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Titellos - erste Seiten eines Endzeitromans


 
 
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Vaughn
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Beiträge: 11
Wohnort: Hamburg


V
Beitrag22.01.2017 20:44
Titellos - erste Seiten eines Endzeitromans
von Vaughn
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Hallo zusammen,
ich sammle seit längerem Ideen, Szenen, etc., aus denen ich nun ein Romankonzept entwickelt habe. Die Story spielt an real existierenden Orten in der nahen Zukunft (irgendwo im Zeitraum 2018-2020) und soll in Richtung Endzeit-Szenario gehen, ggf. mit Fantasy-/ScienceFiction-Elementen ; ich kann mir da mehrere Entwicklungen vorstellen und bin diesbezüglich bin ich noch nicht ganz sicher.

Die folgenden Passagen sind die erste Fassung des ersten Kapitels und sollen hauptsächlich dazu dienen, die Hauptfigur und seinen Alltag vorzustellen. Zur besseren Lesbarkeit hab ich nach jedem Absatz eine Leerzeile eingefügt.

Jede Kritik ist willkommen. Prinzipiell ist mir aber zunächst generelles Feedback zu meinem Schreibstil (verständlich? interessant? humorvoll? spannend?) und euer Eindruck vom Hauptcharakter wichtiger als detaillierte Verbessungsvorschläge zu einzelnen Formulierungen. Danke vorab an alle Kommentatoren.


Kapitel 1

  Die ziffernlose Uhr am Bahnsteig zeigte bereits drei Minuten vor zehn als Alexander Hansen aus der S-Bahn der Linie S1 trat. Mit langen Schritten hielt er auf die Treppen zu, die nach unten zum westlichen Ausgang des Bahnhofs führten. Er hustete. Mit der rechten Hand zog er seinen schwarzen Baumwollschal enger um den Hals. An diesem Februar-Morgen war der Himmel über Hamburg zwar wolkenlos klar, aber der typische eisige Wind erinnerte die Bewohner nachdrücklich daran, dass der Sommer noch in weiter Ferne lag.

  Alexander fluchte lautlos als er mit einem unbeholfen aussehenden Seitschritt einer übergewichtigen Frau ausweichen musste, die unvermittelt vor ihm stehen geblieben war um ihr schrill klingelndes Smartphone aus der pinken Handtasche zu kramen, die groß genug war um einen Medizinball darin zu verstauen. Er war ohnehin schon spät dran, jetzt musste er auch noch Slalom laufen.

  Die normalerweise etwa halbstündige Fahrt von Barmbek nach Bahrenfeld hatte an diesem Mittwochmorgen fast doppelt so lange gedauert. In den frühen Morgenstunden hatte ein herrenloser Koffer am Hauptbahnhof einen Polizeieinsatz und eine Teilevakuierung ausgelöst und damit den öffentlichen Nahverkehr der Hansestadt zeitweise zum Erliegen gebracht. Noch immer hatten die Hamburger Verkehrsbetriebe ihren gewohnten Rhythmus nicht wieder erreicht, sodass die meisten S- und U-Bahnen unregelmäßig oder verspätet fuhren. Die Stimmung in der zweitgrößten Stadt der Bundesrepublik war angespannt, nachdem in den vergangenen Wochen mehrere Sprengstoffanschläge auf öffentliche Gebäude nur knapp verhindert werden konnten, und die Hoffnung, dass man anders als Berlin, Köln, München und Frankfurt von erfolgreichen terroristischen Attacken verschont bleiben würde, schwand langsam auch bei den optimistischsten Hamburgern. Die verschärften Sicherheitsmaßnahmen schienen daran wenig zu ändern.

  In weniger als einer Minute stieg Alexander die Stufen zur Straße hinab und legte die kurze Strecke zu dem achtstöckigen Bürogebäude zurück, in dem er seit nunmehr zwei Jahren als Marketing Manager eines Internet-Start-Ups tätig war. In seinen Augen war der Bau mit dem pfeilspitzenförmigen Grundriss, den abgerundeten Gebäudeecken und der dunklen Fassade aus Metallplatten einer dieser typischen Architektur-Alpträume, die überbezahlte Designer-Schnösel überall in der Stadt hochzogen um ihr ein modernes Bild zu verleihen und den betroffenen Stadtteil aufzuwerten, ohne sich darum zu scheren ob den Anwohnern ihre Gegend ohne die klobigen Kästen aus Stahl und Glas vielleicht besser gefiel. Das protzige Marmorschild mit der Aufschrift »Gebäude des Jahres 2010« direkt neben der Eingangstür, verliehen von einem lokalen Architektenverein, bestätigte ihn in seiner Ansicht.

  Obwohl sie nicht wirklich dreckig waren, streifte Alexander seine Schuhe an dem langen, grauen Fußabtreter in dem kleinen Foyer des Bürogebäudes ab und drückte die Ruf-Taste des Fahrstuhls. Die rote Digitalanzeige über der Aufzugtür zeigte an, dass sich dieser gerade im vierten Obergeschoss befand. Während er auf den Fahrstuhl wartete, holte Alexander seinen Schlüsselbund aus der rechten Tasche seiner schwarzen Winterjacke hervor.

  Die Anzeige sprang von »1« auf »EG« und die Aufzugtür öffnete sich mit einem hellen Klingeln. Zwei Kinder, beide nicht älter als fünf Jahre und dick eingepackt in knallbunte winterliche Kleidung, schossen kreischend und feixend aus dem Aufzug hinaus und rannten Alexander auf ihrem Weg zum Ausgang beinahe um. Genervt runzelte er die Stirn und verdrehte die Augen. Die Mutter der beiden Unruheherde warf ihm ein gezwungenes entschuldigendes Lächeln zu, das aufgrund ihrer stark geschwollenen Wange alles andere als fröhlich wirkte. Vermutlich hatte sie gerade eine wenig angenehme Behandlung bei der im vierten Stock ansässigen Zahnarztpraxis hinter sich.

