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Fridolin Eselsohr
Alter: 85 Beiträge: 304 Wohnort: Fellbach
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23.05.2016 18:51 Sonettisten zugeschüttelt – Sonett und Spiegelsonett von Fridolin
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Was in Sonetten Dichter schlau erdachten,
das führt der tristen Wörterlatte wegen,
selbst wenn sie die verschämt in Watte legen,
oft in Tenzonen nur zu Dauerschlachten.
Mir ist schon klar, die Kerls ersinnen Späße!
Wie zäh sie doch beim Worteleimen raufen,
dass Verse nicht so drög in Reimen laufen.
Ach, wenn der Witz nur, den sie spinnen, säße!
Einst wird auch mich der ewge Schlummer decken,
drum will ich mich hier nun als Schlemmer ducken,
ein gutes Fläschchen noch zum Dämmer schlucken
und mich an Schüttelreimen dummer schlecken.
Ich will die letzten Jährchen schlau genießen,
und vor Sonetten meine Augen schließen.
Der Sonettist entgegnet:
Was wäre denn, wenn du die Augen schlössest,
die Freiheit von Sonetten schlau genössest?
Wenn Vierzehnzeiler deinen Schlummer hemmen,
dann mal doch, Schüttler, Berge, Almen. Pinsel
ein Bild von einer schönen Palmeninsel,
wie zwei bei feinem Wein und Hummer schlemmen.
Du darfst ja Schüttellust gar viel verspüren,
doch muss ich fürs Sonett die Form verneinen.
Wie wolltest du die strenge Norm verfeinen
und mich zu deinem Schüttelspiel verführen?
Wohl wahr, geschüttelt sind leicht vierzehn Zeilen,
doch sind es noch zum edlen Fachwerk Meilen.
Du musst noch tüchtig an dem Machwerk feilen.
Ich reiche dir zur Schüttelzier zehn Feilen.
Weitere Werke von Fridolin:
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Eulenbaum Klammeraffe
E
Beiträge: 867
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E 25.05.2016 10:15
von Eulenbaum
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Zitat: | und mich an Schüttelreimen dummer schlecken.
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Hallo Fridolin,
schöne Zeile, wegen des auf eigenwillige Weise blitzenden Humors, und das mitten in der Darstellung einer Art "(Wort-)Kunstkampf".
LI verortet sich selbst in seinem Leben:
Zitat: | Einst wird auch mich der ewge Schlummer decken, |
und sieht von dort aus zu
Zitat: | drum will ich mich hier nun als Schlemmer ducken,
ein gutes Fläschchen noch zum Dämmer schlucken
und mich an Schüttelreimen dummer schlecken. |
und genießt seine Schüttelei,
wird aber von einem "Sonettisten" doch mit einbezogen in den (Genauigkeit einfordernden) Ernst der Lage:
Zitat: | doch sind es noch zum edlen Fachwerk Meilen.
Du musst noch tüchtig an dem Machwerk feilen.
Ich reiche dir zur Schüttelzier zehn Feilen. |
Über so etwas hier freue ich mich - so schön!
Das war die zweite schöne "Humorstelle", wobei für mich aus diesem Gedicht immer wieder der Humor herausblinzelt.
Ich werde mir das Gedicht sicher noch einmal ansehen.
Diese (nötige) Auseinandersetzung, von der das Gedicht spricht, kenne ich auch (klar ...).
Man muß wohl immer wieder aufs Neue für sich selber Position beziehen.
Gruß,
Eulenbaum
(leicht editiert)
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purpur Klammeraffe
Beiträge: 964
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25.05.2016 10:37
von purpur
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Guten Morgen lieber Fridolin,
wie freue ich mich, wieder von Dir zu lesen!
Ach, hätte ich nur Deine Meisterschaft!
