutrot ist? Es ist dunkel, er ist ins Wrack eingeklemmt ... möglicherweise hast du dich hier ein bisschen mit den eingeschränkten Möglichkeiten der Perspektive vertan. Apropos Perspektive:

Ernst Clemens hat Folgendes geschrieben:
Von beiden Seiten näherte sich kreisendes Blaulicht, vermischt mit kreischenden Sirenen. Die Feuerwehrmänner schnitten Günther mit präzise eingeübten Griffen in wenigen Minuten aus seinem Wrack. Der Notarzt stellte routiniert seine Diagnose. Dass sie in Latein verkündet wurde, gehörte zur Professionalität, die er ausstrahlte. Leider gehörte auch das steinerne Gesicht dazu, das er aufsetzte. Günther verstand kein Wort. Nur die Polizei fehlte noch. „Unprofessionell“, ging es Günther durch den Kopf. Der Unfallhergang wurde erst eine Stunde später protokolliert.

Hier wurde ja bereits angemerkt, dass du in der Perspektive springst. Übrigens finde ich, dass dieser Perspektivwechsel eigentlich erst mit dem letzten hier zitierten Satz unfraglich vollzogen wird. Der Rest könnte durchaus noch aus Günthers Sicht erzählt worden sein – wenn man so eine Art ein Restbewusstsein voraussetzt.

Ernst Clemens hat Folgendes geschrieben:
Günthers Witwe wollte den Unfallwagen möglichst schnell los werden. In spätestens zwei Wochen würde das Fahrzeug wieder hergerichtet sein. Er machte dann im Laufe von nur fünf Monaten mit diesem Auto zweimal einen satten Gewinn.

Entschuldigung, aber das kaufe ich dir nicht ab. Der Wagen hat nach deinen Erläuterungen (Baum im Motorraum, Günther eingeklemmt) definitiv einen Totalschaden. Den wird keiner mehr herrichten wollen, weil es sich wirtschaftlich nicht rechnen würde.



Fazit: Ich finde die Idee hinter der Geschichte gut – ein erzählerischer Staffellauf, das Springen von einer Person zur nächsten. Tolle Idee! Allein mit der Umsetzung hapert es. Die hat mir leider nicht gefallen. Möglicherweise war sie mir auch nicht konsequent genug. Mit Günther beginnt diese Geschichte, wenngleich es auch gut ins Schema gepasst hätte, sie mit dem LKW-Fahrer zu beginnen (das tut die Geschichte übrigens nicht, zumindest nicht in derselben Deutlichkeit und Entschiedenheit wie bei den anderen Persönlichkeiten). Ebenfalls gebührt Günther im Vergleich zu all den anderen Personen, die hier noch angerissen werden, übermäßig viel Platz. Ich an deiner Stelle wäre nach dem Unfall noch tiefer ins Leben des Notarztes oder eines Feuerwehrmannes eingetaucht ... da drängen sich so viele reizvolle Möglichkeiten auf!

Der Erzählfluss ist sehr angenehm, und die Sätze sind schön und klar zu lesen.

Beste Grüße,

Martin


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(James Herbert)

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(Sir Peter Ustinov)

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(Laotse)
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Ernst Clemens
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Beitrag22.05.2008 21:49

von Ernst Clemens
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hallo martin,

deine hinweise sind wertvoll -vielen dank dafür.

klar: die sache mit dem scheibenwischer muss vereinfacht werden. da hast du vollkommen recht.

aber warum sollten die scheinwerfer nach dem unfall nicht noch leuchten? so lange die kabel intakt sind und die batterie unbeschädigt, geht das problemlos. der baum war ja mittig vor (in) der motorhaube.

die verbindung von schweiß und blut will ich so stehen lassen. der fahrer hat immer noch nicht begriffen (bzw. will es nicht wahr haben), dass er einen unfall gebaut hat. allerdings hast du recht: BLUTrot ist übertrieben. rot allein genügt.

widersprechen muss ich dir allerdings in dem punkt, wo es um die verwertung des unfallwagens geht. dass günther keinen kleinwagen fährt, geht zumindest indirekt aus dem text hervor (mercedes-stern, lederpolsterung, navigationssystem....). der totalschaden bezieht sich im wesentlichen auf die front des wagens; der rest ist unbeschädigt. selbst wenn sich solche fahrzeuge nicht mehr vollständig herstellen lassen, kann ein händler allein damit einen beachtlichen gewinn machen, dass er das havariefahrzeug als "ersatzteillager" sieht.

herzliche grüße
ernst
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MosesBob
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Beitrag22.05.2008 22:08

von MosesBob
Antworten mit Zitat

Moin Ernst!

Ernst Clemens hat Folgendes geschrieben:
hallo martin,

deine hinweise sind wertvoll -vielen dank dafür.

Freut mich. Bitte. smile

Ernst Clemens hat Folgendes geschrieben:
aber warum sollten die scheinwerfer nach dem unfall nicht noch leuchten? so lange die kabel intakt sind und die batterie unbeschädigt, geht das problemlos. der baum war ja mittig vor (in) der motorhaube.

Wenn sich ein Baum (mittig) durch den Motorraum pflügt, verformt sich die ganze Front – in etwa so, als würdest du deinen Finger ausstrecken und ihn am Gelenk zusammendrücken. Das übersteht kein Scheinwerfer. Die Streuscheibe birst mindestens, und die Wucht des Aufpralls wird bestimmt auch die Lampen zerknödeln, weil die Scheinwerfer, die ja nur geschraubt sind, kaum in den Aufnahmen bleiben werden.






Gut, hier brannte der rechte vielleicht noch. Vielleicht denke ich aber auch einfach zu theoretisch. Laughing

Ernst Clemens hat Folgendes geschrieben:
widersprechen muss ich dir allerdings in dem punkt, wo es um die verwertung des unfallwagens geht. dass günther keinen kleinwagen fährt, geht zumindest indirekt aus dem text hervor (mercedes-stern, lederpolsterung, navigationssystem....). der totalschaden bezieht sich im wesentlichen auf die front des wagens; der rest ist unbeschädigt. selbst wenn sich solche fahrzeuge nicht mehr vollständig herstellen lassen, kann ein händler allein damit einen beachtlichen gewinn machen, dass er das havariefahrzeug als "ersatzteillager" sieht.

Volle Zustimmung. Da hatte ich den Satz, dass das Fahrzeug wieder "hergerichtet" sein würde, falsch verstanden.

Beste Grüße,

Martin


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