  Alexander betrat die metallen glänzende Fahrstuhlkabine und drückte gleichzeitig die Tasten für das siebte Obergeschoss und das Schließen der Türen. Während der Aufzug sich rumpelnd in Bewegung setzte, blickte er in den Spiegel, der die Rückwand der Kabine bildete. Er war nicht das, was man üblicherweise als Schönling bezeichnete. Seine Stirn war etwas zu hoch, seine Ohren standen etwas zu weit ab und eine hartnäckige Akne hatte in seinen Teenager-Jahren rings um seine Nase gewütet und eine grobporige Haut zurückgelassen. Wegen seines ausgeprägten, markanten Kinns, seiner vollen Lippen und seiner durchdringenden dunkelblauen Augen war er jedoch eine maskulin wirkende Erscheinung, die in Verbindung mit seiner tiefen Stimme bei Frauen durchaus gut ankam. Am heutigen Tage kam er sich jedoch alles andere als begehrenswert vor, was nicht zuletzt an der vom vielen Putzen schon wunden Nase und den von der Schlaflosigkeit der letzten Nacht zeugenden Augenringen lag. Hinter seinen Schläfen pochte schon seit dem letzten Abend ein leichter Kopfschmerz, der auch nach der Einnahme einer Schmerztablette zum Frühstück nicht abgeklungen war.

  Er hustete erneut und wischte sich eine dunkelbraune Strähne aus der Stirn, die sich ungewöhnlich warm anfühlte. Das, was vor einigen Wochen mal eine Frisur mit einem Mittelscheitel gewesen war, sah mittlerweile wild und unförmig aus. »Das kann man ja nicht mal mehr einer Krähe zum Nisten anbieten«, hatte seine Freundin vor einigen Tagen treffend geurteilt, nachdem sie ihm laut lachend sein Haar zerzaust hatte. Er musste dringend zum Friseur. Das Verschieben von unliebsamen Terminen wie diesem hatte er jedoch im Verlaufe seines Erwachsenenlebens zu einer Kunstform erhoben.

  Der Aufzug kam zum Stehen und die Tür öffnete sich. Alexander stieg aus und öffnete mit dem blauen Chip an seinem Schlüsselbund das elektronische Schloss der Etagentür.

  »Guten Morgen, Alex!«, trällerte Tanja Hellmann ihm über den Empfangstresen hinweg zu. Die bildhübsche Mittzwanzigerin mit den langen pechschwarzen Haaren, die Tochter eines deutschen Piloten und einer kolumbianischen Stewardess war, verbreitete wie üblich ihre gute Laune, der sich auch ein Morgenmuffel wie Alexander nur schwerlich entziehen konnte. Als eine von nur drei Frauen in der immerhin fünfzig Angestellte zählenden Firma hatte sie nicht nur den Job der Empfangsdame inne, sondern war auch für die Terminplanung des Geschäftsführers und Mitinhabers zuständig.

  »Moin!«, antwortete er im Vorbeigehen während er seinen Schlüsselbund wieder in seiner Jacke verstaute. »Das war ja mal wieder nix mit dem HSV am Wochenende.«

  Sie zuckte grinsend mit den Schultern. »Es waren nur drei Gegentore, das ist im Vergleich zu den letzten Spielen doch ein Fortschritt. Die anderen Teams sind momentan einfach besser, das muss man neidlos anerkennen.«

  »Du könntest am Wochenende elf zufällig ausgewählte Schnapsleichen auf der Reeperbahn aufsammeln und die wären besser als der HSV.«, stichelte Alexander mit einem Grinsen auf den Lippen und verwand im Flur um die Ecke, während Tanja laut lachte.

  Das Großraumbüro, in dem unter anderem die Marketing-Abteilung der Firma »Respawn GmbH« untergebracht war, lag im Halbdunkeln. An den spärlich gesäten Tagen, an denen keine Wolken am norddeutschen Himmel standen, ließen seine Kollegen schon früh morgens die silberfarbenen Lamellen-Jalousien mindestens teilweise herunter, um die aufgehende Sonne auszusperren und so störende Spiegelungen auf ihren Monitoren zu vermeiden.

  »Moin!«, raunte Alex etwas heiser in den Raum hinein während er seinen Rucksack neben seinem Schreibtisch auf den dunkelblauen Teppich fallen ließ, mit dem die komplette Etage, mit Ausnahme der Toiletten, ausgelegt war. Einige der insgesamt sieben Kollegen, mit denen er das Büro teilte, erwiderten die Begrüßung mehr oder weniger elanvoll. Sich über den Schreibtisch beugend, schaltete er seinen Computer an, und schälte sich dann aus seiner Jacke während er darauf wartete, dass dieser seine endlos scheinende Startprozedur durchführte.

  »Moin Alex! Ich brauch die Auswertung für die Kampagne von letzter Woche bis heute mittag.«

  Alexander sah auf und nickte Mark Lehmann, dem Leiter der Marketing-Abteilung und damit seinem direkten Vorgesetzten, zu, der sich beinahe lautlos Alexanders Arbeitsplatz genähert hatte.

  »Wirst du bekommen«, antwortete er ein wenig gereizt, während er ein Taschentuch aus seiner Hosentasche hervorkramte.

