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Die Brücke


 
 
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cindysherman
Geschlecht:weiblichLeseratte
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Alter: 46
Beiträge: 112
Wohnort: Berlin


C
Beitrag01.04.2016 13:39
Die Brücke
von cindysherman
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Eisschollen, die aufgebrochen, grau-grün und kristallen im Sonnenlicht funkeln. Dazwischen wieder die vertrauten Schwäne und Enten, die immer da sind. Nur solange der Kanal ganz zugefroren war, gab es kein Leben auf dem Eis.
Die Kinder fragten mich: wohin gehen denn die Enten und Schwäne jetzt?
Ich wusste es nicht. Jetzt schwimmen sie fidel in zwischen den schimmernden Brocken herum, sie haben ihren flüßigen Lebensraum zumindest teilweise zurück erhalten, die Hoffnung sträubt ihnen das Gefieder.

Sie lungern unter der Brücke herum, die wir täglich überqueren; wir und hunderttausend andere Leute auch. Manchmal schmeißt jemand eine Tüte voll Brot runter.

Ein Schwan hat etwas gefunden. Ich werde auf ihn aufmerksam, weil er seinen Kopf hin und her schleudert. Unter der Wasseroberfläche wabert etwas Helles. Ich denke einen Augenblick lang, er reißt Fetzen von einer Plastiktüte. Ich schaue genauer. Da liegt ein toter Schwan unter der Wasseroberfläche und der andere frisst seine Därme.

Der Tote hat die Eiszeit nicht überlebt. Er dient jetzt seinen Artgenossen als Futter. Alle gehen über die Brücke.
 „Oh Nein!“
Sofort will mein kleiner Sohn wissen, warum ich das sage. Unter mir war der Betonbogen etwas schlapp geworden.
Ich weiche aus: „ach nichts“, doch er ist unnachgiebig, glaubt mir nicht, dass ich so was grundlos sage. Seine Augen betasten mich aufmerksam.
Ich nehme die Erschütterung und falte sie klein, versuche sie so fassbar zu bekommen, dass ich sie wie andere Gepäckstücke im Buggy verstauen kann.

Sonst vertusche ich die Tatsachen des Lebens nicht vor meinen Kindern. Es gibt den Tot, sie kennen ihn schon. Wir essen Tiere. Tiere essen Tiere. Menschen und Tiere sterben irgendwann. Ich verniedliche das nicht gerne.

Aber wenn ich überwältigt bin, mute ich mich den Kindern nicht zu.
Ich steuere sie wieder in den Fluss aus Füßen, Leibern und Willenskraft, der gewaltig dahinströmt über das langsame Wasser unten, über das Unglück, das stärker ist als das Individuum oder Gerechtigkeit, einfach so da, zufällig, mitten drin im Bauch der Gesellschaft.

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Resa1310
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen
R

Alter: 28
Beiträge: 15



R
Beitrag02.04.2016 14:25

von Resa1310
Antworten mit Zitat

Zuerst einmal nicht schlecht. Etwas sprachlos gerade. Blink
Vom ersten Satz an war ich sehr gespannt auf deinen Text und konnte die Stimmung gut erfassen. Gänsehaut nahe dran. Der Satz in dem du beschreibst, wie ein Schwan den anderen Toten als Nahrungsquelle nutzt, war ich etwas stutzig. Soweit ich mich erinnern kann sind Schwäne tatsächlich keine Raubtiere. Irgendwie hat mich das gerade so beschäftigt, dass ich es nicht lassen konnte nach zu schlagen und siehe da, die Ernährung besteht aus Wasserpflanzen, insekten und kleinen Fischen. War etwas erschrocken ehrlich gesagt über das Bild eines etwas kannibalischen Schwanes und bin froh, dass sich dieses Bild wohl eher weniger in der Natur wieder finden lassen wird. Wink
Trotzdem hat mir dein Text gefallen, gerade, dass dein Protagonist das Leben nicht mit scheu klappen betrachtet und ehrlich ist gegenüber ihren Kindern- und gott sei dank hier lügt. Ich wäre erschrocken über den Charakter, würde sie dem Kind im Buggy sagen, was sie gerade erblickt hat.
Natürlich ist die Tatsache entscheidend, dass der Auslöser gar nicht realistisch ist, aber trotzdem Hut ab. Daumen hoch²
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cindysherman
Geschlecht:weiblichLeseratte
C

Alter: 46
Beiträge: 112
Wohnort: Berlin


C
Beitrag03.04.2016 12:41

von cindysherman
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Liebe Resa!

