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Drei Wochen im Sommer


 
 
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Orpheus
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Beitrag21.08.2016 19:15
Drei Wochen im Sommer
von Orpheus
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Klappentext
Drei Wochen im Sommer ist die Geschichte zweier Menschen, die sich in den Wirren und Widersprüchen der Therapie in einer psychosomatischen Rehaklinik, oder wie sie es nennen: " im Haus der verlorenen Seelen" kennenlernen. Sie erfahren dort, dass sie alles bekommen, weil sie ohne Erwartung sind.
Die Geschichte beginnt am Tag, an dem Sybille abreißt,  während Jens noch eine weitere Woche in der Klinik verbringt.

Kann ich eine solche Geschichte erzählen, oder ist das Klischee zu sehr besetzt?



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Orpheus
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poetnick
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Beitrag22.08.2016 12:19

von poetnick
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Hallo Orpheus,

ich denke eine solche Geschichte kann eine grosse Fülle an Erlebtem, Zurückgelegtem, Zurechtgelegtem, usw. hervorbringen. Ob sie  Klischees zu sehr bedient liegt dann doch beim Autor. Das Leben an sich ist ja kein Klischee und die Tiefen, Abgründe und Gipfel der Psyche bergen, im wahrsten Sinne, 'irre' viele Welten.
 
Bei einem Satz im Klappentext bin ich etwas nachdenklich geworden: Sie erfahren dort, dass sie alles bekommen, weil sie ohne Erwartung sind.
Also haben sie schon 'ohne Erwartung' ihre Therapien in der Klinik angetreten? Das wäre ein hoher Anspruch und Ausspruch, etwa wie aus einem buddhistischen Jahreskalender. Vielleicht ist es nur eine Frage der Formulierung und hat eher etwas mit meinem Gehör zu tun.

Ich weiss natürlich nicht, wie Du die Geschichte angelegt hast - gibt es humorige Lichtungen auf denen das Therapeutische mal aus der Beziehungskiste kichert?

Ja, ich glaube eine solche Geschichte lässt sich erzählen.

LG - Poetnick


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Wortlos ging er hinein,
schweigend lauschte er der Stille
und kam sprachlos heraus
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Orpheus
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Beitrag22.08.2016 15:00

von Orpheus
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Lieber Poetnik
Da sprichst du Seiten an, die ich bisher weniger bediene in dem, was schon geschrieben ist. Es ist eher eine Liebesgeschichte, die schnell zum Groschenroman werden könnte.
Ich schaue mal, dass ich heute Abend den Beginn einstelle, denn die Geschichte beginnt Mut dem Ende. Die Klinik dient eher als Kulisse. Es könnte auch ein Robinsonclub, ein Ferienort oder ein Sommertage sein.
Also ich versuche es heute Abend einmal.


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Orpheus
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Orpheus
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Beitrag22.08.2016 20:32

von Orpheus
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Drei Wochen im Sommer

Prolog
Es war seine Ruhe, die den Raum für ihr unbändiges Lachen schaffte , voller aufrichtiger  Fröhlichkeit und Lebensglück.
Dabei war er ruhelos gekommen um wieder etwas von sich selbst spüren zu können.
Auch sie hatte sich verausgabt auf der Suche nach etwas, das neuen Halt und Ansporn zugleich in  ihr Leben bringen sollte.
Zwei verlorene Seelen, für die sich, als sie endlich ineinander verschmolzen, für einen Augenblick die ganze Schönheit des Universums ausbreitete.
Es gäbe mehr zu erzählen von diesen drei Wochen im Sommer, doch am Ende fuhr er nach Hause in sein bekanntes und doch seltsam verändertes Leben zurück.
Da war sie schon eine Woche fort, kein Streicheln, keine Umarmung mehr und selbst dieser ungewöhnliche Sprung ihres Kehlkopfes der mehr war, als dass man es Lachen nennen konnte, hörte er nur noch im Telefonmodus, blechern, metallisch.

„Nein, mir geht es nicht gut," schrieb sie „Es ist so viel weh!“
Oh Gott, dieser Dialekt, diese einfache, ehrliche Sprache, wie unsterblich hatte er sich in sie verliebt. Wie oft hatten sie gemeinsam darüber lachen können. „Bayerin trifft Preußen.“
Die letzte Woche, da als sie schon fort war,  ging er noch einmal durch die Hölle. Bei jedem morgendlichen Erwachen trug das Kissen noch ihren Duft.
Er dachte, alles sei gesagt, es sei zu Ende gefühlt und er sehnte den Alltag herbei. Den, an dem er nicht mehr Trauern wollte, an dem er den Klang ihres symbolische geschenkten Herzens fröhlich lauschen würde.
Aber so war es nicht. Ruhelos suchte er die Plätze ab, an denen sie glücklich gewesen waren. Im Berg hörte er das Echo ihrer Stimme, das sich seit Tagen darin gefangen hatte. Auf den Wegen suchte er nach Spuren ihrer roten Schuhe und auf seiner Haut nach nicht getrockneten Tränen.
Mit ihr war all das gewichen, ausgelöscht und so war er froh, als er heim fahren konnte. Doch wo war es geblieben, sein zu Hause? All den Schutz, die Sicherheit und Geborgenheit hatte es verloren. Hergeben würde er es alles dafür, dass die Entfernung schmelzen würde, diese unerreichbaren sieben  Stunden und zehn Minuten. Und so verlor er sich in Geschichten, er schrieb in der Hoffnung ihr näher zu sein und jedes Wort, das er zu Papier brachte begleiteten seine Tränen. Und da war er wieder, am Tag ihres Abschieds:

Der letzte Tag

Am Morgen ihrer Abreise schrieb er ihr noch eine Mail:
Mein Gott,
das erste was ich fühle, als ich nach durchkämpfter Nacht meine Hände suchend in die Kissen schiebe ist dein geschenktes Herz. Edelstahl-unvergänglich.  Und der Pulsschlag ist wie Glockenklang, der für diesen Moment meine Sehnsucht stillt.
Du bist fort und du bist hier.
Jens


Danach ging er frühstücken ohne jeden Appetit. Mechanisch durchstreife er das Büfett, belud sein Tablett mit Kaffee, Brötchen und Käse. Er setzte sich irgendwo hin, so dass ihn möglichst niemand ansprach. Dann ging er schwimmen um ihr am Abschiedstag nicht mehr zu begegnen und ging zum Frühtreff, der Klinik. Ja, er war noch immer dort,  wo er ihr begegnet war, sich verliebt hatte und verloren  glaubte, jetzt da sie fort sein würde.
 Nach dem Frühtreff las er überrascht die Antwort auf seine Email:

Einen wunderschönen guten Morgen Herr Jens
Das Aufwachen ist von Einsamkeit, Angst und Traurigkeit beherrscht.
Jetzt muss ich hier noch warten und wäre soooo....gern bei dir.
Ich küsse dich
Deine Sybille