  »Außerdem ist die Kostenübersicht für Januar fällig.«

  »Hab ich auf dem Schirm. Mir fehlen noch zwei Rechnungen, sind beide angefragt. Sobald ich die habe, mach ich die Liste fertig.«

  »Hast du schon was von den Jungs aus LA gehört, wegen der TV-Kampagne?«

  Alex seufzte hörbar und deutete mit beiden Händen und flehendem Gesichtsausdruck auf seinen Monitor. »Der Rechner ist noch nicht mal hochgefahren, ich hab noch gar nichts von irgendwem gehört oder gesehen.«

  Mark hob beschwichtigend die Hände. Er überragte Alexander mit knapp zwei Metern Körpergröße um etwa fünfzehn Zentimeter und hatte deutlich breitere Schultern, dennoch hätte keiner der Anwesenden ihn in dieser Situation als überlegen oder gar einschüchternd bezeichnet. Mark war erst 27 Jahre alt, mit fünf Jahren Firmenzugehörigkeit aber einer der alten Hasen des Unternehmens. Da er der erste Angestellte im Bereich Marketing gewesen war, hatte er den Posten des Abteilungsleiters bekommen als die Firma wuchs und für die Bewältigung der Vermarktungsaufgaben weitere Mitarbeiter nötig wurden. Er verfügte nicht nur über ein großes Marketing-Know How, sondern auch über ein beachtliches technisches Wissen, und genoss bei Kollegen aus allen Abteilungen hohes Ansehen. Als eher ruhiger Zeitgenosse, der Konflikte scheute und niemandem auf die Füße treten wollte, waren seine Führungsqualitäten jedoch überschaubar. Die Zusammenarbeit mit seinen insgesamt vier Untergebenen fand meist auf einer kumpelhaften Ebene statt, was im Großen und Ganzen auch ganz gut funktionierte, da die Anstellung bei »Respawn« für die anderen drei Marketing Manager der erste Job nach ihrem Studium war und keiner von ihnen negativ auffallen wollte. Einzig Alexander wagte die Ansichten und Entscheidungen seines direkten Vorgesetzten von Zeit zu Zeit in Frage zu stellen, wenn er mit ihnen nicht übereinstimmte. »Sag einfach Bescheid, wenn du 'ne Antwort bekommst«, sagte Mark mit einem Anflug von Resignation in der Stimme und verließ das Büro.

  Alex ließ sich in seinen schwarzen Bürosessel mit der hohen Rückenlehne fallen und schnäuzte sich hörbar in das Taschentuch. Das Atmen durch die Nase blieb trotzdem nahezu unmöglich. Er sah auf die kleine Uhr in der unteren rechten Ecke seines Bildschirms. »Nur noch acht Stunden bis Feierabend«, murmelte er kaum hörbar und feuerte sein zusammen geknülltes Taschentuch in den braunen Mülleimer neben seinem Schreibtisch.

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Stefanie
Reißwolf


Beiträge: 1741



Beitrag22.01.2017 21:39

von Stefanie
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Ich habe etwa die Hälfte gelesen, dann habe ich aufgegeben. Du erschlägst einen mit unwichtigen Details, Adjektiven und Hintergrundwissen, dass ich in dem Moment gar nicht brauche. Das macht es sehr mühsam, den Text zu lesen. Irgendwann habe ich ihn nur noch überflogen, um relevante Stellen zu finden.
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GloriaTab
Geschlecht:weiblichWortedrechsler

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Beiträge: 52



Beitrag22.01.2017 22:46

von GloriaTab
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Also ich habe deinen Text zu Ende gelesen. Ich finde deine Schreibweise gut, auf jeden Fall verständlich und du beschreibst die Situation super. Man kann sich in die Situation hineinversetzen. Was natürlich gar nicht vorhanden ist: Spannung. Aber spannend sollte es wahrscheinlich auch noch nicht sein, geht ja nur um den Alltag des Protagonisten. Allerdings ist der schon wirklich sehr ausführlich. Den ein bisschen zu kürzen würde dem Text sicherlich gut tun.
Da es sich wohl um einen Endzeitroman handelt, gehe ich davon aus, dass dann ziemlich bald die Action beginnt.
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Abifiz
Geschlecht:männlichEselsohr


Beiträge: 236
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Beitrag23.01.2017 00:37

von Abifiz
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Hi Hamburger.

Nun ja...

Hab' nur wenig gelesen, muß ich verschämt gestehen... Embarassed

Es gibt Schreibstile, die über ganze Passagen eine begründete (zumindest von der Intention her, manchmal jedoch auch in der Wirkung...) Dichte an Adjektiven aufweisen, dann wieder etwas Lakonie, etc.

Bei Dir ist die Überfülle an Adjektiven ungewollt erschlagend, da ganz und gar gratis, das heißt völlig unbegründet.

Groschenromanartig der Blick in den Spiegel zu Anfang des 1. Kapitels, um den Protagonisten zu aquarellieren. Daß seine Augen "durchdringend" sind, war wohl klar. Was sonst, Mann, das ist ja Dein Prota, ne?! Ich vermisse nur eine genauere Wiedergabe der Farbnuancen seines dunkelbraunes Haares. Geht 's nicht ein bißchen penibler?

Mann, ist Endzeit, schon nebbich* vergessen?! Bald ist Schluß, das Haar mußt Du vorher schon in epischer Breite aus dem Aufzugspiegel herausklamüsert haben!

Sorry, so kaustisch bin ich normalerweise nicht: Ich habe es mir herausgenommen, weil ich den Eindruck hatte, so hat man Dir Dein Haar noch nicht gewaschen, und Du könntest es brauchen, vertragen und mit Gewinn aufnehmen.

In Dir steckt nämlich tatsächlich ein Schriftsteller. Ich habe den Eindruck sofort bekommen: In Dir schlummert ein ursprüngliches seltenes Erzählen-Können.

Mach was draus!

Laß Dir bei den ersten Schritten helfen: Geschwindigkeit wirst Du dann sehr bald von alleine erlangen, ohne Begleiter.

Wenn Du magst, empfehle ich Dir ein oder zwei schwere/leichte auf Dich zugeschnittene "Rat-Folianten" für den Anfang als Autor.

Ich bin auf Dich gespannt, Vaughn.

