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Der Säugling


 
 
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MademoiselleCharlie
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen

Alter: 33
Beiträge: 31



Beitrag13.01.2016 15:35
Der Säugling
von MademoiselleCharlie
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Der 1. Teil meiner aktuellen Kurzgeschichte.

Ich bitte um absolute Herzlosigkeit. Danke! smile


Der Säugling

Als der Säugling beschloss zu sterben, lag der September in seinen letzten Zügen. Der Herbst hatte sich in diesem Jahr für einen frühen Einzug entschieden, und trieb Sturm um Sturm durch die Mauerschluchten Berlins. Ein Gebaren, das an den Bäumen der Stadt nicht spurlos vorbeiging. Auf dem Innenhof des Mehrfamilienhauses Nr. 6 ließ die 75jährige Kastanie ihre Früchte mit Vehemenz zu Boden krachen. Eine Vehemenz, welche die dort ansässigen Eltern dazu veranlasste ihren Kindern Fahrradhelme aufzuzwingen, sobald diese den begrünten Platz zu ihrem erklärten Ziel machten. In Nähe der Baumkrone kühlte eine junge Mutter ihre Stirn an der kalten Scheibe, ohne die Vorgänge unterhalb wirklich wahrzunehmen.
Ihre schlanken Finger umklammerten eine dampfende Tasse türkischen Kaffees und ergaben damit einen Kontrast zwischen oben und unten, der so markant war, wie die Kluft zwischen ihrem diesseitigen und ihrem jetzigen Leben. Denn im Gegensatz zu den anderen Eltern im Haus kämpfte sie nicht mit gemein gewordenen Kastanien, sondern mit Zahnschmerzen, die weder von Karies herrührten noch ihre Ursache in einer kürzlich stattgefundenen Extraktion fanden.
Er hatte wieder geschrien, die ganze Nacht hindurch. Und dieses Mal hatte er sich zu einer neuen Ebene der Bedürfnissanmeldung aufgeschwungen. Wäre sie musikalisch bewandert gewesen, sie hätte mit Sicherheit die Tonhöhe bestimmen können, derer er sich ab sofort bediente. Aber sie war nicht musikalisch bewandert, geschweige denn aktiv. Friederike Günther war Journalistin, zumindest ist sie das gewesen, bevor sie in den Mutterschutz gezwungen wurde. Sie hatte recherchiert, redigiert, geplant, erstellt und geschrieben. Sie hatte ihren Job geliebt.
Jetzt kämpfte sie mit vollen Windeln, wunden Brustwarzen und eben seinem Schreien.
Vor allem mit seinem Schreien.
Alfons schlief weder gut ein noch durch, war permanent unruhig und außerstande jegliche Art von Stille zu ertragen.
Er schrie.
Nach Nähe, nach ihrem Busen, ohne erkennbaren Grund.
Er schrie.
Mitunter stundenlang, ohne dass ein Ende in Sicht war.
Er schrie so bald sie ihn in seine Wiege legte und weit darüber hinaus. Pausen kannte er nicht, dafür zehnminütige Episoden der Ruhe, die jedoch nur der Täuschung dienten. Illusionskreierende Einheiten, die in Sicherheit wiegen sollten, bevor der Lärm von Neuem begann und zu einer Sinfonie der Unerträglichkeit anschwoll. Manchmal half es, ihn aufzunehmen und durch die Gegend zu tragen, La Li Lu zu singen und beruhigend auf ihn einzureden.
Manchmal war dafür einfach keine Kraft mehr.
So wie in der vergangenen Nacht. Vor Erschöpfung hatte sie ihn unsanft auf ihr Kopfkissen mit dem Blumenmuster fallen lassen, und sich über ihn gebeugt, beide Hände jeweils links und rechts neben dem windenden, kreischenden Köpfchen abgestützt. Sie war seit mehr als zwölf Stunden wach, sie konnte nicht mehr. Und so biss sie die Zähne zusammen, um nicht mitzuschreien, so fest, dass ihr gesamter Kopf zu vibrieren begann. Vor Wut und weil sie keinen anderen Ausweg wusste, um die aufsteigenden Aggressionen anders zu kompensieren. Stattdessen hatte sie gezischt: “Halt Deine Fresse, halt doch endlich Deine verdammte Fresse!“
Inzwischen war es zehn Uhr Morgens. Ruhe war in ihre neunundfünfzig Quadratmeter und Alfons entkräfteten Körper eingekehrt. Sie selbst hatte den toten Punkt überwunden, war nun aufgrund der Vielzahl verirrter Gedanken nicht im Stande Schlaf zu finden.
Sie hatte sich ihre Mutterschaft anders vorgestellt.
Mit einem Mann an ihrer Seite. Mit ihrem Mann an ihrer Seite.
Im ersten Moment war sie angesichts des zweiten Strichs auf dem Schwangerschaftstest zusammengezuckt. Doch dann folgte die Freude. Die Vorfreude auf ein Familienglück, wie jenes das sie erleben durfte, bevor ihre Mutter einem anderen Mann den Vorrang gab.
Nicht so Thomas. Sein entsetzter Blick verzerrte seine Züge, entstellte das sonst so schöne Gesicht.
Seine Erwiderung: Ein Keuchen.
„Ich dachte, Du hättest verhüttet!“
Du. Wie immer war sie diejenige, welche die Verantwortung trug. Sein Wohlbefinden, sein Sättigungsgefühl, seine Orgasmen. Von Anfang an oblag alles ihrer Pflicht.
„Du machst das weg.“, hatte er gesagt, und ihre Wohnung verlassen (Er bestand seit jeher auf seine eigenen vier Wände).
„Nein.“, hatte sie erwidert, da war die Tür schon seit zehn Minuten ins Schloss gefallen.
Er kam dann auch nicht mehr zurück, nachdem sie seiner Aufforderung Ende des dritten Monats immer noch nicht nachgekommen war. Stattdessen verschwand er in der Versenkung, reagierte weder auf Anrufe, noch auf SMS, noch auf den vierseitigen Brief, den sie ihm schrieb. Er war einfach ausgestiegen und hatte sie stehen lassen, wie einen Gebrauchtwagen, den er nach der Probefahrt nicht mehr kaufen wollte.
Als sie den fünften Monat erreichte, las sie in einem der sozialen Netzwerke, dass er inzwischen mit Leia Amidala zusammen war. Ein Todesstern hätte ihre Welt nicht besser zunichte machen können. Sie ist dumm gewesen, so derart auf eine spontane Meinungsänderung seinerseits gehofft zu haben. Das wusste sie inzwischen. Warum sollte eine Beziehung unter diesen Umständen auch weitergeführt werden, wenn von erstem überhaupt nicht ausgegangen werden konnte? Externen gegenüber hatte er das Wort nie in den Mund genommen.
Doch wie in derlei Situationen üblich, war ihr Herz immun gegen die Argumente der Ratio, und so blieb ihr statt des Mannes der Schmerz. Sie konnte sich kaum anders an die folgenden Monate erinnern, als in einem Taschentüchermeer Couch und Zeit abzuliegen, und um ihre enttäuschten Sehnsüchte zu weinen. Weil sie ihn trotz seiner Widrigkeiten liebte und weil er eine 27jährige vorzog, die sich mit Star-Wars-Pseudonym der Öffentlichkeit präsentierte.
Diese Beschäftigung mit ihrem Schmerz nahm sie in solchem Maße in Anspruch, dass sie ihr Kind darüber fast vollständig vergaß. Sie verschwendete keine Gedanken an Weitergang und Organisation ihres Lebens als alleinerziehende Mutter. Körperliche Beschwerden wurden verdrängt. Der Bauch mit den Shirts kaschiert, die Thomas bei ihr vergessen hatte.
Die gängige Omnipräsenz einer Schwangerschaft?
Sie blieb außerstande derartiges nachzuvollziehen, und gehörte wohl zu den wenigsten Frauen, die aus jenen neun Monaten mit einer Reduktion ihres Gewichts hervorgingen.
In dieser Zeit vermochte sie es, derlei Abwehrmechanismen noch ganz gut aufrechtzuerhalten. Und sie war zumindest nach außen hin fähig zu lächeln und Stärke vorzutäuschen, wenn Freundinnen sie zu den Vorsorgeterminen zwangen oder Babypartys organisierten.
Das war mit ihrem Dammriss Ende August endgültig vorbei.
/

12Wie es weitergeht »


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Tjana
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Beitrag13.01.2016 20:28
Re: Der Säugling
von Tjana
Antworten mit Zitat

Gerne gelesen, aber
ich finde nichts zu Meckern. Kann das sein?
Der erste Satz ist super, die Sprache knackig und nicht alltäglich, die Sätze eindeutig gut durchdacht. Ich will wissen, weshalb und wie der Säugling starb.

