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Autor |
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Erman Eselsohr
Beiträge: 486 Wohnort: Erde
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02.06.2016 21:50 Kreuzweg von Erman
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Auf dem Kreuzweg wähle ich zufällig einen Weg
und komme immer dorthin, wo sie mich erwarten.
Ich liebe den Sommer.
Wie die Arme einer Frau, die genesen
langsam aus dem gelben Schatten des Zimmers aufsteht -
Arme des Sommers nach der Sonne streckt -
schwärmende Abdrücke unserer Körper -
Libido der Vögel und Honig des kalten Schattens.
Ich liebe auch den Herbst.
In dem sich mein Herz wie eine bronzene Vase mit dichtem Glanz
und rotem Geläute des Nachts mit Farben füllt.
Auch der Winter hat die Weichheit der ersten Liebe.
Ferne - voller Missverständnisse.
Nähe - voll vom süßem Fieber des Wartens.
Spinnennetz der Küsse, geflochten hast du die Schwelle meines Herzens.
Frühling, wie bist du in allem, was du uns unbarmherzig anbietest!
Auf dem Kreuzweg wähle ich zufällig einen Weg
und komme immer dorthin, wo eben der Frühling
auf den durstigen Lippen der Rosen, seinen letzten Atem aushauchte.
_________________ Ein Lächeln zeigt die einzig ungerade Linie,
die viele Dinge gerade biegen kann. - Erman |
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ricochet Eselsohr
Alter: 68 Beiträge: 398 Wohnort: Graz
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05.06.2016 06:34
von ricochet
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Hallo Erman,
sehr stimmungsvoll. Von Atmosphäre und Sprache her echte Lyrik, nicht bloße kurze (meist aphoristische) Prosa links bündig, rechts flatternd gesetzt. Das Wort "Dichtung" kommt vom Verdichten, vom Eindampfen auf das Wesentliche und das schient mir hier in einer ansprechenden Weise vorzuliegen. Ich finde das Gedicht rundum gelungen. Allenfalls ließe sich diskutieren, ob der Ausdruck "Libido" einen Stilbruch darstellt und durch etwas Poetischeres ersetzt werden sollte.
LG
rico
_________________ Ich schreibe, also bin ich. |
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purpur Klammeraffe
Beiträge: 964
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05.06.2016 09:29
von purpur
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Guten Morgen lieber Erman,
ich schließe mich gern ricochets Kommentar an, ja,
"aphoristisch" und "atmosphärisch" trifft es sehr gut.
Besonders interessant finde ich die Wahl Deines Titels "Kreuzweg",
der viele Assoziationen und Rückschlüsse zuläßt, die ich gerade in
Begriff bin zu erkunden. Kreuzweg (z.B. Via Dolorosa) nicht Kreuzgang,
trotzdem sehe ich vor meinem GA das Kreuz und die 4, die Jahreszeiten ... .
oder doch Kreuzweg im Kreuzgang...Du siehst, ich rätsele noch, bin lang
noch nicht fertig... (2.Str/3Z/5W nachts)
Eine Vielfalt schöne Bilder, die mich bewegen!
HerzlichePpGrüße
Pia
_________________ .fallen,aufstehen.
TagfürTag
FarbTöneWort
sammeln
nolimetangere
© auf alle Werke |
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James Blond Eselsohr
Alter: 70 Beiträge: 448 Wohnort: HAMBURG
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07.06.2016 08:05
von James Blond
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Ein Aphorismus beschränkt sich auf die möglichst verdichtende Formulierung eines Gedankens, einer Lebensweisheit oder tieferen Einsicht. Dergleichen lässt sich in diesem Text nicht finden, der eine Ansammlung diverser Metaphern und Bilder enthält. Atmosphärisch? Nun ja, das kann alles mögliche beinhalten und sagt im Grunde nicht viel aus.
Der Kreuzweg ist im Sinne des christlichen Glaubens in Anlehnung an das Los des Namensgebers ein von Gott auferlegter Leidensweg, der erst im Tode Ende und Erfüllung findet. Dieser Kreuzweg kann es also nicht sein, denn das LI wählt hier wiederholt "zufällig einen Weg".
