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Stehen bei Dessau


 
 
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Klemens_Fitte
Geschlecht:männlichSpreu

Alter: 41
Beiträge: 2932
Wohnort: zuckerstudio waldbrunn


Beitrag05.12.2016 22:55
Stehen bei Dessau
von Klemens_Fitte
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Stehen bei Dessau





Wird später. Vollsperrung wegen LKW-Unfall.

Er schob das Handy zurück in die Hosentasche, ließ den Rucksack von der Schulter gleiten und setzte sich ein wenig abseits des Geschehens auf eine Bank. Menschen eilten vorüber, manche zogen Koffer, andere Kinder hinter sich her. Unter der Anzeigetafel herrschte Gedränge: ein Knäuel aus Menschen und Gepäckstücken, das an den Rändern in einzelne greifbare Bilder ausfranste – ein Kind drückte matschiges Fruchtfleisch aus einer Bananenschale, ein Mann mit Basecap und schlohweißem Haar leuchtete den Inhalt eines Müllbehälters aus, eine junge Frau mit nachlässig gebundener Frisur und zerrissenen Jeans säuberte mit Zeigefinger und Daumen eine Dose Heringsfilets in Tomatensauce.
Er mochte den Busbahnhof, hatte ihn schon immer gemocht, er war ihm lieber als der Hauptbahnhof und besonders die Flughäfen, womöglich, weil die Welt hier noch nicht so nah herangerückt war: jede Stadt, deren Namen er auf der Anzeigetafel oder den ankommenden und abfahrenden Bussen las, war kleiner als die, in der er sich befand. Man kam nicht aus New York oder Tokyo; wer hier eintraf, kam aus der Provinz. Die Menschen mit ihren müden Gesichtern stiegen aus den Reisebussen, warteten auf ihr Gepäck und entfernten sich, um im Takt der U- und S-Bahnen in den Kreislauf der Stadt verteilt zu werden oder mit ihren vielfältigen Erwartungen und Biografien die Stadt zu beleben; eine dieser trügerisch schönen Vorstellungen, die er bisweilen auf den Seiten seines Notizbuchs festhielt und ihr in Briefen oder Kurznachrichten schickte, als bekäme er damit den Charakter dieser Stadt zu fassen, als gäbe es in diesen trügerisch schönen Sätzen irgendetwas, das ihr die tatsächliche Stadt ersetzen könnte, von der sie sich vor Jahren hatte verabschieden müssen.
Als sie ihn zum ersten Mal besucht hatte – wenige Tage nur; das Rückfahrticket hatte sie bereits mitgebracht – hatte sie beim Aussteigen aus der U-Bahn auf dem Bahnsteig innegehalten und einige tiefe Atemzüge getan, gesagt, der Geruch habe sich nicht verändert; überhaupt seien Gerüche die körperlichste Form von Erinnerungen, diejenige, der man sich am wenigsten entziehen könne, und der Geruch in U-Bahnhöfen sei einer, der stets gleich bleibe, der einem die Illusion biete, nie weg gewesen zu sein – und es würde sie nicht wundern, wenn die Stadt, an deren Oberfläche sie gleich kämen, noch dieselbe sei wie damals; wenn die Läden und die Kneipen noch dieselben seien, das Licht und die Geräusche in den Straßen, und wenn ihr beim Gehen durch die Straßen aus dem Strom der Passanten vertraute Gesichter entgegenblitzen würden – die Gesichter jener Menschen, mit denen sie damals in der WG gewohnt habe, bevor ihr Stadtleben ein jähes Ende gefunden habe. Er hatte nichts erwidert, schweigend hatten sie die Rolltreppe genommen und die Strecke zu seiner Wohnung zurückgelegt, er hatte Tee gekocht, sie hatte vor seinem Bücherregal gestanden und Buch um Buch herausgezogen – Bücher, die er seit Jahren nicht mehr anrührte, die er einst fürs Studium gekauft und für die er inzwischen keine Verwendung mehr hatte. Minutenlang hatte sie die Bände mit den Vorlesungsverzeichnissen durchgeblättert und nach den Namen von Professoren gesucht, die bereits zu ihrer Zeit dort gelehrt hatten. Mehrfach war ihm während ihres Besuchs seine Wohnung unerträglich geworden, all das, was er sonst als gegeben hinnahm, war ihm unerträglich geworden: die staubigen Bücher, die alten Möbel, das Geschirr, das gerade einmal für sie beide reichte, der Schrank mit den ungeordneten Papieren und den ungeöffneten Schreiben, der Schreck, der ihn zusammenzucken ließ, wenn es an der Haustür klingelte oder die Post durch den Briefschlitz in den Flur fiel, diese äußeren und nicht zu leugnenden Merkmale seines Daseins, die sich zu einem Kloß im Hals zusammengezogen und es ihm unmöglich gemacht hatten, das zu formulieren, was er ihr hätte sagen sollen. Als er sie ein paar Tage später wieder zum Busbahnhof gebracht hatte, war ein Kind – es mochte drei Jahre alt gewesen sein; er hatte wenig Erfahrung darin, das Alter von Kindern zu schätzen – auf unsicheren Beinen durch den Mittelgang der U-Bahn gelaufen, und als es beim Anfahren der Bahn ins Wanken geraten war, hatte es sich mit einer Hand auf seinem Knie abgestützt, als wäre nichts dabei gewesen.

Stehen jetzt irgendwo bei Dessau.