Ich finde nichts zu Meckern. Das kann doch nicht sein!? Na, vielleicht wenigstens das hier:


MademoiselleCharlie hat Folgendes geschrieben:
Kontrast zwischen oben und unten, der so markant war, wie die Kluft zwischen ihrem diesseitigen   > diesseits und jetzig erscheint mir gleich, zumindes zu ähnlich, damit irreführend.. und ihrem jetzigen Leben. Denn im Gegensatz zu den anderen Eltern im Haus kämpfte sie nicht mit gemein gewordenen Kastanien, sondern mit Zahnschmerzen, die weder von Karies herrührten noch ihre Ursache in einer kürzlich stattgefundenen Extraktion fanden.
Er hatte wieder geschrien, die ganze Nacht hindurch. Und dieses Mal hatte er sich zu einer neuen Ebene der Bedürfnissanmeldung aufgeschwungen. Wäre sie musikalisch bewandert gewesen, sie hätte mit Sicherheit die Tonhöhe bestimmen können, derer er sich ab sofort bediente. Aber sie war nicht musikalisch bewandert, geschweige denn aktiv. Friederike Günther war Journalistin, zumindest ist sie das gewesen, bevor sie in den Mutterschutz gezwungen wurde. Sie hatte recherchiert, redigiert, geplant, erstellt und geschrieben. Sie hatte ihren Job geliebt.
Jetzt kämpfte sie mit vollen Windeln, wunden Brustwarzen und eben seinem Schreien.
Vor allem mit seinem Schreien.
Alfons schlief weder gut ein noch durch, war permanent unruhig und außerstandeKomma jegliche Art von Stille zu ertragen.
Er schrie.
Nach Nähe, nach ihrem Busen, ohne erkennbaren Grund. >das sind doch zwei gute Gründe. Ev meinst du, er schrie auch, wenn er satt war und Nähe hatte?
Er schrie.
Mitunter stundenlang, ohne dass ein Ende in Sicht war.
Er schrie so bald sie ihn in seine Wiege legte und weit darüber hinaus. Pausen kannte er nicht, dafür zehnminütige Episoden der Ruhe, >das sind Pausen. Ev einfach umstellen: Die zehnminütigen Pausen dienten nur der Täuschung ... die jedoch nur der Täuschung dienten. Illusionskreierende Einheiten, die in Sicherheit wiegen sollten, bevor der Lärm von Neuem begann und zu einer Sinfonie der Unerträglichkeit anschwoll. Manchmal half es, ihn aufzunehmen und durch die Gegend zu tragen, La Li Lu zu singen und beruhigend auf ihn einzureden.
Manchmal war dafür einfach keine Kraft mehr.
So wie in der vergangenen Nacht. Vor Erschöpfung hatte sie ihn unsanft auf ihr Kopfkissen mit dem Blumenmuster fallen lassen, und sich über ihn gebeugt, beide Hände jeweils links und rechts neben dem windenden, kreischenden Köpfchen abgestützt. Sie war seit mehr als zwölf Stunden wach, sie konnte nicht mehr. Und so biss sie die Zähne zusammen, um nicht mitzuschreien, so fest, dass ihr gesamter Kopf zu vibrieren begann. Vor Wut und weil sie keinen anderen Ausweg wusste, um die aufsteigenden Aggressionen anders zu kompensieren. Stattdessen hatte sie gezischt: “Halt Deine Fresse, halt doch endlich Deine verdammte Fresse!“
Inzwischen war es zehn Uhr Morgens. Ruhe war in ihre neunundfünfzig Quadratmeter und Alfons entkräfteten Körper eingekehrt. Sie selbst hatte den toten Punkt überwunden, war nun aufgrund der Vielzahl verirrter Gedanken nicht im Stande Schlaf zu finden.
Sie hatte sich ihre Mutterschaft anders vorgestellt.
Mit einem Mann an ihrer Seite. Mit ihrem Mann an ihrer Seite.
Im ersten Moment war sie angesichts des zweiten Strichs auf dem Schwangerschaftstest zusammengezuckt. Doch dann folgte die Freude. Die Vorfreude auf ein Familienglück, wie jenes das sie erleben durfte, bevor ihre Mutter einem anderen Mann den Vorrang gab.
Nicht so Thomas. Sein entsetzter Blick verzerrte seine Züge, entstellte das sonst so schöne Gesicht.
Seine Erwiderung: Ein Keuchen.
„Ich dachte, Du hättest verhüttet!“
Du. Wie immer war sie diejenige, welche die Verantwortung trug. Sein Wohlbefinden, sein Sättigungsgefühl, seine Orgasmen. Von Anfang an oblag alles ihrer Pflicht.
„Du machst das weg.“, hatte er gesagt, und ihre Wohnung verlassen (Er bestand seit jeher auf seine eigenen vier Wände).
„Nein.“, hatte sie erwidert, da war die Tür schon seit zehn Minuten ins Schloss gefallen.
Er kam dann auch nicht mehr zurück, nachdem sie seiner Aufforderung Ende des dritten Monats immer noch nicht nachgekommen war. Stattdessen verschwand er in der Versenkung, reagierte weder auf Anrufe, noch auf SMS, noch auf den vierseitigen Brief, den sie ihm schrieb. Er war einfach ausgestiegen und hatte sie stehen lassen, wie einen Gebrauchtwagen, den er nach der Probefahrt nicht mehr kaufen wollte.
Als sie den fünften Monat erreichte, las sie in einem der sozialen Netzwerke, dass er inzwischen mit Leia Amidala zusammen war. Ein Todesstern hätte ihre Welt nicht besser zunichte machen können. Sie ist dumm gewesen, so derart auf eine spontane Meinungsänderung seinerseits gehofft zu haben. Das wusste sie inzwischen. Warum sollte eine Beziehung unter diesen Umständen auch weitergeführt werden, wenn von erstem überhaupt nicht ausgegangen werden konnte? Externen gegenüber hatte er das Wort nie in den Mund genommen.
Doch wie in derlei Situationen üblich, war ihr Herz immun gegen die Argumente der Ratio, und so blieb ihr statt des Mannes der Schmerz. Sie konnte sich kaum anders an die folgenden Monate erinnern, als in einem Taschentüchermeer  fehlt hier was? auf der Couch? Couch und Zeit abzuliegen, und um ihre enttäuschten Sehnsüchte zu weinen. Weil sie ihn trotz seiner Widrigkeiten liebte und weil er eine 27jährige vorzog, die sich mit Star-Wars-Pseudonym der Öffentlichkeit präsentierte.
Diese Beschäftigung mit ihrem Schmerz nahm sie in solchem Maße in Anspruch, dass sie ihr Kind darüber fast vollständig vergaß. Sie verschwendete keine Gedanken an Weitergang und Organisation ihres Lebens als alleinerziehende Mutter. Körperliche Beschwerden wurden verdrängt. Der Bauch mit den Shirts kaschiert, die Thomas bei ihr vergessen hatte.
Die gängige Omnipräsenz einer Schwangerschaft?
Sie blieb außerstande Komma derartiges nachzuvollziehen, und gehörte wohl zu den wenigsten  wenigen Frauen, die aus jenen neun Monaten mit einer Reduktion ihres Gewichts hervorgingen.
In dieser Zeit vermochte sie es, derlei Abwehrmechanismen noch ganz gut aufrechtzuerhalten. Und sie war zumindest nach außen hin fähig zu lächeln und Stärke vorzutäuschen, wenn Freundinnen sie zu den Vorsorgeterminen zwangen oder Babypartys organisierten.
Das war mit ihrem Dammriss Ende August endgültig vorbei.
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MademoiselleCharlie
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Beitrag14.01.2016 12:49

von MademoiselleCharlie
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Liebe Tjana,

hab vielen Dank dafür, das wird gleich alles eingearbeitet.

Ich würde mich freuen, wenn Du Dir auch den zweiten Teil noch ansehen könntest.