Danke für Dein Feedback!
Ein Schwan frißt keinen Schwan. Auch Menschen fressen einander nicht. Ich glaube, dieser Schwan war ein Extremfall, wie bei Expeditionen früher, wo ehrgeizige Eroberer den Südpol/den Norpol erreichen wollten, irgendwas lief schief und sie waren gezwungen, einander zu essen, falls sie nicht alle zusammen sofort sterben wollten. So war es hier auch.
Der Unterschied: alles lief vor Zeugen ab.

Darum ging es mir eigentlich und ich denke, es ist vielleicht noch nicht ganz klar...

Danke!
cindy
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Saraa
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen
S

Alter: 31
Beiträge: 30
Wohnort: Sauerland


S
Beitrag06.04.2016 15:32

von Saraa
Antworten mit Zitat

Hi!

Ich find auch, dass du eine gute Atmosphäre kreierst, gerade am Anfang. Allerdings ist "kristallen" glaub ich kein Wort, zumindest kein Adjektiv. Das hat etwas gestört, vielleicht nimmst du lieber "funkelnd".

"die Hoffnung sträubt ihnen das Gefieder." - hab ich ehrlich gesagt nicht verstanden, in welchem Zusammenhang steht die Hoffnung und ihr Gefieder?

"Der Tote hat die Eiszeit nicht überlebt. Er dient jetzt seinen Artgenossen als Futter. Alle gehen über die Brücke.
„Oh Nein!“
Sofort will mein kleiner Sohn wissen, warum ich das sage. Unter mir war der Betonbogen etwas schlapp geworden.
Ich weiche aus: „ach nichts“, doch er ist unnachgiebig, glaubt mir nicht, dass ich so was grundlos sage. Seine Augen betasten mich aufmerksam.
Ich nehme die Erschütterung und falte sie klein, versuche sie so fassbar zu bekommen, dass ich sie wie andere Gepäckstücke im Buggy verstauen kann."
- den Abschnitt musste ich mehrmals lesen, bis ich einigermaßen das Gefühl hatte zu fassen, was du meinen könntest. Die Vergleiche und Beschreibungen sind sehr schwierig zu verstehen.

Ich würde dir allgemein raten, ein paar Sätze zur Beschreibung zu ergänzen, damit man nicht so viel Mühe hat zu verstehen was du meinst.

Aber sonst, wirklich schöner Schreibstil!


_________________
"Ein Ausrufezeichen ist wie über seinen eigenen Witz zu lachen" - M.Twain
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Malbec
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen


Beiträge: 32
Wohnort: Norddeutsche Tiefebene


Beitrag07.04.2016 12:11
Re: Die Brücke
von Malbec
Antworten mit Zitat

"Ich nehme die Erschütterung und falte sie klein, versuche sie so fassbar zu bekommen, dass ich sie wie andere Gepäckstücke im Buggy verstauen kann."

Hut ab, sehr schön!
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cindysherman
Geschlecht:weiblichLeseratte
C

Alter: 46
Beiträge: 112
Wohnort: Berlin


C
Beitrag07.04.2016 12:36
Die Brücke
von cindysherman
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Eisschollen, die aufgebrochen, grau-grün und kristallen im Sonnenlicht funkeln. Dazwischen bewegen sich wieder die vertrauten Schwäne und Enten, sie lungern unter der Brücke herum, die wir täglich überqueren; wir und hunderttausend andere Leute auch. Manchmal schmeißt jemand eine Tüte voll Brot runter.

Nur solange der Kanal ganz zugefroren war, gab es kein Leben auf dem Eis.
Die Kinder fragten mich: "wohin gehen denn die Enten und Schwäne jetzt?"
Ich wusste es nicht. Woanders hin. Heute schwimmen sie fidel zwischen den schimmernden Brocken herum, sie haben ihren flüßigen Lebensraum zurück, die Hoffnung sträubt ihnen das Gefieder, sie wetzen ihr Schnäbel daran.

Ein Schwan hat etwas gefunden. Ich werde auf ihn aufmerksam, weil er seinen Kopf hin und her schleudert. Unter der Wasseroberfläche wabert etwas Helles. Reißt er etwa Fetzen von einer Plastiktüte? Ich schaue genauer. Da liegt ein toter Schwan unter der Wasseroberfläche und der andere frisst seine Därme. Menschen gehen über die Brücke.