Er stellte sich den Fernbus vor, der irgendwo bei Dessau stand und sich nicht vom Fleck rührte, verharrte, zum Epizentrum eines Erstarrens wurde, das sich stetig ausbreitete, bis schließlich der gesamte Kreislauf auf Schienen und Straßen zum Erliegen kam, während er seinen Blick von der Anzeigetafel abwandte und aufstand, den Rucksack schulterte und den Busbahnhof verließ, die Straße kreuzte, über eine Leitplanke kletterte und eine Böschung hinabstieg, einen Graben durchquerte und auf der anderen Seite eine Böschung erklomm, über eine Leitplanke kletterte und den Busbahnhof, das Messegebäude und schließlich die Stadt hinter sich ließ; und er stellte sich vor, wie er auf einer Autobahn voll regloser Fahrzeuge die Richtung nach Dessau einschlug, so dass aus einer Wartezeit von einhundertzwanzig Minuten eine Zeitspanne von mehreren Stunden wurde, von einem Tag, der zur Nacht wurde, von einer Nacht, die zum Tag wurde, und die Menge dessen, was er in diesen einhundertzwanzig Minuten hätte denken oder formulieren können, um ein Vielfaches vergrößert wurde; wie in den Dörfern, die er auf seinem Weg passierte, Menschen ihrem Leben nachgingen, in Häusern, die er von fern sah und aus deren Schornsteinen Rauch quoll oder in deren Fenstern Lichter brannten, weil dort Menschen lebten, für die gerade eine Minute, eine Stunde, ein Tag vergingen, während er sich in ebenso quälender wie tröstender Langsamkeit auf einen bei Dessau stehenden Fernbus zubewegte und feststellte, dass alles, was er in dieser um ein Vielfaches verlängerten Zeitspanne denken könnte, in den Gedanken und Biografien der Menschen fragmentiert wurde, deren Häuser er passierte, weil jeder von ihnen einen anderen Ausschnitt des Weges sah, den er zurücklegte und der die Voraussetzung für alles war, was diese Menschen über ihn denken könnten, und weil jeder dieser Menschen eine eigene Version des Gesehenen hatte, die in seiner Biografie gründete; weil jeder von ihnen eine eigene Biografie besaß, die dafür verantwortlich war, dass er in genau diesem Haus in genau diesem Dorf lebte und nicht am Busbahnhof nach Pfandflaschen suchte oder sich zwischen den Überbleibseln seines Studiums in eine Altbauwohnung zurückgezogen hatte oder in einem Fernbus saß, der durch eine Fügung des Schicksals oder als Konsequenz eines nicht mehr nachvollziehbaren Gedankenspiels zum Stillstand verdammt bei Dessau stand, eine Biografie, die dazu führte, dass ihm keiner dieser Menschen beim Zusammensetzen dessen, was er ihr sagen sollte, würde helfen können, weil sie keine Vorstellung davon hatten, wie es war, sich in der Stadt zu verlieren, sich in einem Dasein einzurichten, das lediglich Platz für einen Menschen bot und restlos in dessen Verschwinden aufgehen würde.

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llll
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Beitrag06.12.2016 02:02

von llll
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Grandios !!! Prosa as Prosa can !!!
Da ist kein Entkommen :
Die Sprache fließt breit und stetig dahin,
ein Satzteil ergibt den nächsten, einerseits eigentlich schlicht
aber gleichzeitig echt sogartig, so als gäbe es keine Punkte
nur einen einzigen am Ende... >>> TOLL !!!
Und sehr sehr stimmungsvoll !
Virtuose Verflechtungen von Vergangenheit/Erinnerungen und absurder Gegenwart :
wie in Trance querfeldein dem Bus bei Dessau entgegen zu gehen,
um das "Epizentrum" der sich ausbreitenden "Erstarrung" aufzusuchen....
Grandiose Formulierung bzw. Empfindung bzw. Vision !!!
( Ich werd in Zukunft bei Staus an diesen Text denken.... )
Und sehr sehr anrührend, dass einer,
der doch so randvoll Gedanken ist,
nicht weiß, was er ihr hätte sagen sollen....
Nur eine äußerliche Kleinigkeit :
"...., war ein Kind - es mochte drei Jahre alt gewesen sein ( er hatte wenig Erfahrung darin,
das Alter von Kindern zu schätzen ) - auf unsicheren Beinen
durch den Mittelgang der U-Bahn gelaufen, und als es beim Anfahren der Bahn
ins Wanken geraten war, hatte es sich mit einer Hand auf seinem Knie abgestützt,
als wäre nichts dabei gewesen. "
evtl. müssen da irgendwie Gedankenstriche samt Klammern verwendet werden, oder ?
Auch dieses zufällige Detailgeschehen ist ein weiteres bedeutungsvolles Beispiel
in der nahtlosen Kette aller andern, wie dieser hochsensible Prota
nie und nimmer finden kann, bei irgendetwas dieser Welt und dieses Lebens sei "nichts dabei"....
Und alle Berührungsängste dieser geheimnisvollen Er-Sie Beziehung sind in dieses kleine Detailgeschehen verpackt !
Nur den allerletzten Satz, dessen "Verschwinden" ich eigentlich sehr schön
und als Abschluss überaus passend finde, durchschaue ich nicht recht und frage :
Wer oder was geht restlos in wessen Verschwinden auf ?
Das durchschaue ich syntaktisch bis jetzt nicht :-/
Insgesamt bewundere ich den Text so wie er hier steht als in sich abgeschlossenes,
vielsagendes, alles enthaltendes Prosa-Bild einer Beziehung
zweier höchst unalltäglicher Charaktere inmitten des Alltäglichsten
und würde andererseits noch GERNE 300-400 Seiten so weiterlesen, ehrlich !
Chapeau le plus bas !
llll
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nebenfluss
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Beitrag06.12.2016 04:44

von nebenfluss
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Mir scheint es gerade so etwas wie Fügung, dass ich diesen Text morgens um 3 lese, etwa eine Stunde, nachdem ich mir verrückterweise einen Kaffee kochte, weil das Rumgependel zwischen den Zuständen Nicht-Schlafen-Wollen und Nicht-Schlafen-Können drohte, meine Nerven zu ruinieren. Und so erlebe ich gerade einen dieser kostbaren Momente, in denen man sich tatsächlich wach fühlt, wenn du verstehst was ich meine, auch wenn das eigentlich sehr unwahrscheinlich ist. Nicht, dass du verstehst, was ich meine, das setze ich bei dir jetzt einfach mal voraus, sondern dieses Wachsein um diese Uhrzeit, da ist schon ein gewisses Misstrauen angesagt, und somit auch gegenüber meiner nun folgenden Aussage, dass morgens um 3 die einzig wahre Uhrzeit ist, um diesen Text über die Einsamkeit und das Verlorengehen zu lesen.
Könnte mir eine Fortsetzung gut vorstellen.