Liebe Grüße
Charlie


/
Das erste Gefühl das sie übermannte, als ihr die Hebamme das blutige Bündel auf den durchschwitzen Leib legte, ist nicht die viel gepriesene Mutterliebe gewesen.
Nein, es war der Schock.
Als hätte sie eine Mahnung erhalten, bei der der mehrstellige Betrag inzwischen verdreifacht worden ist, ohne dass sie in der Lage war, das Geforderte zu decken.
Sie war jetzt Mutter. Sie hatte ein Kind. Und – wie ihr mit einem Mal bewusst wurde – sie verfügte über keinerlei Rücklagen, dem gerecht zu werden.
Von den folgenden drei Tagen im Krankenhaus blieb ihr kein einziger im Gedächtnis.
Am späten Morgen des 29. August setzte sie ein Taxi vor ihrem Hauseingang ab. Ungesehen schlurfte sie die Treppenstufen nach oben in ihre Altbauwohnung, die mittlerweile einem Sozialkaufhaus glich – von der Wiege über die Wickelkommode bis hin zu den Bodys war alles gespendet. Selbst die Babyschale in ihrer Hand, die sie nun neben ihr ungemachtes Bett stellte, war die Gabe einer ehemaligen Kollegin.
Vor den zugezogenen Fenstern gab sich die Sonne großzügiger denn je.
Sie selbst ließ ihren demolierten Körper in die aufgewühlten Decken fallen.
Friederike wandte den Kopf in Richtung ihres schlafenden Sohns, der mit seinem eigenen zur Seite geneigten Köpfchen jedes andere Herz zum schmelzen gebracht hätte, und starrte ihn an.
Da war nichts. Keine Freude, kein Stolz. Statt einer Verbindung: Ein Meer aus Distanz (Passend zu dem atlantikblauen Stoff unter ihr).
Alfons schien sich dieser Tatsache nur zu bewusst zu sein. Er öffnete die Augen, fing ihren Blick auf und begann zu weinen. Und wie bereits bekannt, war dies nur der unheilvolle Auftakt einer noch unheilvolleren Zeit.
/
Es war, als holte er sich die Aufmerksamkeit zurück, die ihm während seines Heranreifens im Mutterleib verwehrt geblieben ist. Im Prinzip kannte sie ihren Sohn nicht anders, als mit hochrotem Gesicht und in die Luft gestreckten Fäustchen, mit zusammengekniffen Augen und einer senkrechten Falte zwischen den kaum vorhandenen Brauen. Ein hässliches kleines Ding, das mit seinem aufgerissenen, zahnlosen Kiefer für eine Geräuschkulisse sondergleichen sorgte. Ein schrilles Schreien, das durch Mark und Bein ging. Das den Takt vorgab, an den sie sich zu gewöhnen suchte. Einen Takt, der keine Metrik erkennen ließ.
An seiner statt wurde sie veranlasst aller zwei bis drei Stunden das Hemd aufzuknöpfen – irrelevant ob es vier Uhr Nachmittags war oder vier Uhr Morgens. Es brachte sie dazu, in unregelmäßigen Abständen die Wickelkommode aufzusuchen; mobilisierte ihre letzten Kräfte, wenn die Müdigkeit zu bleiern wog, als dass sie fähig war, ihren Couchtisch in Endlosschleife zu umrunden.
Und viel zu oft trieb es ihr die Tränen in die Augen, wenn sie ohnmächtig vor seiner Wiege stand, weil weder das Stillen, noch das Wickeln, noch das Umhertragen etwas genutzt hatten.
Friederike war außerstande zu sagen, ob sie ihren Sohn liebte oder nicht. Und seinen Reaktionen innerhalb der seltenen, ruhigen Wachphasen nach zu urteilen, war dies eine auf Gegenseitigkeit beruhende Unsicherheit. Ihrem Blick wich er konsequent aus, stattdessen wanderten seine trüben Augen unruhig umher, suchten das Weite und verharrten im Nichts. Ein Verhalten, das sie inzwischen übernommen hatte, so sehr erinnerten seine ständigen Grimassen an die Entgleisungen seines Vaters, als dieser von Alfons Zeugung erfuhr.
/
Alfons hatte ihr inzwischen unmissverständlich klar gemacht, welch' enorme Verantwortung, welche Aufopferungsbereitschaft ein Kind mit sich brachte. Und natürlich war ihr klar, dass es mit dem Überstehen des Babyalters nicht getan wäre.
Wie sollte sie das bewerkstelligen? Sie war doch selbst noch ein Kind, in so vielerlei Hinsicht.
Ihr eigenes Leben? Individualität? Persönlichkeitsentfaltung?
Dahin.
Wer weiß, vielleicht wäre ihre Sicht auf die Dinge nicht ganz so schwarz gefärbt gewesen, wenn der Schlafmangel nicht so chronisch vorgeherrscht hätte. So aber verspürte sie immer öfter das Verlangen mit dem Kopf an die nächste Wand zu rennen.
Ein Verlangen das sie niederrang, indem sie bewährte Methoden der Verdrängung wählte. Sie hatte begonnen vor dem Fernseher zu verkümmern. Vor Filmen und Serien, die ihren IQ spürbar sinken ließen, wobei sie wünschte, der Abspann möge nie auf dem Monitor erscheinen. Sie wollte nicht auftauchen, sie wollte nicht zurück in ihre Realität. Sie schaffte es ja kaum den Geschirrspüler zu befüllen, vom obligatorischen Wocheneinkauf mal ganz abgesehen.
Die Depression quoll aus jeder Pore ihres Seins, wenn sie den Kinderwagen mit schweren Schritten durch die Stadt schob, um Windeln und Feuchttücher zu besorgen. Dabei vermied sie den Blick in die reflektierenden Schaufenster, gleich den Spiegeln in Flur und Bad.
Wann sie das letzte mal gelacht hatte, wollte ihr nicht einfallen. Sie besaß nicht mal mehr den Mut ihre Mundwinkel probeweise zurückzuziehen, aus Angst dieselben könnten einreißen.
/
Manchmal kam ihre Mutter zu Besuch. Sie wusch Wäsche, gab ungebetene Ratschläge und hielt den Säugling liebevoller im Arm, als ihr eigenes Kind in zweiunddreißig Jahren. Dort war er ruhig, der kleine Verräter.
Freundinnen kamen nicht mehr. Sie war nicht mehr sie selbst, seit Alfons auf der Welt war.
Sie war kaum noch in der Lage die Tür zu öffnen oder Anrufe entgegenzunehmen, geschweige denn die eventuellen Motive „ihres Schreibabys“ zu erörtern. Mitleidsvolle Blicke machten ihr Kind auch nicht ruhiger.
Insgeheim war Friederike froh, dass sie wegblieben. Sie wussten der Verbesserungsvorschläge genug anzubringen. „Du musst mehr mit ihm reden, auf ihn eingehen.“, rangierte dabei auf Platz Eins.
Sie begriff ihre Intentionen, aber … Was sollte sie sagen?
Die einzige Interaktion zu der sie fähig war, bestand im Austausch trauriger Blicke. Und neuerdings auch im gegenseitigen Versuch einander lautstärkentechnisch zu übertrumpfen.
Sie schrie, weil er schrie und im Nachhinein tat es ihr Leid. Sie wusste nicht mehr wohin mit ihrer Verzweiflung; und erschrak vor der Grobheit, die sich mittlerweile etabliert hatte, wenn sie ihm das zufällig eingefangene Haar mit Brutalität aus den kleinen Fingern riss. Sie, die immer die Ruhe in Person gewesen ist, ein bisschen zu schüchtern nach Meinung ihrer Vorgesetzten; der in den Personalgesprächen stets angeraten wurde, mehr aus sich heraus zu kommen und zur Abwechslung mal hörbar in Erscheinung zu treten. Diese zierliche Person brüllte ihr vier Wochen altes Baby an, es solle augenblicklich aufhören so einen Lärm zu machen, wenn es nicht in der Badewanne ertränkt werden wollte.
Vor zwei Jahren hatte sie einen Artikel zum Thema Schütteltrauma verfasst. Sie wusste: Alfons war von dieser Diagnose nicht mehr weit entfernt.
/
Ja, es gab sie.
Die Ausnahmen, die Augenblicke des Friedens.
Zum Beispiel, wenn er nach dem Stillen an ihrer Schulter ruhte oder im Bett, auf ihrem Bauch, dem einzigen Ort an dem er wirklich in den Schlaf fand, in ihrer Nähe, mit ihrem Geruch.
Dann war alles still.
Und dann vermochte sie es tatsächlich ihn in Ruhe zu betrachten, ohne seine Existenz nur eine Sekunde lang zu verfluchen.
An diesem Septembertag, nach einer kürzeren Schreieinheit seinerseits, die mit intensivem Körperkontakt ihrerseits beigelegt werden konnte, kam es zu einem dieser Momente.
Er lag mit geschlossenen Augen in ihrem Arm. Sanft strich sie über seine Fontanelle. So ein unfertiges kleines Ding, so ein hilfloser Organismus, dachte sie. Was kann er für die Umstände in die er hineingeboren wurde?
Sie sah sie ihren Sohn an und zum ersten Mal galt ihr Mitleid nicht der eigenen Person.
Unten auf dem Hof platzten Kastanien aus grünen Mänteln, während Friederike mit dem nach wie vor ruhigen Alfons ihr Bett aufsuchte.
Sie hatte eine Entscheidung getroffen.
„Morgen rufe ich das Jugendamt an.“, flüsterte sie in seinen Haarflaum. „Ich hole uns Hilfe. Ich lasse Dich nicht länger allein.“
Dann legte sie ihn sanft auf das frisch gespannte Weiß, breitete ihre Daunendecke über den ihren und den seinen Körper aus und fand schneller in den Schlaf als gewohnt.
Der Säugling hatte nichts verstanden. Er rollte zum ersten Mal vom Rücken auf die Seite, nach rechts, dorthin wo keine Matratze, kein Kissen mehr war.
(Ja, er drehte sich, auch wenn Säuglinge in diesem Alter nicht einmal im Stande sind, ihren Kopf selbstständig zu halten. Später im Gerichtssaal schwor sie, dass es so gewesen sein musste.)
Seine Mutter hörte den dumpfen Aufprall nicht, sie drehte sich zur anderen Seite.
Sie schlief so tief, so fest, so gut, wie seit seiner Geburt nicht mehr.

