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Hoffnung und Leben


 
 
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fabian
Geschlecht:männlichKlammeraffe


Beiträge: 607



Beitrag30.07.2016 01:18
Re: Hoffnung und Leben
von fabian
Antworten mit Zitat

Hallo BlueNote

Eigentlich hat mich Dein Gedicht schon beim ersten Lesen gepackt, mir ward mulmig zumute, es entstand ein Gefühl der inneren Unruhe, der Bedrängnis, der Bedrohung, des Mitleidens, nichts davon so ganz und doch von allem ein bisschen; in mir hat sich sofort eine ganz konkrete Vorstellung über das gebildet, wovon gesprochen wird.
So einfach und direkt meine erste Reaktion war, so schwer fällt es mir jetzt, sie in ihrer Subjektivität selbst anzuerkennen und hier als Kommentar einzustellen.

Ich bin jemand, der im Grunde keine Ahnung davon hat, wie mit Lyrik umgegangen werden kann oder soll oder muss, der aber manchmal von ihr berührt wird, wie von einem Musikstück, das wirkt, auch wenn dem Hörer weder die Kontextualität noch die Struktur klar ist.

Ich bin unsicher, ob meine Empathie oder Phantasie ausgereicht hat, um dem auf die Spur zu kommen, was Du für Dich in Deinem Gedicht zum Ausdruck bringen wolltest, ich stelle meine Gedanken hier dennoch vor, weil es mich interessiert, ob ich mich auf einem "richtigen" Weg befunden habe (falls es den überhaupt gibt im Umgang mit Lyrik).

Ich spreche hier also zum einen über Dein Gedicht, aber zum anderen mindestens ebenso über mich und meine Hoffnung, dem Text ein adäquater Gegenüber gewesen zu sein.


Bereits die erste Strophe war mir wie ein Menetekel, eine Ahnung von etwas Gefährlichem.

BlueNote hat Folgendes geschrieben:
Gezählt sind
die Tage des Königs
Sterne wachsen
außen
und innen für ihn


Der einleitende Satz spricht für mich nicht von einer Figur, nicht von jemand, irgend jemand anderem, sondern von einer Haltung, vom "König sein", und das ist: Herrscher seiner selbst zu sein, seines Lebens, der Umstände, und davon, das dieser Zustand der Selbstgewissheit, des in sich Ruhens nicht nur endlich ist, sondern in einem ganz konkreten Moment zu Ende geht, wenn Möglichkeit zur Tatsache wird.
Meine naive Konkretions- und Bebilderungssucht lässt mich die Sterne, die da wachsen außen und innen, stachelig sehen: das spitzstrahlige Pentagram und das raumgreifende Hexagram, materialisierte Schemata; da leuchtet nichts, nach diesen Sternen greift niemand, da ist nur harter, schneidender Umriss, wuchernder Krebs, aus der Hand genommenes Leben, entpuppte Illusion.
Quer dazu blieb mir nur das "für ihn" liegen. Wie können diese verdammten Sterne "für" ihn wachsen? Weil sie "seine" ganz eigene Realität sind?


BlueNote hat Folgendes geschrieben:
Der Schmerz
schwemmt ihn auf
Ein Schrei verhallt
in den ewigen Weiten
des Lebens


Auch die zweite Strophe leitet einfach und unmetaphorisch mit einer Feststellung ein, und spricht als Ganzes dann doch von etwas ganz Riesigem und Grandiosen, einem Schmerz, der Körpergrenzen sprengt und einem Schrei, der vieles sein kann: Schmerz, Wut, Hilfe- oder Verzweiflungsruf, der alles und doch nichts erreicht, weil da nichts ist, an das er sich heften könnte, das ihm gleich ist und antworten könnte – der verhallt, weil: er kommt aus diesem einen  konkreten Moment der Erkenntnis der Realität, der Endlichkeit des einen, der nicht mehr König ist, und steht nun unverbunden dem Abstraktum unendlicher Dauer und unbegrenzter Vielfalt der Anderen, die noch König sind gegenüber.


BlueNote hat Folgendes geschrieben:
Stille ist
was uns bleibt
und Hoffnung
verdirbt
mit der Zeit


Die dritte Strophe ist von der anderen Seite aus gesprochen, aus dem Lande der Selbstermächtiger und gutgläubigen Könige heraus hat sie den Schrei nicht vergessen und macht sich einen Reim auf die Stille danach, die faulig ist und Hoffnung auf ewiges Ringelreihen brüchig erscheinen lässt.