Herzlich
Abifiz

*http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/20467


_________________
Meine sehr kluge Signatur befindet sich noch in der Herstellungsphase. Falls keine gravierenden Inkompatibilitätsprobleme auftauchen werden, rechne ich mit ihrer Lieferung für das 1. Quartal 2034. Ich danke Ihnen für Ihr Vertrauen.
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Vaughn
Geschlecht:männlichSchneckenpost
V


Beiträge: 11
Wohnort: Hamburg


V
Beitrag23.01.2017 23:21

von Vaughn
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Vielen Dank für die Rückmeldungen, insbesondere an deine ausführliche Kritik, abifiz... auch wenn ich einige Vokabeln erstmal googlen musste Laughing

Die Dichte an Adjektiven ist tatsächlich massiv... je öfter ich es selbst lese, desto anstrengender wirkt das auch. Ich werd versuchen, den kompletten Text zu kürzen und unwichtige Passagen rauszustreichen.

Darf ich nachfragen, wie der Hauptcharakter bis dato wirkt? Unabhängig vom Groschenroman-Einstieg (herrlicher Vergleich, auch wenn ich noch nie einen Groschenroman in der Hand hatte), was ist euer erster Eindruck?

Die "Rat-Folianten" würde ich gern annehmen.

Schönen Abend
Vaughn
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GloriaTab
Geschlecht:weiblichWortedrechsler

Alter: 31
Beiträge: 52



Beitrag24.01.2017 09:38

von GloriaTab
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Mein erster Eindruck von deinem Protagonisten, bzw. so stelle ich ihn mir vor:
Er ist um die 40. Er ist nicht wirklich zufrieden mit seinem beruflichen Leben, gelangweilt von seinem Alltag. Vielleicht steckt er in einer kleinen Midlife Crisis. Aber er ist bei seinen Kollegen anerkannt, er ist sympathisch und gesellig und in seiner Beziehung glücklich. Vermutlich ist er jemand, auf den man sich verlassen kann.

Gut, wie gesagt, so stelle ich ihn mir vor. Ist wahrscheinlich ganz anders. Wink
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d.frank
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Beitrag24.01.2017 11:10

von d.frank
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Ich sehe das wie abifiz, ganz eindeutig Talent.
In diesem Abschnitt geht es um die Ruhe vor dem Sturm, Normalität, das Einführen des Charakters, aber es plätschert zu seicht vor sich hin, das stimmt schon. Straffen trifft es und ich denke, du weißt in etwa schon selbst, welche Formulierungen unbedingt drin bleiben müssen. wink
Deine Figur hat die Formen, die du ihr zugestanden hast und das kommt auch beim Leser an. Es ist ein interessanter und philosophischer  Ansatz, dass ihre beginnende Lethargie wahrscheinlich von den kommenden Ereignissen erschüttert wird. Das Interesse speist sich aber leider nur aus diesem Wissen. Vielleicht solltest du die Ambitionen der Figur an einem direkten, dem Hergang der Geschichte angelehnten Ereignis,  nicht nur dem Warten auf ein öffentliches Verkehrsmittel, fest machen. Das klingt vielleicht nach Effekthascherei, aber wie sagte mal jemand: Ein Buch fängt den Leser mit den ersten 15 Zeilen.
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Breslauer
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B


Beiträge: 7
Wohnort: Rhein-Main


B
Beitrag24.01.2017 17:00

von Breslauer
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Hallo Vaughn,

ich kann mich den obigen Kommentaren in weiten Teilen anschließen:

- eine hohe Dichte an Adjektiven
- ein deutliches Erklärbär-Syndrom (ich erlaube mir mal, es so böse zu titulieren, weil ich selbst darunter leide Wink)

Zugleich finde ich aber auch die schon genannten positiven Punkte absolut zutreffend:

- Deine Figur wirkt auf mich nicht gekünstelt. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie im weiteren Verlauf des Textes sehr plastisch wird
- Auch mit dem stilistischen an sich kann ich mich weitgehend anfreunden – der Text liest sich (von dem Problem mit den vielen Fakten und Adjektiven abgesehen) angenehm und entwickelt durchaus Fahrt

Um noch drei Cent beizutragen, die soweit ich sehe nicht schon genannt wurden:

Ich weiß gar nicht, ob du in Bezug auf das Kürzen wirklich ganze Passagen rauswerfen musst. Ich würde vermuten, dass die Sache schon sehr viel runder wirkt, wenn du in einem ersten Arbeitsgang versuchst, Satz für Satz zu durchdenken, was wirklich notwendig bzw. interessant ist und was nicht. Ich jedenfalls bin nicht über den relativ gemächlichen Einstieg in die Handlung gestolpert – was natürlich Geschmackssache ist – sondern eher über die vielen Füllwörter.

Was den Drang angeht, möglichst viele Fakten einzubringen, die womöglich für den Leser an dieser Stelle nicht oder noch nicht interessant sind: Ich hatte ähnliche (berechtigte) Rückmeldungen zu einem längeren Manuskript und habe mir dort (neben dem Kürzen der übelsten Auswüchse) an einigen Stellen mit dem Kunstgriff geholfen, die Erklärungen, die mir wirklich unverzichtbar schienen, in Form von Gesprächen zwischen verschiedenen Protagonisten zu verpacken. Das wirkt manchmal etwas weniger umständlich als die Schilderung aus Sicht des unsichtbaren Beobachters, der die ganzen Fakten aufzählt, während die Handlung quasi jeweils stillsteht.

Ich hoffe, das bringt dich in irgendeiner Weise weiter Smile
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realTJL
Geschlecht:männlichGänsefüßchen

Alter: 25
Beiträge: 17



Beitrag24.01.2017 19:15

von realTJL
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Hallo Vaughn,

wie schon meine Vorredner habe ich wirklich Gefallen an deinem Schreibstiel gefunden und bin gespannt auf mehr! Obwohl dein Text keinerlei direkte Spannung besitzt, konnte ich den Text sehr flüssig und ohne Probleme lesen und verstehen. Die gewollte Atmosphäre wird an den meisten Stellen gut übermittelt.

Vielleicht wäre es ganz hilfreich, einen kleinen Hinweis auf spätere Handlungen zu geben. Dabei würde ich aber eher vorsichtig sein, da es sehr klischeehaft werden kann ("Der Himmel war erstaunlich rot heute." oder "irgendetwas fühlte sich anders an als sonst.").

