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Hinausgeschlichen


 
 
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Matthias Jecker
Geschlecht:männlichEselsohr
M


Beiträge: 328



M
Beitrag24.01.2016 21:40
Hinausgeschlichen
von Matthias Jecker
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Neue Version »

Sie ist zur Hintertür hinaus geschlichen
in Richtung auf die Paradiese hin,
den stets versprochnen Hauptgewinn im Sinn,
das Glück, das immer vor ihr her gewichen.

Die Türe ist schon wieder zugeschlagen,
ein stilles Stündchen reichte für die Flucht,
voll Ernst verschlang sie die verbotne Frucht
und hieß die Wiesen ihre Füße tragen.

Zuletzt so wild zu höchstem Leid entschlossen,
hat sie sich aufgeschwungen bis zum Taggestirn,
weit höher, heller als der Alpen Firn,
und hat das heilste, grellste Licht genossen.

Die Tür ist zu, im Haus drin herrscht Entsetzen,
sie floh den Schmutz, sie ließ ihn uns zurück,
wir kehren nun, polieren Stück für Stück
und hören noch und noch die Türe schletzen.

Die Wut beschleicht uns wie ein kalter Schauer,
das Herz erblindet und der Bauch wird hart,
wir sitzen wie geblendet da, erstarrt,
bis alles wieder Trauer wird, nur Trauer.

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Harald
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Alter: 76
Beiträge: 5132
Wohnort: Schlüchtern


Beitrag24.01.2016 22:02

von Harald
Antworten mit Zitat

Hallo Mathias,


irgendwie ist das eine Menge Text für herzlich wenig Aussage.

Es kommt einem so vor, als hättest du dir wichtige Punkte mit willkürlich gewählten Würtern so verbunden, dass es sich  am Ende reimt …

Da schlage ich vor, noch einmal zu überarbeiten, das Talent ist ja da, das kann noch richtig was werden …


_________________
Liebe Grüße vom Dichter, Denker, Taxi- Lenker

Harald

Um ein Ziel zu erreichen ist nicht der letzte Schritt ausschlaggebend, sondern der erste!
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firstoffertio
Geschlecht:weiblichShow-don't-Tellefant


Beiträge: 5854
Wohnort: Irland
Das bronzene Stundenglas Der goldene Spiegel - Lyrik (1)
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Beitrag24.01.2016 23:03

von firstoffertio
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Mich beeindruckt dieses Gedicht. Ich finde die Reime nicht aufdringlich. Die gut, oft erstaunlich gewählten Worte sind mir nicht zu viel. Tatsächlich eines der schönsten Reimgedichte seit langem hier, finde ich.

Nur eine Frage: Meinst du wirklich "heilste" hier?

und hat das heilste, grellste Licht genossen

Mir würde "hellste" besser gefallen. Wegen dem Binnenreim, und auch in Relation zu weiter unten:

wir sitzen wie geblendet da,
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MrT
Geschlecht:männlichKlammeraffe


Beiträge: 726

Ei 3


Beitrag24.01.2016 23:16

von MrT
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Harald hat Folgendes geschrieben:
irgendwie ist das eine Menge Text für herzlich wenig Aussage.

Da schlage ich vor, noch einmal zu überarbeiten, das Talent ist ja da, das kann noch richtig was werden …


Dem kann ich mich nur anschließen. Auch wenn ich kein Gedicht-Experte bin und meine letzten Versuche etwa 30 Jahre zurück liegen (wahrscheinlich noch viel schlimmer waren). Zudem klingen einig paar Worte zwar nett, aber nicht mehr zeitgemäß bzw. zu regional (z. Bsp. "schletzen" musste ich nachschlagen).

Potential ist mM aber auf jeden Fall zu erkennen.
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Quadratschädel
Geschlecht:männlichLeseratte
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Alter: 70
Beiträge: 159
Wohnort: Berlin-Ost


Q
Beitrag25.01.2016 14:07

von Quadratschädel
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Hallo Matthias Jecker,

ein Jambus-Reimgedicht in 5 Strophen zu je vier Versen mit 5 Hebungen. Umarmender Reim, Vers 1 und 4 mit weiblicher, Vers 2 und 3 männlicher Kadenz. Dieses Reimschema wird durch alle 5 Strophen eingehalten.
Nach meinem Eindruck kein Anfängergedicht, dazu ist es rein handwerklich zu sauber geschrieben.

