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teccla Leseratte
Alter: 66 Beiträge: 160 Wohnort: Costa Blanca
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10.04.2008 20:27 Teil 17 Begegnung der anderen Art von teccla
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Nun lebten wir in einem leeren Haus. Unsere Sachen lagerten noch immer im Transporter, der im Hafen auf die Freigabe durch den Zoll wartete.
Jan hatte zwar die Möbel gekauft, doch es fehlte an fast allem. Wir hatten kein Geschirr, nichts für den normalen Alltag. Wir gingen noch immer ins Restaurant zum Essen. Es war ungemütlich und kahl in allen Räumen.
Es wurde Zeit, dass wir unsere Autos aus dem Hafen holen konnten. Darum kümmerte sich der viel beschäftigte Tonton. Mit ihm hatten wir ein Treffen der anderen Art.
Als wir an einem Mittwochnachmittag in seinem Büro zum verabredeten Zeitpunkt auftauchten, ging es zunächst noch um fehlende Unterlagen.
„Ihr müsst gegen 17.00 Uhr noch einmal wiederkommen. Ich habe noch keine Zeit für euch. Vielleicht können wir dann mal zum Hafen fahren.“ meinte Tonton und sah mit seiner halb von der Nase gerutschten Brille zu uns auf.
Also warteten Rondro und ich gegen 17.00 Uhr vor seinem Büro. Langsam ging der Tag zur Neige, die Sonne wollte sich verabschieden. Noch hatte er keine Zeit.
Wir warteten.
Endlich kam er. Mit den Worten “Wir fahren zum Hafen.“ stieg er in sein Auto und wir folgten ihm.
Ich war gespannt und aufgeregt. Vielleicht würde ich unsere Autos sehen?
Weit gefehlt.
Wir fuhren um die Ecke und hielten.
Es setzte sich ein Mann zu uns ins Auto. Er wurde uns als Mitarbeiter vom hiesigen Zoll vorgestellt. Es begann eine Diskussionen um die Papiere. Den internationalen Zulassungsschein für den VW Transporter erkannten sie nicht an. Sie würden so ein Dokument nicht kennen, also konnte es in Madagaskar gültig sein.
Fertig.
Hin und Her. Dann die Feststellung:
“Großes Problem. Das Auto hat keine Papiere.“
“Aber doch! Es hat Papiere! Sogar extra für den Export nach Madagaskar.“
“Nein, solche Dokumente kennen wir hier nicht, also sind sie in Madagaskar nicht gültig. Darum hat das Auto keine gültigen Dokumente.“
“Rondro! Das kann nicht wahr sein! Darauf steht INTERNATIONAL, das heißt WELTWEIT! Also ist es auch in Madagaskar gültig.“
“Nein, das wird nicht anerkannt.“
Ich konnte es nicht fassen. Was sollte das? Warum diese Schwierigkeiten?
Nach einigen Minuten schien sich das große Problem geklärt zu haben. Es war plötzlich keine Rede mehr vom internationalen Fahrzeugschein.
Uns wurde gesagt, dass wir noch einige Dokumente brauchen und morgen früh komplett abgeben sollten.
Als Hinweis bekamen wir noch mit auf den Weg, dem Menschen vom Zoll für seine Güte entsprechend "zu danken".
Keine Korruption mehr unter der neuen Regierung? ..aha..
Gunter´s Papiere waren aus Deutschland angekommen. Auch er hatte sein Umzugsgut in einem Kleintransporter auf die Reise geschickt. Nun fuhr er nach Tana, um sein Umzugsgut beim Finanzministerium als „personell effect“ anzumelden.
Hin und wieder rief er aus Tana an, klagte sein Leid und war dabei selten nüchtern. Jan reagierte auf sein Lallen am Telefon, ziemlich ärgerlich.
Am Bootshafen entdeckte Jan Räume, die sich gut für ein Internetcafé eignen würden. Der Besitzer war zu dieser Zeit in Tana. Die Mietverhandlungen konnten wir jedoch erst nach Rückkehr des Besitzers führen.
Diese Räume waren sehr groß, hatten Stuck an den Wänden, ein exotisches Flair, das sich schwer beschreiben lässt. Da es einem Moslem gehörte, musste es koscher bleiben.
Das hieß: kein Alkohol, kein Schweinefleisch, keine laute Musik ab 20 Uhr.
Es war ein riesoger Saal, zwei große Zimmer mit separater Dusche und Toilette, eine weitere Dusche mit Toilette (wahrscheinlich für das Personal) und auch eine große Küche und ein Abstellraum sowie ein kleiner, überdachter Innenhof, wo man herrlich draußen sitzen konnte. Alle Fußböden waren gefliest. Nur die Wände mussten gestrichen werden.
Von außen machte dieses Haus ein furchtbar herunter gekommenen Eindruck. Man konnte sich nicht vorstellen, dass es innen einen kleinen Juwel beherbergte.