Sie war noch nicht fort. Und plötzlich interessierte ihn der Therapieplan gar nicht mehr. Als konnte sie seine Sehnsucht spüren rief sie kurze Zeit später an.
Sie, die gestern so entschlossen aus seinem Bett aufgestanden war und ihm eine gute Zeit und ein gutes Leben gewünscht hatte. Sie, die darauf bestanden hatte, dass er zum Frühschwimmen ging, damit sich ihre Wege am Abschiedstag nicht kreuzten.
Und es klang, als sei all das nicht gewesen.
„Hast´s Zeit frühstücken zu gehen?“
„Oh Sybille,“ hörte er sich sagen, nur um ihren Namen aussprechen zu können.
„Natürlich habe ich Zeit,“
Sie lachte - dieses unbeschreibliche, einzigartige Lachen
„Ja mei, du und dei Therapieplan.“
Dann lachten sie beide.
„I wui dia unbedingt no a besonders Cofe zeign,“ sagte sie, als sie sich kurze Zeit später am Eingang der Klinik trafen.
Er umarmt sie.
„Und ich dachte schon, ich sehe dich nicht mehr.“
„Des hod i ma aa erst dachd, aba es ging ned,“ sagte sie mit ihrer so einfachen Ehrlichkeit.
Vergessen war jeder Abschiedsschmerz, so als sei gerade eine neue Ewigkeit für sie beiden geboren.
Er nahm ihre Hand.
„Etz' nach drei Wochn hosd du es endli gelernt,“ sagte sie schmunzelnd und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange.
„Was?“ fragte er verblüfft.
„ned z' fest zuazudruggn,“ entgegnete sie schelmisch.
Sofort beginnt er zu flirten.
„Ich dachte, du magst es fest.“
„ja scho, aba ned an den Händn.“
Und so machten sie sich auf in ihren letzten Vormittag, der der erste wäre, gäbe es diese neue Ewigkeit wirklich.
Der Tag war sonnig und sie beschlossen zunächst auf den Marktplatz zu gehen. Sie schauten im lieb gewordenen Buchladen vorbei.
„Jetz hosd du meine drei Liablingsbücha,“ sagte sie und zeigte hinüber auf den Büchertisch.
Wie so vieles, von dem noch zu erzählen sein wird, war das Verschenken von Büchern zu einem regelrechten Ritual zwischen ihnen geworden, immer in der Annahme, dass da jemand war, der besser von dem erzählen konnte, was sie gerade bewegte. Er nickte.
Ihre Lieblingsbücher, allesamt handelten vom Zauber der Liebe, davon, wie es gelingen konnte mit einem Menschen glücklich zu bleiben.
Sie waren es beide nicht geworden. Es klang Wehmut mit, jedes mal, wenn sie darüber sprachen.
 „Wie unterschiedlich gleich wir sind,“ dachte er und betrachtete sie versonnen.
Sie war gerade tief versunken in die Sprüche einiger Postkarten in der Auslage und bemerkte seine Blicke nicht. Er genoss es wieder einmal ihr zuzuschauen.
Wie würde er ihre Schönheit vermissen, diesen makellosen Körper, ihre Augen, die schönsten, die er je gesehen hatte.
Abrupt riss sie ihn aus seinen Gedanken:
„Etz' hoit des moi bitte fest,“ sagte sie und drückte ihm eine Postkarte in die Hand.
„I mog davo bitte a Foto machn.“
„Man kann den Sturm bekämpfen oder sich von ihm tragen lassen,“ stand darauf geschrieben.
Ganz still wurden sie, als ihnen bewusst wurde, dass sie damit einen Leitgedanken gefunden hatten einer der ermutigender war als der Satz, den sie ihm immer wieder um die Ohren haute, wenn er zu tief in ihren Gemütszustand drang. Dann sagte sie stets: „Es is wia es is und so wia es is is es guad.“

Auf dem Weg zum Café sprachen sie darüber:
„Haben wir eine Zukunft?“ fragte er.
Das, was sie als Antwort für ihn hatte, lies alle Wege offen. Sie sprach es feierlich und, was selten war, auf hochdeutsch:
„Du kannst dir meiner Liebe gewiss sein, das ist mehr, als ich je nach so kurzer Zeit einem Mann gesagt habe.“
„Aber kennst du nicht die Weisheit der zwei Jahre, die vergehen, bis man sich sicher sein kann?"
Verständnislos schaute er sie an und sie lachte womit sie wieder in ihren Dialekt verfiel:
"Du woasst 's doch, east noch am zwoajährign Austausch vo Körpersäfdn wern mia wissn, ob 's wirklich Liabe is."
„Und was ist es bis dahin,“ fragte er, während sei Finger begannen, ihren Handrücken zu streicheln.
Erneut erklang ihr Lachen herzhaft und fröhlich.
„Na eben der Austausch von Körperflüssigkeiten.“
„Das ist obszön!“ empörte er sich.
„Nein gar nicht, entweder so, oder wir lassen´s gleich bleiben.“
Er schaute sie an. „Ich will, dass Stürme uns in die Zukunft tragen!“
„Du bist ein Träumer!“
Bei diesem Satz gewann er langsam die Gewissheit, dass es ihre Fassade war, hinter die sie ihn nun nicht mehr blicken ließ.
Sie erreichten das Cafe.
Hinter einem einfachen stählernen Tor verbarg es sich. Auf den ersten Blick war es ein Parkplatz. Erst bei genauerer Betrachtung erkannte er die liebevoll gestalteten Ecken. Kleine Tische, gedeckt mit Lavendel. Ein alter Schrank mit allerlei Nippes aus längst vergangenen Zeiten. Eine alte Schreibmaschine stand dort neben Sammeltassen und einer längst nicht mehr genutzten Kaffeemühle.
Sie suchten einen sonnigen Platz und setzten sich. Sie bestellten Kaffee, dazu Mineralwasser. Er wünschte sich, dass es Champagner wäre.
Unsicher suchte sie nach einem Thema für die letzten Stunden ihres Zusammenseins.
"Woao denkst du grod,"
"Weiß nicht, und du?
"I dachte du siehst aus wia a Gschichtenerzähla, i woass ned wia i 's anders song soi."
"Warum denkst du gerade daran?"
"Na jo, wenn wos zua End gäd denkt ma an den Ofang."
Er spürte, dass sie noch nicht daran denken mochte, wieder dahin zurückzukehren, von wo sie geflüchtet war um Antworten zu finden auf ihre ständige Schwäche, ihren Kummer und ihre Müdigkeit.
"Ich liebe dich," sagte er und streichelte zärtlich ihren Handrücken."
Weil ich nicht mehr weiß wie es ist, dich nicht zu lieben."
Er schaute sie nun an, ein Blick der Entschuldigung.
„Ich habe deinen ganzen Therapieplan zerstört,“ sagte er.
Sie war sichtlich entrüstet: „Nein gar nicht, wie kommst du nur darauf,“
„Du bist mit dem Vorsatz gekommen etwas über dich herauszufinden. Und ich habe dich wesentlich abgelenkt.“
Sie lachte.
„Ja freilich, das hast du wirklich und es war so gut. Du bist das beste, was mir hier passiert ist.“
Ehe  er darauf antworten konnte warf sie sich in seine Arme.
Die Zeit im sonnigen Café verging wie im Flug. Plötzlich war es vorbei.
„Ich gehe mal kurz hinein,“ sagte sie und war schon auf dem Weg in die Diele des Cafés.
So bekam sie nicht mit, dass Tränen  seine Augen füllten.
Er dagegen bemerkte nicht, dass in ihr der Plan gewachsen war, einen Hinterausgang zu benutzen um sich so dem unausweichlichen Abschiedsritual zu entziehen.
Als es ihm  schließlich bewusst wurde, war sie bereits an ihrem Wagen, steckte  den Schlüssel ins Zündschloss und fuhr entschlossen Richtung Autobahn.
Nur kurz noch hielt sie an und holte ihr Handy aus ihrer Handtasche.
„Er wird meine Tränen nicht sehen,“ tröstete sie sich, während sie ihm eine letzte SMS schrieb.
Er war verzweifelt durch die Räume des Cafés geirrt, fragte die Kellnerin und alle Gäste nach ihr. Dann meldete sein Handy sich und er las, was er voller Angst bereits gespürt hatte:
„Liebster,“ das ist die einzige Möglichkeit Abschied zu nehmen. Ich bin auf dem Heimweg, voller Angst vor dem Ungewissen. Nur eines weiß ich bestimmt: meine Zuneigung zu dir ist ehrlich und so stark, dass ein Abschied von Angesicht zu Angesicht mich heute zerrissen hätte. Im Universum habe ich ein Wiedersehen bestellt und sollten wir die nächsten zwei Jahre wirklich überstehen, dann sei dir gewiss, werde ich für immer dein sein.“
Er wollte nicht traurig sein, nicht sauer  auf die von ihr gewählte Form des Abschieds.
In diesem Augenblick bewunderte er sie sogar für ihre Entschlossenheit.
Dabei hatten sie diese drei Wochen im Sommer eher ihrer Unentschlossenheit zu verdanken gehabt.

Wie es weitergeht? Das würde ich erzählen, wenn ich Rückmeldung auf diesen Text erhalte und ich den Eindruck gewinne, dass in dieser Geschichte mehr drin steckt als in einem Groschenroman. Auf jeden Fall hieße die Überschrift zum nächsten Kapitel (wen wird es wundern) "ERSTE BEGEGNUNG"


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Orpheus
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Verhooven
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Beitrag26.08.2016 15:34
zu dem hier würde ich gerne etwas sagen ...
von Verhooven
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.... wundere mich, dass sich niemand hierzu äußert. Ich finde den Text leider unglücklich. Aber nicht so unglücklich, dass man ihn wegschmeißen müsste. Er ist meines Erachtens durchaus zu retten und ... warum n icht ... gut zu machen.