 „Oh Nein!“ entfährt es mir.
Sofort will mein kleiner Sohn wissen, warum ich das sage. Unter mir war der Betonbogen etwas schlapp geworden.
Ich weiche aus: „Ach nichts“, doch er ist unnachgiebig, glaubt mir nicht, dass ich so was grundlos sage. Seine Augen betasten mich aufmerksam.
Ich nehme die Erschütterung und falte sie klein, versuche sie so fassbar zu bekommen, dass ich sie im Gepäcknetz des Buggy´s verstauen kann. Ich halte mich am Griff mit beiden Händen.

Sonst vertusche ich die Tatsachen des Lebens nicht vor meinen Kindern. Es gibt den Tot, sie kennen ihn schon. Wir essen Tiere. Tiere essen Tiere. Menschen und Tiere sterben irgendwann. Ich verniedliche das nicht gerne.

Aber ein Schwan frißt keinen Schwan. Auch Menschen fressen einander nicht. Dieser Schwan wurde wie die Menschen früher, die bei ehrgeizigen Expeditionen in die Arktis feststeckten und sich gezwungen sahen, ihre Begleiter zu essen, um den eigenen Tod noch etwas hinaus zu zögern. Kanibalismus aus Selbsterhaltung. Es könnte ja tauen, irgendwann. Doch der leere Raum der Arktis ist weit weg vom Zentrum unserer Zivilisation.

Wenn ich überwältigt bin, mute ich mich den Kindern nicht zu.
Ich steuere sie wieder in den Fluss aus Füßen, Leibern und Willenskraft, der stark dahinströmt über das langsame Wasser unten, über das Unglück, das  einfach so da ist, zufällig, mitten drin im Bauch der Gesellschaft.

Man muss nur weg schauen.
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cindysherman
Geschlecht:weiblichLeseratte
C

Alter: 46
Beiträge: 112
Wohnort: Berlin


C
Beitrag07.04.2016 12:39

von cindysherman
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Hier eine überarbeitete Fassung.
Besser/schlechter/gleich?

Danke für´s Lesen!

cindy
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Lilala
Gänsefüßchen
L


Beiträge: 22



L
Beitrag10.04.2016 11:37

von Lilala
Antworten mit Zitat

Ich würd gerne etwas dazu schreiben, allerdings mehr aus Lesersicht, den Stil genau zu analysieren traue ich mir noch nicht zu.

Ich finde die erste Fassung besser. In meinen Augen ist der Absatz über den kanibalistischen Schwan soetwas wie ein kleiner Exkurs der zumindest meinen Lesefluss ein wenig unterbrochen hat.
Mich hat im ersten Text gar nicht gestört, dass offen gelassen wird, warum der Schwan den anderen Schwan frisst. Der Charakter wirkt zudem so geschockt und mit der Reaktion dem Kind gegnüber beschäftig, dass ich es nur logisch finde, dass er über das warum nicht groß nachdenkt.

Bei mir haben zwei ganz andere Stellen Fragen aufgeworfen.

Zitat:
Eisschollen, die aufgebrochen, grau-grün und kristallen im Sonnenlicht funkeln. Dazwischen wieder die vertrauten Schwäne und Enten, die immer da sind. Nur solange der Kanal ganz zugefroren war, gab es kein Leben auf dem Eis.
Die Kinder fragten mich: wohin gehen denn die Enten und Schwäne jetzt?
Ich wusste es nicht. Jetzt schwimmen sie fidel in zwischen den schimmernden Brocken herum, sie haben ihren flüßigen Lebensraum zumindest teilweise zurück erhalten, die Hoffnung sträubt ihnen das Gefieder.

Hier bin ich über den letzten Satz gestolpert. Die Hoffnung worauf? Darauf, dass das restliche Eis schmilzt und der Winter endet?

Zitat:
Sofort will mein kleiner Sohn wissen, warum ich das sage. Unter mir war der Betonbogen etwas schlapp geworden.

Und hier ist mir die Metapher (ich hoffe, es ist eine) mit dem Betonbogen, der schlapp wird etwas zu weit hergeholt. Ich bin mir auch nicht so ganz sicher, wie ich es verstehen soll. Fühlt es sich für den Charakter durch den Schreck so an, als ob die Brücke plötzlich nicht mehr so fest ist?

Ansonsten gefällt mir der Text wirklich gut und du hast sehr viel Ausdruck und auch Handlung in den recht kurzen Abschnitt gebracht, ohne dass der Text überladen wirkt.
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cindysherman
Geschlecht:weiblichLeseratte
C

Alter: 46
Beiträge: 112
Wohnort: Berlin


C
Beitrag10.04.2016 22:12

von cindysherman
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Lilala,

Danke für dein Feedback! Also, mehr "Analyse des Stils" wünsche ich mir auch gar nicht! So ist das super, damit kann ich sehr gut was anfangen.

