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Dieses Werk wurde für den kleinen Literaten nominiert Der letzte Gang


 
 
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halcyonzocalo
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Beiträge: 1202
Wohnort: Irgendwo im Nirgendwo


Beitrag26.04.2008 11:54
Der letzte Gang
von halcyonzocalo
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Ich hab keine Ahnung, wie ich die Geschichte klassifizieren soll... habe jetzt das gewählt, was mir noch am passendsten erschien... ich hoffe, das ihr mir auch in diesem Punkt helfen könnt Smile
Ich hoffe auf Kritik und Hilfe bei der möglichen Einordnung.

Der letzte Gang

Die Sonne war gerade aufgegangen, als ich mich aufmachte, meinen letzten Gang anzutreten. Ich spüre förmlich, wie es mit mir zu Ende geht. Doch ich frage mich auch, was soll ich noch auf dieser Welt? Ich habe nichts Gutes erlebt in der Zeit, als ich auf Erden war, ich musste Schmerzen erleiden, die mein Inneres schon vor langer Zeit zerfressen haben. Eigentlich bin ich nur noch eine nach außen hin lebendig wirkende Hülle, aber im Inneren bin ich schon lange verstorben. Nun also habe ich der Stadt den Rücken gekehrt und mache mich auf, an meinem letzten Tag die ländliche Welt zu erkunden, die noch nicht von den unsäglichen Menschen zerstört und ihnen zu Eigen gemacht wurde. Unter den Menschen gibt es bei weitem nicht  so eine Ruhe, wie ich sie hier gerade erlebe. Sie sind immer nur in Eile, hektisch und unüberlegt. Untereinander herrscht stets ein angespanntes Verhältnis und der ganze Tag besteht doch eigentlich aus nichts anderem mehr als einem dauernden gegenseitigen Ankeifen und dem Egoismus. Es ist doch wahr und berechtigt von mir zu behaupten, dass ein jeder doch zumeist nur noch an sich denkt und ihm das Wohlergehen seiner Mitmenschen nichts mehr bedeutet. Ich musste dies auch oft genug erfahren.

Doch nun muss ich weiter wandern, meinen letzten Weg gehen. Es ist kalt, denn schließlich hat der Winter bereits Einzug gehalten. Schnee liegt keiner, doch Väterchen Frost hat die ganze Natur in seiner Gewalt. Die Wiesen sind mit dickem Reif bedeckt und der kalte Wind säuselt unangenehm um meine Ohren. Es herrscht eine geradezu unsägliche Stille. Die wenigen Vögel, die den Winter bei uns verbringen, scheinen zu schlafen und auch sonst scheinen hier in der weiten Natur keine lebendigen Wesen außer mir zu sein. Je weiter ich mich von der menschlichen Zivilisation entferne, desto mehr bemerke ich, welche Kraft eigentlich in der Natur steckt, wie sie es schafft, sämtliches Leben zum Erliegen zu bringen. Lediglich wir, die Menschen, haben es geschafft, dieser gewaltigen Urkraft entgegenzuwirken. Unabhängig davon, ob der Winter uns frieren lässt, der Lenz uns die ersten Blumen schenkt oder wir im Herbst unser Getreide einfahren können, stets ist unser Tag genau geplant und wir lassen uns durch nichts und niemanden von unseren Plänen abbringen. Dieser Egoismus der Menschen ist unfassbar. Die Kälte verhindert es, das mir die Tränen über das Gesicht laufen. Zu intensiv ist noch die Erinnerung an das, was ich vor einigen Jahren erlebt habe.