Vorsichtig vorsichtig will ich sein, weil ich ahne, dass hinter dem Text viel Mühe und auch einiges real Schwieriges steckt. Vorsichtig formuliert: Er kommt mir in Teilen überladen vor und auch etwas unglücklich in der Mischung zwischen Prosa und seinen Lyrikanteilen.  Ich habe das gestern mal für mich in Word übertragen und Folgendes anzumerken:

geht mit dem ersten Satz los:

Es war seine Ruhe, die den Raum für ihr unbändiges Lachen schaffte, voller aufrichtiger Fröhlichkeit und Lebensglück. Problem an dem Satz: wenn man ihn dreimal liest, viermal ... dann entwickelt er tatsächlich den Raum, in dem es zu lachen gibt ... aber das nur, weil ich mir inzwischen ein eigenes inneres Bild davon mache. im Einzelnen: seine Ruhe .... den Raum ... unbändiges Lachen

Wenn ich das nochmal lese, spüre ich den Spannungsraum ... aber wer ist daran Schuld, dass es nicht beim ersten Mal gelingt? Das Verb?

Die Verben: es war ... der schaffte ...  an denen kann es nicht liegen. Es ist wohl eine seltsame Mischung, die mir querliegt. Dieses Nicht-damit-Zurechtkommen zieht sich. Ich glaube, es liegt an den Proportionen. es war ... seine Ruhe ... Raum ... unbändiges Lachen ... weiter:

Dabei war er ruhelos gekommen um wieder etwas von sich selbst spüren zu können. Bitte diesen Satz laut lesen. Und sie hat es dann auch: Auch sie hatte sich verausgabt auf der Suche nach etwas, das neuen Halt und Ansporn zugleich in ihr Leben bringen sollte.

Wieder die Proportionen. Sex sells heißt es ... hier aber haben wir einen Stopp, fast ein Nogo - Man fragt sich unwillkürlich ... wenn die so miteinander umgehen im Bett ... dann braucht man nicht traurig sein .. wenns vorbei ist. Ich wette aber, der Autor wollte etwas anderes erzählen. Die Tiefe der Gefühle ... das Universum, das aufgeht, wenn Mann im Körper der Frau untergeht oder abgeht oder so ... und umgekehrt ... dann sollte er es aber bitte auch tun. Sex sells funktioniert nämlich dann ... wenn es irgendwo Bing macht ... im Kopf oder in der unteren Gegend ... aber hier so ein fast schon esoterisches Lüftchen ... finde ich knapp neben das Bett gevögelt.

Da ist das Unbestimmte Etwas, das unbestimmte Leben, und der unbestimmte Halt und dann der Ansporn ... zu was? Das heißt: hier bündelt es sich ins Quasi unvorhersehbare Luftkissen ... und mein Problem mit dem Text: Man hat nichts zum Greifen. Das verflüchtigt sich alles, wie man es liest. Nur der bayrische Slang macht es konkret. Aber das ist tatsächlich zu wenig, um es drei Sommerwochen lang miteinander zu haben?

Ich glaube, was da schief geht: Das ist die eigenwillige Mischung aus Prosa und Lyrik ... zu Prosa gebogen ... es könnte ja auch eine Elegie auf die Liebe werden, die Liebe im Sex mit Slang sozusagen ... und oder schmachten nach der Liebe die nicht zurückkommt ... Ich hab' mal zusammengestrichen. Getreu dem Motto: Das Potential im Text ist das, was ich in ihm vermute:

Zwei verlorene Seelen. Für einen Augenblick die ganze Schönheit des Universums. Und am Ende fuhr er in sein seltsam verändertes Leben zurück ... kein Streicheln ... keine Umarmung mehr ... selbst der Sprung ihres Kehlkopfes ... ihr Lachen ... eher blechern, fast schon metallisch. [Staccato, Fragmente, Tempo!]

„Nein, mir geht es nicht gut," schrieb sie „Es ist so viel weh!“
Oh Gott, dieser Dialekt, diese einfache, ehrliche Sprache.
Er hatte sich in sie verliebt. Gemeinsam konnten sie darüber lachen. „Bayern trifft Preußen.“
Morgens aber ... hielt er nur das Kissen im Arm, ihren Geruch.
 
Schon wieder Alltag. Er wollte nicht trauern.
Der Schlag ihres Herzens, geschenkt und fröhlich belauscht. So nicht.

Ruhelos suchte er Plätze ab, an denen sie glücklich gewesen waren.
Im Berg das Echo ihrer Stimme, es schien darin gefangen.

Er suchte nach Spuren ihrer roten Schuhe ... auf seiner Haut die nicht getrockneten Tränen. [hier bin ich skeptisch ob das überhaupt funktioniert - dreht ein wenige zusehr am Tränenrad?]
 
All der Schutz, das Sichere, die Geborgenheit - wie verloren.

Er verlor sich in den Geschichten, schrieb sie auf, um ihr näher zu sein.
Die Worte, zu Papier gebracht - wieder die Tränen.

Am Morgen ihrer Abreise schrieb er ihr eine Mail - irgendwas von durchkämpfter Nacht, von Händen die sich suchend in die Kissen verschoben, von geschenktem Herz. Ein Glockenklang von ihrem Herz ...  die Sehnsucht ... nicht still. [Hm, selbst hier nun: zuviel im gleichen Sound?] Fort ist sie und trotzdem da. Warum?

Als Antwort wünschte sie ihm einen wunderschönen Morgen und das Aufwachen sei von Traurigkeit beherrscht. [Hm - kann man nicht weil sie doch sowieso ein heiterer Typ zu sein scheint, eine Ironie einbauen?] Von Angst. Sie wäre gern bei ihm. [Oder ist das Ironie?]

Als könnte sie seine Sehnsucht spüren. Sie, die gestern so entschlossen aus seinem Bett aufgestanden war und ihm eine gute Zeit und ein gutes Leben gewünscht hatte. Es klang, als sei all das nicht gewesen.

„Hast´s Zeit frühstücken zu gehen?“
„Sybille,“ hörte er sich sagen, nur um ihren Namen aussprechen zu können.
„Natürlich habe ich Zeit,“
Sie lachte - ihr unbeschreibliches, einzigartiges Lachen
„Ja mei, du und dei Therapieplan.“
Sie lachten beide.
„I wui dia unbedingt no a besonders Cofe zeign,“ sagte sie, als sie sich später am Eingang der Klinik trafen.
Er umarmte sie.
„Und ich dachte schon, ich sehe dich nicht wieder.“
„Des hod i ma aa erst dachd, aba es ging ned,“ sagte sie.
Vergessen jener Abschiedsschmerz, er nahm ihre Hand.
„Etz' nach drei Wochn hosd du es endli gelernt,“ sagte sie schmunzelnd und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange.
„Was?“ fragte er verblüfft.
„ned z' fest zuazudruggn,“ entgegnete sie schelmisch.
Die Einladung zum Flirt?
„Ich dachte, du magst es fest.“
„ja scho, aba ned an den Händn.“

Der Tag war sonnig und sie beschlossen auf den Marktplatz zu gehen. Sie schauten im Buchladen vorbei.
„Jetz hosd du meine drei Liablingsbücha,“ sagte sie und zeigte hinüber auf den Büchertisch.
Das Verschenken von Büchern war zu einem regelrechten Ritual geworden, als könnten die besser erzählen, was sie bewegte.
Ihre Lieblingsbücher handelten vom Zauber der Liebe, davon, wie es gelingen könnte, mit einem Menschen glücklich zu sein.

„Wie unterschiedlich wir sind, oder doch zu ähnlich?“ dachte er und betrachtete sie. Sie war versunken in Postkarten der Auslage und bemerkte seine Blicke nicht. Er genoss es, ihr zuzuschauen. Wie würde er ihre Schönheit vermissen, ihren schönen Körper, ihre Augen, die schönsten, die er je gesehen hatte.
Abrupt riss sie ihn aus seinen Gedanken:
„Etz' hoit des moi bitte fest,“ sagte sie und drückte ihm eine Postkarte in die Hand.
„I mog davo bitte a Foto machn.“
Man kann den Sturm bekämpfen oder sich von ihm tragen lassen, stand darauf geschrieben.
Ein ermutigender Satz, ganz anders als der, den sie ihm immer wieder um die Ohren haute, wenn er ihren Gemütszustand zu erspüren wagte. Dann sagte sie stets: „Es is wia es is und so wia es is is es guad.“

Auf dem Weg zum Café wollte er es noch einmal genauer wissen, sie sprachen darüber:
„Haben wir eine Zukunft?“ fragte er.
Sie antwortete auf hochdeutsch:
„Du kannst dir meiner Liebe gewiss sein, das ist mehr, als ich je nach so kurzer Zeit einem Mann gesagt habe.“
Sie lachte und verfiel wieder in ihren Dialekt:
"Du woasst 's doch, east noch am zwoajährign Austausch vo Körpersäfdn wern mia wissn, ob 's wirklich Liabe is."
Er schaute sie an.
„Man kann den Sturm bekämpfen oder ... ich will die Zukunft ... ertragen!“
„Bischt woal oa Träumer!“
Sie erreichten das Cafe. Auf den ersten Blick ein Parkplatz. Erst bei genauerer Betrachtung erkannte er liebevoll gestaltete Ecken. Kleine Tische, gedeckt mit Lavendel. Ein alter Schrank mit allerlei Nippes. Eine alte Schreibmaschine stand dort neben Sammeltassen und einer ungenutzten Uralt-Kaffeemühle.
Sie suchten einen sonnigen Platz und setzten sich. Sie bestellten Sekt und Kaffee, dazu Mineralwasser.  
Sie schien etwas verunsichert, suchte nach einem Thema für diese letzten Stunden.
"Woao denkst du grod,"
"Weiß nicht, und du?
"I dachte du siehst aus wia a Gschichtenerzähla, i woass ned wia i 's anders song soi."
"Warum denkst du gerade daran?"
"Na jo, wenn wos zua End gäd denkt ma an den Ofang."