Man soll ja keine Textarbeit machen im Feedback, aber da ich (1) gerade so selten hellwach bin, (2) das Bisherige wohl selbst großzügigst auch nicht als qualifiziertes Feedback einzutüten ist, ich (3) ein gewisses Unbehagen bei dem Gedanken empfinde, ich könnte irgendwann erneut in diesen Thread schauen und nichts anderes von mir finden als eben das eben, handelt es sich quasi um eine akute Notlage.

Weil es das Konzept wohl nicht allzusehr stört, schlage ich vor, an dieser Stelle (letzter Absatz, erste Station hinter Mitte) doch mal einen Punkt zu setzen.
Zitat:
weil dort Menschen lebten, für die gerade eine Minute, eine Stunde, ein Tag vergingen, während er sich in ebenso quälender wie tröstender Langsamkeit auf einen bei Dessau stehenden Fernbus zubewegte.

und zwar
1. weil der Satz sich schließt - er hört mit den Fernbus auf, mit dem er begonnen hat.
2. zum Luftholen, weil das Folgende (seine Gedanken, die sich in den Gedanken und Biografien anderer fragmentieren) selbst einem hellwachen Geist eine erhöhte Aufmerksamkeit abverlangt.
Schlage weiterhin zwei Streichungen im Rest vor:
Zitat:
dass alles, was er in dieser um ein Vielfaches verlängerten Zeitspanne denken könnte

wurde schon gesagt
Zitat:
der durch eine Fügung des Schicksals oder als Konsequenz eines nicht mehr nachvollziehbaren Gedankenspiels zum Stillstand verdammt bei Dessau stand

musst du natürlich und wie immer selbst entscheiden, aber mich stört das szs Ent-Romantisierende an der Betonung, dass er sein Gedankenspiel nicht mehr nachvollziehen kann.

Ansonsten perfekt.
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Abifiz
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Beitrag06.12.2016 06:05

von Abifiz
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Grandios! Atmosphärisch hervorragend.

Sehr gelungen. Vor allem die letzte Passage gehört (mit winzigsten Abstrichen) mit zum Besten, was ich in den letzten Jahren überhaupt gelesen habe.

Ich kopiere den ganzen Text in den nächsten Beitrags-Formular und überlege mir, wie ich meine wenigen Korrekturvorschläge dort einbringe, so wie ich es hier von anderen Forenten allmählich lerne, oder vielleicht gar "gelernt habe".


@Nebenfluss

Leider hab' auch ich heute nacht nicht schlafen können, trotz zweier Versuche... So läuft es halt...


Herzlich
Abifiz
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Abifiz
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Wohnort: Deutschland, in Nähe von Marburg seit 2007


Beitrag06.12.2016 07:43

von Abifiz
Antworten mit Zitat



Wird später. Vollsperrung wegen LKW-Unfall.


Er schob das Handy zurück in die Hosentasche, ließ den Rucksack von der Schulter gleiten und setzte sich ein wenig abseits des Geschehens auf eine Bank. Menschen eilten vorüber, manche zogen Koffer, andere Kinder hinter sich her. Unter der Anzeigetafel herrschte Gedränge: ein Knäuel aus Menschen und Gepäckstücken, das an den Rändern in einzelne greifbare Bilder ausfranste – ein Kind drückte matschiges Fruchtfleisch aus einer Bananenschale, ein Mann mit Basecap und schlohweißem Haar leuchtete den Inhalt eines Müllbehälters aus, eine junge Frau mit nachlässig gebundener Frisur und zerrissenen Jeans säuberte mit Zeigefinger und Daumen eine Dose Heringsfilets in Tomatensauce.
Er mochte den Busbahnhof, hatte ihn schon immer gemocht, er war ihm lieber als der Hauptbahnhof und besonders die Flughäfen, (winzige stilistische Diskrepanz: Bis zu dieser Stelle ergibt sich alles unmittelbar, während "die" Flughäfen abstrakter, ausgreifender ist/sind. Mein Vorschlag dazu -- ohne Artikel --  hier anschließend in Blau) (als der Hauptbahnhof oder gar Flughäfen,) womöglich, weil die Welt hier noch nicht so (vielleicht bedrängend nah?) nah herangerückt war: jede Stadt, deren Namen er auf der Anzeigetafel oder den ankommenden und abfahrenden Bussen las, war kleiner als die, in der er sich befand. Man kam nicht aus New York oder Tokyo; wer hier eintraf, kam aus der Provinz. Die Menschen mit ihren müden Gesichtern stiegen aus den Reisebussen, warteten auf ihr Gepäck und entfernten sich, um im Takt der U- und S-Bahnen in den Kreislauf der Stadt verteilt zu werden, ; oder mit ihren vielfältigen Erwartungen und Biografien die Stadt zu beleben; eine dieser trügerisch schönen Vorstellungen, die er bisweilen auf den Seiten seines Notizbuchs festhielt und ihr in Briefen oder Kurznachrichten schickte (kleine Diskrepanz: Vorstellungen kann man nicht schicken. Folgt ein möglicher Vorschlag unter mehreren möglichen) (festhielt und auf sie mit seinen Briefen und Kurznachrichten zu übertragen versuchte), als bekäme er damit den Charakter dieser Stadt zu fassen, als gäbe es in diesen jenen trügerisch schönen Sätzen irgendetwas, das ihr die tatsächliche (reale?) Stadt ersetzen könnte, von der sie sich vor Jahren hatte verabschieden müssen.
Als sie ihn zum ersten Mal besucht hatte – wenige Tage nur; das Rückfahrticket hatte sie bereits mitgebracht – hatte sie beim Aussteigen aus der U-Bahn auf dem Bahnsteig innegehalten und einige tiefe Atemzüge getan, ; gesagt, der Geruch habe sich nicht verändert; überhaupt seien Gerüche die körperlichste Form von Erinnerungen, diejenige, der man sich am wenigsten entziehen könne, und der Geruch in U-Bahnhöfen sei einer, der stets gleich bleibe, der einem die Illusion biete, nie weg gewesen zu sein – und es würde sie nicht wundern, wenn die Stadt, an deren Oberfläche sie gleich kämen, noch dieselbe sei wie damals; wenn die Läden und die Kneipen noch dieselben seien, das Licht und die Geräusche in den Straßen, und wenn ihr beim Gehen durch die Straßen aus dem Strom der Passanten vertraute Gesichter entgegenblitzen würden – die Gesichter jener Menschen, mit denen sie damals in der WG gewohnt habe, bevor ihr Stadtleben ein jähes Ende gefunden habe (der Konjunktiv ist hier -- halt nach meinem Eindruck -- unbegründet und störend) (mit denen sie damals in der WG gewohnt hatte, bevor ihr Stadtleben ein jähes Ende fand). Er hatte nichts erwidert, ;  schweigend hatten sie die Rolltreppe genommen und die Strecke zu seiner Wohnung zurückgelegt, er hatte Tee gekocht, sie hatte vor seinem Bücherregal gestanden und Buch um Buch herausgezogen – Bücher, die er seit Jahren nicht mehr anrührte, die er einst fürs Studium gekauft und für die er inzwischen keine Verwendung mehr hatte. Minutenlang hatte sie die Bände mit den Vorlesungsverzeichnissen durchgeblättert und nach den Namen von Professoren gesucht, die bereits zu ihrer Zeit dort gelehrt hatten. Mehrfach (völlig unpassend. Freier Vorschlag folgend) (Seine Wohnung war ihm während ihres Besuchs seine Wohnung  beinah unerträglich geworden damit, mit dem "beinah" ist die Sache glaubwürdiger, und steigert sich beim zweiten "unerträglich"), ; all das, was er sonst als gegeben hinnahm, war ihm unerträglich geworden: die staubigen Bücher, die alten Möbel, das Geschirr, das gerade einmal für sie beide reichte gereicht hatte, der Schrank mit den ungeordneten Papieren und den ungeöffneten Schreiben, ; der Schreck, der ihn zusammenzucken ließ, wenn es an der Haustür klingelte oder die Post durch den Briefschlitz in den Flur fiel, ; diese äußeren und nicht zu leugnenden (, bleiernen?) Merkmale seines Daseins, die sich zu einem Kloß im Hals zusammengezogen und es ihm unmöglich gemacht hatten, das zu formulieren, was er ihr hätte sagen sollen. Als er sie ein paar Tage später wieder zum Busbahnhof gebracht hatte, war ein Kind – es mochte drei Jahre alt gewesen sein; er hatte wenig Erfahrung darin, das Alter von Kindern zu schätzen – auf unsicheren Beinen durch den Mittelgang der U-Bahn-Passage (oder andere Präzisierung) gelaufen, und als es beim Anfahren der Bahn ins Wanken geraten war, hatte es sich mit einer Hand auf seinem eigenen Knie abgestützt, als wäre nichts dabei gewesen.