Aber ich übe weiter, unverdrossen,
verschwinde auch gleich wieder
in Deinem herrlichen Reim -
Wort, Sinn und Witz zu kosten.
einen angenehmen Tag,
Purpurngrüßt Dich,
Herzlich
Pia
_________________ .fallen,aufstehen.
TagfürTag
FarbTöneWort
sammeln
nolimetangere
© auf alle Werke |
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Fridolin Eselsohr
Alter: 85 Beiträge: 304 Wohnort: Fellbach
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25.05.2016 11:53
von Fridolin
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Hallo Eulenbaum,
das Eingangssonett entstand Mitte der 90-er Jahre als (unveröffentlichter) Beitrag zu einem Dichterstreit in Form von Streitsonetten zwischen dem Dichter Lothar Klünner und dem Sonettisten Klaus M. Rarisch. Ausgangspunkt war die Ankündigung einer Reihe von Abendveranstaltungen durch den Berliner Dichter Herbert Laschet, bei denen Sonette gelesen werden sollten. Lothar Klünner hielt, Sonette zu lesen, für anachronistisch und teilte dies Laschet mit, ironischerweise in einem Sonett. Der schickte das Werk an Klaus M. Rarisch, einem ausgewiesenen Experten dieser poetischen Gattung. Der revanchierte sich postwendend mit einem Sonett, auf das dann Klünner resonettierte. So kam eine Tenzone, ein Wettstreit in Streitsonetten zustande, dem sich dann auch noch andere Dichter mit pro und kontra anschlossen. Soweit die Vorgeschichte.
Mein Eingangssonett greift die Klünnersche Position auf, der das Kapitel Sonett längst für abgeschlossen ansieht und die Penetranz der Sonettisten geißelt, die nichts anderes tun, als in vierzehn Zeilen ihre Weltanschauung in die Welt zu schießen. So kommt denn auch in meinem Sonett der Kritikus zu dem Schluss:
Ich will die letzten Jährchen schlau genießen
und vor Sonetten meine Augen schließen.
Dieser Position kann der Sonettist natürlich nur widersprechen. Und er tut es, indem er den Wortwitz des Antisonettisten aufgreift und schüttelreimend die Gegenposition aufbaut, wozu auch die Feststellung gehört, dass der Schüttelreim für die Gedichtform Sonett als unpassend abzulehnen ist. Für mich ist diese Sehweise abwegig, und ich denke, mit beiden Schüttel-Sonetten den Nachweis dazu geführt zu haben.
Lieber Eulenbaum, ich danke für die ausführliche Beschäftigung mit meinem Beitrag.
Pia, auch dir danke ich für deine Zeilen.
Liebe Grüße
Fridolin
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Eulenbaum Klammeraffe
E
Beiträge: 867
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E 25.05.2016 12:20
von Eulenbaum
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Hallo Fridolin,
vielen Dank für die Geschichte zu Deinem Gedicht.
Ich lese für mich, unabhängig von dem konkreten Anlaß Deiner Geschichte und vom "konkreten Geschehen" im Sonett, doch auch noch die andere Ebene, nämlich die, sich immer wieder neu innerhalb des eigenen Wollens und des eigenen Schaffens, dann aber auch im Kontext der "Anwürfe", (quasi oder realen) "Einladungen", Streitpunkte usw. der anderen Schreibenden bzw. mit anderen Schreibenden auseinandersetzen zu müssen, zu wollen.
Immer wieder eigene Postion finden, im eigenen und dann auch durch eigenes Schaffen.
Hindurcharbeiten zur eigenen Position.
Sozusagen.
Gruß,
Eulenbaum
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Fridolin Eselsohr
Alter: 85 Beiträge: 304 Wohnort: Fellbach
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26.05.2016 14:43
von Fridolin
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Hallo Eulenbaum,
ich vergaß zu erwähnen, was Klünner da fabriziert, ist eine Pseudo-Schelte, und neu ist so etwas nicht. Und ebenso wenig neu die Ironie, sie als Sonett zu präsentieren. Schon andere zuvor haben sich dem Sonett gegenüber scheinbar ablehnend geäußert, besonders krass, die Gossensprache geißelnd und deshalb oft missverstanden, Robert Gernhardts hochironisches, dem Sonettverächter in den Mund gelegtes Sonett „Materialien zu einer Kritik der bekanntesten Gedichtform italienischen Ursprungs“.
Klünner hat damals die Tenzone angestoßen, wohl wissend, dass er letztlich gegen die Sonettisten in diesem Spiel nicht bestehen kann. Sie haben nicht nur die besseren Argumente, sondern sind auch überzeugender in der Kunst, ein Sonett zum Klingen zu bringen, was ja auch garnicht seine Absicht sein konnte. Mich hat es gereizt, diese beiden Sehweisen darzustellen. Auch bei mir hat der Sonettist die besseren Karten, aber indem dies eben mit Schüttelreimen geschieht, wird der Beweis geführt, dass auch der Schüttelreim im Sonett bestehen kann.
LG Fridolin
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