Das ist das, was ich – intuitiv, wie ich meine – erfasst habe von deinem Gedicht. Das ist für mich der "Inhalt", das Ausgelesene.
Ganz beliebig ist es nicht, meine ich, denn je länger ich versucht habe, meine Eindrücke in Worte zu fassen, desto mehr fühlte ich mich gedrängt, im Text nach Belegen für mein Verständnis zu suchen.

Ob ich Deinem Gedicht auf diese Weise auch nur nahe gekommen bin?
Ich bin unsicher.

Aber wie Du siehst: es hat mich beeindruckt.
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BlueNote
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Beitrag31.07.2016 08:14

von BlueNote
Antworten mit Zitat

Guten Morgen nochmal!

@IIII

Du hast ein großes Talent, die Dinge wirklich auf den Punkt zu bringen:
Zitat:

So knapp wie eindringlich ist diese Machtlosigkeit in dem Bild des Königs ( d.h. also des Machtsymbols schlechthin !)
in diesem seinem total machtlosen todkranken Zustand dargestellt.

Zitat:

die Auseinandersetzung mit dem Gedicht entscheidet, ob Worte etwas bewirken können.

Zitat:

auf etwas, das erst im Dichter und dann modifiziert im Leser
"Gestalt annimmt", gestaltet, wirkt, verändert

Zitat:

Mit solch eindimensionalem Blick braucht man tatsächlich keine Gedichte
und findet man Celans "Schwarze Milch der Frühe....." nur komisch !

Zitat:

Aber es geht eben auch nicht um diese konkreten Details,

Zitat:

Ich hoffe, die "weiterführenden Gedanken" soweit richtig verstanden
und nicht zur Selbstbestätigung missbraucht zu haben.

Du hast jedenfalls eine Herangehensweise an Gedichte bzw. Gedichtinterpretationen, die sehr meiner eigenen entspricht. Es ist eine Wohltat, all das zu lesen.

... ganz im Gegenteil zu menekrakekel
Zitat:

Du kannst dem Gedicht etwas abgewinnen. Dies bleibt dir unbenommen und wird BlueNote sicherlich freuen. Den meisten Lesern gelingt das offenbar nicht so recht. Obwohl sie sich "redlich bemühen", wie es in manchen Arbeitszeugnissen so nett formuliert wird.

Deine Meinung bleibt dir unbelassen. Du musst aber auch nicht durch die Aufblähung deinerselbst d.h. durch die Anzahl deiner Kommentare den Anschein erwecken, dass es sich bei deiner Meinung um die Meinung "der meisten Leser" handeln würde. Mit negativer Kritik kann ich grundsätzlich umgehen, deine Absichten sind allerdings allzu durchschaubar und haben mit Kritik am Text gar nichts zu tun, sondern eher mit Profilierung, Selbstdarstellung und Trittbrettfahrertum. Du solltest deine Fähigkeiten für sinnvollere Dinge einsetzen. I don't like this!

@Rainer
Zitat:

Ich würde das Nachhaken als Versuch werten, in eine Auseinandersetzung mit dir, dem Autoren zu kommen.

Dann hätte es mit weniger Sticheleien und absichtlichen Provokationen stattfinden sollen. Eine sinnvolle Auseinandersetzung ist immer fruchtbar und wird von mir nie verweigert. Zu "unprofessionell und geschmacklos" lässt sich beispielsweise nicht viel sagen und seine Haltung und Absichten gegenüber jedermann zu verteidigen, der etwa dieser Meinung ist, halte ich zumindest in diesem Fall für Zeitverschwendung.
Zitat:

Dass jemand Lebermetastasen postet, das spricht doch nicht gegen ein Gedicht.

Dieses Bild hat sich bei mir regelrecht festgefressen (das der Ausstellung, nicht das gepostete). Es ist die Grundlage für das Gedicht. Das zu vermitteln geht am einfachsten mit dem Zeigen des Bildes aus der Realität.
Zitat:

Dass jemand Lebermetastasen postet, das spricht doch nicht gegen ein Gedicht.

Das Gedicht ist zumindest ein sehr einfaches, gibt (mir) aber genügend Projektionsfläche, die Realität in ihm unterzubringen. Für mich hat dieses Gedicht natürlich noch eine ganz persönlich "Wirkung", die aber von einem Leser nicht nachempfunden werden muss. Dass Thema ist allgemein genug, es nachempfinden zu können, wenn man es denn will.
Zitat:

Und BN, ich finde, so eine Frage von mir jetzt, oder auch das Nachhaken von Mentekel, das sollte schon erlaubt sein, auch wenn es dein Faden ist, aber mal ehrlich mit unbequemen Kommentaren sollte man sich doch anders beschäftigen, als sie zu ignorieren oder freundlich, aber bestimmt aus dem Faden zu geleiten.

