Die geschüttelte Aphrodite

[Fridolin]

Der Gärtner hat den Baum geschoren,
denn Aphrodite, schaumgeboren,
steht neben Kain und Abel nackt.
Doch unter ihrem Nabel-Akt

ward sie zuvor mit Scharm verwöhnt,
vom Baum mit Zweigen warm verschönt.
Die Göttin scherzt, sie müsste lachen,
wenn Zweige ihr dort Lüste machen,

worüber auf dem Rasen Nymphen
schon despektierlich Nasen rümpfen.
Sie machte sich da günstig breit
für eines Baumes Brünstigkeit.

Denn triebhaft dieser Baum geriet
im Park aus seinem Raumgebiet.
So hat die Schur dem Baum geschadet,
und Aphrodite, schaumgebadet,

sah Baum und sich um Lust gebracht.
Doch bald hat ihre Brust gelacht,
denn lustvoll unterm Nabel, Ah ...
kommt ihr die Hand von Abel nah.

[Quadratschädel]

Fridolin, leider habe ich das Rezensionsraster für Gedichte jetzt erst gefunden und probiere mal aus, ob es brauchbar ist, meinen Spaß an deiner nackten Aphrodite fachgerecht zu würdigen.

1. - Aphrodite steckt nackt im Garten.  
   - Der Gärtner hat den Baum geschoren.
   - Kain und Abel sind vorerst inaktiv, stehen aber daneben.
   - Ein Baum.

2. Es handelt sich um eine äußere Handlung. Eine Entwicklung Aphrodites,  
    obwohl vermutlich aus standfestem Marmor (das Material ist nicht näher
    bezeichnet) ist erkennbar.

3. Es handelt sich um ein fünfstrophiges Jambus-Gedicht mit vier Versen
    à vier Hebungen im geschüttelten Paarreim.

4. Das Gedicht ist aus der Sicht einer dritten Person geschrieben. Die
    handelnden Personen sind der griechischen Mythologie entnommen
    (Aphrodite) sowie der Bibel (Kain und Abel), während der Gärtner
    vermutlich ein Schlossmuseumsangestellter der Gegenwart ist.

5. Das Thema ist frei erfunden, es findet sich weder in den griechischen
    Göttersagen noch in der Bibel. Die Einarbeitung ist als gelungen zu
    bezeichnen.

6. Es handelt sich um humoristische Lyrik.

7. Das Thema ist zwar nicht neuartig, aber in der geschüttelten Form neu
    für mich.

8. Ich habe den Text laut gelesen und das Versmaß erfasst.

9. Bei diesem Jambus-Gedicht handelt es um ein konstantes Metrum.
    Der Verfasser wechselt zwischen weiblichen und männlichen Kadenzen.

10. Der Rhythmus ist fließend. Enjambements sind nicht vorhanden.

11. Das Metrum ist mühelos durchgehalten. Füllwörter habe ich nicht
      bemerkt.

12. Das Gedicht ist im geschüttelten Paarreim geschrieben.

13. Zur Qualität wäre zu bemerken, dass die humorvolle Sicht des
      Verfassers durchgehend eingehalten wird. Die Originalität der Reime
      wird durch die Technik des Schüttelns außerordentlich unterstützt.

14. Es handelt sich um ein Gedicht mit 5 Strophen à 4 Versen.

15. Besondere Vers- oder Gedichtformen sind nicht erkennbar.

16. Eine Beziehung zum Beispiel zu Celans "Todesfuge" ist nicht erkennbar.

17. Die Form nimmt Bezug auf den Inhalt, einen Selbstzweck kann ich nicht
      erkennen.

18. Auffällig die eingedeutschte Schreibweise von Charme. Das Gedicht
      weist keinerlei Rechtschreib- bzw. Grammatikfehler auf.

19. Die Sprechweise würde ich als gepflegte Umgangssprache sehen.
      Sinnlose Wortwiederholungen habe ich nicht bemerkt, desgleichen nicht
      Gedankensprünge oder Klischeeformeln.

20. Der Klang ergibt sich aus einer gekonnten Mischung von weichen und
      harten, hellen und dunklen Vokalen. Das Gedicht weist keine Anaphern
      bzw. Stabreime auf.

21. Zum Bildhaften rechne ich die menschliche Verhaltensweise einer
      griechischen Göttin. Das Gedicht enthält keine Metaphern.

22.  Besondere Satz-, Gedanken- oder Klangfiguren sind mir nicht
       aufgefallen.

23.  Die Sprache ist nicht langweilig, guter Durchschnitt, weist aber keine
       besonderen Wendungen auf, sieht man von der Schütteltechnik ab.

24. Das Gedicht erfüllt den Zweck der Unterhaltung des Lesers.

25. Ungleichgewichte bezüglich Inhalt, Form und Sprache habe ich nicht
      bemerkt. In dieser Hinsicht halte ich das Gedicht für ausgewogen.

26. Die Umsetzung des Themas scheint mir hervorragend gelungen, das
      Gedicht ist originell und vielsagend.

27. Ich sehe das Gedicht als sehr gelungen an.

28. Das Gedicht ist in humorvollem Stil geschrieben, so kam es auch bei mir
      an, aber das ist natürlich meine ganz unmaßgebliche persönliche Sicht.

Kurz und gut:

Hat Spaß gemacht, Fridolin.

Der Quadratschädel

[Fridolin]

Hallo Quadratschädel,

ich muss dir ein großes Kompliment machen. Ich bin mit meinen Versen schon seit bald 15 Jahren im Internet unterwegs, aber so eine ausführliche, bis ins kleinste Detail gehende, fundierte Besprechung habe ich noch nie bekommen. Vielen Dank dafür. Zur Geschichte kann ich sagen, dass ich bei einem Besuch des Lapidariums in Stuttgart zu meinem Schüttelgedicht angeregt wurde. Dort gibt es viele Skulpturen in einer gepflegten Gartenlandschaft zu bewundern.

Liebe Grüße und bis zum nächsten Mal
Fridolin

[Quadratschädel]

Hallo Fridolin,

das Kritikmuster ist leider nicht auf meinem Mist gewachsen, aber es ist ein guter Anhaltspunkt, was man bei einer Kritik beachten sollte. Ich habe das Punkt für Punkt abgearbeitet, das nächste Mal im Fließtext.

Quadratschädel

[Michel]

Von mir gibt's leider keine so qualifizierte Rückmeldung. Ich habe sehr gelacht und stehe in Hochachtung vor dieser formal sorgfältig ausgearbeiteten und außerordentlich konsequent geschüttelten Aphrodite. Kompliment. Wo ist das Taschentuch? Muss die Lachtränen noch wegwischen ...

[Fridolin]

Hallo Michel,

hab Dank für deinen lobenden Kommentar und entschuldige die Verspätung. Seltsamerweise wurde die Benachrichtigungsmail an mich bei gmx in den spam-Ordner einsortiert, in den ich nicht ständig reinschaue.

LG Fridolin

[Michel]

Vielleicht ist GMX prüde - eine Aphrodite aktiviert da schon mal den Spamfilter ...