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Diese Werke sind ihren Autoren besonders wichtig Die Bootsfahrt im Fluss


 
 
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Leon_
Geschlecht:männlichGänsefüßchen

Alter: 25
Beiträge: 20



Beitrag13.11.2016 14:47
Die Bootsfahrt im Fluss
von Leon_
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Neue Version »

Ich treibe. In einem Boot: So werde ich vom Strom des Flusses immer weiter vorangetrieben, während die Kälte in meine Haut beißt, und die Bäume am Rande des Flusses fließen an mir vorbei oder bleiben zurück, verschwimmen in die Undeutlichkeit. Ich liege in meinem Boot, kauere mich zusammen, aber mein Ich und meine Welt flehen mich an, zu schwimmen. Ich träume vom Wasser und dem Gefühl der Nässe auf meiner Haut, dass ein kitzelnder Tropfen über meine Wange läuft. In der schwarzen Nacht mag ich dem Wasser nicht trauen, denn darin liegt die Angst vor dem Untergang, es ist noch viel kälter als hier oben, an der Luft, und dunkle Nächte sind immer lange Nächte.
              Die Menschen um mich herum schwimmen während dieser Gedankenflut neben meinem Boot her, als würden sie schwerelos durch das Wasser gleiten. Als wäre das alles nicht schwer. Als wären sie Fische: so natürlich bewegen sie sich. Währenddessen wiegt alles so schwer für mich. Die Luft hier, sie ist nicht leicht zu atmen, wenn man nicht einfach atmen kann. In meinen Augen spiegelt sich immer das Tun der Anderen, und es bricht mir die Angst und heilt mein kleines, schwaches Herz, das Leben zu sehen.
Ich halte manchmal den kleinen Zeh in die Strömung, dann einen ganzen Fuß. Wenn ich drohe, in das Wasser zu fallen, klammere ich mich schwer atmend an meinem Boot fest, kauere mich wieder zusammen, lasse die Kälte in mich eindringen. Doch das Wasser zieht mich an. Das Boot ist kein Leben, und ich weiß das, denn ich will mich vom Wasser umgeben lassen, in ihm versinken, wenn der Sonnenuntergang sich verspielt in seinen unmöglichen Verformungen der Oberfläche spiegelt, in den Strömungen frei toben, als wäre ich selbst der Ausdruck klarsten Flusses, der Ausdruck meiner selbst im Fortlaufen des Flusses, ganz entlastet, ganz frei: einem Wasserfall entgegen, vielleicht irgendwann treibend ins offene Meer, aber immer mich selbst als Ankerpunkt in dieser Reise, die nie enden soll, aber enden wird, habend.



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Stagepilot
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S
Beitrag15.11.2016 19:32
Re: Die Bootsfahrt im Fluss
von Stagepilot
Antworten mit Zitat

[quote="Leon_"]Ich treibe. In einem Boot: So werde ich vom Strom des Flusses immer weiter vorangetrieben

Warum nicht Aktiv statt Leideform? Der Fluss treibt mich voran...

, während die Kälte in meine Haut beißt,  Punkt wäre schön, denn ein Satz soll nur so lang sein wie man Atem hat.

[i]Ich liege in meinem Boot, kauere mich zusammen, aber mein Ich und meine Welt flehen mich an, zu schwimmen. Ich träume vom Wasser und dem Gefühl der Nässe auf meiner Haut

Zwei Sätze die mit ICH beginnen. Wie wäre es mit Umstellprobe: In meinem Boot liege ich... Vom Wasser träume ich - und Satz kürzen
Was bitte soll ich mir unter "mein Ich und meine Welt flehen mich an" verstehen. Konkreta statt Abstrakta. Beschreiben wie Deine Welt konkret aussieht.



In der schwarzen Nacht mag ich dem Wasser nicht trauen, denn darin liegt die Angst vor dem Untergang, es ist noch viel kälter als hier oben, an der Luft, und dunkle Nächte sind immer lange Nächte.
zu viel dunkel und schwarze Farbe. Ist doch klar, dass Nächte dunkel sind - mit Adjektiven geizen, sie sind die Würze.

Mehr Nerv hab ich nun nicht, um weiter zu lesen. Ein Leser soll gefesselt werden. Kurze Sätze , maximal 8-15 Wörter. Wenig Adjektive, konkret und die Verben tanzen lassen. Dann nochmal melden.