Stehen jetzt irgendwo bei Dessau.


Er stellte sich den Fernbus vor, der irgendwo bei Dessau stand und sich nicht vom Fleck rührte, verharrte, zum Epizentrum eines Erstarrens wurde, das sich stetig ausbreitete, bis schließlich der gesamte Kreislauf auf Schienen und Straßen zum Erliegen kam, während er seinen Blick von der Anzeigetafel abwandte und aufstand, den Rucksack schulterte und den Busbahnhof verließ, die Straße kreuzte, über eine Leitplanke kletterte und eine Böschung hinabstieg, einen Graben durchquerte und auf der anderen Seite eine Böschung erklomm, über eine Leitplanke kletterte und den Busbahnhof, das Messegebäude und schließlich die Stadt hinter sich ließ; und er stellte sich vor, wie er auf einer Autobahn voll regloser Fahrzeuge die Richtung nach Dessau einschlug, so dass aus einer Wartezeit von einhundertzwanzig Minuten eine Zeitspanne von mehreren Stunden wurde, von einem Tag, der zur Nacht wurde, von einer Nacht, die zum Tag wurde, und die Menge dessen, was er in diesen einhundertzwanzig Minuten hätte denken oder formulieren können, um ein Vielfaches vergrößert wurde; wie in den Dörfern, die er auf seinem Weg passierte, Menschen ihrem Leben nachgingen, in Häusern, die er von fern sah, ; und aus deren Schornsteinen Rauch quoll, ; oder in deren Fenstern Lichter brannten, weil dort Menschen lebten, für die gerade eine Minute, eine Stunde, ein Tag vergingen, während er sich in ebenso quälender wie tröstender Langsamkeit auf einen bei Dessau stehenden Fernbus zubewegte und feststellte, dass alles, was er in dieser um ein Vielfaches verlängerten Zeitspanne denken könnte, in den Gedanken und Biografien der Menschen fragmentiert wurde, deren Häuser er passierte, weil jeder von ihnen einen anderen Ausschnitt des Weges sah, den er zurücklegte und der die Voraussetzung für alles war, was diese Menschen über ihn denken könnten (etwas schwach und zu viele "können". Hier schlage ich Konjunktiv vor) dächten, und weil jeder dieser Menschen eine eigene Version des Gesehenen hatte, die in seiner der eigenen Biografie gründete; weil (schwach nach meinem Eindruck) jeder von ihnen eine eigene Biografie besaß (hier mein Gegenvorschlag zum "weil": jeder von ihnen im Besitz einer eigenen Biografie), die dafür verantwortlich war, dass er dieser in genau diesem dem Haus in genau diesem dem Dorf lebte und nicht am Busbahnhof nach Pfandflaschen suchte oder sich zwischen den Überbleibseln seines Studiums in eine Altbauwohnung zurückgezogen hatte oder in einem Fernbus saß, der durch eine Fügung des Schicksals oder als Konsequenz eines nicht mehr nachvollziehbaren Gedankenspiels zum Stillstand verdammt bei Dessau stand, ; eine Biografie Biografien, die dazu führten, dass ihm selber keiner dieser Menschen beim Zusammensetzen (etwas schwach. Folgt ein möglicher Vorschlag unter mehreren möglichen) Zusammenschnüren dessen, was er ihr sagen sollte, würde helfen können, weil sie keine Vorstellung davon hatten, wie es war, sich in der Stadt zu verlieren, sich in einem Dasein einzurichten, das lediglich Platz für einen Menschen bot und restlos in dessen Verschwinden aufgehen würde.