Meine Frau... wie sie starb, in aller Öffentlichkeit, unter all den Menschen. Wie sie dort qualvoll starb, mitten in diesem Laden und die anderen ihrem Tod nur zugesehen haben und nichts unternommen haben, um sie zu retten. Ich fühle mich noch, als wäre es gestern gewesen, als meine Frau mir die glückliche Nachricht erbrachte, dass sie ein Kind von mir erwartete. Wir hatten uns lange Zeit auf ein Kind gefreut und nun schien unser Wunsch endlich wahr zu werden. Doch kurz vor der Geburt wurde dieses Hoffnung zerstört. Meine Frau und ich waren gerade in der Stadt um ein paar Kleidchen für unser baldiges Kind zu kaufen. Vor dem Geschäft teilten wir uns auf, da ich noch einen frischen Laib Brot besorgen musste. So ging sie dann ihres Weges, um ein paar schöne Sachen für unser Kleines auszusuchen, während ich mich auf dem Weg zum Konditor machte. Da geschah es dann plötzlich. Meine Frau bekam plötzlich die Wehen, einige Wochen zu früh. Sie muss unglaubliche Schmerzen gehabt haben. Ich kam gerade aus der Bäckerei, als ich die Hilfeschreie meiner Frau hörte. Ich stürmte das Bekleidungsgeschäft und sah meine Frau, wie sie sich mit schmerzverzerrtem Gesicht auf dem Boden wälzte. Ich konnte nichts mehr für sie tun. Sie gab mir ihre Hand und entschlief. Es war so furchtbar. Sie ist von mir gegangen und das ungeborene Kind sollte auch nie das Gesicht der Welt erblicken. Das Geschäft war voll mit Menschen, diesen egoistischen Menschen, die ihr einfach nur beim Sterben zugesehen haben und nichts getan haben. Keiner kam auf die Idee, einen Arzt zu holen oder ihr zu helfen. Nein, sie standen einfach nur um sie herum und sahen zu, wie sie zu Grunde ging. Sie schienen sich noch an den Schmerzensschreien zu ergötzen. Seitdem habe ich so einen Hass auf die Menschen. Sie scheren sich nicht darum, was anderen Menschen wiederfährt, solange es ihnen gut geht. Dies ist ein weiteres Unding der Menschen. Sie denken stets, dass es ihnen nicht gut geht. Sie regen sich über banale Dinge wie schlechtes Wetter auf und lassen dann sich und ihre gesamten Mitmenschen in schlechter Laune versinken. Dabei wissen sie doch gar nicht, wie gut es ihnen eigentlich geht. Niemand von diesen Menschen muss hungern, geschweige denn qualvolle Schmerzen erleiden. Sie sind derart egoistisch... und sie bemerken zumeist erst, nachdem ihnen auch etwas Schreckliches wiederfahren ist, wie sehr der Egoismus der anderen einem selbst schadet.

Gerade blicke ich nach oben in den Himmel. Die Sonne scheint am höchsten Punkt und sie scheint mir zuzulächeln, als wäre ich einer dieser Menschen, die den wahren Sinn des Lebens erkannt haben. Ich setze mich und blicke in die weite, hügelige Landschaft. In der Ferne kann ich ein paar Schafe erkennen, die das letzte Gras abfressen und sich anschließend zusammenkuscheln, um sich gegenseitig warm zu halten. Diese Tiere kennen den Egoismus überhaupt nicht. Bei ihnen ist es selbstverständlich, dass man sich gegenseitig hilft und in der Not halten stets alle Tiere zusammen. Wieso kann das bei den Menschen nicht so ein? Wieso musste der Mensch derart mächtig werden, sodass er Herr über die Natur werden konnte und zahlreiche Tiere zu seinem Zweck unterjochen konnte? Wieso musste der Egoismus, das Streben, immer besser und mächtiger zu werden, daraus entstehen? Und wieso merken die Menschen nicht, wie furchtbar dies eigentlich ist? All dies sind Fragen, auf die ich keine Antworten finde. Aber ich habe für mich die Lösung gefunden. Ich habe all dies erkannt, all das Schlechte am Menschen habe ich für mich erkannt. Aber wieso musste ich dafür erst solche seelischen Schmerzen erfahren? Ich weiß es nicht.