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Beitrag14.01.2016 13:46

von Tjana
Antworten mit Zitat

Moin,
noch mal kurz zu Teil I

Zitat:
Er schrie so bald sie ihn in seine Wiege legte und weit darüber hinaus. Pausen kannte er nicht, dafür zehnminütige Episoden der Ruhe, >das sind Pausen. Ev einfach umstellen: Die zehnminütigen Pausen dienten nur der Täuschung ... die jedoch nur der Täuschung dienten.


Ich meinte natürlich Episoden, nicht noch einmal Pausen  sorry

Im zweiten Teil fallen mir mehr "Fehler" auf. Hast du den wesentlich schneller geschrieben?
Mal sehen, ob ich heute noch dazu komme
LGT


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Beitrag14.01.2016 15:10
Re: Der Säugling
von Legende
Antworten mit Zitat

MademoiselleCharlie hat Folgendes geschrieben:

Als der Säugling beschloss zu sterben, lag der September in seinen letzten Zügen. Der Herbst hatte sich in diesem Jahr für einen frühen Einzug entschieden, und trieb Sturm um Sturm durch die Mauerschluchten Berlins. Ein Gebaren, das an den Bäumen der Stadt nicht spurlos vorbeiging. Auf dem Innenhof des Mehrfamilienhauses Nr. 6 ließ die 75jährige Kastanie ihre Früchte mit Vehemenz zu Boden krachen. Eine Vehemenz, welche die dort ansässigen Eltern dazu veranlasste ihren Kindern Fahrradhelme aufzuzwingen, sobald diese den begrünten Platz zu ihrem erklärten Ziel machten. In Nähe der Baumkrone kühlte eine junge Mutter ihre Stirn an der kalten Scheibe, ohne die Vorgänge unterhalb wirklich wahrzunehmen.
Ihre schlanken Finger umklammerten eine dampfende Tasse türkischen Kaffees und ergaben damit einen Kontrast zwischen oben und unten, der so markant war, wie die Kluft zwischen ihrem diesseitigen und ihrem jetzigen Leben. Denn im Gegensatz zu den anderen Eltern im Haus kämpfte sie nicht mit gemein gewordenen Kastanien, sondern mit Zahnschmerzen, die weder von Karies herrührten noch ihre Ursache in einer kürzlich stattgefundenen Extraktion fanden.

Er hatte wieder geschrien, die ganze Nacht hindurch. Und dieses Mal hatte er sich zu einer neuen Ebene der Bedürfnissanmeldung aufgeschwungen. Wäre sie musikalisch bewandert gewesen, sie hätte mit Sicherheit die Tonhöhe bestimmen können, derer er sich ab sofort bediente. Aber sie war nicht musikalisch bewandert, geschweige denn aktiv. Friederike Günther war Journalistin, zumindest ist sie das gewesen, bevor sie in den Mutterschutz gezwungen wurde. Sie hatte recherchiert, redigiert, geplant, erstellt und geschrieben. Sie hatte ihren Job geliebt.
Jetzt kämpfte sie mit vollen Windeln, wunden Brustwarzen und eben seinem Schreien.
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Alfons schlief weder gut ein noch durch, war permanent unruhig und außerstande jegliche Art von Stille zu ertragen.
Er schrie.
Nach Nähe, nach ihrem Busen, ohne erkennbaren Grund.
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Mitunter stundenlang, ohne dass ein Ende in Sicht war.
Er schrie so bald sie ihn in seine Wiege legte und weit darüber hinaus. Pausen kannte er nicht, dafür zehnminütige Episoden der Ruhe, die jedoch nur der Täuschung dienten. Illusionskreierende Einheiten, die in Sicherheit wiegen sollten, bevor der Lärm von Neuem begann und zu einer Sinfonie der Unerträglichkeit anschwoll. Manchmal half es, ihn aufzunehmen und durch die Gegend zu tragen, La Li Lu zu singen und beruhigend auf ihn einzureden.

Manchmal war dafür einfach keine Kraft mehr.
So wie in der vergangenen Nacht. Vor Erschöpfung hatte sie ihn unsanft auf ihr Kopfkissen mit dem Blumenmuster fallen lassen, und sich über ihn gebeugt, beide Hände jeweils links und rechts neben dem windenden, kreischenden Köpfchen abgestützt. Sie war seit mehr als zwölf Stunden wach, sie konnte nicht mehr. Und so biss sie die Zähne zusammen, um nicht mitzuschreien, so fest, dass ihr gesamter Kopf zu vibrieren begann. Vor Wut und weil sie keinen anderen Ausweg wusste, um die aufsteigenden Aggressionen anders zu kompensieren. Stattdessen hatte sie gezischt: “Halt Deine Fresse, halt doch endlich Deine verdammte Fresse!“
Inzwischen war es zehn Uhr Morgens. Ruhe war in ihre neunundfünfzig Quadratmeter und Alfons entkräfteten Körper eingekehrt. Sie selbst hatte den toten Punkt überwunden, war nun aufgrund der Vielzahl verirrter Gedanken nicht im Stande Schlaf zu finden.
Sie hatte sich ihre Mutterschaft anders vorgestellt.
Mit einem Mann an ihrer Seite. Mit ihrem Mann an ihrer Seite.
Im ersten Moment war sie angesichts des zweiten Strichs auf dem Schwangerschaftstest zusammengezuckt. Doch dann folgte die Freude. Die Vorfreude auf ein Familienglück, wie jenes das sie erleben durfte, bevor ihre Mutter einem anderen Mann den Vorrang gab.
Nicht so Thomas. Sein entsetzter Blick verzerrte seine Züge, entstellte das sonst so schöne Gesicht.
Seine Erwiderung: Ein Keuchen.
„Ich dachte, Du hättest verhüttet!“

Besonders den Anfang deiner Geschichte fand ich sehr vergnüglich, der obige Teil hat mir am meisten gefallen. Dann standen eher die Probleme im Mittelpunkt. Später gab es wieder einige lustige Elemente. Aber ich fand alles sehr gut geschrieben. Vielleicht solltest du mal versuchen eine Geschichte zu schreiben, die durchgehend so humorvoll geschrieben ist, wie in diesem Zitat. Das würde bestimmt auch anderen Leuten gut gefallen.
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Beitrag14.01.2016 15:44

von MademoiselleCharlie
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@Tjana

Ich habe wohl vor allem bei der Überarbeitung geschludert. Nach dem ersten Teil ist meine Konzentration immer ein bisschen weg gewesen. wink

@Legende

So habe ich das noch gar nicht gesehen. Also, dass es als "lustig" betrachtet werden könnte. Danke, ich werde auf jeden Fall darüber nachdenken. smile


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Beitrag14.01.2016 15:44

von Tjana
Antworten mit Zitat

So, dann greife ich mal nach meinen bunten Pinseln  Laughing

MademoiselleCharlie hat Folgendes geschrieben:


/
Das erste Gefühl Komma das sie übermannte, als ihr die Hebamme das blutige Bündel auf den durchschwitzen Leib legte, ist nicht die viel gepriesene Mutterliebe gewesen.
Nein, es war der Schock.
Das klingt sehr distanziert, dabei willst du doch nah an Friederike und ihrer Verzweiflung sein. Ich möchte dir nicht allzu sehr in deinen Stil hineinreden, deshalb verstehe insbesondere alles Violette   bitte nur als Vorschlag:
Das erste Gefühl, das sie übermannte, als ihr die Hebamme das blutige Bündel auf den durchschwitzen Leib legte, war Schock, nicht die viel gepriesene Mutterliebe.
oder
Als ihr die Hebamme das blutige Bündel auf den durchschwitzen Leib legte, erwachte nicht die erhoffte, viel gepriesene Mutterliebe. Nein, das erste Gefühl, das sie übermannte, war ein Schock. Sie war jetzt Mutter ...
Als hätte sie eine Mahnung erhalten, bei der der mehrstellige Betrag inzwischen verdreifacht worden ist, ohne dass sie der Lage war, das Geforderte zu decken.
Sie war jetzt Mutter. Sie hatte ein Kind. Und – wie ihr mit einem Mal bewusst wurde – sie verfügte über keinerlei Rücklagen, dem gerecht zu werden. Hier schließt sich der vorige Satz mit der Mahnung ME besser an.
Von den folgenden drei Tagen im Krankenhaus blieb ihr kein einziger im Gedächtnis.
Am späten Morgen des 29. August setzte sie ein Taxi sie vor ihrem Hauseingang ab. Ungesehen  ist es wichtig, dass niemand sie sieht? Wie wär's mit müde? schlurfte sie die Treppenstufen nach oben in ihre Altbauwohnung, die mittlerweile einem Sozialkaufhaus glich – von der Wiege über die Wickelkommode bis hin zu den Bodys war alles gespendet. Selbst die Babyschale in ihrer Hand, die sie nun neben ihr ungemachtes Bett stellte, war die Gabe einer ehemaligen Kollegin.  
Vor den zugezogenen Fenstern gab sich die Sonne großzügiger denn je.
 Friederike  > Namen und "sie" getauscht, erscheint mir flüssiger selbst ließ ihren demolierten Körper in die aufgewühlten Decken fallen.
 Sie wandte den Kopf in Richtung ihres schlafenden Sohns, der mit seinem eigenen zur Seite geneigten Köpfchen sicherlich  > sie kann es ja nur vermuten, nicht wissen jedes andere Herz zum schmelzen gebracht hätte, Punkt und Sie starrte ihn an.  
Da war nichts. Keine Freude, kein Stolz. Statt einer Verbindung:  Doppelpunkt hier unschön, und die Klammern auch. Vorschlag:
Statt einer Verbindung nur ein Meer aus Distanz, und der Gedanke hatte nichts mit dem atlantikblauen Stoff unter ihr zu tun.

Ein Meer aus Distanz (Passend zu dem atlantikblauen Stoff unter ihr).
Alfons schien sich dieser Tatsache welcher? Distanz? Meer? Bettwäsche? nur zu bewusst zu sein. Er öffnete die Augen, fing ihren Blick auf  das können 4 Tage alte Babies noch nicht. Um das Bild zu erhalten, vielleicht: schien ihren Blick aufzufangen und ...und begann zu weinen. Und wie bereits bekannt, war dies nur der unheilvolle Auftakt einer noch unheilvolleren Zeit.
/
Es war, als holte er sich von nun an die Aufmerksamkeit zurück, die ihm während seines Heranreifens im Mutterleib verwehrt geblieben ist. Im Prinzip kannte sie ihren Sohn nicht anders, als mit hochrotem Gesicht und in die Luft gestreckten Fäustchen, mit zusammengekniffen Augen und einer senkrechten Falte zwischen den kaum vorhandenen Brauen. Ein hässliches kleines Ding, das mit seinem aufgerissenen, zahnlosen Kiefer für eine Geräuschkulisse sondergleichen sorgte. Ein schrilles Schreien, das Friederike durch Mark und Bein ging. Das den Takt vorgab, an den sie sich zu gewöhnen suchte. Einen Takt, der keine Metrik erkennen ließ.
An seiner die Metrik, also ihrer statt wurde sie veranlasst aller zwei bis drei Stunden das Hemd aufzuknöpfen – irrelevant ob es vier Uhr Nachmittags war oder vier Uhr Morgens. Es wer ist hier "es"? Noch die Metrik, das Geschrei oder das Kind?  brachte sie dazu, in unregelmäßigen Abständen die Wickelkommode aufzusuchen; mobilisierte ihre letzten Kräfte  zu mobilisieren, wenn die Müdigkeit zu bleiern wog, als dass sie fähig war, ihren Couchtisch in Endlosschleife zu umrunden. Ich weiß, dass du meinst, mit Alfons an der Schulter ... zu umrunden. Aber um das Bild rund klingen zu lassen, sollte ein Zusatz hinein
Und viel zu oft trieb es ihr die Tränen in die Augen, wenn sie ohnmächtig vor seiner Wiege stand, weil weder das Stillen, noch das Wickeln, noch das Umhertragen etwas genutzt hatten. Bin grad unsicher. Müsste es bei dieser Art der Aufzählung nicht im Singular bleiben, also hatte?
Friederike war blieb > um zu zeigen, dass sich auch nach Tagen/Wochen nichts geändert hat außerstande zu sagen, ob sie ihren Sohn liebte oder nicht. Und seinen Reaktionen innerhalb der seltenen, ruhigen Wachphasen nach zu urteilen, war dies eine auf Gegenseitigkeit beruhende Unsicherheit. Ihrem Blick wich er konsequent aus, stattdessen wanderten seine trüben Augen unruhig umher, suchten das Weite und verharrten im Nichts. Ein Verhalten, das sie inzwischen übernommen hatte, so sehr erinnerten seine ständigen Grimassen an die Entgleisungen seines Vaters, als dieser von Alfons Zeugung erfuhr.
/
Alfons  meinst du hier wirklich das Kind, oder das Leben mit Alfons? hatte ihr inzwischen unmissverständlich klar gemacht, welch' enorme Verantwortung, welche Aufopferungsbereitschaft ein Kind mit sich brachte. Und natürlich war ihr klar, dass es mit dem Überstehen des Babyalters nicht getan wäre.
Wie sollte sie das bewerkstelligen? Sie war doch selbst noch ein Kind, in so vielerlei Hinsicht.
Ihr eigenes Leben? Individualität? Persönlichkeitsentfaltung?
Dahin.
Wer weiß, vielleicht wäre ihre Sicht auf die Dinge nicht ganz so schwarz gefärbt gewesen, wenn der Schlafmangel nicht so chronisch vorgeherrscht hätte. So aber verspürte sie immer öfter das Verlangen Komma mit dem Kopf an die nächste Wand zu rennen.
Ein Verlangen Komma  das sie niederrang, indem sie bewährte Methoden der Verdrängung wählte. Sie hatte begonnen Komma vor dem Fernseher zu verkümmern  schönes Wort, aber das macht man nicht absichtlich, deshalb hier wohl nicht so treffend. Vor Filmen und Serien, die ihren IQ spürbar sinken ließen, wobei sie  sich aber dennoch wünschte, der Abspann möge nie auf dem Monitor erscheinen. Sie wollte nicht auftauchen, sie wollte nicht zurück in ihre Realität. Sie schaffte es ja kaum den Geschirrspüler zu befüllen, vom obligatorischen Wocheneinkauf mal ganz abgesehen.
Die Depression quoll aus jeder Pore ihres Seins, wenn sie den Kinderwagen mit schweren Schritten durch die Stadt schob, um Windeln und Feuchttücher zu besorgen. Dabei vermied sie den Blick in die reflektierenden Schaufenster, gleich den Spiegeln in Flur und Bad.
Wann sie das letzte mal gelacht hatte, wollte ihr nicht einfallen. Sie besaß nicht mal mehr den Mut ihre Mundwinkel probeweise zurückzuziehen, aus Angst dieselben unschön. > sie könnten einreißen.
/
Manchmal kam ihre Mutter zu Besuch. Sie wusch Wäsche, gab ungebetene Ratschläge und hielt den Säugling liebevoller im Arm, als ihr eigenes Kind in zweiunddreißig Jahren. Dort war er ruhig, der kleine Verräter.
Freundinnen kamen nicht mehr.
Der Satz von etwas weiter unten schließt hier besser an: Insgeheim [color=orange]war Friederike froh, dass sie wegblieben.[/color]
Sie war nicht mehr sie selbst, seit Alfons auf der Welt war. Um die vielen "war" zu reduzieren, hier vielleicht mit Komma weiter? ..., kaum noch in der Lage ...
Sie war kaum noch in der Lage die Tür zu öffnen oder Anrufe entgegenzunehmen, geschweige denn die eventuellen Motive „ihres Schreibabys“ zu erörtern. Mitleidsvolle Blicke machten ihr Kind auch nicht ruhiger.
(Insgeheim war Friederike froh, dass sie wegblieben. )Sie wussten der Verbesserungsvorschläge genug anzubringen.
Ich mag kaum noch benutzte Worte und Sätze sehr, aber hier wirkt es gestelzt. Das kannst du besser!