@Inkognito

Ich hoffe, Du nimmst mir mein "Mich-Reinmengen" nicht übel... Cool

Und noch etwas: Du bist ein Schriftsteller im echten Sinne des Wortes, und ohne jedes Wenn und Aber.
Danke für diesen Text!
   



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Klemens_Fitte
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Beitrag06.12.2016 08:36

von Klemens_Fitte
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hier sind ja schon einige Kommentare zusammengekommen. Ich bin freudig überrascht.

@llll
Ein so überschwängliches Lob freut natürlich. Du greifst in deinem Kommentar einiges auf, das mir selbst beim Schreiben wichtig war, ein Hinweis darauf, dass der Text in seiner Anlage und Ausführung funktioniert.
Zu deinen Anmerkungen:
llll hat Folgendes geschrieben:
Nur eine äußerliche Kleinigkeit :
"...., war ein Kind - es mochte drei Jahre alt gewesen sein ( er hatte wenig Erfahrung darin,
das Alter von Kindern zu schätzen ) - auf unsicheren Beinen
durch den Mittelgang der U-Bahn gelaufen, und als es beim Anfahren der Bahn
ins Wanken geraten war, hatte es sich mit einer Hand auf seinem Knie abgestützt,
als wäre nichts dabei gewesen. "
evtl. müssen da irgendwie Gedankenstriche samt Klammern verwendet werden, oder ?

Kann man sicher auch machen. Ich bin kein großer Freund von Klammern und verwende sie äußerst selten. An dieser Stelle käme mir dieser Satz, würde man ihn einklammern, wie ein Kommentar des Autors vor – den Eindruck möchte ich gern vermeiden.

llll hat Folgendes geschrieben:
Nur den allerletzten Satz, dessen "Verschwinden" ich eigentlich sehr schön
und als Abschluss überaus passend finde, durchschaue ich nicht recht und frage :
Wer oder was geht restlos in wessen Verschwinden auf ?
Das durchschaue ich syntaktisch bis jetzt nicht :-/

Gemeint ist: Ein Dasein, das lediglich Platz für einen Menschen bietet und restlos im Verschwinden dieses Menschen aufgehen würde. Das Dasein dieses Menschen hinterlässt sozusagen keine Spuren, sobald der Mensch verschwindet.

Danke für deinen Kommentar, der mich sehr gefreut hat.

@nebenfluss:

Ich lese den ersten Absatz deines Kommentars einfach mal als Ausdruck des Gefallens, das nehme ich mir jetzt heraus, obwohl ich sicher bin, nachts um drei schon sehr viele sehr schlechte Texte gelesen (und zuweilen auch geschrieben) und mir dabei gedacht zu haben, nachts um drei sei wohl die einzig vertretbare Zeit für die Lektüre eines solchen Textes, aber na ja, dann hätte dein Kommentar eventuell anders ausgesehen.

Zu deinen Anmerkungen:
nebenfluss hat Folgendes geschrieben:

Weil es das Konzept wohl nicht allzusehr stört, schlage ich vor, an dieser Stelle (letzter Absatz, erste Station hinter Mitte) doch mal einen Punkt zu setzen.
Zitat:
weil dort Menschen lebten, für die gerade eine Minute, eine Stunde, ein Tag vergingen, während er sich in ebenso quälender wie tröstender Langsamkeit auf einen bei Dessau stehenden Fernbus zubewegte.

und zwar
1. weil der Satz sich schließt - er hört mit den Fernbus auf, mit dem er begonnen hat.
2. zum Luftholen, weil das Folgende (seine Gedanken, die sich in den Gedanken und Biografien anderer fragmentieren) selbst einem hellwachen Geist eine erhöhte Aufmerksamkeit abverlangt.

Hm … ich glaube, mein Konzept würde es schon stören, ging es mir doch gerade darum, diesen Absatz ohne Punkt und Komma zu schreiben – ob mir das gelungen ist, lasse ich mal dahingestellt, aber ich bin mir auch nicht sicher, ob die Länge einem Leser nicht grade dann störend auffallen würde, wenn er an dieser Stelle eine Pause machen dürfte/müsste. Für mich hat der Absatz etwas von: Augen zu und durch. Die Frage ist ja auch, ob ich den intendierten Sog danach noch einmal aufnehmen könnte. Und da der Fernbus im Absatz noch einmal vorkommt, lese ich das auch nicht zwingend als Klammer oder etwas, das sich an dieser Stelle schließt.

nebenfluss hat Folgendes geschrieben:
Schlage weiterhin zwei Streichungen im Rest vor:
Zitat:
dass alles, was er in dieser um ein Vielfaches verlängerten Zeitspanne denken könnte

wurde schon gesagt
Zitat:
der durch eine Fügung des Schicksals oder als Konsequenz eines nicht mehr nachvollziehbaren Gedankenspiels zum Stillstand verdammt bei Dessau stand

musst du natürlich und wie immer selbst entscheiden, aber mich stört das szs Ent-Romantisierende an der Betonung, dass er sein Gedankenspiel nicht mehr nachvollziehen kann.

Da muss ich mal noch drüber nachdenken. Momentan habe ich nicht vor, den Text zu überarbeiten, aber das kann ja noch kommen. In dem Fall würde ich mich hier natürlich wieder melden.

Dir jedenfalls auch ein Danke.

@abifiz
Auch über deine(n) Kommentar(e) und das darin enthaltene Lob habe ich mich sehr gefreut. Mir liegt dieser Text sehr am Herzen – mehr als manch anderer, den ich in letzter Zeit geschrieben habe – und es ist schön zu lesen, dass er seine erhoffte Wirkung erzielt.
Wie ich oben schrieb, habe ich derzeit nicht vor, den Text zu überarbeiten, dazu fehlt mir noch die nötige Distanz – daher auch das Einstellen ins Feedback, da es mir schon eher um eine Bewertung des Ganzen ging. Dennoch schätze ich die Mühe, die du dir mit deinen Anmerkungen gemacht hast, und wenn du möchtest, kann ich darauf natürlich im Einzelnen auch eingehen.

