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Diese Werke sind ihren Autoren besonders wichtig Der Lärm der Chronischen inmitten liebevoller Bedürftigkeit


 
 
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Cholyrika
Geschlecht:männlichEselsohr

Alter: 60
Beiträge: 457



Beitrag18.11.2016 17:11
Der Lärm der Chronischen inmitten liebevoller Bedürftigkeit
von Cholyrika
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Der Lärm der Chronischen inmitten liebevoller Bedürftigkeit


I.
Klaus-Peter war der Inbegriff der verfehlten Evolution.
Er zelebrierte Kaffeekränzchen für Selbsthilfegruppen.
Zwischen Gugelhupf und Baiser,
komponierte er degenerative Symphonien.
Martha fand in attraktiv.
So erzählte es Klaus-Peter jedenfalls
an einem Abend
im Badezimmer seiner Mutter.

II.
Die Tropfen auf der Fensterscheibe
konstruierten ein Bild von Magritte.
Keine einzige Fliege verlief sich
auf dem Kuchen der Gegenwart.
Man rezitierte Gottfried Benn
und ersetzte die Befindlichkeiten
durch Stille.

III.
Im hintersten Winkel eines Raumes,
saß eine Frau ohne Mimik.
Sie laborierte an Lebensfreude
und Hoffnung.
Sie aß nichts.
Ein fremder Mann aus Köln soll ihr Vater gewesen sein.
Manche Menschen forderten sie zum Sterben auf.
Das wird nichts mehr mit dir, Martha.
Sie fasste es als Kompliment auf und lächelte nicht.

IV.
Das kleine Zimmer war zu groß
für die Gefühle der Protagonisten.
Er berührte ihre Brust und sie schrie nach Sonne.
Eine Brise Verzweiflung wehte durch ihr Haar,
als sie seine Berührung nicht spürte.
Ein Pfleger öffnete die Fenster
und ließ den Lärm der Chronischen hinein.
Die Monate ließen sich nicht zuordnen.
Irgendjemand tippte
auf August.

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Perry
Geschlecht:männlichExposéadler
P

Alter: 71
Beiträge: 2509



P
Beitrag23.11.2016 22:48
Hallo Cholyrica,
von Perry
Antworten mit Zitat

dein Text greift gesellschaftlich immer bedeutender werdende Aspekte wie
Selbsthilfegruppen und Pflegeheime auf.
Der "locker plaudernde" Ton trifft das "allgemein spürbare sich nicht ernsthaft damit beschäftigen wollen" gut.
Konstruktiv würde ich die 2. Strophe inhaltlich noch etwas mehr füllen bzw. schärfen, weil Benn etwas verloren zwischen Magritte und Alltagskuchen wirkt.
Ansonsten sehr gern gelesen!
LG
Perry
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Poolshark
Geschlecht:weiblichKlammeraffe

Alter: 42
Beiträge: 827
NaNoWriMo: 8384
Wohnort: Berlin


Beitrag25.11.2016 01:50

von Poolshark
Antworten mit Zitat

Ich hatte gehofft, dass sich hier noch ein paar Leute melden, die kompetenter sind als ich.

Aber weil hier so wenig passiert, wollte ich wenigstens die Nachricht absetzen, dass ich diese kleinen Momentaufnahmen gern gelesen habe. Da steckt einiges an Leben drin, auch wenn ich ein bisschen unbefriedigt zurückbleibe an manchen Stellen. Kann dir nicht sagen woran's liegt. Vielleicht sind die Sprünge innerhalb dieser Aufnahmen manchmal zu stark, so dass man sich um das ganze Bild betrogen fühlt.


_________________
"But in the end, stories are about one person saying to another: This is the way it feels to me. Can you understand what I'm saying? Does it also feel this way to you?"
-Sir Kazuo Ishiguro
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Cholyrika
Geschlecht:männlichEselsohr

Alter: 60
Beiträge: 457



Beitrag25.11.2016 17:16

von Cholyrika
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Danke für die "Meldungen".
Vielleicht ist der Text nicht so populär,
wie ich es eigentlich gewünscht hätte für die Thematik.
Aber es ist eben oft so, dass man als Autor viel meint
und es vielleicht nicht angemessen genug umgesetzt hat.
Aber das wäre dann ein Problem des Schreibers.

Aber ich gebe dem Text noch eine Chance.
Vielleicht mag der eine oder andere doch
die Synapsen der Momente.

LG
ML
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Steky
Geschlecht:männlichGänsefüßchen
S


Beiträge: 33



S
Beitrag25.11.2016 17:30

von Steky
Antworten mit Zitat

Der Text ist gut geschrieben und lebendig, da stimme ich zu.

Was mich "stört" ist die befangene und deswegen an der Oberfläche bleibende Perspektive, aus der heraus wertend geschildert wird.

Das zeigt sich dann in Sätzen wie:

Zitat:
Klaus-Peter war der Inbegriff der verfehlten Evolution.


Zitat:
Er zelebrierte Kaffeekränzchen für Selbsthilfegruppen.


Zitat:
komponierte er degenerative Symphonien.


Ich bin der Meinung, wenn man die Wahrheit aussprechen möchte, sollte man sich auch deren Sprache bedienen. Ich mein: Was bliebe denn dann noch übrig, wenn man die Ereignisse neutral beschriebe? Warum werden die Ereignisse sprachlich so negativ aufgeladen? Damit der Leser am Ende weiß, was er denken muss? Klar, Alltagsliteratur, Satire darf das, kein Thema. Es ist halt Geschmackssache, dieser leicht böse Ton.