Er spürte, dass sie noch nicht dahin zurückwollte, von wo sie aufgebrochen war, ihrer ständigen Schwäche für ihren Kummer und ihre Müdigkeit.
"Ich liebe dich," sagte er schließlich und streichelte vorsichtig ihren Handrücken."
Er schaute sie an, voller Erwartung, schließlich verschüchterter, ein Blick der Entschuldigung.
„Ich habe deinen ganzen Therapieplan zerstört,“ sagte er.
Sie sichtlich entrüstet: „Nein gar nicht, wie kommst du darauf,“
„Du bist mit dem Vorsatz gekommen, etwas über dich herauszufinden. Und ich habe dich davon abgelenkt.“
Sie lachte.
„Ja freilich, doas hast du ömmerhin ... das beste was mir passiert ist.“
Ehe er antworten konnte, warf sie sich in seine Arme.

Die Zeit verging wie im Flug ... im sonnigen Café ... in ihren Armen ... vorbei ... wobei ... als ihm  schließlich bewusst wurde, wie vorbei es war ... saß sie bereits in ihrem Wagen, steckte den Schlüssel ins Zündschloss und fuhr entschlossen davon.
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Beitrag27.08.2016 01:31

von Orpheus
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Lieber Verholfen
Das gefällt mir gut, was du mit meinem Text gemacht hast. Du hast in dem was du zu Beginn schreibst vieles richtig erahnt. Und du zeigst wunderbar, wie man mit mehr Abstand sich auf das Wesentliche konzentrieren kann. Nicht was für uns das Wesentliche ist, sicherlich aber für den Leser.
Was ich nicht verstanden habe:
Wo vermischen sich hier Prosa und Lyrik?
Danke für deine intensive Bearbeitung. Werd mal versuchen den nächsten Teil etwas mehr von diesem neuen Anstrich zu geben und du wirst auf jeden Fall mehr Konkretes zum Anfassen bekommen. Allerdings bezweifle ich, ob es mir gelingt, die Lockerheit zu entwickeln, mit der du die Geschichte fließen lässt. Ich wollte die Geschichte langsam erzählen. Aber es dürfen nicht so viele Tränen fließen. Da hast du recht, das ist überladen.
Bis dahin viele Grüße


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Orpheus
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Verhooven
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Beitrag27.08.2016 09:17
guten Morgen Orpheus
von Verhooven
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Erstmal bin ich froh, dass Du meine Ansätze nicht als Verriss gelesen hast, sondern als Hilfestellung. Ich habe das gestern noch einige Male gelesen, in der Angst, ich sei zu hart an die Sache rangegangen, dachte dann für mich, nein, es ist besser, man kitzelt die Potentiale raus und reduziert es auf den "literarischen Plan" - im Übrigen finde ich aber vollkommen richtig und gut, was Du machst. Ich konnte mich über den Text "hermachen", weil ich eine bei mir ähnliche Arbeitsweise erkannt habe. Von Innen nach Außen geschrieben. Dabei entstehen die "Lyrik-Momente" - damit meine ich den romantischen, manchmal überbordenden, dann wieder kitschigen oder schwulstigen Part in mir - den gibt es - und dann legt man es weg. Guckt zwei Wochen später nochmal drauf, und merkt, was man da "verbrochen" hat ... dann beginnt das Arbeiten und Überarbeiten, das Ruduzieren und das Abstumpfen und Schleifen, das Bildhauern. Den Novalis, den Rilke wieder reduzieren - es aus der Lyrik in die Prosa treiben. So meinte ich das, hoffentlich war das jetzt verständlich. (Nur darf der Leser nicht merken ... wie ich das gemacht habe ... hm (Katz und Maus Spiel - der Leser ist ja in alldem immer der Schlauere, wieder hm.)

Nochmal zu Deiner Vorgehensweise: Ich glaube nicht, dass Stil angeboren ist, oder sich von selbst entwickelt, sondern Ergebnis eines Prozesses, von Arbeit, ist. (Der Irrglaube, man sei zum Poeten Dramaturgen oder Schriftsteller geboren/berufen oder Ähnliches nur zur ersten 2 % des tatsächlichen Schriftstellerlebens gehören, manche schaffen es dann, daraus 100 % zu machen: indem sie über nichts anderes mehr schreiben als das. (Handke)). Manche haben weniger Arbeit damit, manche mehr ... ich glaube aber, dass man das lernen kann und Sicherheit, Stabilität und später auch Effektivität darin erzielen. Heißt: Je mehr ich meine Texte umzuwälzen lerne und es auch mache und nicht immer nur machen will ... desto stilsicherer werde ich. Wichtig erscheint mir zum Beispiel bei Deinem Text, dass es den inneren Wust gibt ... nennen wir das Liebessehnsucht ... dann aber darf es nicht dabei bleiben, nicht nur das Weinen ... (ich spüre es gerade auch, gäbe es das Weinen nicht ... wäre der Text zu trocken/spröde.) ... die Balance also ? ... die eigentliche Aufgabe. Oder anders: Das Vieraugenprinzip: Wenn man keinen hat, der einem zuhören will oder kann, so kann man trotzdem versuchen, es jemandem vorzulesen. Laut! Und sich dazu einen imaginierten Leser, den unfreundlichsten natürlich, vorstellen ... so spürt man von ganz allein, wo man noch was ändern muss.

Und klar: Immer Distanz halten zu oder herstellen zwischen sich und die Figuren. Ich glaube das ist ein ganz wichtiger Schlüssel. Wie Du merkst: ich doziere das hier auch für mich. Bin also erleichtert, dass Du meinen Hinweis für Dich gewinnbringend aufnehmen konntest.
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Orpheus
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Beitrag27.08.2016 10:27

von Orpheus
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Guten Morgen lieber Verhooven
Das Rechtschreibprogramm in meinem Smartphone ahnt, wer du in dieser Auseinandersetzung bist: es macht aus "Verhooven" automatisch "Verholfen" (s. Letzte Anrede")
Es ahnt, dass ich es ohne dich hier nicht schaffe.
Was ich an deinen Veränderungen gut finde ist die Leichtigkeit,  was ich schade finde (aber vielleicht finde ich noch eine Lösung) ist, dass einige Details verschwinden, z.B. ihre Idee, wie sie den Abschied geplant hat, wie sie sich aus dem Staub macht)
Ich würde mir wirklich wünschen, dass noch jemand drittes auftritt und mir ein Feedback gibt. Es würde mir bei der Orientierung g helfen, denn bei allem, was ich an deiner Rückmeldung gut finde,  ich bin mir unsicher bei der Frage, ob ich das Tempo aufnehmen will, dass du in die Erzählung hineinbringst. Weniger Tränen aber auf jeden Fall.
Noch eine Frage:
Du schreibst "Sex sells" aber an der Stelle war ich doch noch gar nicht? Woher kommt die Ahnung, dass es eine so dominante Rolle spielen könnte. (Tut es tatsächlich und solltest du im Red Light distrikt unterwegs sein findest du dort von mir eine kurze Geschichte, die ich allerdings im Gesamtwert nie bringen würde. Allerdings schrieb ich am 22.5. Eine kurze Geschichte in diesem Forum "vom sich berühren", die die Emotionen aufgreift, um die es hier geht. )  

Eine weitere Frage: würdest du den Dialekt weiterführen?