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Du sollst nicht übermäßig fressen, saufen, spielen: Schreib und lass die Verben tanzen!🤸
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Mara
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Beitrag15.11.2016 20:52

von Mara
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Hallo Leon,
mich haben diese kurzes Szene und dein Sprachstil fasziniert, obwohl aus "handwerklicher" Sicht etliches verbessesrungswürdig wäre, da du zum Beispiel viele Wortwiederholungen im Text hast. Auch das "habend" als letztes Wort des Textes, würde ich zum Beispiel nach vorne ziehen, da der Satzteil "... aber enden wird" in meinen Augen einen viel stärken Schluss darstellt. Ich habe die Sequenz zwei Mal gelesen und sie gefällt mir total.  
Viele Grüße, Mara
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Leon_
Geschlecht:männlichGänsefüßchen

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Beiträge: 20



Beitrag16.11.2016 00:08

von Leon_
pdf-Datei Antworten mit Zitat

@stagepilot
Deine Kritik ist nachvollziehbar, aber findet auf einer rein stilistischen Ebene statt, welche deiner Meinung nach danach ausgerichtet sein soll, den seichten Ansprüchen des durchschnittlichen Lesers zu genügen. Du versuchst  mit konkreten Angaben, beispielsweise  zum Einsatz von Adjektiven und Verben, einen Stil vorzugeben. Was wären aber zum Beispiel etliche Texte von Kafka ("Abendspaziergang" zum Beispiel) ohne endlose Sätze, dessen Einzelteile nur durch Kommata getrennt sind? Ich glaube, in diesen Punkten unterscheidet sich einfach der Geschmack.

Das soll übrigens nicht heißen, dass deine Kritik nicht teilweise berechtigt ist, wie zum Beispiel die Erwähnung der dunklen Nacht (was ursprünglich dunkelste Nacht war, aber mir dann doch übertrieben schien, wobei übrigens auch "töte Leichen" und "dunkle Nächte" ihre Verwendung als Stilmittel finden, was jetzt aber nicht beabsichtigt war).

@mara
Handwerkliche Fehler? Ich bitte dich, genauer zu werden, ich habe kaum einen Blick dafür (es sei denn, es geht nur um die Wiederholungen).

Der Text ist eher ein Experiment - und daher möchte ich nicht auf einen konventionellen Schreibstil ausweichen, um zu gefallen. Dennoch werde ich den Text natürlich überarbeiten.

Danke also für die Anregungen smile


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Stagepilot
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Alter: 55
Beiträge: 50
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S
Beitrag16.11.2016 07:30

von Stagepilot
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Natürlich kann man so viele Schachtelsätze wie möglich formulieren, entsprechend einem Tauchgang, den ein Rettungsschwimmer bei der Gold-Prüfung absolvieren muss (er muss zweimal durchs Becken tauchen), allerdings frage ich mich, welcher Otto-Normal-Leser - solch einen langen Atem aufbringen kann/will?
Und ich bleibe dabei - doppelt beschrieben wirds nicht besser. Selbst Tautologien wirken nicht immer, wie beispielsweise "Hartgekochte Gipseier".

Der Vergleich mit Kafka, naja, ist er noch zeitgemäß? Kafka wird seit einem halben Jahrhundert oder noch länger in den Schulen hochgehalten (gähn), ebenso wie der Blockflötenunterricht (Aua).
"Geschmacksache", sagt der Affe und beißt in die Seife.
Wer es mag


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Rübenach
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Beiträge: 2836



R
Beitrag16.11.2016 10:38

von Rübenach
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hm.
der text hat was. bzw.: er könnte was haben. aber zunächst mal was grundsätzliches. ich finde es zwar ambitioniert, aber nicht falsch, anstelle schreibratgeber für genreliteratur zu benutzen, sich an den großen des fachs (also z.b. kafka) zu orientieren. nur weil die aufmerksamkeitsspanne mancher leser nicht ausreicht, sätze, die länger als zwölf worte lang sind, zu verstehen, muss man sich als autor ja nicht daran orientieren. kafka finde ich übrigens nicht prototypisch für lange sätze, da fallen mir viel extremere autoren ein. bei thomas bernhard kann ein satz schon mal über anderthalb seiten gehen; ich habe vor kurzem eine erzählung von f. c. delius in der hand gehabt, die (auf ca. 80 seiten) aus einem einzigen satz besteht.

aber deine sätze sind ja überhaupt nicht besonders lang und die satzlänge ist nicht das problem deines textes. das problem sind redundanzen, wortwiederholungen da, wo sie nichts zur rhythmisierung des textes beitragen und mangelnde präzission.

das fängt mit dem titel an. bootsfahrt im fluss. normalsprachlich sollte es bootsfahrt auf dem fluss heißen. ich bemerke zwar deine absicht, bereits im titel eine anspielung auf das "panta rhei" zu machen, aber das nimmt meines erachtens zu viel vorweg. wäre es mein text, so würde er "bootsfahrt" heißen.