Ich bin jedenfalls sehr gespannt mehr von dir zu hören smile
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Traumtänzer1979
Gänsefüßchen
T


Beiträge: 24
Wohnort: Berlin


T
Beitrag24.01.2017 19:21

von Traumtänzer1979
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Hallo Vaughn,

ich LIEBE gute Endzeitgeschichten und Dein Anfang wirkt als könnte es eine werden! Bleib da auf jeden Fall dran.

An sonsten:
- zu viele Adjektive: oh ja!
- insgesamt zu ausführlich: finde ich gar nicht unubedingt. Allerdings würde ich die Infos zum Protagonisten auflockern, mich nicht so sehr auf den Charakter konzentrieren. Du erwähnst z. B. in einem einzigen Nebensatz, dass es vor kurzem Anschläge in Berlin, Frankfurt und noch irgendwo gab. In einem Endzeitroman würde ich das, auch auf den ersten Seiten durchaus ausführlicher machen. Nachdem er der dicken Frau auf dem Bahnsteig ausgewichen war hätte er doch beispielsweise noch fast gegen eine Werbetafel laufen können, auf der eine Anzeige des Hamburger Abendblattes eine große Reportage über den kürzlich erfolgten Giftgasanschlag im Berliner Olympiastadion ankündigt (Stichwort "Slalom" - braucht min. zwei Tore). Danach wieder ein paar Details zu Deinem Helden und dann läuft er an einer Filiale der Deutschen Bank vorbei, deren Hauptniederlassung, der DB Tower in Frankfurt letzten Monat in die Luft gesprengt wurde.
- zwei Stellen haben mich wirklich gestört:
1. Du beschreibst ein recht modernes Gebäude und dann einen Aufzug der sich rumpelnd in Bewegung setzt...
2. Der letzte Haarschnitt ist grade "einige" Wochen her und trotzdem sind die Fransen nichtmal mehr zum Nestbau geeignet.
beide Stellen haben dazu geführt, dass ich das Lesen unterbrach und nochmal weiter oben suchte um sicherzustellen, dass ich mich dort nicht verlesen habe. - Sowas finde ich tödlich!

An sonsten habe ich aber jetzt schon Lust auf das Buch, wie gesagt, ich liebe dieses Thema!

Daher weiterhin viel Erfolg!


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Abifiz
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Beitrag24.01.2017 21:21

von Abifiz
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Hallo Vaughn.

Für den Anfang ein Buch, das -- abgesehen von seinem dummdreist reißerischen Titel, für welchen der arme Autor nichts kann -- wie auf Dich zugeschnitten ist.

Digital bei Amazon für 1.79 zu haben. Kannst aus dem Läppi oder Desktop am Schirm lesen, dort mühelos und dauerhaft eigene Unterstreichungen, Markierungen und eigene Kommentare einbringen. Zu bestellen auch hier im Forum, rechts unten beim Button von Amazon über die von Audible und Jokers.  (Auf dieser Weise verdient das DSFo 'n paar Kröten für seinen Unterhalt -- wir wolle' nit "so" sei', nee?)

"So schreiben Sie mühelos ein tolles dickes Buch: Creative Writing - Kreatives Schreiben" von Jürgen Müller.

Ein Klick und Du hast es bei Dir.


Weiter im Psalm:

Du brauchst zu Deiner Unterstützung eine Autoren-Software. (Auf dem Gebiet kenne ich mich gut aus.) Sie würde Dir bei der Stilanalyse enorm nützlich sein.

Wie viel Gold, Silber, Diamanten, Drachenblut und Hosenknöpfe bist Du bereit da reinzustecken? Je nachdem empfehle ich Dir was passendes.

Heute schon was geschrieben? Was gelesen? Geträumt?

Bist auf dem richtigen Weg.


Herzlich
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Vaughn
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V
Beitrag25.01.2017 11:40

von Vaughn
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Moin moin,

besten Dank an alle neuen und ermutigenden Kommentare, da ist viel dabei, was mir weiterhilft.

Auch danke für den Buchtipp, werde mir das die Tage mal runterladen.
Was die Software angeht, bin ich skeptisch. weil ich das Ganze nicht zu sehr "verwissenschaftlichen" möchte. Schreiben soll für mich primär ein kreatives, entspannendes Hobby sein, und zu viel drumherum wäre dem mutmaßlich abträglich.
Nichtsdestotrotz, rein interessehalber würde ich mir gern einige Programme anschauen. Gibt es das Freeware?

Ich hab noch nicht die Zeit gefunden, meinen Text zu überarbeiten. Ich hoffe, heute oder morgen abend klappt es.

Viele Grüße
Vaughn
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Holdenfried
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Beiträge: 25
Wohnort: Bayern


Beitrag25.01.2017 12:46
Es stimmt..
von Holdenfried
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...was hier über die Adjektive gesagt wurde, stimmt. Es sind eindeutig zu viele und sie erschlagen einen und erschweren den Lesefluss. Generell finde ich deinen Schreibstil gut, aber es passiert wenig und das, was passiert, ist erstmal nicht wirklich interessant. Die Dynamik fehlt. Gerade am Anfang eines Romans solltest du das nochmal überarbeiten.
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Abifiz
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Beitrag25.01.2017 20:49

von Abifiz
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Hi Vaughn.


Also Freeware gibt es auch, aber für Dich ungeeignet: Du brauchst eine deutsche Stilanalyse auch, um Deinen Überseekoffer mit Adjektiven in der Praxis am Objekt auszumisten. (Mit Verwissenschaftlichung hätte es nichts zu tun: Vertraue mir ruhig in solchen Sachen. Cool Rolling Eyes )

Folgender Vorschlag: Lade für lau die Knovelty-Demo herunter, falls Du Windows benutzt. (Sonst reden wir wieder darüber, und ich gebe einen anderen Vorschlag.)