Und dann:
was ist, wenn ich deine Änderungen übernehme? Ist es dann noch mein Text oder müsstest dann du als Autor genannt sein nach dem Motto... nach einer Idee von Orpheus.
Mir gefällt deine Korrektur so gut, dass ich sie in vielen Teilen übernehmen möchte.
Ich hoffe ich langweile dich nicht und du schaust dir auch die Korrektur und den nächsten Teil an, den ich bei dieser Hitze in meinem gut klimatisierten Zimmer, an diesem Wochenende zu bearbeiten gedenke.
Genieße den Sommer und noch einmal
DANKE


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Orpheus
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Verhooven
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Beitrag27.08.2016 11:24
... kurz zwischendurch
von Verhooven
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Freut mich sehr, dass es Dich freut. Zu Deinem Text: in meinen Augen bleibt es Dein Text! Ich habe da keinerlei Ansprüche drauf, und wollte auch keinesfalls welche anmelden. Dein Text!

Beim Lesen des Slangs hatte ich zugegeben meine Schwierigkeiten, als ich ihn aber durchhatte, gefiel er mir aus dem einfachen Grund:Die Frau bekommt dadurch ein zweites Gesicht. Wenn Du es nicht übertreibst ... weiter so! Sie kann ja auch Hochdeutsch ... stilistisch stellen sich die Fragen dann so: wann fällt sie in ihren Slang zurück: wenn sie unsicher ist? Wenn sie sich frei fühlt und aufgehoben? Wenn sie ihn auf den Arm nehmen will? Kann er sie dann nicht auchmal foppen, indem er auch Ickedeutsch antwortet? Auf keinen Fall rausnehmen!

Werde mal Folgendes machen. Mir diesen Thread bookmarken, bin gespannt, was da noch kommt. Und bitte tue mir einen Gefallen: schreib es erstmal, wie es Dir gefällt! Korrigieren ist eh unerlässlich.

Ach ja. Die verloren gegangenen Details. Sie müssen ja nicht draußen bleiben. Können später nochmal verwendet werden. Alles was rausfliegt schmeißt man ja nicht weg, sondern speichert es in eine Reste-Datei. Ich habe mit dem Verfahren schon mein blaues Wunder erlebt... die Restedatei mir bei späterem Hingucken besser gefallen hat als der korrigierte Part. Prinzip Baukasten ... nichts wegwerfen! Alles macht Sinn. Auch wenn er sich manchmal komplett dreht, der Sinn.

Der Letzte noch: Sex sells ist natürlich ein Spruch. gestern erst im literarischen Quartett gehört: an den Sexszenen erkennst du am besten wie der/die AutorIn "gestrickt" ist. Also immer auch sehr verräterisch. Aber ein Fass ohne Boden oder wenn Du so willst mit doppeltem Boden. Da gilt wohl dann Ähnliches wie beim Verwenden von Dialekt. Das zweite Gesicht will häufig nicht "verraten" oder "verkauft" werden, Thema: Subversion des Textes, oder das "Zwischen den Zeilen."

Ich wollte es kurz gefasst haben, nun war es wieder eine Predigt. Ich deswegen mal die Bühne freimache hier für evtl eine weitere Stimme! Der Samstag ruft: Einkaufen, Staubsaugen, Bundesliga. Beste Grüße, bleibe gespannt.
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Orpheus
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Beitrag27.08.2016 11:48

von Orpheus
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Absolut keine Predigt. Nur hilfreich auch und vor allem deine Tipps bezüglich Techniken Baukasten usw...

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Orpheus
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Orpheus
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Beitrag27.08.2016 22:18
Drei Wochen im Sommer
von Orpheus
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Prolog:
Beide wollten sie heraus aus ihrem alten Leben, voll unseliger Verflechtungen. Sie hatten beide nicht das Geschick sie zu entwirren. So landeten sie, rentenkassenfinanziert in einer Rehaklinik, dem „Haus der verlorenen Seelen,“ wie sie es bald nannten.
Sie reiste an aus dem Süden, er aus dem tiefen Norden und nichts sprach dafür, dass daraus eine Geschichte würde, eine gemeinsame noch dazu.

Es dauerte zwei Wochen, ehe sie sich an diesem Ort begegneten.
Danach nannte sie ihn „Jäger,“ er sie „Prinzessin.“
Es waren hilflose Versuche sich dem anderen zu erklären. Und sie hauten sie sich regelrecht um die Ohren.
Danach begann ihre Geschichte zunächst verhalten, bis sie sich ineinander verliebten und Sybille und Jens die ganze Schönheit des Universums fanden. Da begannen die drei Wochen eines Sommers in dem sie sich aneinander berauschen und sich neu fanden, jeder auf seine Art, sie die von sich glaubten, bereits alles verloren zu haben.

Als sie heimfuhr verlor sich all der Schutz, das Sichere, die Geborgenheit, die sie bei ihm gefunden hatte.
Er blieb noch eine Zeit. Er suchte Plätze auf, an denen sie glücklich gewesen waren.
Im Berg hörte er noch das Echo ihrer Stimme, es schien darin gefangen.

Er suchte nach Spuren ihrer roten Schuhe, auf seiner Haut ihren süße,, zarten Geruch.
Abends telefonierten sie. „Nein, mir geht es nicht gut," es ist so viel weh!“ klang es dann aus dem Telefon. Selbst die Sprünge ihres Kehlkopfes, wie er ihr unbeschreibliches Lachen nannte, waren dann nur noch blecherne, metallische Töne.

Schließlich fasste auch er sich ein Herz und kehrte in sein altes Leben zurück. Kein Streicheln und keine Umarmung mehr.

Er verlor sich in den Geschichten,die er schrieb, um ihr näher zu sein.
Sie spürte wieder die gleiche Müdigkeit, mit der sie gekommen war.

War das nun alles, was bleiben sollte, von diesen drei Wochen im Sommer, in denen sie eine ganz neue, von Hoffnung erfüllte Zeit entdeckt hatten, von der sie hofften, dass es die Ewigkeit sein würde.

Der letzte Tag
Am Morgen ihrer Abreise schrieb er ihr eine Mail - irgendwas von durchkämpfter Nacht, von Händen, die sich in die Kissen verschoben, den Glockenklang ihres Herzens suchend. Von der Sehnsucht, der nicht gestillten.

Als Antwort wünschte sie ihm einen wunderschönen Morgen, so als könnte sie seinen Abschiedsschmerz spüren. Sie, die gestern so entschlossen aus seinem Bett aufgestanden war und ihm eine gute Zeit und ein gutes Leben gewünscht hatte. Es klang, als sei all das nicht gewesen.

„Hast´s Zeit frühstücken zu gehen?“
„Sybille,“ hörte er sich sagen, und obwohl ein Therapieplan auf ihn wartete, ergänzte er:
„Natürlich habe ich Zeit,“
Sie lachte - ihr unbeschreibliches, einzigartiges Lachen
„Ja mei, du und dei Therapieplan.“
Nun lachten lachten sie beide.
„I wui dia unbedingt no a besonders Cofe zeign,“ sagte sie, als sie sich später am Eingang der Klinik trafen.
Er umarmte sie.
„Und ich dachte schon, ich sehe dich nicht wieder.“
„Des hod i ma aa erst dachd, aba es ging ned,“ sagte sie.
Vergessen war der vorabendliche Abschiedsschmerz, als er ihre Hand nahm.
„Etz' nach drei Wochn hosd du es endli gelernt,“ sagte sie schmunzelnd und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange.
„Was?“ fragte er verblüfft.
„Ned z' fest zuazudruggn,“ entgegnete sie schelmisch.
Flirteten sie?
„Ich dachte, du magst es fest.“
„ja scho, aba ned an den Händn.“

Der Tag war sonnig und sie beschlossen auf den Marktplatz zu gehen. Sie schautenin ihrem Buchladen vorbei.
„Jetz hosd du meine drei Liablingsbücha,“ sagte sie und zeigte hinüber auf den Büchertisch.
Das Verschenken von Büchern war zu einem Ritual geworden, als könnten diese besser erzählen, was sie beide bewegte.

