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Teil 15 Und das Meer schien endlos...


 
 
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teccla
Geschlecht:weiblichLeseratte

Alter: 66
Beiträge: 160
Wohnort: Costa Blanca


Was suchst Du in Madagaskar?
Beitrag05.04.2008 22:14
Teil 15 Und das Meer schien endlos...
von teccla
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Als wir aus Antananarivo raus fuhren, war es schon dunkel. Die sternenklare Nacht animierte mich, gedanklich die letzten Tage und Wochen Revue passieren zu lassen.
Endlich ging es los, zu Jan, zu Sebastian.
Wir fuhren durch die Nacht. Es ging durch das Hochland. Viele enge Kurven und schwer passierbare Stellen. Ich war froh nicht viel sehen zu können.

Der Fahrer fuhr schnell, etwas waghalsig, aber ich hatte dennoch ein Gefühl von Sicherheit.
In brennzlichen Situationen schloss ich heldenhaft die Augen. Mehr als einmal hing der Reifen in der Kurve über dem Abgrund.
Aus dem Autoradio klang laut madagassische Musik. Die Fahrgäste hinter mir sangen mit. Der Empfang des Radiosenders wurde schlechter. Der Fahrer machte das Radio aus. Die Frauen und Männer im Bus sangen nun ohne Begleitmusik ihre Lieder. Der Gesang wurde immer wieder vom Lachen unterbrochen.
Ich fühlte mich irre gut aufgehoben und genoss dieses warme Gefühl, als wäre ich aufgenommen in einer Familie.
Ein Alptraum lag hinter mir. Ich atmete auf. Die nächste Etappe hatte begonnen.
Egal, was in Majunga auf mich wartete, dieser Augenblick war schön und diese Fahrt ein Erlebnis.

In einer Ortschaft hielten wir. Es wurde getankt und die Gelegenheit genutzt, um etwas zu essen und die Beine zu vertreten. Ich stieg nur aus, um eine Zigarette zu rauchen, setzte mich dann wieder in den Bus und nahm Frau Katze kurz aus der Tasche. Sie schaute sich neugierig um. Das Näschen versuchte die neue Umgebung, die Gerüche zu erkunden. Doch schon ging die Fahrt weiter und sie saß wieder in ihrer Reisetasche auf meinem Schoss.
Damals wusste ich nicht, dass es Unglück bringen soll, wenn man eine Katze im Bus mit sich führt.
Ich konnte sogar stellenweise einschlafen. Immer wieder musste der Bus halten.
Straßenkontrollen.
Männer in Militäranzügen leuchteten mit Taschenlampen ins Fahrzeuginnere. Der Fahrer musste die Papiere vorzeigen. Manchmal folgte er den Männern in ein kleines Häuschen. Nach einigen Minuten kam er wieder, stieg ein und es ging weiter.

Es war gegen 2 Uhr nachts, als ich nach der Wasserflasche in meiner Tasche griff. Mein Hals war ausgetrocknet. Frau Katze schlief in der Reisetasche. Die Fahrt würde 12 Stunden dauern, hatte Torsten gesagt.
Anstrengend.
Ich wusste nicht mehr, wie ich sitzen sollte. Viel Beinfreiheit hatte ich nicht. Zu viele Taschen waren um mich herum gestapelt. Der Koffer lag hinten auf den Rücksitzen.
Gelangweilt sah ich zum Fahrer neben mir. Er sah sympathisch aus und strahlte viel Ruhe und Sicherheit aus. Doch im Moment schien ihn etwas zu beunruhigen. Ständig schaute er in die Rückspiegel. Uns folgte ein großes Auto. Den Scheinwerfern nach zu urteilen, war es ein größerer Jeep.
Fuhren wir um die Wette?
Das Fahrzeug hinter uns hatte den Blinker gesetzt.
Unser Fahrer ließ kein Überholen zu. Wir fuhren im Zickzack und verhinderten den Überholvorgang.
Warum?
Eine Brücke, die sehr provisorisch und instabil aussah, lockere Metallplanken lagen auf Holzbalken, zwang uns auf Schritttempo abzubremsen. Das Fahrzeug hinter uns bremste auch ab und hatte Mühe den kurzen Abstand zu halten. Am Ende der Brücke angekommen, beschleunigte unser Fahrer, als gelte es den Weltrekord zu überbieten. Die Fahrgäste wurden wach. Auch sie bemerkten die Unruhe des Fahrers, schauten sich immer wieder um und verfolgten das Rennen.
Wir wurden im Bus hin und her geworfen. Ein Kind weinte. Es ging mit hohem Tempo in die Kurven. Wir hielten uns fest. Gepäck polterte. Der Fahrer ließ sich nicht beirren.
Er sagte etwas, was ich nicht verstand. Es war sicherlich eine Erklärung für sein Handeln.
Die Mitreisenden waren still und schauten sich nach dem Verfolger um.
Wir gewannen Abstand.
Die Lichtkegel der Scheinwerfer des nachfolgenden Autos wurden kleiner.
Wir kamen in ein Dorf. Am Rand der Straße waren einige Fahrzeuge geparkt. Wir scherten in eine Parklücke ein. Nun sagte der Fahrer leise etwas zu den Fahrgästen.
Er hielt an, machte das Licht und den Motor aus.
Alle waren still.
Das Kind hatte sich beruhigt. Die Mutter redete leise auf den kleinen Jungen ein.
Das Fahrzeug, ein großer bulliger Jeep fuhr an uns vorbei.
Noch immer bedrückende Stille im Bus.
Einige Minuten vergingen.
Der Fahrer öffnete seine Tür, die Fahrgäste konnten nun aussteigen. Vertraten sich die Beine. Als sie wieder einstiegen, wurde dieses Erlebnis diskutiert.
Ein Gespräch mit dem Fahrer schien alle zu erleichtern. Es wurde wieder gelacht. Die Stimmung war gelöst.
Ich erfuhr später, dass der Fahrer durch seine Aufmerksamkeit und umsichtiges Handeln einen Überfall auf unseren Bus verhindert hatte.
Es gab im Hochland bewaffnete Banden, die die Fahrgäste ausraubten. Wie früher in Deutschland die Postkutschenüberfälle. Nur dass man hier russische Kalaschnikows verwendete. Diese Männer fackelten nicht lange, die hatten nichts zu verlieren und waren dementsprechend gefährlich. Von nun an fuhr ich immer mit dieser Buslinie, wenn mich mein Weg nach Tana führen sollte.