Da scheint es sich schon eher um eine Wegekreuzung zu handeln, deren vier Wege stets zum gleichen Ziel führen, was sich aus der Wiederholung des Vorgangs ergibt.
Nun folgen Betrachtungen verschiedener Jahreszeiten, deren Charakterisierung anhand lyrischer Metaphern erfolgt, bis am Ende wiederum auf das eigentliche Ziel des Kreuzweges eingegangen wird: der verpasste Frühling.
Vier Jahreszeiten, eine für jedes Ende des "Kreuzweges" und am Ende immer ein verfehlter Frühling. Da stellt sich die Frage, wodurch die metaphorisch aufgeladenen übrigen drei Jahreszeiten erfahrbar wurden. Die Antwort liegt vielleicht in den überfrachteten Beschreibungen, die ausnahmslos auf das Liebesgefühl des LI abzielen.
Dass sich der Autor dabei um eine Bildersprache jenseits sprachlicher Klischees und ausgelutschter Metaphorik bemüht, mag man ihm noch hoch anrechnen, bedauerlich und ein wenig komisch wird es jedoch, mitzulesen, wie er dabei fast jedesmal Schiffbruch erleidet.
Zitat: |
Ich liebe den Sommer.
Wie die Arme einer Frau, die genesen
langsam aus dem gelben Schatten des Zimmers aufsteht -
Arme des Sommers nach der Sonne streckt -
schwärmende Abdrücke unserer Körper -
Libido der Vögel und Honig des kalten Schattens.
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Was wird hier mit dem "wie" verglichen?
Die Liebe? - Ich liebe den Sommer, wie ich die Arme einer Frau liebe, die ...
oder der Sommer, der wie die Arme einer Frau ... ?
Jedenfalls stört es, wenn im Vergleich des Sommers (und/oder der Liebe) wiederum der Sommer auftaucht.
Was sind "schwärmende Abdrücke"? Schwärmen die irgenwohin aus oder für irgendjemanden?
"Libido", ein Begriff aus Freuds Psychonalyse, kickt schließlich den ganzen Metaphernsalat in die Mülltonne.
Diese kritische Betrachtung der Metaphern ließe sich mühelos in jeder Strophe fortsetzen. Das "rote Geläute des Nachts" verbimmelt bereits Komik, wie auch der auf den "durstigen Lippen der Rosen" sich "aushauchende" Frühling, oder das Herzensschwellen flechtende Spinnennetz der Küsse.
Anstatt deinen Text mit immer neuen, üppigen, teilweise sehr originellen, teilweise auch nur geläufigen Metaphern zu überfrachten, solltest du versuchen, bei einem Bild zu bleiben, aus dem du deine Gedanken der Liebe in den Zeiten des Jahres weniger schwelgend, dafür sprachlich präzisierend entwickelst.
Grüße
JB
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Erman Eselsohr
Beiträge: 486 Wohnort: Erde
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07.06.2016 12:35
von Erman
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Lieber ricochet!
Deine Worte treffen ins Schwarze und sind nur allzu wahr!
Der Begriff ''Libido'' kommt zwar aus der Psychoanalyse, wird aber heute auch in der Alltagssprache benutzt um Lust, Verlangen und Begierde zu beschreiben.
Aber hab vielen und großen Dank für den Kommentar! Welches wieder Mut macht, mich an Gedichte zu wagen.
Einen ganz lieben Gruß
Erman
_________________ Ein Lächeln zeigt die einzig ungerade Linie,
die viele Dinge gerade biegen kann. - Erman |
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Erman Eselsohr
Beiträge: 486 Wohnort: Erde
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07.06.2016 12:36
von Erman
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Liebe purpur!
Du treue Leserin! Recht artigen Dank für Deinen Kommentar!
Ich dachte an die vier Jahreszeiten und wollte ihnen eine (meine) Melodie verleihen.