„Wie unterschiedlich wir sind, oder doch zu ähnlich?“ dachte er und betrachtete sie. Sie war versunken in Postkarten der Auslage und bemerkte seine Blicke nicht. Er genoss es, ihr zuzuschauen. Wie würde er ihre Schönheit vermissen, ihren makellosen Körper, ihre Augen, die schönsten, die er je gesehen hatte.
Abrupt riss sie ihn aus seinen Gedanken:
„Etz' hoit des moi bitte fest,“ sagte sie und drückte ihm eine Postkarte in die Hand.
„I mog davo bitte a Foto machn.“

"Man kann den Sturm bekämpfen oder sich von ihm tragen lassen," stand darauf geschrieben.
Ein ermutigender Satz, ganz anders als der, den sie ihm immer wiedervorbetete, wenn er ihren Gemütszustand zu erspüren wagte. Dann sagte sie stets: „Es is wia es is und so wia es is, is es guad.“

Auf dem Weg zum Café wollte er es noch einmal genauer wissen.
„Haben wir eine Zukunft?“
Sie antwortete ihm ernst und immer wenn das geschah, sprach sie hochdeutsch:
„Du kannst dir meiner Liebe gewiss sein, das ist mehr, als ich je nach so kurzer Zeit einem Mann gesagt habe.“
Dann lachte sie und verfiel wieder in ihren Dialekt:
"Du woasst 's doch, east noch am zwoajährign Austausch vo Körpersäfdn wern mia wissn, ob 's wirklich Liabe is."
Er schaute sie an.
„Man kann den Sturm bekämpfen oder sich tragen!“
„Eatrogn, moanst du wohl, und des is definitiv zua weng.
Es klang hart und unerbittlich.
Versöhnlich sagte sie:
„Du bisd und bleibst ebn a Dräuma.“
Sie erreichten das Cafe.
Auf den ersten Blick ein Parkplatz. Erst bei genauerer Betrachtung erkannte er liebevoll gestaltete Ecken. Kleine Tische, gedeckt mit Lavendel. Ein alter Schrank mit allerlei Nippes. Eine alte Schreibmaschine stand dort neben Sammeltassen und einer ungenutzten Uralt-Kaffeemühle.
Sie suchten einen sonnigen Platz und setzten sich. Sie bestellten Kaffee und Mineralwasser.
Sie schien etwas verunsichert, suchte nach einem Thema für diese letzten Stunden.
Wie stets, wenn sie ernst wurde, sprach sie plötzlich hochdeutsch.
"Woran denkst du gerade?"
Die Frage überraschte ihn.
"Weiß nicht, und du?"
"Ich dachte du siehst aus wie ein Geschichtenerzähler, ich weiß nicht wie ich es anders sagen könnte."
"Warum denkst du gerade daran?"
"Na ja, wenn etwas zu Ende geht, denkt man gern an den Anfang zurück."
"Was für tiefsinnige Gedanken in diesem Augenblick."
Sie antwortete nicht.
Er spürte, dass sie noch nicht dahin zurück wollte, von wo sie aufgebrochen war, um ihre ständige Schwäche, ihren Kummer und ihre Müdigkeit zu bekämpfen.
"Ich liebe dich," sagte er schließlich und streichelte vorsichtig ihren Handrücken."
Er schaute sie an, voller Erwartung, schließlich verschüchterter, ein Blick der Entschuldigung.
„Ich habe deinen ganzen Therapieplan zerstört,“ sagte er.
Sie entrüstete sich: „Nein gar nicht, wie kommst du darauf,“
„Du bist mit dem Vorsatz gekommen, etwas über dich herauszufinden. Und ich habe dich davon abgelenkt.“
Sie lachte.
„Ja freilich, doas hast du ömmerhin ... das beste was mir passiert ist.“
Ehe er antworten konnte, warf sie sich in seine Arme.

Die Zeit verging wie im Flug, im sonnigen Café, in ihren Armen - vorbei, wobei, als ihm schließlich bewusst wurde, wie vorbei es war ... saß sie bereits in ihrem Wagen, steckte den Schlüssel in das Zündschloss und fuhr entschlossen davon.


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Beitrag27.08.2016 22:29
Drei Wochen im Sommer
von Orpheus
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Erste Begegnung

Die Erinnerungen an ihre erste Begegnung waren sehr unterschiedlich. Sie meinte, ihm an einem sonnigen Tag, draußen vor der Tür der Klinik begegnet zu sein. Nein, nicht einmal ihm, sondern nur seiner Stimme.
„Extrem aufdringli war sie gwen. Du hosd irgendtwas dahergefaselt vo scheenen Wanderwegn und herrlicha Natur und i hob nur dachd  wia ungefrogt er mi voitexten tat.“
Das hatte sie ihm später, als sie ihn längst in ihr Herz geschlossen hatte, erzählt. Dabei hatte sie ihr unwiderstehliches Lachen hinzugefügt, so dass er erst gar nicht auf die Idee kam, ihr zu widersprechen.
Seine Erinnerung an ihre erste Begegnung war viel stiller und unspektakulärer. Sie stand vor ihm am Frühstücksbüfett. Er hatte nur Blicke für dieses dichte herrlich gelockte blonde Haar. Er sah einen wunderschönen schlanken Körper. Bewusst blieb er stehen und wartete, bis sie sich umdrehen würde. Ein Jäger eben, der die Fährte aufgenommen hatte. Als sie sich schließlich dem Raum zuwandte, nahm sie ihn gar nicht wahr.Er dagegen konnte in ihre Augen sehen, rehbraun, müde und mit einer unendlichen Tiefe, hinein bis in ihre Seele. Er ahnte, wie viel Fröhlichkeit  ihr Glanz versprüht hatte. Nun aber war dort etwas tief verletztes.
Zweifellos passte sie in sein Beuteschema, nur war er niemand, der sich dieses je bewusst gemacht hatte. Aber seine Aufmerksamkeit war geweckt, er würde sie im Blick behalten.
Dabei war er nun bereits seit zwei Woche in der Rehaklinik und konnte sich nicht vorstellen, hier etwas mit einer Frau anzufangen.
Ihr ging es genau so. Bis vor kurzem noch war sie der festen Überzeugung, dass sie mittlerweile sowieso beziehungsunfähig war.
Auch sie war bereits seit zwei Woche in der Klinik. Sie war gekommen um herauszufinden, was ihr so sehr die Kräfte raubte, dass sie nur schlafen wollte.
Beide hatten sie ihre eigenen, sehr unterschiedlichen Geschichten mit in die Klinik gebracht. Sie war seit 9 Jahren geschieden und hatte trotzdem keinen Weg gefunden, sich aus den vielfältigen Verflechtungen ihrer Familie zu befreien. Selbst neue Beziehungen linderten nicht ihren Schmerz.
Er war der festen Überzeugung, dass seine Erschöpfungszustände von seiner Arbeit her rührten. Ein Irrtum, den schon die erste Therapiestunde aufdeckte.
Nun waren sie sich begegnet, sie war ihm aufgefallen, er war ihr auf die Nerven gegangen. Da sprach nichts dafür, dass daraus eine große Liebe werden würde.

12Wie es weitergeht »



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Verhooven
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Beitrag28.08.2016 14:34
kurz e Version
von Verhooven
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Orpheus hat Folgendes geschrieben:
Prolog:
Beide wollten sie heraus aus ihrem alten Leben, voll unseliger Verflechtungen. Sie hatten beide nicht das Geschick sie zu entwirren. So landeten sie, rentenkassenfinanziert in einer Rehaklinik, dem „Haus der verlorenen Seelen,“ wie sie es bald nannten.
Sie reiste an aus dem Süden, er aus dem tiefen Norden und nichts sprach dafür, dass daraus eine Geschichte würde, eine gemeinsame noch dazu.

Es dauerte zwei Wochen, ehe sie sich an diesem Ort begegneten.
Danach nannte sie ihn „Jäger,“ er sie „Prinzessin.“
Es waren hilflose Versuche sich dem anderen zu erklären. Und sie hauten sie sich regelrecht um die Ohren.
Danach begann ihre Geschichte zunächst verhalten, bis sie sich ineinander verliebten und Sybille und Jens die ganze Schönheit des Universums fanden. Da begannen die drei Wochen eines Sommers in dem sie sich aneinander berauschen und sich neu fanden, jeder auf seine Art, sie die von sich glaubten, bereits alles verloren zu haben.

Als sie heimfuhr verlor sich all der Schutz, das Sichere, die Geborgenheit, die sie bei ihm gefunden hatte.
Er blieb noch eine Zeit. Er suchte Plätze auf, an denen sie glücklich gewesen waren.
Im Berg hörte er noch das Echo ihrer Stimme, es schien darin gefangen.

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Also ich habe jetzt den Überblick verloren. Bin ratloser als gestern.

Wir haben drei Wochen, das sind 21 Tage. Wir haben ein Erholungsheim. Wir haben zwei Figuren, die sich ineinander verlieben. Wir haben einen Abschied. Am Anfang der 21 Tage wissen sie noch nichts voneinander.

Der Prolog geht für mich also so: Der Mann der sich ausruhen will, der eine Auszeit braucht. Der mit sich selbst beschäftigt ist. Rückblenden in die letzten Wochen. Da gibt es sie noch nicht.