Bald lag das Hochland hinter uns. Die Ebenen zogen sich hin. Endlich graute der Morgen. Der Sonnenaufgang strahlte Zuversicht aus: Alles wird gut.

Wir fuhren vorbei an vielen kleinen afrikanischen Dörfern. Hütten aus Bambus mit Palmendächern. Hühner liefen herum. Die Frauen fegten vor den Hütten und trugen dabei afrikanische Lamba´s um den Körper gewickelt. Vor den Hütten wurde der Holzkohleofen angemacht. Kinder saßen davor und wedelten mit einem Stück Pappe, um das Feuer schneller zu entfachen.
Die Szene mutete an, wie aus einem Film. Wir überholten Bauern, die ihre Zebus die Straße entlang trieben. Ich genoss die Landschaft und den anbrechenden Tag.
Das Autoradio spielte leise madagassische Lieder. Die Fahrgäste rekelten sich, zupfen die Kleidung zurecht. Tüten knisterten, etwas Kuchen und ein Schluck Saft ersetzten das Frühstück.
Kurz vor Majunga sah ich über der Ebene einen riesigen, fetten Regenbogen.
Ein gutes Omen?

Ich hatte Zeit, meine Papiere anzuschauen, die ich für den Zoll bekommen habe.
Mir stockte der Atem.
Nein, das durfte nicht wahr sein. Immer wieder sah ich die Zeilen an. Nun werden wir für den Transporter doch Zoll bezahlen müssen.
Die Beamten hatten einfach eine neue Vorgangsnummer angelegt und die Anweisung des Generaldirektors, „all duty free“, ignoriert und negiert. Nun würden wir ca. 2000 Euro Zoll zahlen müssen.
Aber jetzt Einspruch einzulegen war zu spät, das Schiff war da. Jan wartete auf die Papiere und ich saß im Bus nach Majunga. Seufzend legte ich die Papiere zur Seite.
Hoffentlich gab es mit Jan keinen Streit. Fanja und ich, hatten doch nun wirklich alles unternommen, was möglich war.
Traurig war ich. Alles Mühen und Beten war umsonst.

Die Landschaft zog an mir vorbei. Nein, ich wollte an die Zukunft denken und ich freute mich auf Strand, Palmen, Haus und Firma.
Es wurde Zeit.

Die Szenerie wechselte. Die kleinen Städte und Dörfer, die wir passierten, wurden belebter. Menschen waren auf dem Weg zur Arbeit, zur Schule, zum Feld oder zum Markt.
Wir fuhren nach Majunga rein.

Die letzte Kontrolle. Ich wurde unsanft geweckt.
“Passport“.
Ein Leuchten der Taschenlampe auf das Dokument, dann auf mein Gesicht. Ich kniff die Augen zu, war geblendet.
Alles okay.
Die Fahrt ging weiter.