Der moslemische Einfluss war gerade im Hafenviertel zu spüren. Die Architektur der Häuser gefiel mir. Die zweite Etage überdachte, auf Säulen getragen, fast den Fußgängerweg. Man lief im Schatten. Die Wände hatten ein Lochmuster, dahinter waren meist Durchgänge oder eine Veranda. Ab und zu sah man einen alten Kolonialbau, meist ziemlich herunter gekommen.
Ich mochte diese Stadt. Immer wenn ich unterwegs war, genoss ich das satte Leben.
Es war heiß, staubig und gewöhnungsbedürftig. Die Luft roch nach Meer und Salz. Wenig Verkehr, weniger Stress und Menschen. Auch der Lärm hielt sich in Grenzen. Überall standen Palmen, blühende Bäume und Pflanzenkübel. Es war verhältnismäßig sauber und es gab keine stinkenden Ecken. Man wurde nicht angebettelt.
Überall standen Pousse Pousse-Fahrer. In einem Gefährt ähnlich einer Rickscha zogen sie den Fahrgast hinter sich her. Einige liefen sehr schnell. Meist waren sie barfüßig. Sie lachten auch bei einem "Nein".
Die Menschen, die draußen unter freiem Himmel schliefen, sagten dir abends beim Vorbeigehen "Bon Nuit".
Es sprach sich schnell herum, dass wir Deutsche waren. Ging ich einkaufen, versuchte selbst die Marktfrau "Guten Tag" zu sagen. Ein Taxifahrer verabschiedete sich, nachdem er lange überlegt hatte und nach deutschen Worten suchte, mit einem strahlenden "Deutschmark". Sebastian und ich stiegen aus und lachten laut.
So gingen wir abends auf der Uferpromenade entlang und neben dem "Salut" oder "Bon soir" hörte man plötzlich ein "Guten Abend".
Stop! Das war doch deutsch! Du drehst dich um, der andere drehte sich auch um. Und jemand lachte dich an.
Es gab viele Inder und Iraner in der Stadt. Sie waren sehr reich und nicht gerade sehr beliebt bei den Madagassen. Ihnen gehörte fast das ganze Hafenviertel.
Majunga schien die einzige Stadt der Welt zu sein, in der es keine typischen Hafenkneipen gab. Dafür gab es viele Moscheen und die traditionellen Gewänder mischten das Straßenbild exotisch auf.
Für das Taxi zahlte man nur 5000 FMG. Man musste nicht handeln, egal, wohin man wollte. Einige kleine Geschäfte hatte ich auch gesehen. Also man musste erst mal schauen, was man wo zu kaufen bekam. Was dann noch fehlte, würden wir uns aus Tana besorgen müssen.
Schon nach wenigen Tagen mochte ich diese Häuser mit dem indischen, orientalischen Einfluss. Ich mochte die Seeuferpromenade und das Gefühl des "Fremdseins" verging sehr schnell.
Nach kurzer Zeit schon spürte ich: 'Hier möchte ich zu hause sein, hier kann ich Wurzeln schlagen.'
Es waren nicht nur die ewig blühenden Gärten und Bäume, die lachenden Menschen, die Straßen, das Meer. Es war eine Mischung von all dem, was mein Herz auf blühen ließ.
Aber noch stand uns ein weiter Weg bevor.
Wir hatten noch immer nicht unsere Autos. Wir hatten noch immer nicht unsere Sachen und wussten weder in welchem Zustand die Autos, noch ob alle Sachen angekommen waren.
Das Einzige was half, war, die Sorgen, die "wenn’s" und "aber" los zu lassen, abzulegen, und zu akzeptieren, dass alles seine Zeit braucht, so wie ein Samenkorn in der Erde.
Weitere Werke von teccla:
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Gabi Reißwolf
Alter: 54 Beiträge: 1216 Wohnort: Köln
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10.04.2008 20:49
von Gabi
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Ist schon schockierend, wie schwer es ist, an sein eigenes Auto zu kommen. Das sind glaub ich so Sachen mit denen man nicht gerechnet hätte. Also ich zumindestens nicht. Es geht spannend und interessant weiter.
L.G.
Gabi
_________________ "Das hier ist mein Dach und mein Tag!" (Oma Thea macht die Fliege) |
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teccla Leseratte
Alter: 66 Beiträge: 160 Wohnort: Costa Blanca
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10.04.2008 21:02
von teccla
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Ja, sowas ist beim Auswandern in solche Länder wohl normal, aber in den TV-Serien werden solche Dinge kaum berichtet...
Deshalb mag ich diese Serien nicht, die gehen komplett an der Wirklichkeit vorbei.
Viele Grüsse
angela
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Gabi Reißwolf
Alter: 54 Beiträge: 1216 Wohnort: Köln
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10.04.2008 21:18
von Gabi
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Ja, dort wird bestimmt nur das Schöne und die kleinen Missgeschicke beschrieben. So nach dem Motto: Alles wird gut, alles ist toll. Ich glaube aber auch kaum, dass sich die Beamten gerne bei solchen Sachen filmen lassen. Vielleicht liegt es daran.
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