Normalerweise ja! Unbedingt! In diesem Fall eher nein. Ich hatte eher das Gefühl, hier will jemand den (armen, kleinen) BN als Spielball umfunktionieren oder wieder einmal zur allgemeinen Erheiterung die wilde Sau durch's Dorf jagen. Hardy beispielsweise hatte annodazumal an dieser gemeinschaftlichen Treibjagd immer große Freunde und am Ende meiner threads oft nur noch stereotyp Bemerkungen in Massenpostings wie "du hast es einfach nicht drauf" zu bieten. Spätestens dann war keine sinnvolle Auseinandersetzung in irgend einer Art (oder mit irgendwem) mehr möglich. Bei Hardy war das Revanche auf Kritik von mir, die in Teilen negativ ausgefallen war (wobei ich lediglich eine kleine, generelle, aber sehr offensichtliche Grammatik bzw. Ausdrucksschwäche angemerkt hatte). Mit solchen Leuten umzugehen (die einem irgendwas heimzahlen wollen), ist auch eine Herausforderung. Das ist eben Forendynamik! Ich löse sie im Moment so, dass ich nicht nachfrage, warum mein Text oder der Grund meines Schreibens peinlich und unprofessionell sind. Zumal ja auch IIII geschrieben hat:
Zitat:

Von Dir menetekel hab ich bisher viele viele lange, höchst feinsinnige Kommis gelesen

So empfinde ich das auch! Geben wir doch einfach dem User eine neue Chance, zu seinem Feinsinn zurückzufinden.

@Aranka
Zitat:

Da gilt für mich generell: immer gibt es einen Auslöser für einen Text. Manchmal ist dieser sehr persönlich und dann muss der Autor entscheiden, ob er genug Abstand hat, das in einem Text zu verarbeiten, der nicht auf dieser direkten „Betroffenheitsebene“ angesiedelt ist und sich darin verfängt. „Der Stoff sollte kalt sein.“ (Ich glaube, das hat Benn gesagt.)

Normalerweise würde ich dazu raten, nur einen Stoff zu thematisieren, der tatsächlich kalt ist. Aber man wäre nicht Autor (mit Herz und Seele), wenn man das Gegenteil nicht doch auch einmal für sich ausprobieren würde. Ich habe z.B. einmal in einer Situation "tiefster Betroffenheit" und (man muss sagen) auch von "Sprachlosigkeit" einen Text geschrieben, den ich heute als meinen wichtigsten sehe, den ich je im Forum gepostet habe. Die Authenzität bereitet mir auch jetzt noch Gänsehaut, denn wie kann man eine Situation besser schildern, als wenn man sich gerade in ihr befindet? Es war sehr schwierig, überhaupt Worte oder eine passende Form zu finden. Aber wenn es dann gelungen ist, ist dieser Text ein umso wertvolleres Dokument (für einen selbst - bzw. wenn man Glück hat auch für andere).
Kurz davor hatte ich nach einer langen Zeit der Sprachlosigkeit allerdings auch den schlechtesten Text meiner Forenzeit geschrieben. Es hat also nicht der erste Schuss funktioniert (und die zwei danach zum selben Thema auch nicht mehr so wirklich).
Zitat:

Ich finde es sogar oft für mein Lesen hinderlich, wenn der Autor allzu viel preisgibt von dem Hintergrund. Mich interessiert der Text und das, was er „möglich“ macht.

Darauf sollte man sich konzentrieren. Die spezielle Bedeutungsebene des Autors ist nicht zwingend relevant.
Zitat:

So habe ich die Sterne nie als Metastasen gelesen und habe all die Erklärungen am Rande ausgeblendet, da sie mMn den Text einschränken.

Das ist eine sehr legitime Herangehensweise. Und gut, wenn du das so gut ausblenden kannst. Ich würde eine Interpretation, die völlig ohne die gezeigte Diagnose im Bild auskäme, nicht als falsch bezeichnen wollen.
Zitat:

Die Textauseinandersetzung hier war echt gut, war ja auch Werkstatt, wie es sein sollte.  Ist ja schon erstaunlich, wer sich hier alles damit auseinander gesetzt hat.

Das ist in jedem Fall sehr erfreulich. Meine Idee war, wenn meine Intentionen auf dem Tisch liegen, bekomme ich auch bessere, weil zielgenauere Werkstattvorschläge.
Zitat:

Ein gut laufender Trabi, der hat recht "gewichtige" Substanz und dazu noch seinen eigenen Charme. Warum einen Daimler draus machen wollen.