Mich interessiert nun, wie sie in sein Leben tritt. War es eine Überraschung? War es ein komischer Zufall? Wie kann er ihr beim ersten Mal so tief in rehbraune Augen bis in die Seele filmen?

Ich finde, der Tag der Begegnung sollte 1. vom Erzähler aus dargestellt werden ... denn sie kennt er noch nicht. (Der Leser auch nicht) und 2. Ohne Überich. (Kandidaten für den Klug/Auktorial/Erzähler gefällig: Philip Roth, John Updike, oder hier mein neuer Freund: Maxim Biller. Wenn man tiefer in die Mottenkiste will: Dostojewski, Tolstoi, Thomas Mann: Der Zauberberg ist eh eine Bombastvorlage für so einen Plot: Mann im Sanatorium, Mann im Kopf verstopft, Madame Chauchat schlägt mit Türen)

Wer ergreift am wievielten Tag, vielleicht nach Tag 2/3/4 die Initiative? Er oder sie? Und wie? Da kann eine Überraschung passiert sein. Oder aber es ist nur ein Mineralwasserglas zwischen sie geraten?

Dann haben wie also ca 15 Tage Liebesglück ... was sicher auch seine Haken und Ösen hat.

Und Tag 21 dann den Abschied. Mach also erstmal einen Kalender. Dein Grid. Ein Raster. Anfang. Mitte. Ende. Zum Tempo: Anfang ruhig ... Koffertragen, Ankommen. Einziehen. Mitte impulsiv ... Liebe Triebe Heiterkeit ... Ende die Träne. Das plötzliche Verschwinden !

Ich will noch ein letztes als Anregung mit auf den Weg geben: Niemand erwartet von einem Autor, dass er schnell fertig wird mit seiner Geschichte. Aber alle erwarten vom Autor, dass er dem Leser mit seinen Sätzen eine Aufenthaltsqualität in den Sätzen vermittelt (Dazu gehört für mich vor allem: Vermeiden von schon zu häufig gehörten Sätzen. (Als ich das mit dem Beuteschema las, war ich eher enttäuscht als neugierig gemacht.) Deswegen: Lass Dir doch Zeit und schildere das Ganze ausführlicher und in sich so, als wärest Du die Kamera, und Deine Figuren sind die Schauspieler, denen Du Regie führst. Deswegen: weniger Instrospektion. Mehr Narrativ und Fiktion! Nicht erklären wollen was geschah, sondern beschreiben! Dem Leser erklärt sich das dann von selbst.
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poetnick
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Beitrag28.08.2016 19:16

von poetnick
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Hallo Orpheus und Verhooven,

nach so eingehend erfolgter und, wie ich es empfinde, gedeihlicher Textarbeit, möchte und kann ich nicht wirklich mehr dazu beitragen, als einige Eindrücke mitzuteilen, die diese Geschichte bei mir hinterlassen haben.  
Wie ich schon einmal auf die Eingangs von Orpheus formulierte, allgemein gehaltene Frage antwortete, ob eine solche Geschichte genügend Tiefe und Authentizität transportieren kann, so möchte ich wiederholen: ja, das gibt dieser Stoff meiner Meinung nach her.

Ich denke die Tiefen des Materials liegen in den Seelengründen der Charaktere, ihren Biografien und dem ureigenen Ausdruck ihrer Persönlichkeiten, oder auch Teilen davon, die um ihren Ausdruck (noch) ringen.
Was mich etwas, von dem bisher Beschriebenem, fragend und auch unerfüllt zurück lässt, sind Hinweise, Einblicke in Seelenlandschaften und seien es zunächst nur Streiflichter; Aufflackern von Erinnerungen an innere Welten, Ängsten und Zuständen, die zu diesem Klinikaufenthalt geführt haben. Da würde ich einiges an Spannung und Spannungen vermuten.
Die Klimax von verzweifelter wie leidenschaftlicher Anbetung, wechselseitiger Liebesbeteuerung und Trennungsschmerz lässt, trotz ihrer Emotionalität, die Handlung bei fortgeführter Steigerung etwas erschlaffen.

So meine ich könnten der Geschichte durch entsprechende Einschübe, laut gewordenen Erinnerungen, Flashbacks, etc. solche Hintergründe und Unterfütterungen zu spannungsreicherem Verständnis verhelfen.  

Nun bin ich kein Romanautor und möglicherweise sind entsprechende Elemente erst später in der Struktur vorgesehen, doch bei momentaner Betrachtung fehlen sie mir.
Mit Interesse habe ich den bisherigen Entwicklungsprozess des Textes in diesem Faden verfolgt.

Mit besten Grüssen - Poetnick


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Wortlos ging er hinein,
schweigend lauschte er der Stille
und kam sprachlos heraus
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holg
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Beitrag28.08.2016 20:07
Re: Drei Wochen im Sommer
von holg
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Orpheus hat Folgendes geschrieben:
Prolog:
Beide wollten sie heraus aus ihrem alten Leben, voll unseliger Verflechtungen. Sie hatten beide nicht das Geschick sie zu entwirren. So landeten sie, rentenkassenfinanziert in einer Rehaklinik, dem „Haus der verlorenen Seelen,“ wie sie es bald nannten.
Sie reiste an aus dem Süden, er aus dem tiefen Norden und nichts sprach dafür, dass daraus eine Geschichte würde, eine gemeinsame noch dazu.


Da war ich weg, weil - das mag jetzt hart klingen, ich weiss aber nicht, wie ich es ausdrücken soll um nicht missverstanden zu werden - der ganze Prolog unnötiges Geschwafel ist. Warum willst du unbedingt die Geschichte erklären, bevor du sie erzählst?
Fang doch einfach da an:

Orpheus hat Folgendes geschrieben:
Der letzte Tag
Am Morgen ihrer Abreise schrieb er ihr eine Mail - irgendwas von durchkämpfter Nacht, von Händen, die sich in die Kissen verschoben, den Glockenklang ihres Herzens suchend. Von der Sehnsucht, der nicht gestillten.

Als Antwort wünschte sie ihm einen wunderschönen Morgen, so als könnte sie seinen Abschiedsschmerz spüren. Sie, die gestern so entschlossen aus seinem Bett aufgestanden war und ihm eine gute Zeit und ein gutes Leben gewünscht hatte. Es klang, als sei all das nicht gewesen.

„Hast´s Zeit frühstücken zu gehen?“
„Sybille,“ hörte er sich sagen, und obwohl ein Therapieplan auf ihn wartete, ergänzte er:
„Natürlich habe ich Zeit,“
Sie lachte - ihr unbeschreibliches, einzigartiges Lachen
„Ja mei, du und dei Therapieplan.“
Nun lachten lachten sie beide.
„I wui dia unbedingt no a besonders Cofe zeign,“ sagte sie, als sie sich später am Eingang der Klinik trafen.


Da war ich wieder weg.
Bitte nicht einem der Hauptcharaktere die ganze Story lang Mundart in ebenjenen schreiben. Das ertrage ich nicht und es ist absolut unnötig. Ein Spruch hier und da, um es in Erinnerung zu halten - ok. Aber mehr ist für mich ko-Kriterium.

Sorry.


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Orpheus
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Beitrag29.08.2016 19:45

von Orpheus
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Und schon wieder 3 Leser 3 Ansichten und jeder kann ich etwas abgewinnen.
Prolog weglassen, werde ich mal versuchen, Kalender anlegen ist auf jeden Fall hilfreich,  und die Einblicke in die Seelenlandschaft: vielleicht müsste ich früher damit beginnen.
Alles das nehme ich zum Anlass um wieder von vorn zu beginnen. Trotzdem möchte ich noch den Tag der ersten echten Begegnung einstellen, weil ich hoffe sie erfüllt einige der Erwartungen, die ihr hier anspreche.
Danke für soviel Konstruktivität, Geduld und ausbleibende Polemik.  Das habe ich am meisten gefürchtet. Lieber Holg:
Den Dialekt möchte ich noch nicht aufgeben. Vielleicht irgendwann bei einer weiteren Überarbeitung. Macht noch zu viel Spaß,  damit zu spielen.
Gruß und Dank und bis gleich, wenn die zweite Begegnung folgt.