Ich freue mich, dass Dir das Gedicht gefällt.
Viele liebe Grüße
Erman
_________________ Ein Lächeln zeigt die einzig ungerade Linie,
die viele Dinge gerade biegen kann. - Erman |
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Erman Eselsohr
Beiträge: 486 Wohnort: Erde
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07.06.2016 12:43
von Erman
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Lieber JB,
hab vielen Dank für Deine fast wohlwollende Replik. Wie wir uns doch verstehen...
Zitat: ''Jedenfalls stört es, wenn im Vergleich des Sommers (und/oder der Liebe) wiederum der Sommer auftaucht.'' , ''Was sind "schwärmende Abdrücke"? Schwärmen die irgenwohin aus oder für irgendjemanden? ''
Derlei Wortverbindungen gibt es seit der "Romantik". Trotzdem fühle ich mich beglückt!
Zitat: '', ''"Libido", ein Begriff aus Freuds Psychonalyse, kickt schließlich den ganzen Metaphernsalat in die Mülltonne.''
Ja, klar!
Jeder kann nach Belieben interpretieren, das ist ja das Schöne an der Lyrik.
Ich war nur leicht erstaunt, dass Du sowas gesehen hast, woran ich im Traum nicht dachte.
Umso besser!
Zitat:''Anstatt deinen Text mit immer neuen, üppigen, teilweise sehr originellen, teilweise auch nur geläufigen Metaphern zu überfrachten, ... ''
Immerhin, ein Lob aus ''berufenem'' Mund wiegt doppelt!
Wenn wir JB nicht hätten .....
Er ist der große Aufklärer, ohne dem zumindest ich in die Grube fahren müsste.
Lieben Gruß
Erman
_________________ Ein Lächeln zeigt die einzig ungerade Linie,
die viele Dinge gerade biegen kann. - Erman |
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James Blond Eselsohr
Alter: 70 Beiträge: 448 Wohnort: HAMBURG
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07.06.2016 13:29
von James Blond
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Hmm - mag sein, dass dir mein Urteil über den Metaphernsalat nicht schmeckt, aber immerhin befasst sich mein Kommentar überhaupt mit dem Werk, während die anderen sich hauptsächlich an ihren eigenen Geschmacksurteilen ergötzen.
Natürlich lässt sich jenseits des Lobhudelblablahs vieles Weggrinsen, was dem eigenen Narzissmus im Wege steht- nur besser wird dadurch auch zukünftig nichts, denn Professionalität beginnt bei der Einsicht in die eigene Unzulänglichkeit und nicht mit dem Einsammeln von Streicheleinheiten.
Doch wer sich zur Begründung seines auswuchernden Metaphernwahnes auf die Romantik beruft, verdeutlicht über seinen harmlosen Dilettantismus hinaus die absolute Unkenntnis lyrischer Stilistik. Dein Text mag von allem möglichen herrühren, an die Romantik knüpft er an, wie ein Kesselflicker an die Töpferei!
Das wird man wohl noch mal sagen dürfen!
Grüße
JB
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Erman Eselsohr
Beiträge: 486 Wohnort: Erde
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07.06.2016 14:12
von Erman
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Deine Süffisanz ist fast elegant.
Da hast Du aber gründlich fehlinterpretiert. Genau das Gegenteil ist der Fall.
Dass Du das Gedicht Metaphernwahnsinnig findest (wie das?) ist betrüblich, aber sicher Dein Eindruck. Und außerdem war Dein Geseire kein Kommentar, sondern eine neuerliche Geschmacksverwirrung.
Ich bin weder Schriftsteller noch Sprachwissenschaftler, sondern ein schlichter Hobby-Dichter. Ich mags gern farbig. Diese Manier habe ich bis heute nicht abgelegt. Hat ja auch was für sich: Gelassenheit, innere Ruhe, Kontemplation.
LG
Erman
_________________ Ein Lächeln zeigt die einzig ungerade Linie,
die viele Dinge gerade biegen kann. - Erman |
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