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AKRamin Wortedrechsler
A Alter: 24 Beiträge: 68
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A 27.10.2016 09:28
von AKRamin
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An diesem Tag sah er den Schnee.
Er sah ihn dann und wann, seltener als die tristen Tropfen, die manchmal Tag um Tag vom Himmel kamen und Fäden zwischen Wolken und Erde zogen, aber wenn der Schnee nahte, spürte er es. Dann wurde es kühl an seinem kleinen Fenster, und das Weiß der Wände verblasste und das Fensterglas beschlug und dann fror er nicht mehr wegen des kalten Zimmers, sondern wegen der kalten Welt hinter der Scheibe. Wenn der Schnee kam, lächelte er. Der Schnee erinnerte ihn an etwas und auch wenn er nicht wusste, woran genau er ihn erinnerte, war es eine Erinnerung und das reichte ihm schon.
Wenn der Schnee kam, waren häufiger Blicke, häufiger Schritte, häufiger Menschen in seinem Zimmer, vielleicht Bekannte, vielleicht Fremde, er wusste es nicht. Manche von ihnen redeten mit ihm und andere sahen ihn nur an, aus wässrigen Augen, und in diesen Momenten fühlte er sich falsch, fremd, als wäre er schuld. Er wollte sich entschuldigen, aber er erinnerte sich nicht, ob er ihnen denn etwas getan hatte oder was es gewesen war, und dann verschwanden die Augen schon wieder und wenn ihn das nächste mal jemand ansah, war er sich nicht sicher, ob es dasselbe Augenpaar war. Nur eines erkannte er immer, es gehörte zu keinem Namen, aber es ließ ihn an Schnee denken und dann wollte er mehr darüber wissen, aber es fiel ihm nichts ein, was er vielleicht einmal über diese Augen gewusst hatte. Es war, als hielten seine Erinnerungen Winterschlaf, bedeckt von einer weichen Decke aus Schnee. Wenn er nach draußen sah, waren manchmal Abdrücke in dem weißen Puder, die vorher nicht da gewesen waren und genauso war es, wenn er die Schneeaugen sah, wie Abdrücke auf seine Erinnerungsdecke, die ihn an etwas denken ließen, das schon lange verschwunden war.
Vielleicht mochte er den Schnee deswegen. Weil er weich und hell und leer war, wie der Winter in seinem Kopf, und wenn die Sonne die Eiskristalle zum Leuchten brachte, wurden sie selbst für einen Moment zu Lichtern, Lichtpunkte wie seine Erinnerungen, bevor auch diese erloschen.
So, ich habe mich endlich mal an einer neuen Version versucht, hoffentlich habe ich an alles gedacht
_________________ "Don't believe that 'no' means 'no'. Believe that 'no' means 'not yet'." ~ Maggie Stiefvater |
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Seraiya Mondsüchtig
Beiträge: 924
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06.11.2016 14:46
von Seraiya
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Hallo AKRamin,
Ich habe die vorherige Version nur überflogen und die ganzen Kommentare dazu nicht gelesen.
Die Idee finde ich schön, die Umsetzung (noch) nicht so.
Ein Synonym für "sehen" wäre unter anderem nicht schlecht.
Die "vielen" war und aber könnte man leicht ändern und den Text somit in meinen Augen ansprechender gestalten. Vielleicht ist das auch Stilmittel, ich weiß es nicht und für mich funktioniert es leider nicht.
Ansonsten gerne gelesen.
Zitat: | An diesem Tag sah er den Schnee.
Er sah ihn dann und wann, seltener als die tristen Tropfen, die manchmal Tag um Tag vom Himmel kamen und Fäden zwischen Wolken und Erde zogen, aber wenn der Schnee nahte, spürte er es. <- Das Bild der Tropfen, die Fäden ziehen, ist klasse, doch der Satz ost mir an sich zu lang und die Funktion des "aber" bleibt mir noch unklar. Dann wurde es kühl an seinem kleinen Fenster, und das Weiß der Wände verblasste und das Fensterglas beschlug und dann fror er nicht mehr wegen des kalten Zimmers, sondern wegen der kalten Welt hinter der Scheibe. <- das würde ich streichen Wenn der Schnee kam, lächelte er. <- liest sich, als würde der Schnee lächeln. Der Schnee <- insgesamt wird das Wort "Schnee" mMn überstrapaziert, was wohl auch daran liegt, dass der Prota keinen Namen hat und die Falle des Bezuges von "er" stellt. erinnerte ihn an etwas und auch wenn er nicht wusste, woran genau er ihn erinnerte, <- könnte raus war es eine Erinnerung und das reichte ihm schon. <- das sollte mMn auch raus, es würde den Satz kräftiger machen.