Hier der Link dazu: http://www.knovelty.de/

Übe Dich daran dreißig Tage lang. Sagt sie Dir zu, kaufe dann das Programm für 10 € (kein Schreibfehler, es sind nur "zehn Euro" gemeint!). Damit hast Du fürs erste alles, was Du brauchst. Tu es.

Solltest Du später doch Geschmack daran gefunden haben und merken, daß es Dich weiterbringt, können wir über Noch-Besseres eventuell sprechen. Knovelty hättest Du dann als Pauschfolie in Reserve, oder Du könntest es verschenken oder verkaufen.

Was hältst Du davon?


Herzlich
Abifiz


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Vaughn
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V
Beitrag26.01.2017 18:13

von Vaughn
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Moin,

danke für den Link, ich schau mir das Programm mal an.

Nachstehend eine neue Fassung. Ich hab einen kurzen Prolog eingeschoben um zu Beginn zumindest ein wenig Action und Spannung drin zu haben. Freue mich auf Feedback!


PROLOG

Vorsichtig und schwer atmend stieg Ole Kröger die letzten Stufen zum Keller hinab. Obwohl sein Körper den 72jährigen in letzter Zeit immer häufiger im Stich ließ, weigerte er sich beharrlich seinen Hausmeisterposten aufzugeben. Seit mittlerweile über vierzig Jahren erledigte er alle einfachen Instandhaltungsarbeiten in dem Wohnblock im Hamburger Stadtteil Billstedt, und beabsichtigte nicht, das in naher Zukunft zu ändern. Heute standen zwei ausgebrannte Glühbirnen im Treppenhaus auf seiner Agenda. Die Leiter, die er hierfür benötigte, war in einem der Verschläge eingeschlossen, die auch die Bewohner des Hauses für die Lagerung ihrer Habseligkeiten nutzten. Zielstrebig schlurfte er darauf zu und öffnete das Vorhängeschloss, als ein Geräusch am anderen Ende des Ganges seine Aufmerksamkeit erregte.

Ole runzelte die Stirn. »Nicht schon wieder diese Mistviecher.« Das Licht der nackten Glühbirne erleuchtete diesen Teil des Kellers zu schwach um die lästigen Nager auszumachen, die ihre Nester immer wieder in den Hohlräumen des alten Gemäuers bauten, also kramte er eine kleine Taschenlampe aus der Tasche seines Kittels. Langsam schritt er den Gang entlang und suchte dabei mit dem Lichtkegel die Wand nach Löchern ab. Aus einem der Verschläge klapperte es laut. »Da seid ihr also.« Er drehte sich um und richtete den Strahl der Lampe in die Richtung des Lärms.

»Grundgütiger«, entfuhr es ihm, als er statt einer Ratte eine Person zwischen zwei Stapeln aus Umzugskartons knien sah. Der Fremde hielt einen futuristisch aussehenden Metallzylinder in der Hand, aus dessen oberen Ende einige Drähte herausragten.

»Sie haben mich zu Tode erschreckt. Was machen Sie denn hier im Dunkeln?«, fragte der alte Mann. Er bemerkte etwa ein Dutzend weitere Zylinder, die fein säuberlich aufgereiht in einem Regal standen. Zwei weitere lagen auf dem Boden. Vermutlich hatten die den Lärm verursacht.

»Sind Sie stumm? Ich hab gefragt, was Sie hier machen!«

Der Unbekannte erwiderte etwas in einer Sprache, die Ole nicht verstand. Er sprach ruhig, aber seine Gesichtszüge verrieten wie sehr ihm die Störung missfiel.

»Hören Sie, Sie können hier nicht…«, setzte Ole an, als er von hinten einen heftigen Schlag auf den Kopf bekam. Er verlor das Gleichgewicht, torkelte zwei Schritte nach vorne und stürzte in einen der Kistenstapel. Benommen fasste er sich an den Hinterkopf und ertastete eine feuchte Stelle.

Wie durch einen Schleier nahm er einen zweiten Mann wahr. War das sein Angreifer? Die beiden Fremden redeten energisch aufeinander ein. Ole verstand kein Wort. Der Schläger beugte sich zu ihm hinunter und fixierte ihn, indem er ein Knie auf seiner Brust platzierte.

»Du hier, nicht gut«, zischte der Mann mit starkem Akzent. In seinem Gesicht stand eiskalte Entschlossenheit als er seine Hände um den Hals des Hausmeisters legte und zudrücke. Ole strampelte mit den Beinen und versuchte röchelnd den Griff um seine Kehle zu lösen, aber gegen den sehr viel jüngeren und kräftigeren Gegner hatte er keine Chance.


KAPITEL 1

Die Uhr am Bahnsteig zeigte bereits drei Minuten vor zehn als Alexander Hansen aus der S-Bahn der Linie S1 trat. Mit langen Schritten hielt er auf die Treppen zu, die zum Ausgang des Bahnhofs führten. Er hustete. Mit der rechten Hand zog er seinen Schall enger um den Hals. An diesem Februar-Morgen war der Himmel über Hamburg zwar wolkenlos, aber der eisige Wind erinnerte die Bewohner nachdrücklich daran, dass der Sommer noch in weiter Ferne lag.

Alexander fluchte lautlos als er einer übergewichtigen Frau ausweichen musste, die unvermittelt vor ihm stehen geblieben war, und stieß dabei beinahe mit einem Polizisten zusammen, der mit einer Maschinenpistole im Anschlag am Bahnsteig patrouillierte. »Tschuldigung«, sagte er und eilte weiter.

Nach zwei knapp vereitelten Terroranschlägen im letzten Monat war die Stadt in Alarmbereitschaft und schwerbewaffnete Sicherheitskräfte waren ein alltäglicher Anblick. Wirklich gewöhnt hatte Alexander sich an deren Präsenz jedoch immer noch nicht.