Ich gebe dir recht, den Einschub "Schwanenkanibalismus" braucht es nicht. Der war angeregt aus dem Feedback (Unverständnis) anderer Leser hinein rein geraten, und die Rückmeldungen für mich aus zu werten ist etwas, was ich hier gerade übe: welche Unklarheiten sollten ausgemerzt werden; was erschließt sich (zumindest den Allermeisten) durch den Kontext?
Ist ja immer eine Gratwanderung.

Zu den beiden Stopersteinen: du hast es eigentlich genau so interpretiert, wie ich es meinte. Da weiß ich auch nicht, ob stolpern gut oder schlecht ist. Hast du evtl. Vorschläge, wie du das eleganter lösen würdest?

Danke für deine Zeit!
cindy
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Lilala
Gänsefüßchen
L


Beiträge: 22



L
Beitrag11.04.2016 22:10

von Lilala
Antworten mit Zitat

Schwierig. Da habe ich jetzt eine ganze Weile drüber nachgedacht und so richtig weiß ich nicht, was ich dazu schreiben soll.

Die erste Stelle mit der Hoffnung würde ich wohl so lassen. Ich habe es zwar als inhaltlich im ersten Moment unklar empfunden, andererseits finde ich den Satz so wie er ist sprachlich sehr schön.

Die zweite Stelle wird eventuell klarer, indem man sie umändert in:"Mir war, als sei unter mir der Betonbogen etwas schlapp geworden."

Ob das stilistisch noch hinhaut wage ich nicht zu beurteilen.
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Jack Burns
Geschlecht:männlichReißwolf

Alter: 54
Beiträge: 1444



Beitrag11.04.2016 23:05

von Jack Burns
Antworten mit Zitat

Stolpern ist gut, vorausgesetzt, dass man wieder in den Tritt gelangt.  
Und bei diesem Beispiel wird mir nach der Schrecksekunde klar, was gemeint ist. So wie ich mit dem ganzen Text keine Verständnisprobleme hatte. Auch nicht mit dem Kannibalismus. Ich sehe darin sogar eine, vielleicht unbeabsichtigte, Metapher.


Übrigens: "Tot" d
 Wink

Grüße
Jack


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cindysherman
Geschlecht:weiblichLeseratte
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Alter: 46
Beiträge: 112
Wohnort: Berlin


C
Beitrag12.04.2016 12:16

von cindysherman
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Danke, Jack.

Text eins oder zwei?

Lieben Gruß!

cindy
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Jack Burns
Geschlecht:männlichReißwolf

Alter: 54
Beiträge: 1444



Beitrag12.04.2016 14:33
Re: Die Brücke
von Jack Burns
Antworten mit Zitat

Hi Cindy,
Das Stolpern empfinde ich (nicht negativ) in beiden Versionen. Speziell bei dem schlappen Betonboden. Das ist ein ungewöhnlicher Ausdruck aber gerade das macht interessante Literatur aus. Wie gesagt: Man versteht ja, was gemeint ist. Niemand wird glauben, dass der Beton jetzt wirklich weich würde. Falls Dir, wie vorgeschlagen, der Konjunktiv lieber ist, dann diesen mit "wäre" statt "sei" verwenden.
Allerdings stört mich an dieser Stelle der Plusquamperfekt. Vom Präsens greift mandurch die Perfekt-Form  zurück in der Zeit und in dieser Situation, könnte man sogar im Präsens bleiben, da das schlappe Gefühl ja unmittelbar auftritt.
 
cindysherman hat Folgendes geschrieben:
Eisschollen, die aufgebrochen, grau-grün und kristallen im Sonnenlicht funkeln. Dazwischen wieder die vertrauten Schwäne und Enten, die immer da sind. Nur solange der Kanal ganz zugefroren war, gab es kein Leben auf dem Eis.
Die Kinder fragten mich: wohin gehen denn die Enten und Schwäne jetzt? Die Einleitung erfordert die wörtliche Rede. Oder ohne Doppelpunkt und dann KonjunktivI verwenden. Die Kinder fragten, wohin ... gegangen seien.
Ich wusste es nicht. Jetzt schwimmen sie fidel in zwischen den schimmernden Brocken herum, sie haben ihren flüßigen Lebensraum zumindest teilweise zurück erhalten, die Hoffnung sträubt ihnen das Gefieder. Das ist so ein Stolpern. Ich muss kurz überlegen. Aber das finde ich nicht schlecht. In einem so kurzen Text kann man ruhig mal inne halten.