Leon_ hat Folgendes geschrieben:
Ich treibe. In einem Boot: So werde ich vom Strom des Flusses immer weiter vorangetrieben, während die Kälte in meine Haut beißt, und die Bäume am Rande des Flusses fließen an mir vorbei oder bleiben zurück, verschwimmen in die Undeutlichkeit.


vielleicht ist es zu spitzfindig von mir, wenn ich anmerke, dass es ja eigentlich das boot ist, welches treibt. aber geschenkt. was soll das "so" zu beginn des dritten satzes aussagen? beiläufigkeit im sinne von "ich treibe da so vor mich hin"? das passt nicht zum ton des satzes. der "strom des flusses" scheint mir redundant, da würde "fluss" genügen.

normalerweise mag ich keine passivkonstruktionen, hier ist das passiv allerdings angebracht, weil es das getrieben werden verdeutlicht.
vielleicht so: ich treibe in einem boot, werde vom fluss immer weiter vorangetrieben ... oder: mein boot wird vom fluss immer weiter vorangetrieben ... bzw. mein boot wird vom fluss vorangetrieben, immer weiter, während die kälte in meine haut beißt, ...

aber der satz ist ja noch nicht zu ende. "bäume am rande des flusses". am rande des flusses ist unpräzise. meinst du die bäume am ufer? dann schreib das auch. oder meinst du im wasser schwimmende bäume? dann würde ich "stämme" schreiben.

"verschwimmen in die undeutlichkeit". abgesehen davon, dass "verschwimmen" "undeutlich werden" bedeutet und du damit redundant wirst: müsste es nicht "in der undeutlichkeit" heißen?

das waren jetzt anmerkungen zu einem einzigen satz (okay, zu drei sätzen) und ich könnte jeden satz dieses textes so ähnlich aufdröseln, denke aber, dass es sinnvoller ist, wenn du dir diese arbeit selbst machst. geh deinen text einfach noch mal durch und teste für jeden halbsatz mögliche alternativen.

kurzprosa ist eine der technisch schwierigsten gattungen, da kommt es tatsächlich auf jedes wort an.


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Leon_
Geschlecht:männlichGänsefüßchen

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Beiträge: 20



Beitrag16.11.2016 16:08

von Leon_
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Stagepilot hat Folgendes geschrieben:
Natürlich kann man so viele Schachtelsätze wie möglich formulieren, entsprechend einem Tauchgang, den ein Rettungsschwimmer bei der Gold-Prüfung absolvieren muss (er muss zweimal durchs Becken tauchen), allerdings frage ich mich, welcher Otto-Normal-Leser - solch einen langen Atem aufbringen kann/will?


Mein Text soll keine Otto-Normal-Leser ansprechen. Es geht mir generell nicht darum, irgendwen anzusprechen (wobei der Text natürlich schon lesbar sein sollte), sondern um das Üben am Schreiben und Verarbeitung von Erlebnissen und Gefühlen. Ob das nun am besten in simplen, anspruchslosen und nicht differenzierenden Sätzen geht, lasse ich mal dahingestellt.
Aber sich selbst den Anspruch des gewöhnlichen Lesers als Maßstab zu setzen, halte ich für Beschränkung in Kreativität und Ausdrucksvielfalt.  

Stagepilot hat Folgendes geschrieben:
Der Vergleich mit Kafka, naja, ist er noch zeitgemäß? Kafka wird seit einem halben Jahrhundert oder noch länger in den Schulen hochgehalten (gähn), ebenso wie der Blockflötenunterricht (Aua).


Die Inspiration des stilistischen Schaffens nur durch "zeitgemäße" Autoren zuzulassen, ist noch viel ermüdender.

-
 
Generell möchte ich eben anmerken, dass Kafka für mich keine Inspiration oder Vorbild ist - zumindest, was diesen Text anbelangt. Ich habe ihn nur "benutzt", um meinen Stil zu verteidigen.
 Dieser Stil kommt bei mir zustande, wenn ich eher mein Gefühl für Worte und Texte - und meine Gefühle im Allgemeinen - sprechen lasse, anstatt etwas zu konstruieren. Da sind die handwerklichen Fehler natürlich absehbar; und weil ich jene aufgrund meines subjektiv richtigen Gefühls nicht sofort erkennen kann, wollte ich ihn hier reinstellen (und habe es kein bisschen bereut).