Ich laufe zielstrebig meinen letzten Gang weiter. Ich komme an großen Grasflächen vorbei, wo ich ein paar Eichhörnchen beobachten kann, wie sie noch ein paar Nüsse sammeln, um den Winter zu überleben. Ich laufe durch Wälder und über klare Bäche, immer mit der Frage, weshalb der Mensch diese Schönheit der Natur nicht erkennt und sie zerstört. Ich werde mir dessen nun immer mehr bewusst. Das Stadtleben lässt uns völlig vergessen, was um uns herum in der weiten Natur alles geschieht. Oh, diese Menschen. Eigentlich verdienen sie nichts anderes als den Tod für all das, was sie mir und der Natur angetan haben. Die Sonne nähert sich nun schon dem Horizont. Gleich wird sie untergehen. Und ich werde mit ihr gehen. Bin ich es nicht wert gewesen auf dieser Welt zu leben? Wieso muss ich jetzt schon gehen und wieso dürfen all diese Egoisten weiterhin den täglichen Dingen ihres Lebens nachgehen und noch Jahr um Jahr auf dieser Erde verbringen? Ich verstehe es nicht. Ist die Welt denn so ungerecht?

Ich bin nun müde, werde schwach, jeder Schritt, den ich setze, ist schwerer und schmerzhafter als der vorige. Ich muss mich setzen. Ich sehe hinauf in den Himmel, der zunehmend dunkler wird. Mit jeder Sekunde spüre ich, dass der Tod näher kommt. Warum muss ich sterben? Ist es eine Strafe? Oder ist es eine Erlösung? Erlösung von all dem Leid, welches ich ertragen musste? Ich weiß es nicht. Ich versinke immer tiefer in diesen Gedanken, sodass ich gar nicht merke, dass es mittlerweile Nacht geworden ist. Das Heulen einer Eule lässt mich nochmal aufschrecken. Ein letztes Mal blicke ich in den Himmel. Die Sterne leuchten und der Mond bestrahlt die dunklen Felder. Ich bin gewesen. Meine Tage sind gezählt. Ihr Menschen, ihr egoistischen Menschen, ich hoffe, dass ihr alle noch merkt, wie schrecklich ihr seid und ich hoffe, dass ihr aus eurem Egoismus aufwacht und erkennt, das Leben viel mehr ist, als nur nach seinem eigenen Vorteil zu streben. Ihr habt meine Frau und mein Kind sterben lassen und dafür sollt ihr qualvoll verrecken und in der Hölle schmoren auf immer und ewig. Ich schließe nun meine Augen. Mein letzter Gang findet hier sein Ende...

Nach einem langen Schlaf öffnete er seine Augen und sah seiner Frau und seiner Tochter in die Augen. Jetzt hatte er die Gewissheit. Er hat alles richtig gemacht. Er hat den Sinn des Lebens erkannt. Das Schicksal der anderen ist ungewiss. Vielleicht erkennen sie auch noch das, was er und seine Familie erkannt haben, andernfalls wird der Teufel sie zu sich holen und sie auf ewig unaussprechliche Qualen erleiden lassen.

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Enfant Terrible
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Ein Fingerhut voller Tränen - Ein Gedichtband
Beitrag26.04.2008 21:19

von Enfant Terrible
Antworten mit Zitat

Hallo! Ich war schon seit längerem auf deine Texte neugierig wink
Was mich formal an der Geschichte ein wenig stört, ist, dass du immer wieder zwischen Präsens und Präteritum wechselst - das gilt nicht als guter Stil und ich fände es schöner, wenn du eine von diesen Zeitformen konsequent durchziehen würdest.
Die Idee von dem "letzten Weg" fand ich interessant, wenn du diese Worte weniger wiederholen würdest, wären sie automatisch noch eindrucksvoller.
Noch ein paar Anmerkungen direkt zu den Sätzen

Zitat:
Die Sonne war gerade aufgegangen, als ich mich aufmachte, meinen letzten Gang anzutreten.

