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Vergessen im Labyrinth


 
 
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Dolge
Geschlecht:männlichSchneckenpost
D

Alter: 39
Beiträge: 14
Wohnort: Leipzig


D
Beitrag21.11.2015 18:52
Vergessen im Labyrinth
von Dolge
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Voran zur Erklärung: Dies ist als Beitrag für einen Wettbewerb entstanden und sollte eigentlich nur eine isolierte Szene sein. Ich würde gern erfahren, ob ihr das Potential seht, das Stück zum "abendfüllenden Theater" auszubauen smile Es steckt schon einiges an Recherche zur Verhaltensforschung und Neurologie der Mäuse drin, wie man sicher in der Vorstellung der Protagonisten sieht.

Vergessen im Labyrinth
kurzes Stück für 3 Mäuse und einen Menschen (von Christoph Dolge)

In der Hauptrolle: Die Labormäuse
3xTg-AD (Traudl): Hochmoderne Kombination verschiedener Alzheimer-Gene, die dafür sorgen, dass sich Amyloid-Plaques um die Nervenzellen im Gehirn ablagern und die Nervenfasern aufgrund einer Mutation im tau-Protein der Neuronen degenerieren.
PDAPP (Petra): Erstes Mausmodell zur Alzheimerforschung, hier sorgt ein defekter humaner Promoter dafür, dass die Produktion der (humanen) Proteine, die für die Bildung der Amyloid-Plaques verantwortlich sind, übermäßig angeregt wird. Die humanen Amyloid-Proteine überwiegen das Vorkommen ihrer murinen Gegenparte um über den Faktor 10.
C57BL/6J (Carla): Inzucht-Mäusestamm ohne künstliche genetische Veränderung durch den Menschen. Erster Stamm, dessen Genom vollständig entschlüsselt wurde, unter anderem durch die Arbeit der Uni Bonn als einziges deutsches Institut im Projekt. Mehr als die Hälfte aller verwendeten Labormäuse stammen aus dieser Zuchtlinie.

Weitere Rollen: Laborpersonal

Bühnendekoration: Morris-Wasserlabyrinth: Ein großes Rundes Metallbecken mit ca. 10 cm trübem Wasser befüllt, darin eingelassen ein Metallstern, der das Becken in einen runden zentralen Bereich und 6 Seitenarme unterteilt. Rings umher gleichmäßige Beleuchtung des Beckens sowie ein Vorhang, der das Becken umschließt und auf den von hinten geometrische Formen projiziert werden:  Ein Dreieck in einem Kreis, ein simples Quadrat sowie ein durch Querstreifen geteilter Rhombus. In dem Seitenarm, der vom Mittelpunkt aus in Richtung Bühnenrückwand zeigt, befindet sich eine Plattform knapp unter der Wasseroberfläche.