Gegen 7.00 Uhr in der Früh kamen wir an. Für 600 Kilometer waren wir 12 Stunden mit dem Bus unterwegs. Das Gepäck wurde ausgeladen. Zerlumpte Jungs standen auf dem Bus und warfen die Pakete und Koffer hinunter. Die Reisenden warteten geduldig bis ihr Gepäck abgeladen war.
Ich schaute mich um.
Viele Verkaufsstände, breite Straßen, blauer Himmel und Sonnenschein. Rechts und links Palmen. Sattes Grün, kräftige Farben. Taxifahrer buhlten um die Gunst der Fahrgäste.

Ein Taxi brachte mich, Tüten, Taschen, Katze und Koffer zum Hotel.
Die Begrüßung an der Tür fiel knapp aus. Ein Moslem im Kaftan sagte mir: "No rooms free".
Auf Englisch machte ich klar, dass ich zu Jan und Sebastian gehörte und konnte aufs Zimmer.
Jan war nicht da. Sebastian schlief noch. Ich stand noch in der Dusche, da kam Jan.
Er war überrascht. So früh hatte er mich wohl nicht erwartet.
Ich fragte nicht, wo er war.

Wir hatten uns mehr als drei Wochen nicht gesehen, doch die Begrüßung war eher sachlich.
Kein Lächeln, kein Scherz, keine Herzlichkeit. Er war mir fremd. Ich spürte seine Distanz. Das tat weh.

Er berichtete kurz, was er bisher erreicht hatte. Er war nett, aber eben nur nett.
Wir versuchten Tonton zu erreichen, doch ohne Erfolg,.er war noch nicht im Büro. Also gingen wir ins „Pakiza“, ein Restaurant, um zu frühstücken. Der heiße Kaffee tat mir gut. Ich konnte nicht viel essen. Ich war noch immer müde.
Die Luft war warm und versprach einen heißen schwülen Tag. Es roch nach Fisch und Meer.
Die Kellner im Restaurant kannten Jan und erfüllten seine Extrawünsche.
Sebastian kam dazu. Er sah übernächtigt aus. Doch er freute sich, mich zu sehen.
Endlich ein Lachen. Mein Basti hatte mich vermisst.
Jan und ich brachen auf, um noch einmal ins Büro von Tonton zu gehen. Sebastian blieb noch sitzen. Er genoss sein Frühstück.
Tonton war noch immer nicht da. Jan lief mit mir durch die Stadt, er wollte mir alles zeigen. Hin und wieder deutete er auf ein Haus und erklärte, welche Räume dort frei waren.

Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte, aber ich fühlte mich wie eine Fremde. Unser Zauber war vorbei. Unser Lachen gestorben. Jan gab sich alle Mühe, mich nett zu behandeln, doch es war kein Herz dabei. Meine Antennen suchten nach Liebe in seinen Worten und Gesten. Selbst diese Freundlichkeit tat weh. Es wäre mir lieber gewesen, er hätte mich angeschrien. Aber diese nette Kälte ließ mich erstarren. Ich wandelte neben ihm her, wie in einem Traum. Alles schien unwirklich. Ich funktionierte.

Wir liefen zum Meer. Der Weg war weit, doch ich war so sehr in meinen Gedanken, dass ich die Entfernung nicht bemerkte. In einer kleinen Beach-Bar setzten wir uns. Sehr romantisch hätte es sein können, mit dem richtigen Gegenüber ...
Ich wollte reden und wissen, was los war, was passiert war, was werden sollte.
Jede Frage klang für ihn wie ein Vorwurf. Meine Angst hörte er nicht.
Schwupps hatten wir Krach. Um dieser Stimmung zu entfliehen, lief ich ein paar Stufen zum Strand hinunter. Es war Ebbe. Ich zog meine Sandalen aus und lief durch den Sand, suchte nach Muscheln. Es war so schön hier zu sein.
Eine seltsame Mischung aus Glück und Traurigkeit machte sich breit. Dann bemerkte ich Jan, er lief zwanzig Meter hinter mir. Er rief meinen Namen, aber ich drehte mich nicht um.
Ich ging allein weiter, spürte den Sand zwischen den Zehen und lief im flachen Wasser. Spielte mit den Wellen, breitete schließlich meine Arme aus, als wollte ich die Welt in den Arm nehmen und drehte mich im Kreis. Hob mein Gesicht zur Sonne. Spürte die Wärme auf meiner Haut.
'Gott, ist das schön!'dachte ich 'Ich bin da. Endlich ! Ich bin da!'
Die Sonne brannte heiß und das Meer schien endlos.
Ich erlebte die Vision aus meinem Traum in Deutschland.
Dieses Bild brachte mich hierher.
Ein Kreis hatte sich geschlossen.



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Gabi
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Beitrag09.04.2008 17:57

von Gabi
Antworten mit Zitat

Hallo teccla!

Ich spüre die Sonne auf meiner Haut und den Sand unter meinen Füßen.
Wie schön, aber das es nicht so bleibt, kann ich mir fast denken. Bin gespannt, wie es mit Jan weitergeht.

L.G.
Gabi


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