 „Du musst mehr mit ihm reden, auf ihn eingehen.“, rangierte dabei auf Platz Eins.
Sie begriff ihre Intentionen, aber … Was sollte sie sagen?
Die einzige Interaktion zu der sie fähig war, bestand im Austausch trauriger Blicke. Und neuerdings auch im gegenseitigen Versuch einander lautstärkentechnisch zu übertrumpfen. Hier verliert sich dein Stil zwischen zwei Fremdworten, (die das schnelle Auge zudem als zu ähnlich erfasst: Inten- /Inter-) und dem abrupt umgangssprachlichen  Wortlautstärketechnisch.
Sie schrie, weil er schrie und im Nachhinein tat es ihr Leid. Sie wusste nicht mehr wohin mit ihrer Verzweiflung; und erschrak vor der Grobheit, die sich mittlerweile etabliert hatte, wenn sie ihm das zufällig eingefangene Haar mit Brutalität aus den kleinen Fingern riss. Sie, die immer die Ruhe in Person gewesen ist, ein bisschen zu schüchtern nach Meinung ihrer Vorgesetzten; der in den Personalgesprächen stets angeraten wurde, mehr aus sich heraus zu kommen und zur Abwechslung mal hörbar in Erscheinung zu treten. Diese zierliche Person brüllte ihr vier Wochen altes Baby an, es solle augenblicklich aufhören so einen Lärm zu machen, wenn es nicht in der Badewanne ertränkt werden wollte.
Vor zwei Jahren hatte sie einen Artikel zum Thema Schütteltrauma verfasst. Sie wusste: Alfons war von dieser Diagnose nicht mehr weit entfernt.
/
Ja, es gab sie.
Die Ausnahmen, die Augenblicke des Friedens.
Zum Beispiel, wenn er nach dem Stillen an ihrer Schulter ruhte oder im Bett, auf ihrem Bauch, dem einzigen Ort an dem er wirklich in den Schlaf fand, in ihrer Nähe, mit ihrem Geruch.
Dann war alles still.
Und dann vermochte sie es  ihn tatsächlich ihn in Ruhe zu betrachten, ohne seine Existenz nur eine Sekunde lang zu verfluchen. Die Ruhe reicht, schafft ein Bild. Unterbrich es nicht mit der (unnötigen) Sekunde
An diesem Septembertag, nach einer kürzeren Schreieinheit seinerseits, die mit intensivem Körperkontakt ihrerseits beigelegt werden konnte, kam es zu einem dieser Momente.  Hmm, ich mag auch Schachtelsätze gern, aber an dieser Stelle lässt er mich stolpern und greift das schöne ruhige Bild an. Seinerseits und ihrerseits klingt so protokolliert distanziert. Vorschlag:
An diesem Septembertag  kam es zu einem dieser Momente. Es war Friederike gelungen, eine kürzere Schreieinheit mit intensivem Körperkontakt beizulegen. Alfons lag ...
Er lag mit geschlossenen Augen in ihrem Arm. Sanft strich sie über seine Fontanelle. So ein unfertiges kleines Ding, so ein hilfloser Organismus, dachte sie. Was kann er für die Umstände in die er hineingeboren wurde?
Sie sah sie ihren Sohn an und zum ersten Mal galt ihr Mitleid nicht der eigenen Person.
Unten auf dem Hof platzten Kastanien aus grünen Mänteln, während Friederike mit dem nach wie vor ruhigen Alfons ihr Bett aufsuchte.
Sie hatte eine Entscheidung getroffen.
„Morgen rufe ich das Jugendamt an.“, flüsterte sie in seinen Haarflaum. „Ich hole uns Hilfe. Ich lasse Dich nicht länger allein.“
Dann legte sie ihn sanft auf das frisch gespannte Weiß, breitete ihre Daunendecke über den ihren und den seinen Körper über ihrer beider Körper? aus und fand schneller in den Schlaf als gewohnt.
Der Säugling hatte nichts verstanden. Er rollte zum ersten Mal vom Rücken auf die Seite, nach rechts, dorthin Komma wo keine Matratze, kein Kissen mehr war.
(Ja, er drehte sich, auch wenn Säuglinge in diesem Alter nicht einmal im Stande sind, ihren Kopf selbstständig zu halten. Später im Gerichtssaal schwor sie, dass es so gewesen sein musste.)
Seine Mutter hörte den dumpfen Aufprall nicht, sie drehte sich zur anderen Seite.
Sie schlief so tief, so fest, so gut, wie seit seiner Geburt nicht mehr.


Ufff
Ist doch recht viel geworden. Hoffentlich kannst du was damit anfangen.

Immer noch gern gelesen. Und schön, wie du den Leser mit den offenen Fragen (und Vermutungen) zurück lässt Daumen hoch²
LGT


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MademoiselleCharlie
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Beitrag14.01.2016 15:49

von MademoiselleCharlie
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Viiiielen Dank, liebe Tjana, für Deine Mühe!

Ich werde mich dann gleich ransetzen. smile


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Tjana
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Beitrag14.01.2016 15:56
Re: Der Säugling
von Tjana
Antworten mit Zitat

Legende hat Folgendes geschrieben:

Besonders den Anfang deiner Geschichte fand ich sehr vergnüglich, der obige Teil hat mir am meisten gefallen. Dann standen eher die Probleme im Mittelpunkt. Später gab es wieder einige lustige Elemente. Aber ich fand alles sehr gut geschrieben. Vielleicht solltest du mal versuchen eine Geschichte zu schreiben, die durchgehend so humorvoll geschrieben ist, wie in diesem Zitat. Das würde bestimmt auch anderen Leuten gut gefallen.


Da kann man mal wieder sehen, wie unterschiedlich Texte gelesen, bzw. aufgefasst werden können.
Ich fand die Geschichte alles andere als "vergnüglich". Aber vielleicht erreichen mich Problemgedanken einfach schneller? hmm


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rieka
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Beiträge: 816



Beitrag14.01.2016 16:25

von rieka
Antworten mit Zitat

Ich schalte mich jetzt doch mal ein, obwohl ich im Moment auf die Schnelle nichts zur Textkorrektur beitragen kann.
Ich hatte mich, obwohl interessiert gelesen, zurückgehalten mit dem Antworten, weil ich zum genauen Nachschauen nicht komme.
Diese Geschichte finde ich aufgrund ihrer Realitätsnähe und lebendigen Beschreibung beeindruckend.
Ich freue mich immer wieder, wenn sich eine Autorin an das ganz reale Grauen des Alltags heranwagt.
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hobbes
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Beitrag14.01.2016 20:19

von hobbes
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Hallo MademoiselleCharlie,

vorab: ich hab die anderen Kommentare nur überflogen, kann also gut sein, dass ich irgendwas wiederhole, was schon gesagt wurde.

Ich hab den ersten Teil gern gelesen, und das, obwohl ich da durchaus noch Feinschliff-Potential sehe. Meistens klicke ich in solchen Fällen ziemlich schnell weg, das war hier nicht so.
Beim zweiten Teil ließ meine Konzentration aber immer mehr nach, bis ich irgendwann dann doch weg war.
Ich denke mal, das kam daher, dass ich den Eindruck hatte, du wiederholst dich. Ja, sie schafft es nicht mehr, ja, er zehrt an ihren Nerven - das ist mir zu ausufernd, wiederholt sich, da kommt für mich nichts neues und folglich schweife ich ab.

So viel zum Leseeindruck, in Sachen Feinschliff nehme ich mal den ersten Absatz als Beispiel. Der mir im übrigen an sich gut gefällt, ich hör ja schon gegensätzliche Stimmen - bah, Umgebungsbeschreibung, wen interessiert das, komm doch mal zur Sache - mir gefällt's smile

Der erste Satz ist natürlich auch prima, allerdings würde ich da schon mit dem Wörter umstellen anfangen, nämlich derart
Zitat:
Als der Säugling beschloss zu sterben beschloss, lag der September in seinen letzten Zügen.
Zitat:
Auf dem Innenhof des Mehrfamilienhauses Nr. 6 ließ die 75jährige Kastanie ihre Früchte mit Vehemenz zu Boden krachen.

