18 Jahre Schriftstellerforum!
 
Suchen
Suchabfrage:
erweiterte Suche

Login

Jetzt erhältlich! Eine Anthologie von und mit unseren Usern. Jetzt bestellen! Die erste, offizielle DSFo-Anthologie! Lyrikwerkstatt Das DSFo.de DSFopedia


Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Antiquariat -> Was suchst Du in Madagaskar?
Teil 19 Valentinstag 2003


 
 
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen
 Vorheriges Thema anzeigen :: Nächstes Thema anzeigen  « | »  
Autor Nachricht
teccla
Geschlecht:weiblichLeseratte

Alter: 66
Beiträge: 160
Wohnort: Costa Blanca


Was suchst Du in Madagaskar?
Beitrag17.04.2008 21:19
Teil 19 Valentinstag 2003
von teccla
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Es war Freitag der 14.2.2003. Valentinstag. Jan kam aufgeregt nach hause.
„Tonton hat gesagt, wir kriegen vielleicht heute noch unsere Autos aus dem Zoll.“
“Das wäre ja klasse!“
“Nach dem Mittag müssen wir hin. Dann ist Visite. Das heißt, die Autos werden geöffnet, der Zoll ist anwesend und sieht sich die Ladung an.“
“Und wir können dabei sein?“
“Ja müssen wir sogar. Danach können wir sie raus fahren. Wir bekommen heute Vormittag noch die Rechnung vom Verladen und für den Zoll. Die muss bezahlt sein. Sagt Tonton.“
“Ich gehe mit Rondro los, sie hat mir gesagt, sie weiß, wo man das einzahlen muss.“

Ich kam mit Rondro in das Büro: Die Kollegen dort wollten gerade zur Mittagspause gehen.
„Ach, Mensch, dann wird das heute wieder nichts mit den Autos.“ Sagte ich enttäuscht.
„Warte mal. Ich kenne den einen Mitarbeiter.“
Rondro sprach mit einem der Beamten. Er hielt mir ein deutsches Zertifikat unter die Nase. Da er es nicht kannte, bat er um Auskunft.
Ob wir ihm helfen würden? Ja klar, wenn er mir helfen würde, das Geld einzuzahlen. Wir halfen dem netten Menschen das Dokument zu übersetzen. Er stellte uns die Quittung für die Bezahlung aus.
Es war Mittag. Ein Wettlauf mit der Zeit.
Über Mittag ging nichts. Siesta. Bis 15.00 Uhr war die Stadt wie ausgestorben. Alle Geschäfte und Ämter waren geschlossen.
Nach dem Mittag gingen wir mit Rondro zu Tonton, legten ihm strahlend die Papiere hin. Wieder wurden wir vertröstet. „Fragt in einer Stunde noch mal nach“ hieß es.
Endlich! Wir fuhren aufgeregt zum Hafen. Tonton wartete schon mit einigen Männern. Wir liefen durch riesige Hallen. Da standen unsere Autos. Ein Gefühl der Freude durchströmte mich.
Nach etwa einer Stunde waren alle Formalitäten erledigt. Wir hatten die Freigabe und durften die Autos aus dem Hafen fahren.
Ja, hätten wir gern, doch wir konnten nicht. Die Motoren von beiden Autos sprangen nicht an. Die Batterien waren leer. Wir brauchten Starterhilfe.
Wie wir später erfuhren, machten die Arbeiter in den Hallen vom Hafen die Leuchten der Autos an, Tag und Nacht, damit die Batterien leer sind, wenn die Autos abgeholt wurden. Man brauchte beim Ausfahren die Starterhilfe und diese bekam man auch, natürlich gegen Bargeld. Das war ein einträgliches Nebengeschäft für die Arbeiter dort.

Ja, wir waren froh, diese Hürde hinter uns zu haben.
Der Opel war verbeult, die Motorhaube ließ sich nicht mehr richtig schließen. Die Stoßstange war auch verbeult. Dreckig wie nach einer Schlammschlacht. Vielleicht kamen die Autos nicht per Schiff, sondern mit der Ralley "Paris-Dakar". Das Radio war noch drin. Aber das Auto wurde durchwühlt und vieles war verschwunden. Einen genauen Überblick bekam ich erst nach dem Auspacken.

Der VW-Transporter war genauso dreckig, auch verbeult und wurde aber im Laderaum nicht durchwühlt. Nur im Fahrerteil hatte das Radio einen Liebhaber gefunden. Es wurde herausgerissen und damit die ganze Elektrik zerstört. Es ging kein Licht, keine Hupe usw.
Trotzdem Freude pur.
Glücklich fuhren wir die Autos nach hause.

Es wurde ausgeladen, Kisten geschleppt und ein Stückchen Heimat ausgepackt.
Es fehlte sämtliches Werkzeug, sämtliche CDs, sowohl Musik als auch Computerprogramme, alle Fotoalben mit Erinnerungen an Kindheit, Eltern und meine Kinder.
Das tat weh, denn es war sinnlos!
“Was will ein Madagasse mit solchen Fotoalben?“ schimpfte ich.
“Ach die hängen sich die Fotos in die Hütte.“ sagte Gunter.
“Was will er mit deutscher Musik oder deutschen Computerprogrammen?“ fragte Sebastian.
“CD `s hängen sie ins Auto an den Rückspiegel.“
“Wenn ich einen erwische, der eine CD von mir am Spiegel hängen hat!“ drohte Basti.
Die Computerprogramme, DVD’s und CD’s stellten einen erheblichen materiellen Verlust dar.
Der Verlust der Fotoalben machte mir klar, dass wir alles an Erinnerung in uns tragen, was notwendig ist.