Wenn der Schnee kam, waren häufiger Blicke, häufiger <- könnte auch weg Schritte, häufiger Menschen in seinem Zimmer, vielleicht Bekannte, vielleicht Fremde, er wusste es nicht. Manche von ihnen redeten mit ihm und andere sahen ihn nur an, aus wässrigen Augen, und in diesen Momenten fühlte er sich falsch, fremd, als wäre er schuld. Er wollte sich entschuldigen, aber er erinnerte sich nicht, ob er ihnen denn etwas getan hatte oder was es gewesen war, <- das "aber" vermittelt hier, dass er sich nun nicht entschuldigt, weil er sich nicht an die Tat erinnern kann. Dabei ist es wohl mehr als das. und dann verschwanden die Augen schon <- kann raus wieder und wenn ihn das nächste mal <- groß jemand ansah, war er sich nicht sicher, ob es dasselbe Augenpaar war. Nur eines erkannte er immer, es gehörte zu keinem Namen, aber es ließ ihn an Schnee denken und dann wollte er mehr darüber wissen, aber es fiel ihm nichts ein, was er vielleicht einmal über diese Augen gewusst hatte. Es war, als hielten seine Erinnerungen Winterschlaf, bedeckt von einer weichen Decke aus Schnee. Wenn er nach draußen sah, waren manchmal Abdrücke in dem weißen Puder, die vorher nicht da gewesen waren und genauso war es, wenn er die Schneeaugen sah, wie Abdrücke auf seine Erinnerungsdecke, die ihn an etwas denken ließen, das schon lange verschwunden war.
Vielleicht mochte er den Schnee deswegen. Weil er weich und hell und leer war, wie der Winter in seinem Kopf, und wenn die Sonne die Eiskristalle zum Leuchten brachte, wurden sie selbst für einen Moment zu Lichtern, Lichtpunkte <- doppelt gemoppelt wie seine Erinnerungen, bevor auch diese erloschen. |
Vielleicht ist etwas Hilfreiches dabei.
LG,
Seraiya
_________________ "Some people leave footprints on our hearts. Others make us want to leave footprints on their faces." |
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AKRamin Wortedrechsler
A Alter: 24 Beiträge: 68
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A 06.11.2016 19:06
von AKRamin
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Danke für dein Feedback, ich versuch mich mal dran ^o^
_________________ "Don't believe that 'no' means 'no'. Believe that 'no' means 'not yet'." ~ Maggie Stiefvater |
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sleepless_lives Schall und Wahn
Administrator Alter: 58 Beiträge: 6458 Wohnort: München
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06.11.2016 21:31
von sleepless_lives
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Halt, keine neuen Versionen mehr. Die ist es. Du hast wohl zwischen dieser und der letzten einen großen Schluck vom Brunnen des Guten Schreibens getrunken. Kleinigkeiten könnten vielleicht noch sanft poliert werden (z.B. Wortwiederholungen vermieden werden, siehe unten), aber auch das ist nicht von großer Wichtigkeit. Man weiß auch nie, ob solche Korrekturen nicht dem Text an Wirkung nehmen.
Ich mag im Allgemeinen keine Texte über Demenz, weil sie inzwischen ein Stereotyp geworden sind und weil jeder glaubt, zu wissen, was in einem dementen Menschen vorgeht, ohne es erfahren zu haben. In gewisser Weise wird die Demenz und die von ihr betroffenen Menschen benutzt (im Sinne von ausgenutzt), um rührselige Geschichten zu erzählen, um mit bestimmten Emotionen die Leser zu manipulieren, ohne ernsthaft die Rolle des Erkrankten einzunehmen. Die können sich ja auch nicht wehren und selbst eine Geschichte aus ihrer Sicht schreiben. Aber deine Geschichte hatte schon in ihrer ersten Version eine ruhige Balance zwischen den Polen und in ihrer jetzigen Version geht sie weit über Demenz hinaus. In der Tat braucht es den Kontext nicht mehr unbedingt, der Protagonist könnte auch eine Metapher für den Menschen im 21. Jahrhundert generell sein oder die Geschichte für andere Arten von Einschränkungen des Lebens und Verlust von Vergangenheit oder Tradition stehen.
Natürlich ist der Wechsel zu Vergangenheitsform irgendwie widersinnig. Wer sich nicht erinnern kann, lebt in einem ewigen Präsens. Die Vergangenheitsform suggeriert einen Blickpunkt von außerhalb, aber du erzählst personal von innen, ganz nah dran am Protagonisten und der schaut sicher nicht irgendwann zurück auf seine Demenz. Aber jetzt steht es so dar und es würde zu viel an Änderungen bedeuten, sie ins Präsens zu setzen.