@Rübenbach
Als ich gestern meinen Text nochmal überarbeitete, habe ich tatsächlich den Titel des Textes zu "Bootsfahrt" geändert. Da musste ich eben schmunzeln.

Bezüglich des "So": Es soll keine Beiläufigkeit darstellen, sondern den Umstand "In einem Boot" nochmal verdeutlichen. Außerdem ist es ein schöner Satzanfang für eine Erzählung, ganz zweckmäßig eben.

Danke für diesen ausführlichen Kommentar smile


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Leon_
Geschlecht:männlichGänsefüßchen

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Beiträge: 20



Beitrag16.11.2016 16:13

von Leon_
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Ich treibe. In einem Boot: So werde ich vom Fluss immer weiter vorangetrieben, während die Kälte in meine Haut beißt, und Bäume am Ufer fließen an mir vorbei oder bleiben zurück, verschwimmen. Durch Frost am Körper fast gelähmt, kauere ich mich zusammen, starre ich auf das nasse Holz, verharre - aber mein Ich und meine Welt flehen mich an, zu schwimmen, sehnend nach dem Kalten, Lebendigen und dem Gefühl der Nässe auf meiner Haut; dass ein kitzelnder Tropfen über meine Wange läuft. In der schwarzen Nacht mag ich dem Wasser aber nicht trauen, denn darin ist die Angst vor dem Untergang, es ist noch viel grausamer als hier oben, und diese schwarzen Nächte sind immer lange Nächte.
Andere um mich herum schwimmen bei dieser Gedankenflut neben meinem Boot her, als würden sie schwerelos und glatt durch das Wasser gleiten. Als wäre das alles leicht. Als wären sie Fische: so natürlich bewegen sie sich. Das alles verträgt sich aber nicht mit mir. Die Luft hier, sie ist nicht leicht zu atmen, wenn man nicht einfach atmen kann. Doch in meinen Augen spiegelt sich das Tun der Anderen, und es bricht mir die Angst und heilt mein kleines, schwaches Herz, das Leben zu sehen.
Ich halte auch manchmal den kleinen Zeh in die Strömung, dann den ganzen Fuß. Wenn ich drohe, in das Wasser zu fallen, klammere ich mich erst schwer atmend an den Bug, kauere mich schnell wieder zusammen, lasse die Kälte in mich eindringen. Der Anblick des Wassers verzehrt nun aber beinahe den Gedanken, dass ich das Boot brauche. Das Boot ist kein Leben, und ich weiß das, denn ich will mich vom Wasser umgeben lassen. Kurz versinken, wenn der Sonnenaufgang sich verspielt in den unmöglichen Verformungen der Oberfläche spiegelt, in den Strömungen toben, als wäre ich selbst der Ausdruck klarsten Flusses, der Ausdruck meiner selbst im Fortlaufen des Flusses, ganz frei: einem Wasserfall entgegen, vielleicht irgendwann treibend ins offene Meer, aber immer mich selbst als Ankerpunkt in der Reise sehend, die nie enden soll, aber enden wird.


Das wäre nun die überarbeitete Version. smile


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Mara
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Beitrag16.11.2016 17:38