Probleme habe ich mit der Protagonistin. Wer oder was die Chaotin ist, wird nirgends genannt. Ich tippe mal freihändig auf eine gewissenlose, undankbare streunende Katze. Darauf weist im Text einiges hin: Sie hat sich "aufgeschwungen bis zum Taggestirn" à la Ikarus, Entsetzen herrscht im Haus, sie ließ bei ihrer Flucht viel Schmutz zurück, aber lieb war sie doch, im Haus herrscht Trauer über Trauer. Ich weiß nicht, ob es ratsam ist, den Leser über die Protagonistin im unklaren zu lassen, bei so einem Gedicht würde ich es nicht tun. Also wer ist "sie"? Diese Frage überlagert für mich alles.

Sprachlich ein Tipp: Manche Adjektive lassen sich nicht steigern, zum Beispiel heil. Heil ist heil, heiler geht nicht. Also nicht: heil, heiler, am heilsten. Und das "erblindete Herz" ist natürlich ein "geborgtes" Prachtstück. Die Tür, die "schlezt", gibt mir einige Rätsel auf, aber sie ist ja im 1. Vers eigentlich zu. Was macht eine zue Tür? Der Vers "und hieß die Wiese ihre Füße tragen" kommt mir ziemlich bombastisch vor, ich nehme an, diese Formulierung erzwang der Reim.

Du merkst, so ganz klar komme ich mit diesem Gedicht nicht. Die Frage steht: Wer ist "sie"?

Quadratschädel
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Stimmgabel
Geschlecht:männlichPapiertiger


Beiträge: 4370
Wohnort: vor allem da
Bronzener Sturmschaden Der goldene Spiegel - Lyrik (2)



Beitrag25.01.2016 16:59
Re: Hinausgeschlichen
von Stimmgabel
Antworten mit Zitat

-

Hinausgeschlichen

Sie ist zur Hintertür hinaus geschlichen
in Richtung auf die Paradiese hin,
den stets versprochnen Hauptgewinn im Sinn,
das Glück, das immer vor ihr her gewichen.

Die Türe ist schon wieder zugeschlagen,
ein stilles Stündchen reichte für die Flucht,
voll Ernst verschlang sie die verbotne Frucht
und hieß die Wiesen ihre Füße tragen.

Zuletzt so wild zu höchstem Leid entschlossen,
hat sie sich aufgeschwungen bis zum Taggestirn,
weit höher, heller als der Alpen Firn,
und hat das heilste, grellste Licht genossen.

Die Tür ist zu, im Haus drin herrscht Entsetzen,
sie floh den Schmutz, sie ließ ihn uns zurück,
wir kehren nun, polieren Stück für Stück
und hören noch und noch die Türe schletzen.

Die Wut beschleicht uns wie ein kalter Schauer,
das Herz erblindet und der Bauch wird hart,
wir sitzen wie geblendet da, erstarrt,
bis alles wieder Trauer wird, nur Trauer.


----------------------------


Hallo Matthias Jecker,


oh ja,  da erzählt der Text auf eine eigenwillige Duktus_weise von einem zurückgebliebenen 'wir' und eine 'sie', die gegangen  ist ... ist mir auch ein Bild vor Augen [ keine Katze Wink  aber erst mal warte ich deine Reaktionen auf die bisherigen Kommentare ab, inwieweit du überhaupt an Kritiken und Detailarbeit interessiert bist [ ... in Anlehnung an deine check_in Vorstellung Wink ].

Der unbetonte Auftakt ist dir sehr gut gelungen [ durchgängig ]; für mich auch interessant deine ab und an rhythmische Brechung zum Langweiler Alternierung pur sowie deine verschiedenen Hebungslängen ... gefällt mir. Einige Zeilen sind mir zu unnatürlich und überwortet, würde hier auch mal etwas das Bild zerbrechen u. verknappen, mehr in die Wirkung bringen ... aus dem zu sehr Telling herausnehmen (mMn).