Ich brauche ein paar Zeilen, die mich über den Tod meines königlichen Menschen hinaus begleiten werden. Mal sehen, ob sie (schon) die richtigen sind. Sich der augenblicklichen Situation (auch mit Worten) zu stellen, ist allerdings oft nicht die Stärke des Dichters. Er wartet lieber, bis alles kalt ist - um dann vielleicht umso kunstvoller und wortgewandter über sich und seine Empathie und alles andere hinauszuwachsen.

BN (Fortsetzung folgt)
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llll
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L


Beiträge: 121



L
Beitrag31.07.2016 14:26

von llll
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DANKE BlueNote für Deine Sonntagmorgen-Zeilen.
Als Neuling im Forum hab ich natürlich erst mal viel Texte und Kommis gelesen,
das macht wohl jeder Neue so, und ich merkte alsbald,
welche Schreiberlinge mich nerven und bissig machen
und welche mir wirklich interessant und wichtig sind :
menetekel gehört eindeutig zu letzteren und deshalb hat ihr kurzer Biss bzw. Verriss
für mich schwerverdauliches Gewicht und ich vermute, dass sie mit ihren abfälligen Zeilen
weniger Dein Gedicht, sondern vielmehr mein Lob verreissen wollte !
Noch eines :
Zur absichtlich knappen Schlichtheit des Gedichts ist mir der Ausspruch eines berühmten
Dichters - ich glaube es war wirklich Goethe - in vager Erinnerung, sinngemäß etwa so :
Wo die Betroffenheit/innere Erschütterung so groß ist, dass die Worte versagen,
da hat nur das schlichte Volkslied die rechten Worte !
Es war wohl wirklich Goethe, denn ich weiß noch, dass ich mich damals kreuz und quer wunderte,
dass ausgerechnet ein solcher König (!) der Worte, der absolut mühelos reimte und
zu allem und jedem was zu sagen wusste, dass ausgerechnet er derartige Sprachlosigkeit zugesteht
und dem schlichten anonymen Volkslied das höchste Sprachvermögen zuspricht !
Das ist ihm wirklich sehr hoch anzurechnen.......
Ich schrieb davon bisher nicht : Es war mir zu peinlich, dass ich es nicht wirklich ordentlich zitieren kann,
außerdem haben wir Deutsche ja seit der Nazizeit ein ziemlich gebrochenes Verhältnis zu unseren Volksliedern
und jaulen viel lieber folk aller Art....aber ich möchte diese Erinnerung nun doch noch mitteilen, denn
es beleuchtet nochmals die bemängelte Trabi-Schlichtheit = Volkstümlichkeit (?) Deines Gedichts :
König und Sterne sind Elemente aus Märchen und Volkslied, darin Du Deinen Inhalt quasi kostümierst
wie auch Dein Avatar-Bild wohl nicht zufällig kostümiert ist und irgendwie an den Hofnarren erinnert,
der die Macht des Königs lachend in Frage stellen darf und soll.......
Aber wenn der Inbegriff der Macht = der König = der kranke König Deines Gedichts
oder auch auf seine Weise König Lear so elend endet, dann ist es aus mit Spaß
und ist wirklich alle Macht am Ende, für alle und jeden eindrücklichst nachvollziehbar.
Das ist ja auch das Einzigartige und eigentlich hochaktuell zu Bedenkende an der christlichen Religion,
dass der lang erwartete Messias wider Erwarten eben gar kein König war, sondern im Gegenteil
in revolutionär beispielhafter Macht- und Gewaltlosigkeit handelte und wirkte
bis zur letzten grausigen Konsequenz, dass damalige Macht und Gewalt den wirklich Unschuldigsten zermalmten.
Das christliche Kreuzzeichen desavouiert eigentlich Macht und Gewalt weltweit für alle Zeiten !
Dass die Kreuzritter die Kreuzfahne vor sich hertrugen ist leider nicht der einzige
peinlichst perverse Widerspruch in sich.....
Exkurs beendet.
>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>
Ich möchte nur noch ganz dringend darauf hinweisen, dass viele der von Dir lobend zitierten Sätze
eigentlich den "weiterführenden Gedanken" aus Ralf Langers Kommi entstammen !
!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
llll
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BlueNote
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Beitrag01.08.2016 08:56

von BlueNote
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Guten Morgen,

@bamba
Zitat:

Die Betroffenheit ist nicht rüber geschwappt, bei mir.

Da bin ich sehr froh! Betroffenheit wollte ich nicht thematisieren!

Hab erst gerade bemerkt, dass du dich in deinem Kommentar ja an das kleine m. wandest.