Hier gefällen mir die Ziffern nicht. Auch die Nummer (Nr.) würde ich ausschreiben, vielleicht sogar den Straßennamen mit dazunehmen. Und bei der 75jährigen habe ich sofort eine alte Frau vor Augen, das führt mich auf die falsche Fährte, so dass ich total irritiert bin, als plötzlich von einem Baum die Rede ist. Ich glaube, wenn du "fünfundsiebzig Jahre alte" schreiben würdest, wäre das nicht ganz so schlimm, allerdings frage ich mich gerade, ob und warum du die Zahl überhaupt brauchst.
Zitat:
Eine Vehemenz, welche die dort ansässigen Eltern dazu veranlasste ihren Kindern Fahrradhelme aufzuzwingen, sobald diese den begrünten Platz zu ihrem erklärten Ziel machten.

Welche gefällt mir vom Klang her auch überhaupt gar nicht. Die die ist natürlich noch schlimmer, aber vielleicht den Satz so umstellen, so dass du keins von beiden benötigst?
Und "zu ihrem erklärten Ziel machten" geht auch gar nicht, finde ich. Warum nicht "zu ihrem Ziel erklärten"? Das machte passt so gar nicht zur Eleganz der umgebenden Sprache.
Ach ja, nach veranlasste würde ich ein Komma setzen.

So könnte ich jetzt noch ein bisschen weitermachen, will ich aber nicht, denn ich denke, auch im ersten Teil könnte der Text noch ein bisschen Straffung vertragen.
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Murmel
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Beitrag15.01.2016 00:47

von Murmel
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Ich finde den ersten Teil gut geschrieben und habe auch nichts weiter zu meckern (ok, das eine oder andere Wort, was soll's). Der zweite Teil dagegen sackt ab, das Lamento zieht sich hin, vielleicht könntest du etwas kürzen.

Zitat:
Alfons schien sich dieser Tatsache nur zu bewusst zu sein. Er öffnete die Augen, fing ihren Blick auf und begann zu weinen. Und wie bereits bekannt, war dies nur der unheilvolle Auftakt einer noch unheilvolleren Zeit.

Dies ist der auktoriale Erzähler, und er erzählt ironisch. Du wirst dich entscheiden müssen, ob du ernst oder ironisch schreiben willst.

Zitat:
Sie sah sie ihren Sohn an und zum ersten Mal galt ihr Mitleid nicht der eigenen Person.

Dieser Satz ist ein Wendepunkt, obwohl ich nun gern gewusst hätte, ob ihr das bewusst war, oder ob das nur der auktoriale Erzähler weiß.
 
Zitat:
Der Säugling hatte nichts verstanden. Er rollte zum ersten Mal vom Rücken auf die Seite, nach rechts, dorthin wo keine Matratze, kein Kissen mehr war.

Anfangs gibst du an, dass er sterben wollte. Es wird ihm zu viel geworden sein, und nun will sie ihn abschieben. Trotzdem könntest du das klarer ausdrücken oder den Satz, dass er nichts verstanden hatte, weglassen.

Stirbt ein Säugling, wenn er vom Bett rollt?


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Tjana
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Beitrag15.01.2016 01:14

von Tjana
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Zitat:
Stirbt ein Säugling, wenn er vom Bett rollt?

Darüber habe ich bei meinem Kommentar auch nachgedacht.  hmm

Vielleicht, wenn das Bett hoch genug und der Fußboden hart genug ist. Aber: Kommt es wirklich immer 1:1 auf die Realität an? Wenn man den Eingangssatz bedenkt - welche Möglichkeiten hätte er?
Nahrungsverweigerung? Das Atmen einstellen? Wäre mir zu platt und würde auch zu viele medizinische Möglichkeiten eröffnen. Dann nehme ich doch lieber ein Szenario, das überrascht, auch wenn es "in echt" nur mit
Zusatzüberlegung funktioniert.


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Constantine
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Beitrag15.01.2016 11:18

von Constantine
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Halllo MademoiselleCharlie,

du hast bereits einiges an hilfreichen Kommentaren und Verbesserungsvorschlägen erhalten.

Ich möchte einen Eindruck da lassen:
Für mich ist die Erzählstimme in sich nicht konsistent.
Du beginnst mit einem spannenden ersten Satz. Du weckst Interesse, aber der erste Satz als solches macht für mich wenig Sinn.

Zitat:
Als der Säugling beschloss zu sterben, lag der September in seinen letzten Zügen.

Von der Erzählstimme, wird der Säugling später Alfons genannt. Ich würde im ersten Satz "der Säugling" durch Alfons ersetzen, denn der Erzähler weiß, dass der Säugling Alfons heißt, warum ihn nicht auch von Anfang an benennen? Der Erzähler weiß mehr, und mit manchen Einschüben deutet er auf Ereignisse hin, wie z.B. eine Gerichtsverhandlung, oder auch den Tod des Säuglings, wodurch du als Schreiberin den Leser bei der Stange hältst.
Dieses "beschloss zu sterben" deutet für mich an, etwas über das "Innenleben" des Säuglings zu erfahren, eventuell mehr aus der Sicht des Säuglings erzählt zu bekommen. Dies findet nicht wirklich statt. Stattdessen ist Friederike mehr oder weniger die Hauptprotagonistin. Über sie erfahre ich sehr viel. Über den Säugling und seine Motivation an sich kaum etwas. sicherlich, er schreit, weil er ihre Nähe möchte, weil er ihr eine Lehre erteilen möchte, sich mehr um ihn zu kümmern und ihm Liebe zukommen zu lassen, die er im Mutterleib vermisst hat, usw. . Aber dies erklärt mir die Aussage des Erzählers, Alfons "beschloss zu sterben" nicht, weil mir der Säugling im Vergleich zu Friederike zu fern, zu distanziert ist.
Der Säugling tut dies
Zitat:
Der Säugling hatte nichts verstanden. Er rollte zum ersten Mal vom Rücken auf die Seite, nach rechts, dorthin wo keine Matratze, kein Kissen mehr war.

und tot ist er.
Sein Beschluss zu sterben, weil Friederike Hilfe vom Jugendamt wollte, verstehe ich nicht und kommt für mich nicht rüber, wie der vier Wochen alte Säugling irgendwas verstanden haben könnte.
Vielleicht verstehe ich auch den Erzähler nicht. Er kommt mir zynisch vor und vielleicht ist dieser Beschluss auch nicht als eine Aktion des Säuglings gemeint, sondern als eine zynische Äußerung gedacht: Der Säugling beschloss zu sterben.

Der erste Satz endet mit einer Monatsangabe zur jahreszeitlichen Einordnung und danach folgt für mich ein Exkurs in Beschreibungen der Umgebung und der Wohnsiedlung bis zur erst namenlosen jungen Mutter an der Fensterscheibe, die beim Heranzoomen Friederike "wird" und ihre Geschichte wird erzählt.
Wenn du den ersten Satz weglassen würdest, würde das Heranzoomen viel besser für mich passen. In dieser Form passt der erste Satz für mich nicht. Du nimmst ein Ereignis vorweg, zoomst dann so weit raus mit Jahreszeit und Umgebung und namenloser Mutter und zoomst dann wieder so rein, dass für mich bereits von Anfang an einiges nicht passt.

Zitat:

Denn im Gegensatz zu den anderen Eltern im Haus kämpfte sie nicht mit gemein gewordenen Kastanien, sondern mit Zahnschmerzen, die weder von Karies herrührten noch ihre Ursache in einer kürzlich stattgefundenen Extraktion fanden.
Er hatte wieder geschrien, die ganze Nacht hindurch. Und dieses Mal hatte er sich zu einer neuen Ebene der Bedürfnissanmeldung aufgeschwungen. Wäre sie musikalisch bewandert gewesen, sie hätte mit Sicherheit die Tonhöhe bestimmen können, derer er sich ab sofort bediente. Aber sie war nicht musikalisch bewandert, geschweige denn aktiv. Friederike Günther war Journalistin, zumindest ist sie das gewesen, bevor sie in den Mutterschutz gezwungen wurde. Sie hatte recherchiert, redigiert, geplant, erstellt und geschrieben. Sie hatte ihren Job geliebt.
Jetzt kämpfte sie mit vollen Windeln, wunden Brustwarzen und eben seinem Schreien.
Vor allem mit seinem Schreien.

Du schreibst flüssig und verpackst Infodump, in dem du dich geschickt von Punkt zu Punkt hangelst, um dort anzukommen, wohin du eigentlich wolltest. Dennoch frage ich mich, der Kampf der anderen Eltern mit Kastanien und deiner Prota mit Zahnschmerzen zum Kampf mit Windeln, wunden Brustwarzen und dem Schreien, wozu diese Wiederholung? Wozu die Zahnschmerzen, die im weiteren Verlauf keine Bedeutung haben, denn das Schreien des Säuglings ist das breite Thema?
Wozu die Musikalität um dann kurz über Friederikes Beruf zu informieren, welches (bisher in den beiden Teilen) keinerlei Relevanz hatte und ich auch nicht sehe, dass ihre journalistischen Fähigkeiten oder irgendwelche Arbeitskollegen wichtig für die Handlung wären?
Ich finde, nach diesen Exkursen bekommst du deine Geschichte besser in den Griff, auch wenn erzählerische Unterschiede zwischen den beiden Teilen bestehen und du schauen könntest, ob du nicht einiges aus Teil 1 doch eher in Teil 2 unterbringst oder umgekehrt.