Handwerklich würde ich nur die zweite Strophe plausibilisieren, wie das schon von Perry treffend vorgeschlagen wurde.

LG
Steky
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llll
Leseratte
L


Beiträge: 121



L
Beitrag26.11.2016 23:11

von llll
Antworten mit Zitat

"Das wirD nichts mehr mit dir, Martha."

llll
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Cholyrika
Geschlecht:männlichEselsohr

Alter: 60
Beiträge: 457



Beitrag27.11.2016 12:53

von Cholyrika
pdf-Datei Antworten mit Zitat

llll hat Folgendes geschrieben:
"Das wirD nichts mehr mit dir, Martha."

llll


Danke, geändert
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Ralf Langer
Geschlecht:männlichKlammeraffe

Alter: 57
Beiträge: 699
Wohnort: Gelsenkirchen


Beitrag27.11.2016 14:11

von Ralf Langer
Antworten mit Zitat

Hallo,

vorab, mir gefällt intuitiv die Art wie du deine Worte zusammenstellst.
Da sind die sehr prosaischen Beschreibungen, gelungen neben den metaphorischen Teilen gestellt.

Besonders gelungen in Strophe drei:

Keine einzige Fliege verlief sich
auf dem Kuchen der Gegenwart.
Man rezitierte Gottfried Benn
und ersetzte die Befindlichkeiten
durch Stille.

Und hier:

Sie laborierte an Lebensfreude
und Hoffnung.
Sie aß nichts.

Und sehr komprimiert:

Er berührte ihre Brust und sie schrie nach Sonne.


Strophe eins bleibt textlich im Beschreibenden. Und man könnte darüber nachdenken ob es hier nicht auch lohnte einen metaphorischen Widerpart einzubauen.
Meinem Gefühl nach wäre das sinnvoll, da die erste Strophe dem Aufbau nach den anderen gegenüber ein wenig abfällt.
Aber das ist möglicherweise Geschmackssache.

Als sehr gelungen empfinde ich die Sorgfalt mit denen du die einzelnen Protagonisten der einzelnen Strophen darstellst. Da ist einerseits „Abstand“ durch die sprachliche Entfernung:

„man rezitierte...“
„ein fremder Mann“
„saß eine Frau“
„ die Gefühle der Protagonisten“
„ein Pfleger“

andererseits rufen die Metaphern eine intensive Hinwendung  zu den Personen hervor!

So bleibt das Gedicht in einem sehr gut ausbalancierten Gleichgewicht zwischen Abstand und Nähe und läuft zu keinem Zeitpunkt Gefahr „ Gefühlsduselei und / oder Kälte“ hervorzurufen.

Persönlich freut es mich zusätzlich, das dein Gedicht nicht moralisiert. Du zeigst, aber du deutest nicht. Du hast Anteilnahme, aber bist auch Beobachter der Szenerie.

Hat mich sehr „gefreut“ mit deinem Gedicht durch das „Chronische“ gegangen zu sein.
Lg
Ralf
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menetekel
Geschlecht:weiblichExposéadler

Alter: 104
Beiträge: 2451
Wohnort: Planet der Frühvergreisten


Beitrag03.12.2016 19:20
Re: Der Lärm der Chronischen inmitten liebevoller Bedürftigkeit
von menetekel
Antworten mit Zitat

Hallo Cholyrika,
für mich ein ganz starkes Gedicht.

In vielen lobpreisenden, aber auch kritischen Punkten schließe ich mich Ralf an.
Die erste Versgruppe (ausgerechnet!) fällt im Vergleich mit den anderen etwas ab.
Ich frage mich, ob hier ein Kürzung nicht hilfreich wäre?

Klaus-Peter war der Inbegriff verfehlter Evolution.
(Leerzeile)

Er zelebrierte Kaffeekränzchen für Selbsthilfegruppen.
Zwischen Gugelhupf und Baiser,
komponierte er degenerative Symphonien.

Martha fand ihn attraktiv.
So erzählte es Klaus-Peter jedenfalls
an einem Abend
im Badezimmer seiner Mutter.

Das Kaffekränzchen und die Selbsthilfegruppen wirken auf mich zu schwadronierend ... "der Inbegriff verfehlter Evolution" ist eigentlich schon entlarvend genug.

Den ganzen Rest finde ich hervorragend, thematisch an die Morgue-Gedichte Benns gelehnt. - An Kunst überhaupt. Und die Frage, ob sie angesichts des Todes noch Sinn macht. Oder gerade dann.

Für besonders gelungen halte ich den Schluss.

Liebe Grüße
m.
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Cholyrika
Geschlecht:männlichEselsohr

Alter: 60
Beiträge: 457



Beitrag12.12.2016 17:33

von Cholyrika
pdf-Datei Antworten mit Zitat

@Ralf:
Danke für deine positive Kritik.
In der Tat war es mir wichtig eine gewisse Distanz aufzubauen, die aber durch eine große Empathie nicht realisierbar bleibt.
So werden Leser, Geschehen und Protagonisten eine Einheit.

@Menetekel:
Ja die erste Versgruppe ist mir auch noch ein Stein im Text.
Ich wollte hier eine Stimmung erzeugen.
Vielleicht ein bisschen zu viel Beschreibendes Sad


LG
ML
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