@fabian
Zitat:

Der einleitende Satz spricht für mich nicht von einer Figur, nicht von jemand, irgend jemand anderem, sondern von einer Haltung, vom "König sein", und das ist: Herrscher seiner selbst zu sein, seines Lebens, der Umstände, und davon, das dieser Zustand der Selbstgewissheit, des in sich Ruhens nicht nur endlich ist, sondern in einem ganz konkreten Moment zu Ende geht, wenn Möglichkeit zur Tatsache wird.

Ich finde das einen sehr interessanten Interpretationsweg: Vom König, der als "Herrscher" Macht hat, bis hin zu dem Menschen, der die Macht über sich zu verlieren beginnt. In diesem Bild ist nachzuempfingen, wie wir alles verlieren können, auf was es insgesamt ankommt und uns somit die wahre "Machtlosigkeit", um die es geht, bewusst wird - die wir uns im Zustand, da wir noch "Herr unserer selbst" sind niemals vorstellen können oder für möglich halten.
Zitat:

Meine naive Konkretions- und Bebilderungssucht lässt mich die Sterne, die da wachsen außen und innen, stachelig sehen

Die Sterne, die ich gesehen hatte, besaßen tatsächlich Strahlen nach außen. Es waren die Blutgefäße.
Zitat:

Auch die zweite Strophe leitet einfach und unmetaphorisch mit einer Feststellung ein, und spricht als Ganzes dann doch von etwas ganz Riesigem und Grandiosen, einem Schmerz, der Körpergrenzen sprengt und einem Schrei, der vieles sein kann: Schmerz, Wut, Hilfe- oder Verzweiflungsruf, der alles und doch nichts erreicht, weil da nichts ist, an das er sich heften könnte, das ihm gleich ist und antworten könnte – der verhallt, weil: er kommt aus diesem einen  konkreten Moment der Erkenntnis der Realität, der Endlichkeit des einen, der nicht mehr König ist, und steht nun unverbunden dem Abstraktum unendlicher Dauer und unbegrenzter Vielfalt der Anderen, die noch König sind gegenüber.

Die Erkenntnis, dass das Leben endlich ist (dass es wirklich endlich ist), überkommt jeden völlig allein. So schmerzhaft, beängstigend, bedrohlich diese Erkenntnis für den einzelnen auch ist, für alle anderen ist sie "normal", gottgegeben oder natürlich - die Erkenntnis, dass das Leben der anderen endlich ist.
Zitat:

Die dritte Strophe ist von der anderen Seite aus gesprochen, aus dem Lande der Selbstermächtiger und gutgläubigen Könige heraus hat sie den Schrei nicht vergessen und macht sich einen Reim auf die Stille danach, die faulig ist und Hoffnung auf ewiges Ringelreihen brüchig erscheinen lässt.

Beim ewigen Ringelreihen fehlt nun jemand, und je näher er uns war, umso mehr fehlt er uns. Was aber auch heißt, je weiter weg derjenige ist, der fehlt, umso weniger fehlt er uns. Brüchig wird der Kreis erst, wenn die Lücke direkt neben uns entsteht.
Zitat:

Ganz beliebig ist es nicht, meine ich, denn je länger ich versucht habe, meine Eindrücke in Worte zu fassen, desto mehr fühlte ich mich gedrängt, im Text nach Belegen für mein Verständnis zu suchen.

Ich finde, du warst sehr nahe dran an diesem Text. Vielen Dank für die Besprechung!

@IIII
Zitat:
... dass sie mit ihren abfälligen Zeilen weniger Dein Gedicht, sondern vielmehr mein Lob verreissen wollte !

Das glaube ich nicht! Die Kritik anderer braucht sowieso vorrangig nicht bewertet zu werden. Mach es so, wie du meinst! Solche Kritiker wie dich hat das Forum dringend nötig (um aus seinem Meinungstief zu kommen).

Deinen Exkurs vom Volkslied bis zu den Kreuzrittern habe ich mit einem Schmunzeln gelesen. Wir können von Glück reden, dass Stimmgabel raus ist (und zwar mehr als raus!). Er würde uns ob unseres freien Parlierens wohl kreuzrittermäßig niedermetzeln und in den Boden (der Tatsachen) stampfen. Manchmal muss man eben auch Glück haben!