In weniger als einer Minute legte er die Strecke zu dem Bürogebäude zurück, das seit nunmehr zwei Jahren sein Arbeitsplatz war, betrat das Foyer und drückte die Ruftaste des Lifts.

Als die Fahrstuhltür sich mit einem Klingeln öffnete, schossen zwei Kinder, beide nicht älter als fünf Jahre und dick eingepackt in winterliche Kleidung, kreischend und feixend aus dem Aufzug hinaus und rannten Alexander auf ihrem Weg zum Ausgang beinahe um. Genervt verdrehte er die Augen. Die Mutter der beiden Unruheherde warf ihm ein entschuldigendes Lächeln zu und folge ihrem Nachwuchs.

»Guten Morgen, Alex!«, trällerte Tanja Hellmann ihm über ihren Tresen hinweg zu. Die bildhübsche Empfangsdame verbreitete wie üblich ihre gute Laune, der sich auch ein Morgenmuffel wie Alexander nur schwerlich entziehen konnte.

»Hey!«, antwortete er im Vorbeigehen. »Das war ja mal wieder nix mit dem HSV am Wochenende.«

Sie zuckte mit den Schultern. »Es waren nur drei Gegentore, das ist im Vergleich zu den letzten Spielen doch ein Fortschritt. Die anderen Teams sind momentan einfach besser, das muss man neidlos anerkennen.«

»Du könntest am Wochenende elf zufällig ausgewählte Schnapsleichen auf der Reeperbahn aufsammeln und die wären besser als der HSV.«, stichelte Alexander grinsend und verwand durch die Tür am Ende des kurzen Flures. Hinter ihm hörte er Tanja laut lachen.

»Moin!«, sagte Alex etwas heiser in den Raum hinein während er seinen Rucksack auf den Fußboden fallen ließ. Einige der insgesamt sieben Kollegen, mit denen er das Büro teilte, erwiderten die Begrüßung mehr oder weniger elanvoll. Er beugte sich über den Tisch, schaltete seinen Computer rein, und schälte sich anschließend aus seiner Jacke.

»Moin Alex! Ich brauch die Auswertung für die Kampagne von letzter Woche bis heute Mittag.«

Alexander sah auf und nickte Mark Lehmann zu. Der Leiter der Marketing-Abteilung hatte sich beinahe lautlos an Alexanders Arbeitsplatz angeschlichen.

»Wirst du bekommen«, antwortete er ein wenig gereizt, während er ein Taschentuch aus seiner Hosentasche hervorkramte.

»Außerdem ist die Kostenübersicht für Januar fällig.«

»Hab ich auf dem Schirm. Mir fehlen noch zwei Rechnungen, sind beide angefragt. Sobald ich die habe, mach ich die Liste fertig.«

»Hast du schon was von den Jungs aus LA gehört, wegen der TV-Kampagne?«

Alex seufzte hörbar und deutete mit beiden Händen flehend auf seinen Monitor. »Der Rechner ist noch nicht mal hochgefahren, ich hab noch gar nichts von irgendwem gehört oder gesehen.«

Mark hob beschwichtigend die Hände. Er überragte Alexander mit knapp zwei Metern Körpergröße um etwa fünfzehn Zentimeter und hatte deutlich breitere Schultern, dennoch hätte keiner der Anwesenden ihn in dieser Situation als überlegen oder gar einschüchternd bezeichnet. Als eher ruhiger Zeitgenosse, der Konflikte scheute und niemandem auf die Füße treten wollte, waren seine Führungsqualitäten überschaubar und die Zusammenarbeit mit seinen insgesamt vier Untergebenen funktionierte nur deshalb, weil er einen sehr kumpelhaften Umgang mit ihnen pflegte. »Sag einfach Bescheid, wenn du 'ne Antwort bekommst«, sagte Mark mit einem Anflug von Resignation in der Stimme und verließ das Büro.

Alex ließ sich in seinen Bürosessel fallen und schnäuzte sich hörbar in das Taschentuch. Das Atmen durch die Nase blieb trotzdem nahezu unmöglich. Er sah auf seine Uhr. »Nur noch acht Stunden bis Feierabend«, murmelte er kaum hörbar und feuerte sein zusammen geknülltes Taschentuch in den Mülleimer neben seinem Schreibtisch.
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d.frank
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Beitrag26.01.2017 20:20

von d.frank
Antworten mit Zitat

Ohne dich ärgern oder desillusionieren zu wollen, aber ich mag diesen Prolog nicht. Er ist die Form Effekthascherei, auf die ich gerade nicht hinauswollte. Viel besser gefällt mir der Waffen tragende Polizist und ihm würde ich gar keine weitere Erklärung folgen lassen.
Wenn du weitere und ebenfalls eher dezente Hinweise dieser Art im folgenden Text versteckst, lockert das nicht nur die normale und vielleicht auch als öde empfundene Alltäglichkeit, mir der du deinen Protagonisten vorstellen willst, sondern bahnt auch die kommende Spannung an, auf die dein Buch hinauswill.
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Stefanie
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Beiträge: 1741



Beitrag26.01.2017 21:14

von Stefanie
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Den Prolog bräuchte ich jetzt nicht unbedingt, aber ich finde ihn ganz ok.

Das erste Kapitel ist deutlich besser geworden. Es ist flüssig zu lesen und dieser eigenartige Kontrast zwischen der Anspannung wegen Anschlagsangst und dem Alltag, der einfach weiterläuft, kommt gut rüber.
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Traumtänzer1979
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Beitrag26.01.2017 23:00

von Traumtänzer1979
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1. Kapitel = viiiiel besser!

Prolog:
Wie sag ichs am besten?

Was würdest Du tun, wenn Du in deinem Bad eine gefährliche Spinne findest (ich weiß, ist in unseren Breitengrade unwahrscheinlich, aber nehmen wir es mal an)?
Ich schätze mal, Du fängst sie nicht erst ein, sperrst sie in ein Glas und rufst einen Kumpel an und klönst ein bisschen!
Ich denke eher Du erschlägst das Vieh; und zwar auf der Stelle!