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Beitrag29.08.2016 20:39

von Orpheus
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Zweite Begegnung
Erst vier Tage später ergab sich die Gelegenheit dass die beiden einander kennenlernen sollten. Er hatte sich bis dahin im Wesentlichen mit Wanderungen in die Weinberge, dem Entspannen am kühlen Bach des nahen Kurparks und dem Schreiben an einer Geschichte gewidmet.
Für sie dagegen stand die Therapie über allem anderen. Sie war ganz bei sich, hoffnungsvoll und ernsthaft.
Nur abends zog es sie ab und an zum nahegelegenen See. Dort gelang es ihr im erfrischenden wohligem Wasser zu entspannen, sie chatete mit ihren beiden Söhnen oder lag abseits im Grün lesend und ihren Gedanken nachhängend.
An zwei Abenden war sie Tanzen gegangen. Das waren ihre Momente der Hingabe. Nicht die an einen Mann (sie konnte sich nicht einmal erinnern, mit wem sie da getanzt hatte), sondern die Hingabe in die Musik und den gleitenden vollkommenen Bewegungen. Sie tanzte leidenschaftlich  und das war der einzige Augenblick, in der sie dem Mann die Führung erlaubte. Das jedenfalls behauptete sie.

Dann kam der Sonntag, der tristeste Tag einer Therapiewoche, falls man sich nicht rechtzeitig verabredet hatte. Sie war zu abgespannt und kraftlos gewesen, um Kontakte zu knüpfen, er freute sich auf eine größere Wandertour.
Er traf sich mit zwei Männern und zwei Frauen am Sonntag Morgen vor dem Klinikeingang, als sie gerade die Treppe hinunter kam. Sie schaute auf die Gruppe, sah die fünf zum Teil mit Rucksäcken und Wanderstöcken ausgerüstet und zögerte kurz.
Dann drehte sie sich wieder um und wollte zurück auf ihr Zimmer.
Dabei hatte es spontan so verlockend gewirkt, da hin zu gehen und zu fragen, ob sie sich anschließen könne. Aber dann waren die Ängste wieder da: Würde sie der Anstrengung gewachsen sein, was würden die Männer von ihr denken, wenn sie die Wanderung vorzeitig abbrechen musste?
Abrupt blieb sie stehen und schalt sich selbst: „Bisd du oagentli verruggt? Du hosd etz' genau zwoa Möglichkeitn, entweda di in deina Eisamkeit z' suln oda de Aussicht auf oan interresantn Dog.“
Entschlossen drehte sie sich herum und ging erneut die Treppe hinunter. Die kleine Gruppe stand noch immer zusammen. Und nun machte sie tatsächlich Nägel mich Köpfen:
„Kann ich mich euch noch anschließen?“ fragte sie und es klang selbstsicher und freundlich.
Es wurde ein wunderbarer Tag, sonnig und warm. Der Weg führte über einen Kammweg, durch lichtdurchflutete Laubwälder und vorbei an mit Ziegelsteinen gemauerten Schlössern. Sie entdeckten Aussichtspunkten an denen man die ganze Tiefebene zwischen zwei Bergrücken überblicken konnte. Größere Städte und kleine idyllische Dörfer lagen der fröhlichen Gruppe zu Füßen.
Je länger Menschen sich  ernsthaft in einer psychosomatischen Rehaklinik mit sich selbst auseinandersetzen, desto kürzer ist die Anlaufzeit, die jeder benötigt, um sich auf  intensive Gespräche einzulassen. Das erlebten die Mitglieder dieser Gruppe an diesem Tag. Oft gingen sie zu zweit nebeneinander, immer wieder wechselten die Konstellationen und selbst das Pärchen, dass sich in der Klinik kennengelernt hatte, und offen zu seiner Verliebtheit stand, schaffte es, sich für einzelne Wegstrecken aufzulösen und die Aufmerksamkeit einem anderen zu widmen.
Immer wieder wurden Pausen eingelegt, Fresspakete geteilt und Fotos gemacht.
Die Gruppe war schon eine ganze Weile unterwegs, als er das erste mal für längere Zeit an ihrer Seite ging. Es bedurfte nur Minuten bis er bemerkt hatte, neben welch außergewöhnlichen Frau er sich dort bewegte. Er ergriff die Initiative und erzählte sehr persönlich von sich. An diesem Nachmittag hatte sie nicht das Gefühl zu getextet zu werden. Im Gegenteil, schnell fasste sie Vertrauen und begann ihrerseits zu erzählen, von ihrer missglückten Ehe, davon, dass es keinen Grund gäbe, ihrem Exmann böse zu sein. „I hob Fehla gemacht,“ erzählte sie offen, „und eis Dogs sogte er ma, sei Liab sei erloschn.“
Er erfuhr, dass sie unselig in die Geschäfte ihres geschiedenen Mannes verflochten war und ihre beiden Familien bis heute so viele Verbindungen hielten, dass es sowohl ihr als auch ihm schwer fiel, genügend Distanz zu halten.  
„I glaube i liabe ihn no oiwei.“
„Er fügt dir ständig neue Verletzungen zu,“ versuchte Jens es so zu erklären, wie er es verstand.
„Ich weiß das, ich muss fort von ihm, weit fort. Weißt du, ich habe einmal gelesen, dass sich alles mit dem verändert, der neben dir ist,“ sagte sie versonnen und so gewährte sie ihm Einblick in ihre Zerrissenheit. Er erfuhr, von scheuen Begegnungen, brutalen Trennungen und ihrem weiten Herzen. Da war Platz selbst für Menschen, die ihr sehr weh getan hatten.
Sie erfuhr von seinem schweren Motorradunfall, die Zeit, die er im Koma gelegen hatte und die medizinische Wiederherstellung seines Körpers.
„Dass dabei auch die Seele behandelt werden muss,“ wusste ich zu der Zeit noch nicht. Im Gegenteil, ich habe mich wieder in meine Arbeit gestürzt, war mutiger, risikofreudiger als je zuvor. Ich hatte dieses Gefühl von Unsterblichkeit und habe es wild getrieben. Es belastete meine Ehe, es gingen Freundschaften in die Brüche und das alles für den kurzen Moment eines besonderen Kicks.“  
Sie antwortete auf ihre Weise, in dem sie aufstand und sagte: „Jo, dann lass uns schnei weidergehn, damit i ned aa a solcha Kick fia di werd.“
Die kleine Gruppe setzte ihre Wanderung fort, die Partner an ihren Seiten wechselten, aber er lies sie nicht mehr aus den Augen.
Als sich vor ihnen der nächste Aussichtspunkt auftat rastete die Gruppe erneut und sie machten Fotos voneinander und miteinander.
Den Abend beendeten alle gemeinsam in einem Biergarten und bis zur Sperrstunde, die die Klinik ihnen auferlegte, wurde noch viel gemeinsam erzählt und getrunken, vor allem aber gelacht. Spätestens da spürten alle, dass sie einander wichtig geworden waren. Sie tauschten an diesem Abend Telefonnummern und Email-Adressen aus.
Als sie sich in der Klinik zur Nacht verabschiedeten, hielt er sie noch kurz zurück. Er hatte gerade ein Buch gelesen, von dem er fasziniert war. Er holte es aus seinem Zimmer und gab es ihr. Sie freute sich über seine Aufmerksamkeit, auch wenn sie sich das noch nicht so recht erklären konnte. Trotzdem hauchte sie ihm einen Kuss auf die Wange, drehte sich dann abrupt um und ging ohne ein weiteres Wort.
Als Jens abends auf seinem Zimmer war, schaute er sich die Fotos des Tages an. Ihm fiel ein Gruppenfoto auf, auf dem er und Sybille nebeneinander standen. Er hatte wie zufällig seinen Arm um ihre Schulter gelegt. Während er in die Kamera lachte, war ihr Blick seitlich auf ihn gerichtet. Sie schien sich zu fragen, wem sie dort so selbstverständlich erlaubte, sie zu berühren.
Bevor er sich schlafen legte schrieb er ihr eine kurze Email, in der er sich dafür bedankte, dass sie ihm ihre Adresse gegeben hatte. Den letzten Satz formulierte er so, dass er ihm alle Möglichkeiten einer weiteren Kontaktaufnahme gab: „Ich schreibe gern manchmal spontan, also wundere dich nicht, ab und an  verwirrte Gedanken oder absurde Ideen auf diesem Weg zu bekommen. Wenn es dich nervt TÖTE SIE mit der "Löschen“-Taste. Wenn sie dir gefallen, schreib mir gern zurück.“
Sie kam gerade aus der Dusche, als sie das Signal ihres Smartphones vernahm. Ohne sich abzutrocknen griff sie das kleine Gerät und rief die Email auf. Sie lächelte, überlegte kurz und beschloss dann, ihm nicht zu antworten. Jedenfalls nicht mehr heute abend.

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