... ungeachtet ... ja, der Text fä#llt lyrisch auf ...

Gruß Stimmgabel


... ach ja, mMn könnte hier auch mal ein Blankvers herauswirken ... oder das Stilelement des vorgezogenen Reims den Inhalt unterlegen ...


-


_________________
Gabel im Mund / nicht so hastig...
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Matthias Jecker
Geschlecht:männlichEselsohr
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Beiträge: 328



M
Beitrag30.01.2016 13:03
Hallo alle Fünf! Und nun zum einzelnen...
von Matthias Jecker
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Die sieben Tage Frist sind um und ich klinke mich hier gerne ein, nachdem ich unerwartet viele interessante Kritiken erhalten habe. Danke euch allen sehr dafür. Wäre toll, wenn ihr euch meine Antwort und die neue Version (s.u.) anschautet.[i] (Wollte die neue Version zuoberst stellen. geht leider nicht. Also unten neuer Beitrag)[/i]

[b]zu Harald:
[/b]
"herzlich wenig Aussage" siehst du... Welche denn?
"wichtige Punkte", "willkürlich gewählte Wörter"... Wo? Oder welche?

"überarbeiten"... Aufgrund deiner Kritik müsste ich das Ganze anders machen. Und dafür lieferst du mir zu wenig Argumente.

[b]zu firstofertio:
[/b]
für den ersten Abschnitt mal schlicht ein weiteres "Danke!"

meine ich wirklich "heilste"? ja, durchaus, sowohl im Sinne von Licht, das am unversehrtesten ist, noch wie neugeboren von der Sonne, sich noch nicht beschmutzt hat durch das Beleuchten von unschönen Dingen des Erdenlebens wie auch im Sinne von Licht, das am meisten Heilung verspricht, indem es unser materielles Sein in ewige Energie zu verwandeln vermag. Das klingt vielleicht geschraubt und bombastisch. Aber leider geht es im Text um eine solche "Heilung".

Nun, ich habe auch an dieser Stelle eine Änderung versucht, und ich würde mich freuen, wenn du dir das Ganze nochmals anschaust.

[b]zu MrT:
[/b]
vor 30 Jahren hast du Gedichte geschrieben, die "wahrscheinlich noch viel schlimmer waren"? Das ist ja mal tröstlich für mich.

"nicht mehr zeitgemässe Worte"... Gut möglich, ich gehöre schliesslich selber jahrgangsmässig zum Alten Eisen! Aber welche Wörter (oder meinst du doch "Worte"?) sind es denn? ("schletzen" ist tatsächlich laut Duden auf die Schweiz begrenzt. Aber erstens ist es nicht Mundart und zweitens passt es mMn in das Thema des Textes haargenau rein.)


[b]zu Quadratschädel:
[/b]
was du als "handwerklich sauber" (danke!) bezeichnset, habe ich aufgrund von "stimmgabels" Kritik leicht abgewandelt. Ob es dich in der neuen Form auch noch "sauber" dünkt?

du verlangst Klarheit über die Protagonistin und siehst in ihr (wohl ironisch?) eine entlaufene Katze. Braucht es diese Klarheit in einem sich als "literarisch" gebenden Werk? Sind der Andeutungen nicht genug, um von dem Bild der Katze ernsthaft wegzukommen? (na, vielleicht hilft da die neue Version...)

zum Problem von "heilste": Darf nicht gerade der Versedrechsler auch mal in die Sprache eingreifen? Oder anders: Was denkst du über meine Antwort an firstoffertio (s.o.)?

"das Herz erblindet = "geborgtes Prachtstück"... von wem oder wo geborgt?

"bombastisch"... Nicht nur die von dir zitierte Zeile ist bombastisch, auch die mit dem Taggestirn oder jene mit dem Alpenfirn sind es, wenn nicht der ganze Text. Kann sein, dass es im Ganzen stilistisch nicht einheitlich ist. Aber das Bombastische war Absicht, nicht zuletzt als Gegensatz zur ersten Zeile, welche noch an die Katze denken liess.

ich überlege mir als neuen titel noch: "ulla ist tot". Aber ich bin mir nicht sicher, ob der Leser diese Hilfe wirklich benötigt und ob das nicht die "Dramaturgie", den Aufbau der Erzählung in Fraghe stellt. Könnte aber mit dieser Änderung gut leben.