An sonsten finde ich den Prolog eine nette Idee.


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Vaughn
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Beitrag27.01.2017 12:16

von Vaughn
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Moin moin,

danke für die Rückmeldungen. Und keine Sorge, es braucht etwas mehr um mich zu desillusionieren.

Ich glaube der Prolog ist ein besserer Einstieg als die Alltags-Beschreibung. Natürlich kann man das als Effekthascherei bezeichnen, aber damit kann ich leben. Es geht mir ja nicht darum einen mega-tiefgründigen, extrem subtilen Text zu verfassen, bei dem jede Zeile die Hirnwindungen fast durchbrennen lässt, sondern um Unterhaltung. Mit dem Prolog fällt es den Leser mMn auch leichter die später folgenden Geschehnisse zu verstehen.

@Traumtänzer
Ich habs mir jetzt ein paar Mal durchgelesen und immer noch keine Ahnung, was du mir mit der Spinne sagen willst bzw. was das mit dem Prolog zu tun hat... bist du so nett und übersetzt das einmal in Klartext Laughing ?
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Traumtänzer1979
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Beitrag27.01.2017 13:06

von Traumtänzer1979
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Die Ermordung Oles, finde ich, dauert zu lange.

Nachdem er niedergeschlagen wurde, aber offenbar nicht vollständig das Bewustsein verloren hat, reden die nicht deutschsprachigen Männer erstmal auf ein ander ein, dann kniet sich jemand gemächlich auf Ole und erklärt ihm auch noch in aller Ruhe warum er ihn anschließend erwürgt.

Für diese Menschen ist Ole nichts weiter als eine kleine unbedeutende Spinne, die obendrein giftig ist. Er ist es weder wert, darüber zu diskutieren ob man ihn tötet, noch dass man sich auch noch die Arbeit macht irgendwie auf ihn einzugehen.

Realistisch wäre in diesem Zusammenhang eher: Ole bekommt den Schlag auf den Kopf, in diesem Moment zieht der Mann vor Ole sein Messer und rammt es Ole mehrfach, schnell hintereinander in den Oberbauch während der Mann hinter Ole ihn festhält und ihm den Mund zuhält, damit er nicht schreien kann.


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Abifiz
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Beitrag27.01.2017 19:36

von Abifiz
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Hallo Vaughn.


Zum Prolog: Interessant und nicht schlecht.
Persönlich hätte ich das Gegenteil gemacht, wie Du es -- vielleicht -- ursprünglich vorhattest, und es einigen nicht gefiel:
Eine langweilige Routine aufzeigen, die langsam, fast zäh ins Katastrophale umkippt.

Na ja, wie auch immer...

Der Text ist wesentlich gelungener als beim ersten Mal.

Die Antwort der Empfangsdame:
Sie zuckte mit den Schultern. »Es waren nur drei Gegentore, das ist im Vergleich zu den letzten Spielen doch ein Fortschritt. Die anderen Teams sind momentan einfach besser, das muss man neidlos anerkennen.«
ist geschwätzig, und im Fehl-Ton ausgerechnet eines Radioreportes. Nicht gut.

Ein "verschwand" hast Du als "verwand" geschrieben.

Weiter so: Es wird was!


Herzlich
Abifiz


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Meine sehr kluge Signatur befindet sich noch in der Herstellungsphase. Falls keine gravierenden Inkompatibilitätsprobleme auftauchen werden, rechne ich mit ihrer Lieferung für das 1. Quartal 2034. Ich danke Ihnen für Ihr Vertrauen.
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Vaughn
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Beiträge: 11
Wohnort: Hamburg


V
Beitrag31.01.2017 15:21

von Vaughn
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Moin moin,

wie immer: vielen Dank für das Feedback.

@Abifiz
Danke für die Hinweise, hab den Fehler korrigiert und auch die Antwort der Empfangsdame etwas weniger reportermäßig abgewandelt:

"Sie zuckte mit den Schultern. »Was soll man machen... die Mainzer waren einfach besser."

Ich sehe die Vor- und Nachteile beider Varianten (mit und ohne Prolog). Letztendlich finde ich die dezente Spannung, die er vermittelt, aber gut und tatsächlich fesselnder als wenn man direkt mit dem langweiligen Alltag einsteigt. Außerdem können die Infos aus dem Prolog im späteren Verlauf ggf. genutzt werden um dem Leser zu erklären, was eigentlich passiert ist.

@Traumtänzer
Was die Ermordung Oles angeht, kann ich dir nur bedingt zustimmen. Unter der Voraussetzung, dass beide Männer professionelle, eiskalte Killer sind, die emotionslos handeln und außerdem auf die Eventualität eines ungewünschten Besuchers eingestellt sind, dann hast du sicher recht. Sie würden Ole töten und gut ist.
Diese Voraussetzungen sind aber nicht explizit gegeben. Vielleicht ist mindestens einer der Täter kein eiskalter Profi und hat Gewissensbisse und ist sich zumindest unsicher. Vielleicht sind sie sich (auf eine morbide-rationale Weise) nicht einig, ob es sinnvoll ist, Ole an Ort und Stelle zu töten oder woanders hin zu schaffen. Vielleicht sorgen sie sich um die Beseitigung der Spuren. Ich glaube es gibt zahlreiche Möglichkeiten das Verhalten der Täter zu erklären.
Die Art und Weise hab ich so gewählt um dem Leser durch Oles letzte Beobachtungen noch ein paar zusätzliche Infos mitgeben zu können.


Ich hab das erste Kapitel schon etwas fortgesetzt und werd vermutlich im Lauf der Woche ein paar Seiten davon hochladen.
Hätte allerdings eine grundsätzliche Frage zur Gliederung: Wann macht ein Kapitelwechsel Sinn bzw. wann startet man ein neues Kapitel? Wie lang sollten Kapitel in etwa sein?
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