Doch es tat so gut, wieder einige Dinge um sich zu haben, ein bisschen "zu hause" auszupacken. Ein frischer Kaffe aus der Kaffeemaschine, die Computer, die Musikanlage, Bettwäsche, usw., ganz banale Dinge. Die Freude war groß, als ich ein Paket Kaffee "Jacobs Krönung" fand.
“He es gibt deutschen Kaffee... hmm und wie das riecht! ... Richtiger Kaffee!“ freute ich mich.
Mario sagte mir später: „Erst wenn du deinen deutschen Kaffee für madagassischen Kaffee stehen lässt, bist du wirklich angekommen.“ Damals konnte ich mir das nicht vorstellen. Heute stimme ich ihm zu.

Am Abend gingen wir mit dem Zollbeamten und dem Transiteur essen, als Dankeschön, dass sie unsere Autos bewachen ließen und alles geklappt hat.
Wir gingen ins "San Antonio", eine Bar direkt am Meer gelegen und mit viel Liebe aufgebaut.
Man konnte dort sehr lecker essen und das Feeling an diesem Ort war außergewöhnlich.
Ruhe, Frieden, das Rauschen der Wellen, der leichte Wind . Gutes Essen und ein Glas Rotwein ließ die Anstrengungen der Tage vergessen. Ich hatte das Gefühl, alle Last fiel von mir ab. Fühlte mich frei. Alles wird gut.
Rondro war dabei. Sie übersetzte und wir konnten uns mit den beiden Gästen unterhalten. Tonton tanzte gern Tango, erzählte er. Auch, dass er ein Familienmensch sei und gern am Wochenende für seine Familie kocht. Wir lernten den Menschen Tonton kennen und dieser war überaus sympathisch.
Meine Gedanken gingen zu den Räumen, die wir anmieten wollten. Die Vorstellung hatte immer das gleiche Bild. Ich betrete den großen Saal, links und rechts stehen Computer und ganz hinten begrüßt mich Jan. Wir würden es schaffen, dachte ich lächelnd, nippte ich vom Rotwein und wendete mich wieder dem Gespräch der anderen zu.


Ausblick vom "San Antonio"

An manchen Abenden dachte ich an meine Wohnung, die ich aufgegeben hatte. Vermisste Andreas, meine Freunde, Berlin. Das bequeme Leben.
War es das wert?
Ich wusste es nicht. War ich doch noch am Anfang der Reise.
Andererseits, wenn ich morgens über die Uferpromenade in die Stadt ging, im Vorbeigehen zum Meer schaute, sah die Küste, die Sonne am blauen Himmel, das satte Grün, die Palmen, dann dachte ich, dass es einfach wunderbar war, hier zu sein.
Kein Urlaub. Ich lebte hier!
Trotz allem hatte ich hier mehr Momente der Freude, des Lachens und des Glücks an einem Tag, als in Deutschland in einem Monat.
Keine Frage also, dass solche Augenblicke der Wehmut zwar Berechtigung hatten, auch durchlebt werden mussten, aber keine Chance hatten, mein Leben zu bestimmen.



_________________
Wenn du immer nur tust, was du schon kannst, bleibst du, was du bist.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Beiträge der letzten Zeit anzeigen:   
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen
Seite 1 von 1

Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Antiquariat -> Was suchst Du in Madagaskar?
Du kannst keine Beiträge in dieses Forum schreiben.
Du kannst auf Beiträge in diesem Forum nicht antworten.
Du kannst Deine Beiträge in diesem Forum nicht bearbeiten.
Du kannst Deine Beiträge in diesem Forum nicht löschen.
Du kannst an Umfragen in diesem Forum nicht teilnehmen.
In diesem Forum darfst Du keine Ereignisse posten
Du kannst Dateien in diesem Forum nicht posten
Du kannst Dateien in diesem Forum herunterladen
 Foren-Übersicht Gehe zu:  


Ähnliche Beiträge
Thema Autor Forum Antworten Verfasst am
Keine neuen Beiträge Werkstatt
Neumond, Teil 1
von jcl
jcl Werkstatt 13 22.03.2024 15:39 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Roter Teppich & Check-In
Teil des Schiffs, Teil der Crew
von NIKSTK
NIKSTK Roter Teppich & Check-In 8 19.07.2023 01:07 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Trash
Der Mann der es kann - Teil 1
von Günter Wendt
Günter Wendt Trash 13 21.05.2023 16:29 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Einstand
Ein erster Teil meines Textes
von Willi60
Willi60 Einstand 4 26.07.2022 14:41 Letzten Beitrag anzeigen
Keine neuen Beiträge Redlight District
Ein ganz normaler Mann (Teil 1)
von Hera Klit
Hera Klit Redlight District 6 12.06.2022 20:04 Letzten Beitrag anzeigen

EmpfehlungEmpfehlungBuchEmpfehlungBuchBuchEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlungEmpfehlung

von Minerva

von femme-fatale233

von Raven1303

von BerndHH

von Valerie J. Long

von gold

von MT

von Maria

von Abari

von Ruth

Impressum Datenschutz Marketing AGBs Links
Du hast noch keinen Account? Klicke hier um Dich jetzt kostenlos zu registrieren!