Wenn Leser eure Protas malen

[Mika]

Ich muss mal grade aus Interesse in die Runde nach euren Erfahrungen/Empfindungen fragen, wenn ihr von den (möglicherweise abstrusen *hust*) Vorstellungen eurer Leser Kenntnis erhaltet, die jene bezüglich eurer Protas entwickeln.

Mir ist das vor einigen Tagen passiert, als eine Testleserin auf ne frühere Anfrage meinerseits mir ein Bild präsentierte (in diesem Fall ein selbstgezeichnetes), das mir die Tränen in die Augen trieb. Des Entsetzens. *hust* (Jetzt nicht aufgrund des Zeichenstils, der stand jetzt nicht zur Debatte. *g*)

Kennt ihr das, wenn ihr eure Protas einfach so wie selbstverständlich seit Jahren vor euch seht und irgendwie auch immer hofft, dass ihr das in euren Texten vermittelt und dann - BÄMM - kriegt ihr Bilder präsentiert, die dermaßen von euren Vorstellungen abweichen, dass man kurz "Ernsthaft?" fragen will, es aber tapfer runterschluckt, weil man das Bild des Lesers nicht zerstören will?
Wääh, Zwickmühle...

Ich hab relativ bewusst drauf verzichtet, meine Protas allzu detailiert zu beschreiben. Mehr so deswegen, weil ich sowas selbst in Büchern immer überlese, weil mich das als Leser nervt, dass mir jemand ein Bild aufzwingen will.
Wie handhabt ihr das? Ist euch das schnurzegal? Könnt ihr damit umgehen, wenn aus eurem rassigem Latino, der im LiRo reihenweise als Mr. Lova-Lovaa die Mädels flachlegt, ein blasser Skandinavier wird, weil Leserin Heike so ein Schweden-Fan ist?

Ich brauch mal ne Anleitung für mehr Ooommmmm in der Hinsicht. ;D

[Slaavik]

Ich denke das ist einfach etwas mit dem man leben muss. Da sind die Gedankengänge, die sich im Kopf eines Lesers während des Lesens bilden, viel zu subjektiv, als ich auch nur davon ausgehen würde, dass es unter Eintausend Lesern auch nur zwei gäbe, die eine sich deckende Vorstellung eines Protagonisten haben.

Würde es deinem Ooommm eventuel helfen wenn ich dir sage, dass es doch im Endeffekt wichtiger ist, dass der Leser mit deinem Protagonisten mitfiebert, als dass sich sein Bild von ihm mit deinen Vorstellungen deckt? Zumindest sehe ich es so.

[Mika]

Klar ist das wichtiger, deswegen ist das hier ja mehr eine Juxfrage in der Smalltalk-Ecke. Fands zumindest schon extrem cool, dass jene Leserin überhaupt ein Bild gemalt hat. <3

Eigentlich ist es schon recht spannend, die Abweichungen zu "sehen". Faszinierend fand ichs, als mir ein anderer Testleser sagte, jener Prota sähe für ihn aus wie Chris Hermsworth in "Thor". Das geht zwar etwas weiter von meiner Vorstellung weg, aber cool ist das schon irgendwie trotzdem.

Ich wollt einfach mal so eure "Erfahrungen" dabei hören, vielleicht ist ja was witziges dabei.

[Slaavik]

[Willebroer]

Mir saß neulich mal meine Prota im Zug gegenüber. Was habe ich mich erschrocken!
Aber nicht direkt unangenehm.

[Lapidar]

Nun, wie Leser meine Protas sehen, weiß ich nicht, weil ich diesbezüglich kein Feed-back hatte. (bis dato... wer weiß...)
Aber ich entwickle auch immer eigene Bilder von den Protas in den Büchern, die ich lese. Und bin dann manchmal recht entsetzt oder überrascht, wenn ich dann die Bilder sehe, die in den Büchern sind oder Filme mit den Figuren.

Aber dann ignoriere ich das, denn schließlich ist es MEIN Kopfkino.

Schlimmer ist, dass ich mir auch ein Bild von dem Autor mache und das ist frustrierend, wenn ich  Autor X als freundlichen sozial engagierten Menschen in meinem mentalen System gespeichert habe, weil seine Protas eben...
und dann feststellen muss er ist ein geiles altes Arschloch, dass armen Rentner die Butter vom Brot stiehlt...

[Mika]

[Schlomo]

Vor ein paar Jahren hat “mein” Professor Riedlhauser in einer Kurzgeschichte das Feynman Diagramm eines Vakuumzerfalls während eines Vortrags an die Tafel geschmiert, und ein (Probe-) Leser hat es dann tatsächlich in sauber gezeichnet. Wirklich perfekt! Ein derart sauberes Feynman Diagramm hab ich vorher noch nie gesehen, meine sind immer “gekrakelt”, oder, wie mal ein Bekannter meinte: “hingekotzt”. Aber das? WOW!

Ist zwar jetzt kein Protagonist im eigentlichen Sinn (obwohl?), spielt aber eine wesentliche Rolle in der Geschichte...

[Ruby Smith]

Ich wurde vor kurzem damit konfrontiert, dass zwei meiner Testleser einen meiner Charaktere (Italiener) beide als schmierig, öligen Typen mit langen schwarzen Haaren im Kopf hatten, obwohl er eigentlich in meinem Kopf anders aussieht und anders beschrieben wurde!

[Mika]

[Akiragirl]

Beim Aussehen ist mir das meistens nicht so wichtig, aber was mich richtig ärgert ist, wenn meine Leser den Charakter meiner Figuren nicht so verstehen wie ich, also z.B. eine Figur nicht mögen, die ich total liebe, weil sie (in meinen Augen) sich nicht wirklich versuchen in sie hineinzuversetzen. Da kriege ich Beißreflexe, das ist, als ob jemand schlecht über meine Freunde reden würde ...

[Mika]

Stimmt, das geht mir ähnlich.
Bin deswegen immer froh, dass ich viele (Haupt-)Protas habe und sich die Sympathien der Leser da ganz gut verteilen.
Ich schreib ja auch manchmal absichtlich Dinge, die manche Leser dann die Augen rollen lassen (siehe das ständige Reinreden von Olivia, nech? *g* Aber ich mag sie trotzdem gern, auch wenn man ihr manchmal gerne irgendwas auf den Kopf schlagen würde).

Irgendwie denkt man halt von den Protas automatisch ein bisschen wie über eigene Kinder, nur halt kopfgeboren. Ich hab auch direkt eine Verteidigungshaltung, wenn ich irgendwas kritisches lese.

[Ruby Smith]