Sie lungern unter der Brücke herum, die wir täglich überqueren; wir und hunderttausend andere Leute auch. Manchmal schmeißt jemand eine Tüte voll Brot runter.

Ein Schwan hat etwas gefunden. Ich werde auf ihn aufmerksam, weil er seinen Kopf hin und her schleudert. Unter der Wasseroberfläche wabert etwas Helles. Ich denke einen Augenblick lang, er reißt Fetzen von einer Plastiktüte. Ich schaue genauer. Da liegt ein toter Schwan unter der Wasseroberfläche und der andere frisst seine Därme.

Der Tote hat die Eiszeit nicht überlebt. Er dient jetzt seinen Artgenossen als Futter. Alle gehen über die Brücke. "Alle" bezieht sich auf die Schwäne. Der Satz steht dort sowieso etwas verloren herum
 „Oh Nein!“
Sofort will mein kleiner Sohn wissen, warum ich das sage. Unter mir war der Betonbogen etwas schlapp geworden. Der Satz müsste ins Perfekt. Aber noch eleganter wäre es, einfach im Präsens zu bleiben.
Ich weiche aus: Doppelpunkt passt nichtach nichts“, Danach Zeilensprung und neuer Satz doch er ist unnachgiebig, glaubt mir nicht, dass ich so was grundlos sage. Seine Augen betasten mich aufmerksam.
Ich nehme die Erschütterung und falte sie klein, versuche sie so fassbar zu bekommen, dass ich sie wie andere Gepäckstücke im Buggy verstauen kann. Das ist eine tolle Formulierung.

Sonst vertusche ich die Tatsachen des Lebens nicht vor meinen Kindern. Es gibt den Tot, sie kennen ihn schon. Wir essen Tiere. Tiere essen Tiere. Menschen und Tiere sterben irgendwann. Ich verniedliche das nicht gerne.

Aber wenn ich überwältigt bin, mute ich mich den Kindern nicht zu.
Ich steuere sie wieder in den Fluss aus Füßen, Leibern und Willenskraft, der gewaltig dahinströmt über das langsame Wasser unten, über das Unglück, das stärker ist als das Individuum oder Gerechtigkeit, einfach so da, zufällig, mitten drin im Bauch der Gesellschaft.


Blau habe ich den unkorrekten Plusquam markiert. Bei Rot, sollte wirklich geändert werden. Übrigens gibt es einige Füllwörter, die nach meinem Gefühl den Text zu schwätzerisch wirken lassen. (noch, wieder, auch).

Ich finde die Idee sehr gut und die Ausführung befriedigend bis gut. Meine Vorschläge entstehen aus dem Antrieb, einen guten Text noch besser zu machen und nicht, um zu stänkern oder gar die Geschichte herabzuwürdigen. Smile

Schönen Gruß
Jack

Und ein edit: Schwäne sind zwar keine Raubvögel aber Aasfresser. Und eine ethische Hemmung, die Kannibalismus verhindert, besitzen sie nicht. Das ist eine realistische Situation, die ich selbst schon so ähnlich erlebt habe.


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cindysherman
Geschlecht:weiblichLeseratte
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Alter: 46
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Beitrag13.04.2016 08:05

von cindysherman
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Hey Jack,

Ich bin gar nicht beleidigt ob Deiner Verbesserungsvorschläge, hab sie konstruktiv verstanden. Danke für deine Mühe!
Eine Sache scheint aber nicht geklappt zu haben-

ich schrieb:
Alle gehen über die Brücke.

Du schreibst:

"Alle" bezieht sich auf die Schwäne. Der Satz steht dort sowieso etwas verloren herum.

Alle bezieht sich auf die Menschen, die oben lang gehen, über den Schwänen, die unten schwimmen.
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Jack Burns
Geschlecht:männlichReißwolf

Alter: 54
Beiträge: 1444



Beitrag13.04.2016 10:49

von Jack Burns
Antworten mit Zitat

Hallo Cindy,
Ich hatte mich unklar ausgedrückt;  An dieser Stelle wirkt der Satz, als bezöge sich das "Alle" auf die Vögel.  Der Bezug zu den Menschen ist zu weit weg.  Auch eine Stolperstelle, die vielleicht unnötig ist und sich durch das Ersetzen mit einem deutlicheren Subjekt vermeiden ließe.

Gruß, Jack


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