[b]zu Stimmgabel:
[/b]
ob ich an Kritiken interessiert sei?... Oh ja! Brennend! Deshalb bin ich hier. Und bin echt erfreut, dass hier was kommt in der Richtung!

unter Auftakt kann ich was verstehen. unter unbetont auch. Aber ein "unbetonter Auftakt" ist eigentlich ein Kalb mit zwei Köpfen, oder nicht? Ich verstehe dich so, dass jede Zeile mit einer unbetonten Silbe beginnt (wobei ich persönlich die Zeilen mit "Wir" und "bis" am Anfang eigentlich davon ausnehmen würde), und dass dir das gefällt. So viele unbetonte Silben am Zeilenanfang mag ich nicht sehr, hier sind hab ich's wohl so gelassen, weil das Leiern, das dadurch entsteht,  in meinen Ohren irgendwie zur trostlosen Blendung passt.

Mit grossem Interesse gehe ich nun daran, die "verschiedenen Hebungslängen" und die "rhythmischen Brechungen" zu suchen. Vielleicht kennst du das aus eigener Erfahrung, dass sich so was einfach so ergibt, ohne dass man es bewusst will.

"zu sehr Telling"... Oh ja, dieser Gefahr erliege ich immer und immer wieder, obwohl ich den Satz "Show, don't tell" auch gelesen habe und ganz dieser Meinung bin. Danke für den Hinweis!

Natürlich wäre ich auch dir verbunden, wenn du mir ein wenig helfen könntest bei der Suche nach Stellen, die nach Verbesserung verlangen.
[b]
Nochmals allen vielen Dank
und ein schönes Wochenende!
Matthias[/b]
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Matthias Jecker
Geschlecht:männlichEselsohr
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Beiträge: 328



M
Beitrag30.01.2016 13:17
Neue Version aufgrund von fünf Kritiken:
von Matthias Jecker
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Sie ist zur Hintertür hinaus geschlichen
zu Paradiesen hin,
den stets versprochnen Hauptgewinn im Sinn,
das Glück, das immer vor ihr her gewichen.

Die Türe hat sie mehrfach zugeschlagen.
Ein stilles Stündchen reichte nun zur Flucht.
Voll Ernst verschlang sie die verbotne Frucht
und ließ von Blumen ihre Füße tragen.

Vor Schmerzen wild, zu höchstem Leid entschlossen,
hat sie sich aufgeschwungen bis zum Taggestirn,
in Höhen, weißer als der Alpen Firn,
und heilend grelles Licht genossen.

Die Tür schlägt zu. Im Haus drin herrscht Entsetzen,
sie floh den Schmutz, sie ließ ihn uns zurück.
Wir kehren hier, wir säubern Stück für Stück.
Und hören noch und noch die Türe schletzen.

Die Wut beschleicht uns wie ein kalter Schauer,
das Herz erblindet und der Bauch wird hart.
Wir sitzen wie geblendet da, erstarrt,
bis alles wieder Trauer wird, nur Trauer.[b][/b]
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Quadratschädel
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Beitrag30.01.2016 13:30

von Quadratschädel
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Hallo Matthias Jecker,

es ist eine dumme Angewohnheit von Autoren, den Leser mit der Frage nach der Identität des Protagonisten in Spannung halten zu wollen. Danke aber für die Auflösung, dass es sich um eine Frau handelt, ein Name hätte die Pseudospannung verhindert, wobei ich denke, dass auch ein Vergleich mit einer Katze hier gar nicht so unangebracht ist. Ich nehme sogar an, dass das deine Intention war.  

"Das Herz erblindet" - kennst du den "Kleinen Prinzen": "Man sieht nur mit dem Herzen gut". Ich finde es ganz gut, weiß aber nicht, inwiefern da irgendein Archetypus des Literarischen verletzt wird. Ist mir nur aufgefallen, das ist alles.  