Hier noch das Beispiel für kleine (oder kleinliche) Korrekturen, aber wie oben erwähnt, die Gefahr besteht, dass sie deinen eigenen Stil unterminieren:
Zitat: | Der Schnee erinnerte ihn an etwas und auch wenn er nicht wusste, woran genau er ihn erinnerte, es war eine Erinnerung und das reichte ihm schon. |
_________________ Es sollte endlich Klarheit darüber bestehen, dass es uns nicht zukommt, Wirklichkeit zu liefern, sondern Anspielungen auf ein Denkbares zu erfinden, das nicht dargestellt werden kann. (Jean-François Lyotard)
If you had a million Shakespeares, could they write like a monkey? (Steven Wright) |
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AKRamin Wortedrechsler
A Alter: 24 Beiträge: 68
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Wortwörtlich Leseratte
Beiträge: 144 Wohnort: Basel
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07.01.2017 20:17
von Wortwörtlich
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Hi AKRamin
ich habe nicht alle einzelnen Kommentare und die daraus resultierenden Versionen Deines Textes gelesen, sondern nur die Ursprungsversion und die ersten Kommentare - ich war über die harsche Kritik der ersten Kommentare ziemlich erstaunt. Damit hatte ich nicht gerechnet.
Ich jedenfalls fand schon die Ursprungsversion besser als sehr, sehr vieles, was man hier so zu lesen bekommt. Ich bin für einen Moment in diese Stimmung eingetaucht, war selbst ratlos, worum es geht (so wie der Protagonist eben auch), habe versucht, die Bilder zusammenzuhalten oder auch nur zu ordnen, und es ist mir zuerst einmal nicht gelungen. Genau deshalb sind auch die Wiederholungen alles andere als unsinnig oder - wie hier moniert wurde - gar unlesbar. Sie gehören zum Thema Deines Textes.
Die Verbindung zwischen dem Demenz-Thema und den Wiederholungen (dass beispielsweise viele Sätze mit "Er" anfangen, macht in dem Kontext total Sinn! Man sollte mal mit Demenzkranken reden - diese Menschen sind irgendwann nur noch bei sich...), dem Bild (Schnee), der grossen Ratlosigkeit, all das ist sehr gelungen.
Die Krux bei so einem Forum ist eben, dass die Leute, die die Texte lesen und kommentieren, so heterogen sind wie die Bücher in den Regalen der Buchhandlungen, mit einer sogar noch breiteren Streuung, weil hier ja auch viele schreiben, die jenseits der Buchhandelsregale unterwegs sind. Ich finde, das muss man bei der Be- und Verwertung der Rückmeldungen immer im Auge behalten, um seinen Text nachher nicht zu etwas zu machen, das diese ganze Bandbreite befriedigen soll.
Herzlich und gespannt, wie es weitergeht
Wortwörtlich
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AKRamin Wortedrechsler
A Alter: 24 Beiträge: 68
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nicefly Erklärbär
Alter: 42 Beiträge: 3 Wohnort: österreich
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14.01.2017 23:20
von nicefly
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Lieber AKRamin, ich erlaube mich auch Dir eine Antwort zu geben. Ich bin Italienerin und mein Deutsch ist nicht perfekt, aber ich liebe Bücher und Lesen.
Dein Text ist interessant, aber leider ohne Ereignisse und das wirkt auf mich etwas langweilig. Ich würde es spannender finden, wenn es darin eine Handlung gäbe.
Zum Beispiel:
Eine junge Frau ging an seinem Fenster vorbei, er vergaß schnell ihre Umrisse. Nur die Fußspuren erinnerten ihn, dass jemand, mit kleinere Füße als er, vorbei gegangen war. Alle anderen Details waren verschwunden, als wären sie für immer begraben unter eine dicke Schicht Neuschnee.
Ich empfehle Dir das Buch "Überraschung", eine Sammlung von Sekundenstories. Ich denke, dieses Buch definiert am Besten Kurzgeschichten.
Und hier, einfach so, meine Kurzgeschichte über Schnee.
Mein Nachbar H. liebt seine Schneefrese. Jedes mal, wenn ich den Motor der dämliche Maschine starten höre, schnelle ans Fenster. Er schiebt sie einige Minuten und hebt die Hand mit einem "Grias di", wenn Menschen vorbei kommen. Dann merkt er dass die Mündung genau hinter ihn gerichtet ist, flucht und richtet sie zur Seite. Nun senkt er leicht den Kopf und schiebt weiter, demütig.
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