Die Formulierung ist unnötig verlängert, wodurch etwas von der Lebendigkeit geraubt wird. Kürzer und nicht so statsich wäre z.B.
Bei Sonnenaufgang trat ich meinen letzten Gang an
oder
Als die Sonne aufging, machte ich mich zu meinem letzten Weg auf
Wie du siehst, könntest du durch Aussuchen und Verwenden eines Verbes eine starke Wirkung und einen effektvollen Anfang erreichen.

Zitat:
Ich spüre förmlich, wie es mit mir zu Ende geht. Doch ich frage mich auch, was soll ich noch auf dieser Welt? Ich habe nichts Gutes erlebt in der Zeit, als ich auf Erden war, ich musste Schmerzen erleiden, die mein Inneres schon vor langer Zeit zerfressen haben. Eigentlich bin ich nur noch eine nach außen hin lebendig wirkende Hülle, aber im Inneren bin ich schon lange verstorben.


Zitat:
Ich spüre förmlich, wie es mit mir zu Ende geht. Doch ich frage mich auch, was soll ich noch auf dieser Welt? Ich habe nichts Gutes erlebt in der Zeit, als ich auf Erden war, ich musste Schmerzen erleiden, die mein Inneres schon vor langer Zeit zerfressen haben. Eigentlich bin ich nur noch eine nach außen hin lebendig wirkende Hülle, aber im Inneren bin ich schon lange verstorben.

Wie gesagt, stößt hier der Zeitsprung - vom Präteritum plötzlich ins Präsens - unangenehm auf. Daneben habe ich den Eindruck, als wolltest du eine bedrückte, geheimnisvolle Atmosphäre aufbauen. Allerdings wirken die Mittel insgesamt "zuviel", weil du das Leiden des Protagonisten zu ungenau, dafür aber ausführlich beschreibst, so liest es sich leicht nach Lamente. Als Leser kommen einem sofort die Fragen, was passiert ist, jetzt ebenso wie in der Vergangenheit des "Ich", was ihn so zerfressen hat, was ihm bevorsteht... du könntest durch Kürze mehr Spannung aufbauen. Nur satztechnisch würde ich es vielleicht so umschreiben:
Alles in mir spürt das nahende Ende, es kribbelt ebenso wie die Frage: Was soll ich noch auf dieser Welt? In meiner Zeit auf Erden ist mir wenig Gutes widerfahren. Schmerzen haben jahrelang mein Inneres zu ihrem Festmahl gemacht und eine leere Hülle mit meinem Gesicht hinterlassen.
Wie du siehst, habe ich versucht, die Sätze ein wenig zu kürzen und originellere Umschreibungen zu finden. Das ist natürlich nur ein spontaner Vorschlag, aber vielleicht siehst du schon daran, in welche Richtung es gehen könnte.

Zitat:
also habe ich der Stadt den Rücken gekehrt und mache mich auf, an meinem letzten Tag die ländliche Welt zu erkunden, die noch nicht von den unsäglichen Menschen zerstört und ihnen zu Eigen gemacht wurde.

Auch hier würde das Prinzip "Weniger ist mehr" für einen stärkeren Effekt sorgen, wenn du beispielsweise auf Beschreibungen wie "unsägliche Menschen" verzichtest - so kannst du auch das Klischee abmildern. Den Satz könnte man ebenfalls kürzen:
also habe ich der Stadt den Rücken gekehrt, um an meinem letzten Tag das unberührte Land zu erkünden, das noch nicht durch die Menschenhand malträtiert worden ist.
Ein bisschen übertrieben, aber wie gesagt, nur eine spontane Idee.