von Mara
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Zu den "handwerklichen" Sachen hast du inzwischen ja schon einige Rückmeldungen bekommen. Prima, dass du den Text überarbeitet hast. Er gefällt mir gut. Ein paar Sachen, die mir in der überarbeiteten Version aufgefallen sind
Zitat:
Ich treibe. In einem Boot: So werde ich vom Fluss immer weiter vorangetrieben, Da bringst du zweimal direkt hintereinander die gleiche Information: "Ich treibe". während die Kälte in meine Haut beißt, und Bäume am Ufer fließen an mir vorbei oder bleiben zurück, verschwimmen. Durch Frost am Körper fast gelähmt, kauere ich mich zusammen, starre ich auf das nasse Holz, verharre - aber mein Ich und meine Welt flehen mich an, zu schwimmen, sehnend nach dem Kalten, Lebendigen und dem Gefühl der Nässe auf meiner Haut; dass ein kitzelnder Tropfen über meine Wange läuft. In der schwarzen Nacht Wenn die Nacht schwarz ist, z. B. weil Neumond ist, kann man eigentlich das Ufer, und somit auch die Bäume, nicht sehen, wenn man es genau nimmt. mag ich dem Wasser aber nicht trauen, denn darin ist die Angst vor dem Untergang, es ist noch viel grausamer als hier oben, und diese schwarzen Nächte sind immer lange Nächte.
Andere um mich herum schwimmen bei dieser Gedankenflut neben meinem Boot her, als würden sie schwerelos und glatt durch das Wasser gleiten. Als wäre das alles leicht. Als wären sie Fische: so natürlich bewegen sie sich. Das alles verträgt sich aber nicht mit mir. Die Luft hier, sie ist nicht leicht zu atmen, wenn man nicht einfach atmen kann. Doch in meinen Augen spiegelt sich das Tun der Anderen, und es bricht mir die Angst und heilt mein kleines, schwaches Herz, das Leben zu sehen.
Ich halte auch manchmal Ich würde hier nicht auf einmal erzählen, sondern beim "Show" bleiben: Genau jetzt wird die Zehe ins Wasser getaucht und alles folgende passiert auch genau jetzt. Das würde ich als stärker empfinden. den kleinen Zeh in die Strömung, dann den ganzen Fuß. Wenn Gehört gestrichen, wenn man. den vorigen Gedanken - einmaligen Ereignis - fortführt. ich drohe, in das Wasser zu fallen, klammere ich mich erst schwer atmend an den Bug, kauere mich schnell wieder zusammen, lasse die Kälte in mich eindringen. Der Anblick des Wassers verzehrt nun aber   Diese Füllwörter kannst du entbehren. beinahe den Gedanken, dass ich das Boot brauche. Das Boot ist kein Leben, und ich weiß das, Der Teil kann entfallen, denn wir sind ja in dem "ich" denn ich will mich vom Wasser umgeben lassen. Kurz versinken, wenn der Sonnenaufgang sich verspielt in den unmöglichen Verformungen der Oberfläche spiegelt, in den Strömungen toben, als wäre ich selbst der Ausdruck klarsten Flusses, der Ausdruck meiner selbst im Fortlaufen des Flusses, ganz frei: einem Wasserfall entgegen, vielleicht irgendwann treibend ins offene Meer, aber immer mich selbst als Ankerpunkt in der Reise sehend, die nie enden soll, aber enden wird.

Ich hoffe, die eine oder andere meiner Anregungen und Eindrücke ist für dich hilfreich.
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Leon_
Geschlecht:männlichGänsefüßchen

Alter: 25
Beiträge: 20



Beitrag03.12.2016 18:58

von Leon_
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Ich treibe. In einem Boot werde ich vom Fluss vorangetrieben und  Bäume ziehen an mir vorbei und bleiben zurück als Fixpunkte. Lähmender Frost lässt mich verharren, aggressive Kälte greift mich in meiner Starre an, starrend auf nasses, dunkles Holz, eine Ewigkeit lang. Mein hoffendes Ich und alle Welt um mich herum schreien mich dabei an, wieder zu schwimmen. Mein denkendes Ich weiß, dass ich nach der Wärme der Bewegung im kalten Wasser schreie, dem Lebendigen darin, das in mich übergehen soll. Dass ein kitzelnder Tropfen über meine Wange läuft und ich ihn nicht wegwischen muss. In dieser bedrohlichen Nacht will ich diesem Wasser aber nicht trauen, denn in diesen Wellen lauert der Untergang, es ist noch grausamer als hier oben. Die Nacht verwehrt mir die Dämmerung.
Bei dieser schwer drückenden Gedankenflut schwimmen die Menschen in tiefschwarzem Wasser, als wären sie Fische, mit stromlinienförmigen Körpern, manchmal um die Wette, rufen einander zu, spielen darin, lassen das Wasser in Mund, Ohren, Augen und Nase dringen, sich manchmal nur treiben, ganz zufrieden. So natürlich, während ich weiß, dass es mich beißen und zerreißen würde; ich kann darin einfach nicht atmen. Dennoch: In meinen Augen spiegeln sich ihre Seelen - es heilt meinen gebrochenen Geist und die Angst, das Leben dort unten zu sehen.
Manchmal halte ich dann doch neugierig und durstig einen kleinen Zeh in die Strömung, dann den ganzen Fuß, Gänsehaut zieht über meinen Körper und die Sinne explodieren: Ich rieche die Bäume, sehe den Sternenhimmel und die Eulen darunter fliegen, fühle die Bewegung des Wassers, wie der Wind durch meine Haare fährt und das Blut, das mein Herz durch meine Adern, durch meinen Körper schickt. Wenn ich dann aber drohe, hilflos ins Wasser zu fallen, schrecke ich zurück und klammere mich ans Boot, vergrabe schmerzvoll meine Fingernägel im splittrigen Holz, kauere mich schnell wieder zusammen, lasse mich von der Kälte und Sicherheit umklammern. Doch bald  wird die Sehnsucht die Angst verzehren. Ich will das Boot nicht mehr brauchen, denn es besteht nur aus totem Holz, aus gestorbenen Leben. Ich will mich nur von Wasser umgeben lassen, nur kurz versinken, wenn der Sonnenaufgang sich endlich verspielt in den unmöglichen Verformungen der Oberfläche spiegelt und in den Strömungen toben, als wäre ich selbst der Ausdruck klarsten Flusses, der Ausdruck meiner selbst im Fortlaufen des Flusses, ganz frei: einem Wasserfall entgegen, vielleicht irgendwann treibend ins offene Meer, aber immer mich selbst als Ankerpunkt in der Reise sehend, die nie enden soll, aber enden wird.
Ich sitze jetzt auf der Kante des Boots und lasse mich fallen.  