BN
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holg
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Beitrag20.08.2016 14:04
Re: Hoffnung und Leben
von holg
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BlueNote hat Folgendes geschrieben:
Gezählt sind
die Tage des Königs
Sterne wachsen
außen
und innen für ihn

Der Schmerz
schwemmt ihn auf
Ein Schrei verhallt
in den ewigen Weiten
des Lebens

Stille ist
was uns bleibt
und Hoffnung
verdirbt
mit der Zeit


Keine Ahnung, ob der Text und der Thread für dich schon abgeschlossen sind. Dann kannst du das hier einfach ignorieren oder mir ne PN schicken, damit ich lösche, bevor jemand was drunter kommentiert.
Ich hatte im Urlaub schon einmal einen längeren Kommi geschrieben, den aber das schlechte Internet vor Ort verschluckt hat.
Geblieben ist meine Lesart, die sich in der Folge des Threads als wohl gar nicht so weit weg von deiner Intention herausstellte. Auf den Punkt gebracht wäre sie ungefähr so:

Gezählt sind
die Tage des Königs
Sterne erblühen
am Firmament
des Tomogramms

Der Schmerz schwemmt ihn auf
Ein Schrei verhallt
In der Leere
zwischen Schreien

Hoffnung
verrottet von innen

Stille ist
was bleibt.

.


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Beitrag21.08.2016 10:12

von BlueNote
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Guten Morgen holg,

schön, von dir zu hören. Deine Lesart will ich unbedingt behalten.

Bei deiner Variante gefällt mir das Lapidare recht gut und ich meine darin eine typische Handschrift deinerseits zu erkennen (am Firmament des Tomogramms). Die letzten zwei Verse sind auch in ihrer Verkürzung harmonisch. Das ist für mich (als Anschauungsobjekt) interessant: Ich selber brauche für meine "literarische" Harmonie immer Sätze, die nach etwas klingen. Hier wurde es geschafft, auch in der Kürze einen Klang zu erzeugen.

Gefällt mir gut!

BN
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holg
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Beitrag21.08.2016 12:36

von holg
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BlueNote hat Folgendes geschrieben:

Gefällt mir gut!

BN

Das freut mich.

Könnte jetzt noch herumbegründen, warum ich was wie zusammengebastelt habe, aber ich denke, du erkennst es.

Schönen Sonntag!


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hypnobader
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Beitrag21.08.2016 18:47

von hypnobader
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Holg:

Gezählt sind
die Tage des Königs
Sterne erblühen
am Firmament
des Tomogramms

Der Schmerz schwemmt ihn auf
Ein Schrei verhallt
In der Leere
zwischen Schreien

Hoffnung
verrottet von innen

Stille ist
was bleibt.

Ende Zitat

So finde ich es stark


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Beitrag22.08.2016 07:17

von BlueNote
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Hi hypno, Gefährte aus alten Tagen!

Zitat:

Gezählt sind
die Tage des Königs
Sterne erblühen
am Firmament
des Tomogramms

Vielleicht statt "erblühen" dann doch "blühen", weil weniger lyrisch verschönt - oder doch wieder das neutrale Wachsen (oder Entstehen?): Sterne entstehen am Firmament des Tomogramms?

Die zweite Strophe halte ich noch für verbesserungswürdig (2 x Schrei!). Den Rest finde ich gut!

Thank you for the comm!
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Beitrag22.08.2016 10:55

von holg
Antworten mit Zitat

BlueNote hat Folgendes geschrieben:
Hi hypno, Gefährte aus alten Tagen!

Zitat:

Gezählt sind
die Tage des Königs
Sterne erblühen
am Firmament
des Tomogramms

Vielleicht statt "erblühen" dann doch "blühen", weil weniger lyrisch verschönt - oder doch wieder das neutrale Wachsen (oder Entstehen?): Sterne entstehen am Firmament des Tomogramms?

Die zweite Strophe halte ich noch für verbesserungswürdig (2 x Schrei!). Den Rest finde ich gut!

Thank you for the comm!

Ich halte "erblühen" nicht für lyrisch verschönt, sondern für treffend beschrieben. "erwachsen" wäre ähnlich treffend, ohne das Blütenbild, von dem ich glaube, dass es dir nicht schmeckt, zu gebrauchen (wobei ich gerade den Kontrast zwischen erblühenden, also wundersam sich entfaltenden Sternen und den durch das Tomogramm konkret benannt entstehenden und sich ausbreitenden Metastasen ganz gut finde und beim Lesen gerne eine Doppelzeile Pause nach Firmament machen würde).
Die Vorsilbe "er" verdeutlicht mMn, dass die Dinger aus nichts entstehen. "blühen" enthält keine Dynamik. Die Blüte ist da. Irgendwann verblüht sie. Bis dahin passiert nichts. Erblühen zeigt das Entstehen aus Nichts (als der Knospe).