Und da aller guten Dinge drei sind: auch dir ein Dankeschön fürs Lesen und Kommentieren.
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Abifiz
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Beitrag06.12.2016 10:09

von Abifiz
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Grüß Dich, "Innominato"...

Falls Du den von Dir erwähnten Abstand zu Deinem Text eventuell gewinnst, wäre es mir schon wichtig, wenn Du auf meine Vorschläge zurückkämest. So lange kann ich ja warten.

Herzlich
Abifiz

PS
Zu Deinen obigen Ausführungen: Ja, die Sogwirkung des Zusammenhängenden in einem Rutsch zum Textschluß ist nach meinem Urteil genial verwirklicht!
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llll
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L
Beitrag06.12.2016 12:53

von llll
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DANKE Inkognito für die Antworten !
Ich meinerseits bin ein erklärter Feind des Semikolon ( da weder muh noch mäh ) :
Vielleicht wären einfach 3 Gedankenstriche schön ?-?-?-
DANKE für die Erklärung zum letzten Satz,
diesem zartbitterschönen Abschluss
- nein ich kenne kein Wort dafür
umso deutlicher das Gefühl..........

Wann fällt die Maske, dass man noch mehr von Dir lesen kann ???
llll
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nebenfluss
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Beitrag06.12.2016 13:39

von nebenfluss
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Falls ich meinen Gefallen nicht deutlich genug Ausdruck verliehen habe, indem ich nach einem Punkt und zwei kleinen Streichungen den Text als "ansonsten perfekt" bezeichnet habe, möchte ich an das an dieser Stelle gerne nachholen.
Die Frage ist nur, wie das angemessen gehen könnte, wo ich doch immer direkt unter lllls Kommentaren lande.
Ich habe wohl zu wenig Übung im Verworten von Euphorie.
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hobbes
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Beitrag06.12.2016 14:15

von hobbes
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Hallo  xxx xxxxx, öhm, Inkognito,

Das würde mich doch sehr wundern, wenn der Autor nicht gerade selbst eine Busreise tut. Oder getan hat, oder tun wird, so genau bin ich dann doch nicht informiert.

Und was will man da sagen, mir kommt es so vor, als hätte ich schon alles gesagt. Oder als wäre mir sowieso noch nie etwas Aussagekräftiges dazu eingefallen.

Das taugt jetzt natürlich überhaupt nicht als Feedback, aber hey, Nebenfluss hat angefangen.

Schön, hier mal wieder etwas von dir zu lesen.
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nebenfluss
Geschlecht:männlichShow-don't-Tellefant


Beiträge: 5987
Wohnort: mittendrin, ganz weit draußen
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Beitrag06.12.2016 14:46

von nebenfluss
Antworten mit Zitat

Ich habe den Text nochmals reflektiert, und denke mittlerweile hierzu:
der große Unbekannte hat Folgendes geschrieben:
Hm … ich glaube, mein Konzept würde es schon stören, ging es mir doch gerade darum, diesen Absatz ohne Punkt und Komma zu schreiben

Ja, lass es so. Der Sinn dieses 'Ein-Satz-Konzeptes' (klar, meine Lesart, du hast anders argumentiert) besteht nicht nur darin, das Ineinandergreifen der Gedanken und äußeren Inspirationen zu unterstützen (soweit würde ich an dieser Stelle für den Punkt plädieren), sondern auch die Rastlosigkeit des Protas zu zeigen, der hier als einziger "unterwegs" ist.
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Klemens_Fitte
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Wohnort: zuckerstudio waldbrunn


Beitrag06.12.2016 22:33

von Klemens_Fitte
pdf-Datei Antworten mit Zitat

@abifiz:
abifiz hat Folgendes geschrieben:
Falls Du den von Dir erwähnten Abstand zu Deinem Text eventuell gewinnst, wäre es mir schon wichtig, wenn Du auf meine Vorschläge zurückkämest.


Dann mache ich das auf alle Fälle.

abifiz hat Folgendes geschrieben:
Zu Deinen obigen Ausführungen: Ja, die Sogwirkung des Zusammenhängenden in einem Rutsch zum Textschluß ist nach meinem Urteil genial verwirklicht!


Vielen Dank dafür.

@llll:
llll hat Folgendes geschrieben:
Ich meinerseits bin ein erklärter Feind des Semikolon ( da weder muh noch mäh ) :
Vielleicht wären einfach 3 Gedankenstriche schön ?-?-?-


Hm, sehe ich eigentlich nicht so. Also das mit dem Semikolon. Es besetzt für mich eine klare Position/Funktion – es trennt zwei Sätze deutlicher als ein Komma und weniger deutlich als ein Punkt – die ich mit keinem anderen Satzzeichen gefüllt bekomme. In diesem Fall, einer Art Nachsatz, finde ich es gut gesetzt. Und drei Gedankenstriche käme mir unübersichtlich vor, dann wäre ja nicht mehr wirklich klar, welcher Satz der eingefügte ist.

llll hat Folgendes geschrieben:
DANKE für die Erklärung zum letzten Satz,
diesem zartbitterschönen Abschluss
- nein ich kenne kein Wort dafür
umso deutlicher das Gefühl..........


Ein Danke zurück.

llll hat Folgendes geschrieben:
Wann fällt die Maske, dass man noch mehr von Dir lesen kann ???
llll


Hm … ich warte mal noch ein wenig. Auch wenn mich die Ersten schon erkannt zu haben glauben.

@nebenfluss:
nebenfluss hat Folgendes geschrieben:
Falls ich meinen Gefallen nicht deutlich genug Ausdruck verliehen habe, indem ich nach einem Punkt und zwei kleinen Streichungen den Text als "ansonsten perfekt" bezeichnet habe, möchte ich an das an dieser Stelle gerne nachholen.


Oh, keine Sorge, das hatte ich schon so verstanden.