Zitat:
Unter den Menschen gibt es bei weitem nicht so eine Ruhe, wie ich sie hier gerade erlebe. Sie sind immer nur in Eile, hektisch und unüberlegt. Untereinander herrscht stets ein angespanntes Verhältnis und der ganze Tag besteht doch eigentlich aus nichts anderem mehr als einem dauernden gegenseitigen Ankeifen und dem Egoismus. Es ist doch wahr und berechtigt von mir zu behaupten, dass ein jeder doch zumeist nur noch an sich denkt und ihm das Wohlergehen seiner Mitmenschen nichts mehr bedeutet. Ich musste dies auch oft genug erfahren.

Spätestens jetzt stellt sich die Frage: Ist denn dein Prota kein Mensch, dass er so "von fern" über sie urteilt? Ist er ein "höherer" Beobachter, inwiefern hat er dann mit den Menschen zu tun? Außerdem hat mich ein bisschen irritiert, dass er in seiner Wortwahl (Formulierungen wie "Es ist doch wahr und berechtigt von mir zu behaupten", Füll-Umschreibungen wie "doch zumeist nur") leicht unsicher wirkt. Als fühlte er sich nicht wirklich berechtigt, die Menschen zu kritisieren, als traue er seinen Beobachtungen nicht ganz. Verstehst du, was ich meine?
Die Beobachtungen an sich sind sicherlich richtig, aber leider ein wenig klischeehaft umgesetzt in meinen Augen. Gesellschaftskritik, wie man sie in genau derselben Formulierung immer wieder hört. Sie geht nicht wirklich tief, berührt den Leser nicht so, wie sie könnte. Du schreibst, der Protagonist habe es am eigenen Leibe erfahren. Nun wäre es doch sehr interessant, wenn du gleich ein paar Beispiele lieferst, eine konkrete Rückblende zum Beispiel, wie er schlechte Erfahrungen mit den Menschen gemacht hat! Das wäre um einiges spannender und lebendiger, finde ich.

Zitat:
Doch nun muss ich weiter wandern, meinen letzten Weg gehen. Es ist kalt, denn schließlich hat der Winter bereits Einzug gehalten. Schnee liegt keiner, doch Väterchen Frost hat die ganze Natur in seiner Gewalt.

Das Kursive würde ich wegen der abschwächenden Wiederholung weglassen. Die darauffolgende Beschreibung fand ich insofern nicht ganz gelungen, da sie nicht in die bedrückte Atmosphäre passt. Die Metapher mit Väterchen Frost ist einerseits zu klischeehaft und andererseits zu heiter (für meinen Geschmack) um mit einem Reisenden auf seinem letzten Weg assoziiert zu werden. Auch kann ich mich nicht ganz mit dem Satz "Es ist kalt, denn schließlich hat der Winter bereits Einzug gehalten" anfreunden, er hat so etwas... Selbsterklärendes an sich.

Zitat:
Es herrscht eine geradezu unsägliche Stille. Die wenigen Vögel, die den Winter bei uns verbringen, scheinen zu schlafen und auch sonst scheinen hier in der weiten Natur keine lebendigen Wesen außer mir zu sein.

Das doppelte "scheinen" (früher wars eins von meinen Lieblingswörtern, ich kann nachvollziehen, wie es sich immer einem in Beschreibungen aufdrängt) trübt das Bild ein wenig, du könntest es im ersten Teil auch weglassen - entweder schlafen die Vögel oder sie sind weg, aber sie tun ja nicht so, als würden sie schlafen? wink

Zitat:
Meine Frau... wie sie starb, in aller Öffentlichkeit, unter all den Menschen. Wie sie dort qualvoll starb, mitten in diesem Laden und die anderen ihrem Tod nur zugesehen haben und nichts unternommen haben, um sie zu retten.

Ich finde den Absatz schön und lebendig. Du hättest ihn weiter oben bringen können, er würde gut passen an die Stelle, wo der Protagonist seine Enttäuschung über die Menschen kund tut!
Leichte Umschreibung: Meine Frau... wie sie starb, in aller Öffentlichkeit. Mitten in diesem Laden, wo die Menschen ihrem Tod nur zusahen, ohne einen Rettungsversuch zu unternehmen So ungefähr. Was hältst du davon?