Prinzipiell habe ich nichts gegen Neuwörter, wenn sie alte Wörter zutreffender ersetzen. Aber "heilste" ist eben nicht das Gelbe vom Ei, sondern nur eine versuchte Vergewaltigung der deutschen Sprache. Da hättest du nach einem zutreffenden Synonym suchen müssen, das genau die von dir beabsichtigte Steigerung ausdrückt.

Noch etwas zum "unbetonten Auftakt" - so formuliert ist das natürlich abwegig. Jambus-Verse beginnen eben immer mit Auftakt, und Auftakt, das heißt, mit einer unbetonten Silbe. Wobei die Sprechbetonung nicht mit dem Metrum gleichzusetzen ist.

Aber mir gefällt dein Gedicht im großen und ganzen ganz gut.

Quadratschädel
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firstoffertio
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Beitrag30.01.2016 23:50

von firstoffertio
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Zitat:
meine ich wirklich "heilste"? ja, durchaus, sowohl im Sinne von Licht, das am unversehrtesten ist, noch wie neugeboren von der Sonne, sich noch nicht beschmutzt hat durch das Beleuchten von unschönen Dingen des Erdenlebens wie auch im Sinne von Licht, das am meisten Heilung verspricht, indem es unser materielles Sein in ewige Energie zu verwandeln vermag. Das klingt vielleicht geschraubt und bombastisch. Aber leider geht es im Text um eine solche "Heilung".


Vielleicht ist hier der Punkt, wo ich nicht mitkomme. Ich verstehe das nicht. Bin wohl deshalb an dem Wort gestolpert. Mir kommt das vor wie ein Geheimnis, das du mir vorenthältst um das herum sich dein Gedicht aber  nicht unwesentlich dreht. Oder aber es liegt ganz an mir, was durchaus auch sein kann.
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Matthias Jecker
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Beitrag18.07.2016 19:31

von Matthias Jecker
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hallo Quadratschädel
Leider war ich wegen technischer Schwierigkeiten längere Zeit hier abwesend.
Ob Katze oder Frau ist manchmal eine sehr müssige Frage.
Aber ich denke wohl, dass dieser Text hier jener Frau gewidmet sein sollte, die ihn ausgelöst hat.
Und dann denke ich halt doch wieder: Wenn es für eine Katze "verhebt", dann "verhebt" es auch für die Frau...
Die Vergewaltigung deutscher Sprache ist mir durchaus nicht ein Ziel. So habe ich oben in der letzten version das "heilste" gestrichen. Ob es nun in deinen Augen besser ist? Zweifel sind angebracht.
Danke udn Gruss
MJ
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Matthias Jecker
Geschlecht:männlichEselsohr
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Beiträge: 328



M
Beitrag18.07.2016 19:35

von Matthias Jecker
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hallo firstoffertio
wie ich gerade geschrieben habe (auch hier bitte entschuldigung für die verspätung), habe ich das "heilst" gestrichen. s.o. Aber ob es nun besser verständlich ist?
gleichzeitig gilt an sich noch immer, dass dir sebsttötung von einigen leuten auch als reinigung, als heilung, als reinste und heilst lösung von allem verstanden wird.
Dank und Gruss
MJ
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Aranka
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A


Beiträge: 3106
Wohnort: Umkreis Mönchengladbach
Lezepo 2017 Pokapro und Lezepo 2014



A
Beitrag23.07.2016 11:30

von Aranka
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Hallo Matthias,

ich habe dieses Gedicht erst heute gesehen und erst einmal nur die neue Version gelesen. Werde erst danach Kommentare und auch die erste Fassung lesen.

Ich lese hier eine SIE, die sich bewusst und entschieden aus dem Leben hinausgeschlichen hat. Gezeigt wird mir diese SIE aus der Sicht eines ICH, das sich als ein Mitglied der Zurückgelassenen zeigt. Ich lese aus den Zeilen eine große Nähe zu dieser Frau und spüre das, was SIE zurücklässt als sehr intensiv nachgezeichnet.