Ich habe den Text aus einer Laune heraus noch einmal komplett umgeschrieben und glaube, dass er so besser ist. Was meint ihr?

Achja, btw: Wiederholungen sind beabsichtigt.


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Mara
Geschlecht:weiblichLeseratte


Beiträge: 140
Wohnort: Linz/Donau


Beitrag03.12.2016 20:14

von Mara
Antworten mit Zitat

Hallo Leon,
ich finde den Text auch besser und echt stark. Du bleibst jetzt immer im und beim "ich", das hilft dem Leser und ist gut. Drei Kleinigkeiten sind mir aufgefallen:
- Bei dem "kitzelnden Tropfen" würde ich das Adjektiv weglassen. In meinen Augen passt das "kitzelnd" nicht zur restlichen Stimmung des Textes.
- Du schreibst, dass Wortwiederholungen beabsichtigt sind. Auch im zweiten Satz "die Starre" und das "starren"? Ich wollte dich nur darauf aufmerksam machen, falls doch nicht.
- Der letzte Satz bildeten einen starken Schluss, der mich emotional berührt. Allerdings würde ich ihn noch besser finden, wenn du das Wörtchen "jetzt" streichen würdest.
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BlueNote
Geschlecht:männlichStimme der Vernunft


Beiträge: 7304
Wohnort: NBY



Beitrag04.12.2016 11:50

von BlueNote
Antworten mit Zitat

Guten Morgen Leon_,

dein Text ist, so möchte ich sagen, sehr "nachvollziehbar", weil solche Gedanken für jeden (nach)denkenden Menschen verständlich sind, die Metapher mit dem Fluss des Lebens oder dem Fluss als Bild für ein Schicksal irgend einer Art, die Menschen, die in dem Fluss treiben, die Dinge, die am Protagonisten vorüberziehen, der Wasserfall als das Ende (der Strömung) oder zumindest als Wechsel auf ein anderes Potenzial. Dennoch möchte ich bemerken, dass es für Literatur, oder noch weiter gefasst für Kunst, mehr bedarf, als sich einfach von seinen Gedanken treiben zu lassen und diese ziemlich ungefiltert niederzuschreiben. Als Ausgangspunkt für eine literarische Konstruktion mag dieses "Brainstorming" genügen. Dann aber muss noch viel Arbeit folgen, um aus dem Gedankenstrom wirkliche Literatur zu machen - und sei es nur im Ansatz.

Was ich fordere ist also nicht Literatur in ihrer vollendetsten Form, sondern Literatur im Ansatz, bei der erkennbar ist, dass sie überhaupt Literatur sein oder werden will (irgendwann einmal) und nicht nur ein sich assoziativ Treiben lassen im Meer der obstruktiven Gedanken. Was der Protagonist überhaupt für Probleme hat, darauf gehst du beispielsweise gar nicht ein. Man weiß über ihn gar nichts, soll aber für seine strömenden Gedanken irgendwie Verständnis aufbringen (warum eigentlich sollte das ein Leser tun?).

Der Schluss  Ich sitze jetzt auf der Kante des Boots und lasse mich fallen.    ist mir dann auch zu künstlich auf Dramatik getrimmt. Es bleiben zu viele Mutmaßungen offen, als dass man halbwegs zuverlässig interpretieren könnte, was damit genau gemeint ist.

BN
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