Laborassistentin: (Betritt die Bühne, trägt die Mäuse zum Becken und setzt alle drei Tiere gleichzeitig ins Wasser. Geht sofort und wortlos wieder ab)
Traudl: Hilfe! Ich ertrinke! Schändliche Person, hol mich hier sofort wieder heraus!
Carla: Bleib ruhig, Freundin, die macht nur ihren Job.
Traudl: (lauter, panisch) Verrat! Hilfe!
Petra: (gibt Traudl eine Ohrfeige) Halt dein Nagermaul!
Traudl: (schwimmt ohne weitere Reaktion in einen der Seitenarme und sucht dort nach einem Ausgang) Hier muss doch irgendwo… ein Ausgang. Die Wände! (scharrt am Metall, geht dabei unter, spuckt Wasser) Pfui. Zu steil. Das schaffen wir nicht. Wir müssen sterben!
Petra: (zweifelnd, paddelt langsam in Traudls Richtung, dreht dann aber ziellos im Kreis) Dit kann doch nich‘ sein. Der Mensch würde uns doch nich‘ die janze Zeit füttern, um uns dann so kompliziert ersaufen zu lassen.
Carla: Ist doch ganz einfach. Wir müssen nur zur Plattform.
Traudl und Petra: (unisono) Plattform? Welche Plattform?
Carla: Es ist doch jedes Mal das gleiche. Da, links unter dem Dreieck. (paddelt ruhig zur Plattform, steigt darauf) Seht ihr? Geht ganz leicht.
Traudl: (schwimmt, Wasser verspritzend, zur Plattform und klettert ebenfalls hinauf) Puuh. Ich dachte, wir wären dem Tode geweiht.
Petra: (klettert ebenfalls hinauf) Macht mal Platz! (schubst dabei Carla von der Plattform) Ihh. Und die Füße immer noch janz feucht.
Carla: (resigniert) Jedes Mal der gleiche Mist mit euch. Ich weiß gar nicht, warum ihr euch so anstellt. Die letzten Male hat der Mensch uns doch auch rausgeholt. (hält sich mit den Vorderpfoten an der Plattform fest und schaut die anderen an)
Petra: Jedes Mal? Was soll‘n dit heißen?
Carla: Jaja, ich weiß. Ihr könnt euch nicht erinnern. Bei dir wird es jetzt auch immer schlimmer. Anfangs war ja nur Traudl total durchgedreht, aber langsam scheinen sie auch bei dir die Lichter im Oberstübchen zu dimmen, was?
Petra: (zeigt die Zähne, droht) Jetzt werd mal nich‘ frech, Frollein!
Carla: (droht zurück) Ich kann frech werden wie ich will! Du hast es doch eh wieder vergessen, bis wir uns wiedersehen.
Petra: Ick jeb dir eins mit, ein bleibendes Andenken! (schnappt nach Claras Ohr)
Traudl: (geht dazwischen) Lasst voneinander ab! Meine Liebe, wie war nochmal der Name?
Clara: Clara.
Traudl: Also, Clara. Sie haben soeben angedeutet, dass uns dieses Schicksal bereits mehrfach ereilte?
Clara: Ja. Schon fünf Mal. Und vorher gab es Einzelversuche. Aber ich weiß nicht, ob die Menschen, die auch schon mit euch gemacht haben.
Traudl: Also ich kann mich an keinerlei solch geartete Begebenheiten erinnern.
Clara: Das würde mich auch wundern. Du bist ja schon völlig plemm plemm.
Traudl: Das habe ich jetzt einmal gnädig überhört. Aber ich bitte um Aufklärung: Wieso weiß ich nichts mehr von früheren Begegnungen? Wieso kannst du dich erinnern?
Clara: Ich, meine Damen, bin die Kontrolle. Ich bin – mit der Freiheit, das so salopp zu formulieren – gesund. (schwingt sich die Plattform empor, stößt die beiden anderen ins Wasser) Ihr dagegen seid es nicht. Das ist der Lauf der Natur, meine Lieben, ich bin eindeutig im Vorteil. Du, Traudl, wirst gleich vergessen haben, was du mich überhaupt gefragt hast. Und du, Petra, weißt das nächste Mal nicht mehr, wer dich in die Nase gebissen hat. (schlägt ihre Zähne in Petras Nase, es entbrennt ein Kampf, in dessen Folge Petra Clara von der Plattform zerrt und bis in den zentralen Bereich verfolgt)
Petra: Dann muss ick dafür sorjen, dass et für dich keen nächstes Mal jeben wird! (beide ringen im Wasser miteinander, der Kampf setzt sich in einem Seitenarm ohne Plattform fort)
Traudl: (schwimmt ihnen hinterher) Bitte bewahren Sie doch Ruhe, die Damen! Lassen Sie uns lieber überlegen, wie wir hier gemeinsam herauskommen können.
Clara: (hält Petra unter Wasser) Das ist kein Versuch zur Kooperation! Und zum Altruismus auch nicht! Hier heißt es: Jede Maus für sich!
Petra: (taucht auf, drückt Clara nach unten) Jetzt hilf mir doch mal! Von wejen jesund! Die is‘ irre, is‘ die!
Traudl: (schaut dem Kampf verwirrt zu, paddelt orientierungslos im Kreis) Gibt es hier einen Ausgang? Meine Beine werden langsam ganz schön schwer.
Clara: (taucht auf, schiebt Petra weg) Schwimm halt zur Plattform zurück.
Traudl: Welche Plattform?
Petra: Du weißt es schon nicht mehr?
Clara: (befriedigt) Wie ich gesagt habe. Völlig durch. Da zeigt sich der überlegene Genotyp.
Petra: Faschistin!
Clara: Opfer!
Traudl: (laut und durchdringend) Hiiiiilfe!
Clara: (schwimmt von den beiden weg, zur Plattform, ruht sich dort aus) Da sieht man es wieder. Das Überleben des Klügsten und Stärksten ist gesichert. Die Natur weiß schon, wie sie für ihre Lieblinge zu sorgen hat.
Petra: Komm mit. Ick zeig dir, wo wir hinmüssen.
Traudl: (misstrauisch) Wir kennen uns gar nicht! Ich werde mich doch nicht irgendeiner beliebigen Maus anvertrauen.
Petra: Dann eben nicht. (schwimmt ebenfalls zur Plattform)
Traudl: (verwirrt) Aber hier muss es doch irgendwo herausgehen. (schwimmt umher, zurück zur Mitte, in einen anderen Seitenarm) Hallo? Ist hier jemand? (kratzt verzweifelt am Metall) Hallo! Hilfe! (geht unter, schluckt Wasser) Warum bin ich denn hier ganz allein? Wo sind denn alle? (geht erneut unter) Hilfe! Ich … ertrinke…
Petra: Wir müssen ihr helfen.
Clara: Wir müssen gar nichts.
Petra: Ick helf ihr jetzt. (schwimmt los, findet Traudl aber nur noch leblos im Wasser treibend, zerrt an ihr herum, gibt es auf und kehrt zurück zur Plattform)
[langes Schweigen]
Petra: Sie ist ertrunken.
Clara: So ist der Lauf der Natur. Die Gesunden überleben und die Kranken bleiben auf der Strecke.
Petra: Quatsch mir nich’ von die Natur! Schau dich um! Das ist irgendein Experiment. Haste selbst jesagt. Ick seh keine Natur. Alles Menschenwerk. Das Wasser, das Labyrinth. Sogar die Zeichen, die uns jeleiten sollen. Die Schwachen und die Dummen, die jehen irgendwann druff. Und diejenigen, die Bescheid wissen, helfen nich‘, weil es nich‘ zum Experiment jehört. Wenn jeder sich selbst hilft, is‘ jedem jeholfen, wa‘?
Clara: Sei still. Der Mensch kommt.
Petra: Und beim nächsten Mal? Wenn ick beim nächsten Mal ooch soweit bin, dass ick mir nich‘ mehr finde?
Clara: Pscht!
Laborassistentin: (holt die beiden lebenden Mäuse heraus und setzt sie in zwei Käfige, es folgt auch die tote Maus) So ein Ärger. Beinahe hätte ich euch ganz vergessen. (zum Publikum:) Am Ende dieser Fabel wäre nun der Zeitpunkt für die Moral – jedoch scheint keiner der Beteiligten eine solche zu kennen.