Ich beginne mal mit den letzten beiden Strophen, die ich sprachlich wie inhaltlich intensiv und überzeugend finde. (Es ist bei mir immer zuerst ein reines "Leseempfinden", erst im zweiten Hinschauen stellt sich das "warum" ein. Hier nur ein paar Dinge, die mir auffielen:
Der Wechsel ins Präsens. Der Wechsel in ein „Heimatwort“ (schletzen), das die Zugehörigkeit der Hinterbliebenen zu einer „verbindenden Sprache“ aufzeigt. Solche Autorenentscheidungen, die mit einem Wort so viel bewirken, gefallen mir sehr. Ich kaufe diesen Zeilen sowohl die Wut, als auch die Trauer ab, spüre auch Fassungslosigkeit, Entsetzen und dann die Reaktion: „einfach etwas tun“ und Zusammensein, indem was da auf den ersten Blick zurückbleibt.

Ich bin von mir selbst überrascht (oder vom Gedicht?), dass mich der Reim an keiner Stelle stört, dass ich diese konzentrierte Form fast als notwendig empfinde, sprengt doch der Inhalt jede Vorstellung und fliegt und irrt geradezu in alle Richtungen, so dass ihm die Form eine Art äußeren  Halt (Haltung) verleiht. (Lese hier im Forum selten "Gereimtes", das mich begeistert, nicht weil ich gereimte und feste Formen generell ablehne. Habe einiges zwischen Buchdeckeln im Regal und lese es mit Genuss. Nur zur Klarstellung.)
Hier jedoch kann ich die gewählte Form genießen. Sehr wohl passend der umarmende Reim (weiblich) und die inneren Reimzeilen (männlich) und die damit gesetzte Spannung. Ebenso empfinde ich die Setzung der kürzeren Zeilen als eine dem Inhalt angemessenes kurzzeitiges „Zerbrechen/Verlassen" der Form.

Ich werde dieses Gedicht in meine Sammlung „lesenswert“ aufnehmen. Und dies war ein ganz spontanes Gefühl nach dem ersten Lesen, hielt jedoch nach genauem Hinschauen stand.

Ich würde ggf. noch einmal über das Setzen der Punkte nachdenken, dass du für mich sehr bewusst (bsp.: 2. Strophe) einsetzt. Mir ist beim lauten Lesen aufgefallen, dass ich in der 4. Strophe ganz unbewusst anders lese.

Zitat:
Die Tür schlägt zu. Im Haus drin herrscht Entsetzen,   (Punkt)
sie floh den Schmutz, sie ließ ihn uns zurück.
Wir kehren hier, wir säubern Stück für Stück              (Komma)
Und hören noch und noch die Türe schletzen.


Nun habe ich auch mal in die erste Fassung geschaut:

Zitat:
Sie ist zur Hintertür hinaus geschlichen
zu Paradiesen hin,
den stets versprochnen Hauptgewinn im Sinn,
das Glück, das immer vor ihr her gewichen.


Das Streichen von „in Richtung“ finde ich eine gute Entscheidung. War so ein wenig „Formerfüllung“, brachte dem Text nichts. Die kürzere Zeile V2, gleich zu Beginn, hat mich Aufhorchen lassen.

Zitat:
Die Türe hat sie mehrfach zugeschlagen.
Ein stilles Stündchen reichte nun zur Flucht.
Voll Ernst verschlang sie die verbotne Frucht
und ließ von Blumen ihre Füße tragen.


Viel besser: SIE hier aktiv. Der Punkt stellt diesen Satz sperrig in den Text. „mehrfach“ tausend Mal besser als „schon wieder“. Das „nun“ für mich ganz entscheidend, besagt es doch, das sich der Entschluss lange angebahnt hat, es bedurfte nur noch dieses letzten Moments.

Bei der letzten Zeile bin ich unentschlossen.

(1)und hieß die Wiesen ihre Füße tragen.
(2)und ließ von Blumen ihre Füße tragen.

Das ist nicht nur klanglich, auch inhaltlich eine Differenz.