@hobbes:
Auch dir danke fürs Kommentieren. Und nein, ich lüfte das Inko noch nicht Razz


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Selanna
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Beiträge: 1146
Wohnort: Süddeutschland


Beitrag07.12.2016 09:23

von Selanna
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Hallo Inkognito,

ich finde es sehr schön, wie Du einen Menschen mit so wenigen Sätzen schilderst. Er mag seine Welt klein (deswegen den Busbahnhof statt den Flughafen, lediglich ein 2 Gedeck-Service und nach Möglichkeit keine Bekanntschaft zu viel, die Kontaktscheu, die nur das Kind so einfach ignoriert), das zieht sich durch den ganzen Text, ohne wirklich ausgesprochen zu werden, und trotzdem zeichnest Du mit vielen kleinen Beispielen ein klares Bild! Wunderbar Smile
Literarisch auch wunderbar, aber vom Thema her natürlich eher traurig, wie hilflos die beiden Menschen in der Geschichte stehen. Der eine, der den anderen nicht abweisen kann, der andere, der sich um Kontakt bemüht, Sehnsucht hat und dennoch nicht durchdringt ...

Sehr gerne gelesen.
Liebe Grüße
Selanna
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Michel
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Das bronzene Bühnenlicht Das goldene Niemandsland
Der silberne Durchblick Der silberne Spiegel - Prosa
Silberne Neonzeit


Beitrag07.12.2016 09:36

von Michel
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Ist da ein Zehntausender-Text verlorengegangen?
Der Aufbruch ins Niemandsland vor der Stadt lässt Erinnerungen an eigene Textversuche in die Richtung aufsteigen, die niemals so gut gelungen waren wie dieses In-einem-Atemzug-Dahingleiten, das mich so mitzieht, dass es mir momentan nicht gelingt, einzelne Textpassagen kritisch zu durchleuchten.
Also, wenn das ein Zehntausender hätte sein sollen, und wenn die übrigen Texte ähnlich sind, dann ...
... kann ich einpacken.
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Klemens_Fitte
Geschlecht:männlichSpreu

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Beitrag07.12.2016 10:02

von Klemens_Fitte
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Hallo Selanna und Michel,

herzlichen Dank euch beiden für eure äußerst positiven Rückmeldungen.

@Selanna:
Selanna hat Folgendes geschrieben:
ich finde es sehr schön, wie Du einen Menschen mit so wenigen Sätzen schilderst. Er mag seine Welt klein (deswegen den Busbahnhof statt den Flughafen, lediglich ein 2 Gedeck-Service und nach Möglichkeit keine Bekanntschaft zu viel, die Kontaktscheu, die nur das Kind so einfach ignoriert), das zieht sich durch den ganzen Text, ohne wirklich ausgesprochen zu werden, und trotzdem zeichnest Du mit vielen kleinen Beispielen ein klares Bild! Wunderbar Smile


Das freut mich sehr. Die Gefahr bei diesem Skizzieren in wenigen Strichen besteht ja immer darin, dass die Geschichte, das, was man erzählen wollte, sehr leicht unkenntlich oder ungreifbar werden kann, sich sozusagen für den Leser kein stimmiges Gesamtbild ergibt. Deine Rückmeldung enthält ganz viel von dem, was mir beim Schreiben wichtig war, und bestärkt mich im Gedanken, der Versuch könnte geglückt sein – danke, dass du dein Lesen so schön in Worte gefasst hast.

@Michel:
Stimmt, das Niemandsland lässt sich auch hier herauslesen. Der Text entstand aber einige Zeit vor dem Zehntausender für einen anderen – beinah hätte ich geschrieben: richtigen – Wettbewerb. Nachdem er dort leider nicht erfolgreich war und mir aber immer noch viel an ihm liegt, habe ich ihn hier gepostet, um zu sehen, wie er auf andere Leser und Schreiber wirkt. Insofern freue ich mich auch sehr über deine Rückmeldung.


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Muskat
Eselsohr


Beiträge: 343



Beitrag07.12.2016 12:39
Inko
von Muskat
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Hallo Inkognito,

es ergeht mir mit dem Text so, dass mir die transportierte Stimmung gut gefällt. Sobald ich am Ende angelangt bin, meine ich aber, nun müsse noch was kommen, die Geschichte folglich weitergehen. Möglicherweise liegt es daran, dass der Protagonist innerlich zerrissen ist, die Zerrissenheit für sich aber nicht akzeptiert. Bin aber unsicher, ob es daran liegt.

Vielleicht ist es notwendig, mich noch eine Weile mit dem Text zu beschäftigen.

Ich hätte auch den einen oder anderen Vorschlag zur Überarbeitung,  wenn Interesse besteht.

Liebe Grüße

Muskat
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Piratin
Geschlecht:weiblichExposéadler

Alter: 58
Beiträge: 2186
Wohnort: Mallorca
Ei 2


Beitrag07.12.2016 12:49

von Piratin
Antworten mit Zitat

Hallo Inko,

dieser Text packt - packt und packt mich immer wieder. Ich habe ihn mittlerweile fünf Mal gelesen und entdecke immer wieder etwas Neues, was Anderem, nun schon Bekanntem, Platz macht. Sehr gerne würde ich mehr davon lesen.
Ein Satzteil hat mich ganz besonders angesprochen:
Zitat:
überhaupt seien Gerüche die körperlichste Form von Erinnerungen, diejenige, der man sich am wenigsten entziehen könne
und spricht das aus, was ich schon immer einmal über Gerüche loswerden wollte.
Danke für diesen Text,
Viele Grüße
Piratin
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Klemens_Fitte
Geschlecht:männlichSpreu

Alter: 41
Beiträge: 2932
Wohnort: zuckerstudio waldbrunn


Beitrag07.12.2016 22:49
Re: Inko
von Klemens_Fitte
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo Muskat und Piratin,

auch euch beiden vielen Dank für eure Kommentare. Ohnehin finde ich es erstaunlich, was für eine Resonanz dieser Text auslöst. Das hätte ich so nicht erwartet und es freut mich umso mehr (ich glaube, ich wiederhole mich).

@Muskat:
Muskat hat Folgendes geschrieben:
es ergeht mir mit dem Text so, dass mir die transportierte Stimmung gut gefällt. Sobald ich am Ende angelangt bin, meine ich aber, nun müsse noch was kommen, die Geschichte folglich weitergehen. Möglicherweise liegt es daran, dass der Protagonist innerlich zerrissen ist, die Zerrissenheit für sich aber nicht akzeptiert. Bin aber unsicher, ob es daran liegt.