Bei "wachsen" verhält es sich genau so. Da ist was kleines, das groß wird. Erwachsen zeigt, dass aus Nichts etwas entsteht und sich vergrößert. Sterne am Nachthimmel oder Tumore im Lebergewebe.

Statt "wachsen" oder "blühen" ginge "entstehen", wenn es denn ganz nüchtern sein soll.

2x Schrei in der 2. Strophe sind Absicht.
Ein Schrei unter Schreien. Ein Schrei zwischen Schreien. Ein Gleicher zwischen Gleichen.
Damit habe ich eine Idee von weiter oben im Faden aufgegriffen, die ich sehr gut fand. Leben ist Schmerz (Goethe, oder Bettina von Arnim, oder so), besonders, wenn es dem Ende zugeht. Schmerz für den Kranken/Lebenden/Sterbenden und für seine Angehörigen. Ausdruck für Schmerz sind z.B. Weinen, Stöhnen, Schreien. Hier nun, gebeugt von Schmerz, dem Ende zugehend, verliert der König seine herausragende Stellung. Seine Schreie sind nicht zu unterscheiden von denen der Angehörigen, der Anderen (wer auch immer die sein mögen, auf der Palliativstation, im Land, irgendwo auf der Welt, in der Hölle). Ich finde, die Dopplung zwingt, sich ein wenig damit auseinander zu setzen.

Aber, wie gesagt, meine Meinung, meine Lesart.
Dein Gedicht.


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Beitrag23.08.2016 09:10

von BlueNote
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Zitat:

Ich halte "erblühen" nicht für lyrisch verschönt, sondern für treffend beschrieben.

Meine Bedenken stützen sich darauf, dass wenn du einen Betroffenen mit dieser Formulierung konfrontieren würdest, er wohl in Frage stellen würde, was du (= der Dichter) aus seiner Krankheit machst. Nun sind die Sterne ja schon verharmlosend (abgeleitet von der Harmlosigkeit der Betrachtung des Exponats aus der Ausstellung). "Erblühen" zieht das ganze jedoch sehr ins Positive (wo überhaupt kein Anlass für positive Gedanken besteht), wie einst die "blühenden Landschaften" Kohls, die ja bekanntlicherweise ebenso eine Rhetorik waren, die den wahren Sachverhalt eher verschleierten.
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holg
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Beitrag23.08.2016 12:15

von holg
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Deine Bedenken führen mich direkt zu der Frage, was du als Dichter mit diesem Gedicht erreichen willst. Aus welchem Beweggrund du schreibst.

Kunst oder Betroffenheitslyrik? Lyrik oder Kunsthandwerk?

Letzteres muss natürlich Rücksicht nehmen auf Befindlichkeiten. Ersteres darf durchaus mit kontrastierenden Bildern arbeiten und dem Schrecken eine ihm innewohnende Faszination zuschreiben (und darum geht es mir, nicht um irgendwelche Verschleierungen oder Beschönigungen).

Sterne und erblühen sind mMn zunächst beschreibende Wörter, die erst durch Assoziationen ein positiv oder negativ erhalten. Ich denke, ebenso wie Rosen können auch Geschwüre, Hautausschläge und Atompilze erblühen, und auch in der Flora ist bei Stinkmorcheln, Titanwurz und Rafflesien Schönheit und "positives" eher weniger konnotiert.

Interessant wäre zu erfahren, wie denn der ein oder andere Betroffene das tatsächlich sieht. Das wäre zwar nicht repräsentativ, aber erquicklicher, als darüber zu theoretisieren, was welche Befindlichkeit tangieren könnte.

Des weiteren sehe ich das Gedicht nicht aus der Perspektive des/der Betroffenen geschrieben, sondern aus der einer/s im Nahestehenden. Ich sehe es nicht, als sich um die Krankheit drehend, sondern um den Zerfall, den sie mit sich bringt, die Reduktion des Erhabenen in Schmerz in Nichts. Ich sehe da nichts beschönigt oder verschleiert oder lyrisch verbrämt.
Ich ahne nur deine Scheu, das so sehen zu dürfen.


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Beitrag23.08.2016 12:59

von BlueNote
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Zitat:
Deine Bedenken führen mich direkt zu der Frage, was du als Dichter mit diesem Gedicht erreichen willst. Aus welchem Beweggrund du schreibst.

Ich schreibe aus Dokumentationsgründen.
Zitat:

Kunst oder Betroffenheitslyrik? Lyrik oder Kunsthandwerk?