(1) ein aktives Sich-Überlassen: mit einer Anweisung sich der Natur übergeben. Ich lese hier ein entschiedenes SIE, ohne Zweifel, dass dieser Übergang ein „beschlossener Packt“ ist. Sie „schleicht“ sich zwar aus dem Haus/Leben (aus der Sicht der anderen), geht aber entschieden, übergibt sich voll Vertrauen darauf „getragen zu werden“. (hieß die Wiesen : hat natürlich auch einen klanglichen Reiz, der an dieser Stelle nicht verkehrt ist.)
(2) Diese Zeile finde ich nicht so vielschichtig.  


(1)
Zitat:
Vor Schmerzen wild, zu höchstem Leid entschlossen,
hat sie sich aufgeschwungen bis zum Taggestirn,
in Höhen, weißer als der Alpen Firn,
und heilend grelles Licht genossen.


(2)
Zitat:
weit höher, heller als der Alpen Firn,
und hat das heilste, grellste Licht genossen.


Auch hier finde ich die erste Fassung besser. Ich muss nun bei mir nachfragen, warum, denn sonst kannst du wenig mit meinem reinen Lesegefühl anfangen.
Ich versuch's mal:

Das sind für mich ganz entscheidende Zeilen im Text. Der Text betritt da den Bereich, für den man nach Worten ringt, die angemessen Raum öffnen für das eigentlich „Unsagbare“. Und das spüre ich in der ersten Fassung besser.
„weit höher, heller“: da schön merke ich, dass der Text nach Worten und Höhen ringt, um gerecht zu werden.
„das heilste, grellste Licht“ genossen: mMn greift der Text da zu recht nach ungewöhnlichen Worten und Steigerungen. Es ist der „Salto auf dem Drahtseil“, der dieser Text verträgt, zumal er wieder mit beiden Füßen auf den Boden landet: „Die Tür ist zu. Im Haus drin herrscht Entsetzen.“

Matthias, das ist meine Meinung und sicherlich kann ich nicht alles rational begründen, mag das auch manchmal gar nicht tun. Traue manchmal auch einfach meinem Leseempfinden, das auf ein langes „Leserdasein“ beruht.

Sehr gerne hier reingeschaut. Liebe Grüße Aranka


_________________
"Wie dahingelangen, Alltägliches zu schreiben, so unauffällig, dass es gereiht aussieht und doch als Ganzes leuchtet?" (Peter Handke)

„Erst als ihm die Welt geheimnisvoll wurde, öffnete sie sich und konnte zurückerobert werden.“ (Peter Handke)
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Babella
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Alter: 61
Beiträge: 889

Das goldene Aufbruchstück Der bronzene Roboter


Beitrag23.07.2016 23:21

von Babella
Antworten mit Zitat

Ich möchte nur mein Leseempfinden hierlassen:

Für mich funktioniert das Gedicht in dem Sinn, dass

a) ein Bild entsteht (Gebirge, Höhe, Schweiz?), das die Helligkeit, das Nach-oben-Streben  sehr gut zum Ausdruck bringt, und die zuschlagende Tür (wunderbar, "schletzen", ein Wort, das ich nachgeschlagen habe)

b) Fühlen und Nachdenken entsteht: Das entgangene Glück, die Versuchung, die zurückgebliebene Wut, die zur Trauer wird, und diie bohrende Frage nach dem Warum.

Ein Gedicht, das man mehrmals lesen muss, um es zu erfassen - und das dann Eindruck hinterlässt.
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Matthias Jecker
Geschlecht:männlichEselsohr
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Beiträge: 328



M
Beitrag30.07.2016 19:06

von Matthias Jecker
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Hallo Aranka

Du zoomst in deinem Kommentar nahe an die Ereignisse heran.
Einige Bemerkungen dazu meinerseits:

Was wie ein Kniff des Autors erscheint (der Zeitenwechsel, den du erwähnst), ist, wenn man die Geschichte kennt, eigentlich genauso, wie‘s war. Auch der zurückgelassene Schmutz, den ich ganz gern auch sinnbildlich verstanden sehe, gehörte in jenem Moment, wo Perfekt und Präsens sich berührten, absolut real dazu (Gottseidank gibt es „Tatortreiniger“).