Hm … gute Frage. Ich bin mir auch nicht sicher, ob ich den Protagonisten als innerlich zerrissen bezeichnen würde. Sich ab und an zu wünschen, ein anderer zu sein oder ein anderes Leben zu leben, ist ja noch keine Zerrissenheit. Klar, man könnte ihn an den narrativen Punkt dieser Zerrissenheit führen, aber das wäre wirklich eine Sache für eine Fortsetzung oder ein größer angelegtes Projekt.

Muskat hat Folgendes geschrieben:
Ich hätte auch den einen oder anderen Vorschlag zur Überarbeitung,  wenn Interesse besteht.


Wie gesagt, momentan habe ich nicht vor, den Text noch einmal zu überarbeiten – aber das heißt ja nicht, dass ich nicht gern darauf zurückkommen werde, falls. Und vieles lässt sich sicher auch ohne Überarbeitung mit Gewinn diskutieren.

@Piratin:
Piratin hat Folgendes geschrieben:
Hallo Inko,

dieser Text packt - packt und packt mich immer wieder. Ich habe ihn mittlerweile fünf Mal gelesen und entdecke immer wieder etwas Neues, was Anderem, nun schon Bekanntem, Platz macht. Sehr gerne würde ich mehr davon lesen.
Ein Satzteil hat mich ganz besonders angesprochen:
Zitat:
überhaupt seien Gerüche die körperlichste Form von Erinnerungen, diejenige, der man sich am wenigsten entziehen könne
und spricht das aus, was ich schon immer einmal über Gerüche loswerden wollte.
Danke für diesen Text,
Viele Grüße
Piratin


Danke für deinen Kommentar. Was das hier angeht:
Piratin hat Folgendes geschrieben:
Sehr gerne würde ich mehr davon lesen.

Da würde ich gern morgen früh noch etwas ausführlicher drauf eíngehen.


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sleepless_lives
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Beitrag08.12.2016 01:45

von sleepless_lives
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Da kann ja jemand wirklich schreiben. Ich bin schwer beeindruckt. Es gibt nicht allzu viele im Forum, die einen derartigen Text zustandebringen, insofern habe ich auch einen recht deutlichen Verdacht, was die Autorenschaft angeht (ja, das Inkognito gilt auch für Moderatoren). Jemand, der durch den ersten Satz in einer Erzählung schon auffiel. Verbesserungsvorschläge habe ich keine, weil da für mich nichts zu verbessern ist. Was nicht rund ist, soll ruhig eckig bleiben, ist Ausdruck einer individuellen Stimme, die sich gleichermaßen im Fluss des Textes, wie in seinen Verhaltungen und Einschüben manifestiert. Der Abschnitt-lange letzte Satz, der mit der vorgestellten Wanderung des Protagonisten mitfließt und gleichzeitig auf dem Fleck des bewegungslosen Buses bleibt, ist großartig. Ich würde gerne viel mehr solche Texte im Forum lesen und der Zehntausender-Wettbewerb (zu dem das hier wirklich gut als Beitrag gepasst hätte), ist unter anderem ein Versuch, das zu ermutigen.
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Klemens_Fitte
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Beiträge: 2932
Wohnort: zuckerstudio waldbrunn


Beitrag08.12.2016 08:15

von Klemens_Fitte
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hallo sleepless_lives,

auch dir ein Danke für deinen Kommentar und das enthaltene Lob. Wenn ich mich recht erinnere, entstand der Text auch in einer Zeitspanne, die den Kriterien für den Zehntausender entsprochen hätte; die Sache mit dem Thema ist natürlich Zufall.

*

Noch einmal zu meiner Bemerkung von gestern:

Zitat:
Was das hier angeht:
Piratin hat Folgendes geschrieben:
Sehr gerne würde ich mehr davon lesen.

Da würde ich gern morgen früh noch etwas ausführlicher drauf eíngehen.


Betonung, merke ich grade, auf: etwas.
Ich sehe den Text immer noch als in sich abgeschlossen, könnte mir mittlerweile aber durchaus vorstellen, das Geschilderte noch einmal und in längerer Form aufzugreifen. Was insofern erstaunlich ist, weil der erste Teil für mich im Grunde nur das Vehikel war, um den letzten Absatz schreiben zu dürfen – der dasjenige war, das mich beim Schreiben eigentlich interessiert hatte. Und auch die Erzählsituation war für mich ein wenig ungewohnt: Personale Perspektive und Präteritum als Erzählzeit schreibe ich normalerweise nicht – schön, dass es trotzdem zu funktionieren scheint.
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Muskat
Eselsohr


Beiträge: 343



Beitrag08.12.2016 10:11
Dessau
von Muskat
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Hallo Inko,

du hast recht. Die Zerrissenheit des Protagonisten wäre wohl eine Steigerung seines jetzigen Gefühls. Ich las die Geschichte gestern so, dass er bereit wäre, mit der Frau eine Beziehung einzugehen, wäre die Umgebung eine andere.
Nun denke ich eher, dass er mit seinem Rückzug zufrieden ist und es scheut, das der Frau zu sagen. Oder missverstehe ich das?

Liebe Grüße

Muskat
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llll
Leseratte
L


Beiträge: 121



L
Beitrag08.12.2016 16:31

von llll
Antworten mit Zitat

Hallo Muskat
Deine direkte konkrete Frage macht mir zusätzlich bewusst,
wie wunderbar in der Schwebe dieser Text sich einer Antwort entzieht,
ich möchte jedenfalls keine Antwort lesen,
denn es liegt in der Natur dieses Prota, dass er in solch willenloser Passivität verharrt,
wie sie fernöstliche Weise am andern Ende der Welt durch endlose Übung erreichten..........
Nicht Absichten, sondern quasi die Magnetwirkung des "Epizentrums" setzt ihn in (Gedanken-)Bewegung
( "Trance" war in meinem ersten Kommi der falsche Ausdruck dafür )
llll
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