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Antiriad
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Beiträge: 11
Wohnort: Münsterland


A
Beitrag23.11.2015 21:54

von Antiriad
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Auf mich wirkt die Szene als stamme sie aus einem Drehbuch für einen Animationsfilm.
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Dolge
Geschlecht:männlichSchneckenpost
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Alter: 39
Beiträge: 14
Wohnort: Leipzig


D
Beitrag25.11.2015 22:36

von Dolge
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Stimmt, als solcher umgesetzt kann ich mir die Szene auch ganz gut vorstellen. Ich bin aber recht wenig vertraut mit den formalen Anforderungen an dramatische Texte - ist dieser Kommentar jetzt eher negativ oder einfach eine neutrale Feststellung?
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Antiriad
Geschlecht:männlichSchneckenpost
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Beiträge: 11
Wohnort: Münsterland


A
Beitrag25.11.2015 23:14

von Antiriad
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Wenn man die Szene mit den Mäusen als Protagonisten liest, hat man gleich einen Animationsfilm vor Augen. Nein, negativ hab' ich das nicht gemeint.
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purpur
Klammeraffe


Beiträge: 964



Beitrag23.04.2016 20:34

von purpur
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Guten Abend Very Happy Dolge,

Ich habe gerade deinen Text gelesen und unter meiner dicken Gänsehaut verbergen sich immer noch Mio. Tränen! Crying or Very sad Du hast ein sehr heikles Thema gewählt -Respekt! -und vorzüglich bearbeitet. Die Schreie der Mäuse/Ratten-Kreaturen höre ich sogleich. Vor langer Zeit erlebt, bin ich heut noch nicht frei von diesen abscheulichen Bildern/Eindrücken. Subcutanes Spritzen von homogenisierten Karzinommaterial, Blutentnahme aus dem Auge, wobei immer der ganze Augapfel des Mäuschens heraustritt, unter einer MiniGuillotine-Kopf ab, Hirn raus und in Scheibchen unter's Mikroskop, nach unendlich quälend langen' Stress bereitender Schwimmtortur. Furchtbare Qualen. Crying or Very sad
Gut zur Anschauung gebracht!
 Kommt noch was?
Viele Grüße
PpPia


_________________
.fallen,aufstehen.
TagfürTag
FarbTöneWort
sammeln
nolimetangere
© auf alle Werke
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Hera Klit
Geschlecht:männlichEselsohr

Alter: 61
Beiträge: 446



Beitrag16.01.2022 16:29

von Hera Klit
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Hallo Dolge,

ich halte das Thema für äußerst wichtig und du
hast diese Szene auch sehr gut geschrieben.

Ich könnte mir gut vorstellen, ganz besonders für die
große, abendfüllende Fassung des Stücks,
dass die Mäuse und Menschen die Positionen wechseln.
(Das erinnert an "Planet der Affen.")

Man ist nämlich allgemein so dran gewöhnt und dadurch
abgestumpft, zuzusehen wie Menschen andere
Spezies nach Lust und Laune quälen, massakrieren, foltern,
abschlachten und was weiß ich was noch alles.


Liebe Grüße
Hera
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