"Betroffenheitslyrik" ist unabhängig von der Betroffenheit des Textes eher ein negativ konnotierter Begriff. Bei Liebesgedichten würde man beispielsweise niemals den Vorwurf von "Betroffenheitslyrik" erheben (auch wenn der Autor persönlich davon betroffen wäre). Ich denke, der vorliegende Text ist reflektierend genug, um ihn von "reiner Betroffenheitslyrik", so wie der Begriff meistens verstanden wird, abzugrenzen.
Zitat:

Letzteres muss natürlich Rücksicht nehmen auf Befindlichkeiten.

Ein Gedicht über Krebskranke, das nicht auf Krebskranke Rücksicht nimmt, hat für mich eher mit Masturbation des Dichters zu tun, als mit Kunst oder Kunsthandwerk. Lyrik um der Lyrik willen. Wer soll mit solcher ("nicht betroffener") Kunst-Lyrik etwas anfangen?
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Beitrag23.08.2016 13:46

von holg
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Ich sprach nicht von Rücksichtnahme auf Krebskranke, sondern von Rücksichtnahme auf vermeintliche Befindlichkeiten. Das ist ein Unterschied. Ich denke nicht, dass meine Version Krebskranke despektierlich behandelt (wenn doch, zeige mir wo genau, wie und warum).
Und warst du es nicht, der keine lyrische Verschönung haben wollte?
 "Sterne wachsen außen und innen für ihn" ist genau das.
Das ist ungefähres Dahergerede, bloß unscharf bleiben, damit durch die Benennung des Übels auch ja keine Befindlichkeit angerührt wird (und die Hälfte der uneingeweihten Leser nicht kapiert, worum es geht). Du hättest auch so etwas schreiben können, wie
"Wie Feuerwerksblumen in den Nachthimmel/ wachsen Krebsgeschwüre ins Lebergeweb/ Allein sie verblühen nicht".
Das ist sehr bildhaft, sehr konkret, vielleicht verstörend, aber respektvoll. Weil es den Betroffenen für voll nimmt, ihm nicht die Möglichkeit und den Willen abspricht, sich mit seiner Krankheit auseinander zusetzen. Das wäre Respektlos und Rücksichtslos.

Und noch einmal: das Gedicht geht nicht um den Kranken selbst, sondern darum, wie die Krankheit und der Zerfall des Kranken auf den ihm Nahestehenden wirken. Also müsste höchstens auf den Nahestehenden Rücksicht genommen werden. Und genau da scheint mir dein Problem zu liegen: Deine dir eigene Angst, Voldemort beim Namen zu nennen. Dein eigenes Unbehagen, dem grausamen Schrecken Krebs, dem Zerfall deines Königs zuzusehen und ihn zu beschreiben (Natürlich nur aus Dokumentationsgründen). Und genau da ist wieder das Problem mit Texten, die aus einer nicht vollständig verarbeiteten Betroffenheit heraus entstehen. Es kann dem Verfasser nie nur um eine Verbesserung des Textes gehen, weil ihm selbst zwangsläufig immer eigene Befindlichkeiten im Weg stehen.

Lyrik um der Lyrik Willen ist genauso hohl wie Lyrik (nur) "aus Dokumentationsgründen". Und was genau soll das sein?
Allegorien von Königen, Sternen, die Unendlichkeit des Lebens etc. haben in einer Dokumentation nichts zu suchen, es sei denn, du redest von einer Dokumentation in Form eines Tagebuches (in das der Verfasser selbstverständlich reinschreiben darf was er will) das wiederum nichts in der Öffentlichkeit zu suchen hätte, du kleiner Exhibitionist.
Ein Mehr muss schon drin stecken, sonst ist es schlimmer als Kunsthandwerk, das sich wenigstens bemüht, gefällig zu sein.
Und genau da mache ich den Unterschied: bei der Gefälligkeit. Kunst muss nicht gefällig sein. Kunst muss berühren, auf- und anregen. Nicht (unbedingt) gefallen.


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BlueNote
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Beitrag23.08.2016 14:53

von BlueNote
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Ein Kriterium für das Schreiben sensibler Texte ist für mich: Wenn ich demjenigen, über den ich schreibe, den Text zeigen würde, müsste ich mich dann in Grund und Boden schämen? Das Erblühen von Krebsgeschwüren als Formulierung wäre mir jedenfalls peinlich. Sie würde meinem persönlichen Zensor zum Opfer fallen.

Die Entscheidung, auf wessen Befindlichkeiten man Rücksicht nimmt, ist von jedem selbst abhängig. Ich habe versucht, die Worte so zu wählen, um das Befinden desjenigen, um den es mir geht, möglichst nicht zu verschlechtern. So viel Betroffenheit musst du mir zugestehen und dass ich manche Wortwahl einfach unpassend finde.
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