Du sprichst von Wut und Fassungslosigkeit. Ich persönlich denke, dass ich so etwas im Kontrast zum Reimgedicht stärker darstellen kann, als wenn ich versuchte, ein echtes Gefühlgedicht zu machen. Aber das gilt für andere vielleicht nicht.
Am Rande: Gerade heute las ich in einem Kommentar zu „Jogi“ Löws „Nachruf“ auf „Schweini“ Schweinsteiger: „Wenn Männer versuchen, Gefühle auszudrücken, sollte man nicht aufs Resultat achten, sondern nur auf den guten Willen.“

Die Punktesetzung, wie du sie vorschlägst, finde ich möglich und  hilfreich.

„Und hiess die Wiesen/und liess von Blumen“
Ich bin da deiner Meinung und würde die erste Fassung vorziehen.
Die Blumen habe ich reingebracht, um zu verhindern, dass jemand sich ganz auf dieses Katzenbild konzentriert, wie es offenbar möglich war. Deine Sicht, obwohl du ja zuerst die „Blumen“-Fassung gelesen hattest, kommt mir da recht gelegen.

„weit höher, heller als der Alpen Firn,
und hat das heilste, grellste Licht genossen“
Auch da bin ich sehr erfreut darüber, dass du dieser ersten Fassung den Vorzug gibst. Ich weiss nicht, ob jemals wer noch diesen Text zu Gesicht kriegen wird, aber sollte das passieren, bin ich froh darüber, dass die provozierende „untaugliche Fassung“ dieser Stelle weiterhin da ist und sogar von dir Unterstützung und Begründung kiregte.

Ich will mich nicht fragen, wie deine Stellungnahme ausgefallen wäre, wenn auch du von der ersten Fassung ausgegangen wärst, sondern schlicht dankbar sein für deinen Kommentar, der für mich einiges zurecht rückt.


Hallo Babella

Das Wort „schletzen“ ist für mich natürlich Alltag und Hochsprache zugleich, und ich kenne  nicht mal ein passendes „hochdeutsches“ Wort, nur Umschreibung („die Türe ins Schloss knallen“ z.B.).
Ich habe nie an Lokalkolorit gedacht, ebensowenig an eine gebirgige Umgebung (hier um Basel rum gibt‘s kaum Berge, der Margarethen-Hügel ist die höchste Erhebung auf der linksrheinischen Seite). Also da ist doch mehr Sinnbildliches in meinen Wörtern, als ich eben gerade geschrieben habe.
Aber mein “Bericht“ scheint trotzdem als solcher bei dir angekommen zu sein. Und irgendwie nimmt dein Hinweis, dass du ihn mehr als einmal gelesen hast, mir ein wenig das ungute Gefühl, aus echtem Schrecken schnöden Text gemacht zu haben.

Nochmals Danke euch beiden.
Übrigens denke ich gerade jetzt, dass die echte Türschletzerin vielleicht zu einem früheren Zeitpunkt am Bild einer davongeschlichenen echten Katze Gefallen gefunden hätte.
So, nun habe ich in einem Gedichteforum mehr über mich erzählt, als ich wohl je ausserhalb eines Gedichtes getan habe.

Zurück zum WE, das ihr wie ich geniessen mögt.
MJ
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Matthias Jecker
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M
Beitrag30.07.2016 19:34
So sähe meine dritte Fassung nach der Kritik von Aranka aus.
von Matthias Jecker
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den stets versprochnen Hauptgewinn im Sinn,
das Glück, das immer vor ihr her gewichen.

Die Türe hat sie mehrfach zugeschlagen,
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Voll Ernst verschlang sie die verbotne Frucht
und hieß die Wiesen ihre Füße tragen.

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hat sie sich aufgeschwungen bis zum Taggestirn,
weit höher, heller als der Berge Firn,
und hat das heilste, grellste Licht genossen.

Die Tür schlägt zu. Im Haus drin herrscht Entsetzen.
Sie floh den Schmutz, sie ließ ihn uns zurück.
Wir kehren hier, wir säubern Stück für Stück,
Und hören noch und noch die Türe schletzen.

Die Wut beschleicht uns wie ein kalter Schauer,
das Herz erblindet und der Bauch wird hart.
Wir sitzen wie geblendet da, erstarrt,
bis alles wieder Trauer wird, nur Trauer.
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