Zitat:
Ich stürmte das Bekleidungsgeschäft

Das Wort wirkt an dieser Stelle viel zu "modern" und zu bürokratisch. Laden reicht völlig aus!

Zitat:
In der Ferne kann ich ein paar Schafe erkennen, die das letzte Gras abfressen und sich anschließend zusammenkuscheln

Kuschelnde Schafe, ein schönes Bild. Es gefällt mir insgesamt, wie die Atmosphäre langsam "positiver" wird.

Zitat:
Wieso musste der Egoismus, das Streben, immer besser und mächtiger zu werden, daraus entstehen? Und wieso merken die Menschen nicht, wie furchtbar dies eigentlich ist?

Fragen, die man sich leider zu oft stellen muss. Du wiederholst aber für meinen Geschmack diese Formulierungen mit "Egoismus" zu oft, sodass sie ihre Wirkung verlieren.

Soviel vorerst. Man könnte noch vieles umschreiben, aber zu tief in dein Werk reingreifen möchte ich nun auch nicht, es ist schließlich deine Geschichte. Ich möchte lediglich die Punkte zusammenfassen, die mir immer wieder beim Lesen aufgestoßen sind
- Füllwörter und -verben: Versuche, möglichst knappe Ausdrücke zu finden und schau, wo du diese überflüssigen Wörter streichen kannst. Oft kann es helfen, den Satz anders aufzuziehen, Wortarten zu verwandeln usw.
- "Lamente": Du verwendest oft Fragen und Statements, die zwar wahr und schmerzhaft, aber auch sehr vergriffen sind. "Die Menschheit ist schlecht". Ich fände die Szene viel eindrucksvoller, wenn du derartige Umschreibungen seltener benutzt und dafür so auf die Bilder eingehst, dass man das drohende Unheil spürt, ohne dass man es immer wieder aus den Gedanken des Gehenden zu direkt liest. Du erklärst zu viel!
- Wiederholungen: Deckt sich teilweise mit den vorherigen Punkten. "Egoismus", "letzter Weg" etc - manchmal sind Wiederholungen Stilmittel, aber wenn man es übertreibt, kann es den Leser leicht langweilen.

Insgesamt fand ich die Idee der Geschichte zwar nicht ganz originell, aber gut und ausbaufähig. Dieses Bild des "einsamen Wolfes", der von den Menschen missverstanden in sein Ende zieht... da könntest du viel mehr daraus machen, eben durch das Straffen der Geschichte und der Formulierungen!


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halcyonzocalo
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Beitrag26.04.2008 23:34

von halcyonzocalo
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Hallo Terrorkrümel.
Erst mal vielen, vielen Dank für deine ausführliche Kritik, das hat mich schon sehr beeindruckt.
Ja, bei mir ist das immer so eine Sache.^^ Mir passiert es viel zu oft, das ich einen Satz schreibe, mir dann aber währenddessen noch eine spontane Idee kommt und der Satz somit dann prallgefüllt mit Verben, Adjektiven, etc ist^^ Ich habe auch Geschichten in einem ganz anderen Stil geschrieben^^ Die werde ich auch nach und nach online stellen.

Zitat:
Was mich formal an der Geschichte ein wenig stört, ist, dass du immer wieder zwischen Präsens und Präteritum wechselst


Hm... an sich hast du ja Recht, aber wie soll man denn sonst beschreiben, dass er, während er diesen letzten Gang geht, an frühere Zeiten denkt?

Der Sache mit der Klischeeverwendung meinerseits muss ich dir mit einem leichten Grummeln zustimmen^^ Mich regt es im Nachhinein auch oft auf lol2

Diese Geschichte habe ich übrigens vor 2 Jahren zu Weihnachten geschrieben. Meine Tante war nicht so begeistert^^ Sie hätte sich eher was fröhlicheres gewünscht.
Aber ich bin ja noch in jungen Jahren, da kann man sich ja auch noch entwickeln Wink

Eine Frage hätte ich dann doch noch: Bist du wirklich erst 14 Jahre alt?
Wenn, dann ein dickes Kompliment an dich.

Und nochmal Danke.

Ps: Aber du gehst zur Schule oder? Denn man bekommt echt den Eindruck, dass du auf dieser Seite lebst lol2

lg
halcyonzocalo


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Enfant Terrible
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Ein Fingerhut voller Tränen - Ein Gedichtband
Beitrag27.04.2008 08:36

von Enfant Terrible
Antworten mit Zitat

Morgen halcyonzocalo,
ich freue mich sehr, dass du mit meiner Kritik etwas anfangen konntest, denn ich habe mir schon Sorgen gemacht, ob ich in einigen Punkten nicht zu "verreißerisch" geklungen habe.
Deine Problempunkte beim Schreiben bekommst du mit ein bisschen Überarbeiten leicht in den Griff, da bin ich mir sicher. Es sind ja keine schwer wiegenden Fehler in deinem Text, bloß musst du dich eben ein wenig kürzer fassen und Klischees streichen. Ich habe mir schon gedacht, dass du die Zeitsprünge für Rückblenden nutzen wolltest, aber ganz so macht man das nicht, es liest sich ein wenig merkwürdig. Man kann Flashbacks "vor Ort" einbauen, ohne gleich die Zeiten ganzer Absätze zu wechseln.
halcyonzocalo hat Folgendes geschrieben:
Diese Geschichte habe ich übrigens vor 2 Jahren zu Weihnachten geschrieben. Meine Tante war nicht so begeistert^^ Sie hätte sich eher was fröhlicheres gewünscht

Hallo Leidensgenosse, das Problem habe ich auch. Die Menschen aus meiner Umgebung können mit meiner Schreibe auch nicht viel anfangen, weil sie zu oft ins Düstere geht. Wegen einer (fiktiven!!!) Selbstmordgeschichte habe ich sogar Furore ausgelöst, weil sich alle um mich Sorgen zu machen anfingen...  Laughing  So isses manchmal mit den Verwandten.

halcyonzocalo hat Folgendes geschrieben:
Eine Frage hätte ich dann doch noch: Bist du wirklich erst 14 Jahre alt?

Die Frage wird mir oft gestellt, aber das habe ich wohl selber verschuldet. Auf jeden Fall: Danke fürs Kompliment!

halcyonzocalo hat Folgendes geschrieben:
Ps: Aber du gehst zur Schule oder? Denn man bekommt echt den Eindruck, dass du auf dieser Seite lebst

Das lässt sich damit erklären, dass mein Tag mehr Stunden hat  Laughing


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Beitrag27.04.2008 10:53

von halcyonzocalo
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Danke für die zahlreichen Tipps.

Aber eins lässt mir keine Ruhe:
Zitat:
halcyonzocalo hat Folgendes geschrieben:
Eine Frage hätte ich dann doch noch: Bist du wirklich erst 14 Jahre alt?

Die Frage wird mir oft gestellt, aber das habe ich wohl selber verschuldet. Auf jeden Fall: Danke fürs Kompliment!

Vielleicht liegts daran, dass es noch früh am Morgen ist, aber irgendwie werde ich aus deiner Antwort nicht schlau ^^
Was heißt das jetzt? Das hast du dir selbst verschuldet?
Bin manchmal etwas verpeilt, entschuldigung dafür^^

lg
halcyonzocalo


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Ein Fingerhut voller Tränen - Ein Gedichtband
Beitrag27.04.2008 12:20

von Enfant Terrible
Antworten mit Zitat

Ich weiß schon, ich drück mich manchmal seltsam aus   Embarassed
Was ich meinte, war: Ich bin selbst schuld, wenn man mir mein Alter nicht glauben will, weil ich zu erwachsen tu  Wink


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Beitrag22.05.2008 12:03

von halcyonzocalo
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Nun auch mit Ton

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