Noch etwas:
Aus Teil 1
Zitat:
So wie in der vergangenen Nacht. Vor Erschöpfung hatte sie ihn unsanft auf ihr Kopfkissen mit dem Blumenmuster fallen lassen, und sich über ihn gebeugt, beide Hände jeweils links und rechts neben dem windenden, kreischenden Köpfchen abgestützt. Sie war seit mehr als zwölf Stunden wach, sie konnte nicht mehr. Und so biss sie die Zähne zusammen, um nicht mitzuschreien, so fest, dass ihr gesamter Kopf zu vibrieren begann. Vor Wut und weil sie keinen anderen Ausweg wusste, um die aufsteigenden Aggressionen anders zu kompensieren. Stattdessen hatte sie gezischt: “Halt Deine Fresse, halt doch endlich Deine verdammte Fresse!“
Inzwischen war es zehn Uhr Morgens. Ruhe war in ihre neunundfünfzig Quadratmeter und Alfons entkräfteten Körper eingekehrt. Sie selbst hatte den toten Punkt überwunden, war nun aufgrund der Vielzahl verirrter Gedanken nicht im Stande Schlaf zu finden.


Der direkte Anschluss des Tages aus Teil 2:
Zitat:
An diesem Septembertag, nach einer kürzeren Schreieinheit seinerseits, die mit intensivem Körperkontakt ihrerseits beigelegt werden konnte, kam es zu einem dieser Momente. <-- hatte sie ihn da nicht angeschrieen, die Fresse zu halten? So wie es hier steht, habe ich entweder etwas überlesen oder der Erzähler meint dies eher ironisch oder der Erzähler erzählt eine andere Begebenheit.
Er lag mit geschlossenen Augen in ihrem Arm. Sanft strich sie über seine Fontanelle. So ein unfertiges kleines Ding, so ein hilfloser Organismus, dachte sie. Was kann er für die Umstände in die er hineingeboren wurde?
Sie sah sie ihren Sohn an und zum ersten Mal galt ihr Mitleid nicht der eigenen Person.
<-- dieser Wechsel im Ton kommt für mich überraschend. Passt für mich nicht, im Vergleich zur Situation, die im ersten Teil beschrieben worden ist.
Unten auf dem Hof platzten Kastanien aus grünen Mänteln, während Friederike mit dem nach wie vor ruhigen Alfons ihr Bett aufsuchte.
Sie hatte eine Entscheidung getroffen.


Der Übergang von der Situation aus Teil 1 zur Situation aus Teil 2, könnte mMn deutlicher ausgearbeitet werden. Du hast zwar eine lange Rückblende, der Erzähler verdeutlicht ihre wirren Gedanken mit der erklärenden Rückblende und ihr jetziges "Sortieren", wodurch sie aus der Wut und Aggression des ersten Teils "plötzlich" in ein Im-Arm-Liegen mit Alfons, Sanftheit und Mitleid übergeht.
Aufgrund der getroffenen Entscheidung scheint sie dann doch wie ein Stein einschlafen zu können, nach dem sie wegen der Vielzahl verirrter Gedanken aus Teil 1 nicht im Stande war Schlaf zu finden?

Und du hast von der Überleitung her vorher dies geschrieben:
Zitat:
Ja, es gab sie.
Die Ausnahmen, die Augenblicke des Friedens.
Zum Beispiel, wenn er nach dem Stillen an ihrer Schulter ruhte oder im Bett, auf ihrem Bauch, dem einzigen Ort an dem er wirklich in den Schlaf fand, in ihrer Nähe, mit ihrem Geruch.
Dann war alles still.
Und dann vermochte sie es tatsächlich ihn in Ruhe zu betrachten, ohne seine Existenz nur eine Sekunde lang zu verfluchen.
An diesem Septembertag, nach einer kürzeren Schreieinheit seinerseits, die mit intensivem Körperkontakt ihrerseits beigelegt werden konnte, kam es zu einem dieser Momente.

um den Frieden einkehren zu lassen. Aber so recht, mag dies für mich nicht funktionieren. Nicht, nach dem recht "intensiven" oder eher  "übertriebenen ersten Teil:
Zitat:
Alfons schlief weder gut ein noch durch, war permanent unruhig und außerstande jegliche Art von Stille zu ertragen.
Er schrie.
Nach Nähe, nach ihrem Busen, ohne erkennbaren Grund.
Er schrie.
Mitunter stundenlang, ohne dass ein Ende in Sicht war.

Das alles ist mir zu konstruiert, als dass es flüssig in den Gesamtzusammenhang und -ablauf passt.



Frage:
Zitat:
(Ja, er drehte sich, auch wenn Säuglinge in diesem Alter nicht einmal im Stande sind, ihren Kopf selbstständig zu halten. Später im Gerichtssaal schwor sie, dass es so gewesen sein musste.)

Bezugnehmend auf den ersten Satz, wo du den Tod des Säuglings vorwegnimmst, streust du hier ein kommendes Ereignis, eine Gerichtsverhandlung, und ihre Aussage ein. Wozu?
Wozu die Schreibweise in Klammern? Wozu brauchst du diese Infos?


Soweit einige Gedanken von mir zu deiner Geschichte. Vielleicht ist etwas Hilfreiches dabei.

LG,
Constantine
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MademoiselleCharlie
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Beitrag15.01.2016 11:59

von MademoiselleCharlie
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Wow, Danke an

@Rieka @Hobbes @Murmel und @Constantine

Mit so viel Feedback habe ich gar nicht gerechnet. rotwerd

Alles sehr gute Einwände, die für die nächste Überarbeitung hilfreich sein werden.


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Jenni
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Das goldene Aufbruchstück Die lange Johanne in Gold


Beitrag15.01.2016 12:50

von Jenni
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Hallo MademoiselleCharlie,

ich finde deinen Text sehr interessant, das Thema und die Art, wie du es erzählst. Ich stimme der Einschätzung zu, dass der Text von starker Straffung profitieren würde, und diesbezüglich wurde ja schon hilfreich Textarbeit gemacht, weshalb ich mir Details jetzt spare(n darf).

Ich möchte aber etwas zu dieser ironisch überhöhten Erzählweise sagen und zu ein paar Einwänden, die ich nicht teile. Ich verstehe den Text so, dass die Mutter trotz und wegen ihren Alters und Bildungsgrades (weshalb ich ihre berufliche und soziale Vorgeschichte definitiv nicht entbehrlich finde) von der Situation mit ihrem Kind komplett überfordert ist, dass sie dem Säugling Vorwürfe dafür macht, sich jedoch zugleich sehr bewusst über deren Absurdität ist - und dass dieser Zwiespalt darin gipfelt, dass sie ihn sterben lässt (durch Unterlassung oder aktives Handeln, das bleibt unklar) und ihm zugleich und, analog seiner "Schuld" an ihren Schwierigkeiten, den Wunsch zu sterben zuschiebt sowie das Herbeiführen seines Todes. Sich damit praktisch vor sich selbst rechtfertigt. Insofern finde ich diese Erzählweise grundsätzlich passend, weil sie für mich ihre Verzweiflung und Verleugnung transportiert. Ich habe das auch gar nicht als auktorial erzählt aufgefasst, denn die "Gedanken" des Kindes sind ihre Interpretation und die überhöhte Ausformulierung der Beobachtungen nach meinem Verständnis ihrer Denkweise als Journalistin geschuldet, das Distanzierte ihrem Versuch, sich von ihren eigenen Gefühlen zu distanzieren - oder was war da deine Intention? Du solltest den Ton jedoch soweit entschärfen, als Du m.E. tatsächlich teilweise ins Komische abdriftest.

Den ersten Satz finde ich toll, und der Säugling sollte m.E. an dieser Stelle auch anonym "der Säugling" bleiben, weil du der Diskrepanz dessen sonst die Schärfe nimmst. Ich finde es auch richtig, zuletzt in einem Nebensatz auf die Gerichtsverhandlung hinzuweisen, klarzustellen, dass die letzten Ereignisse ihre Schilderung zu ihrer Verteidung sind. Den Satz "Ja, er drehte sich, auch wenn Säuglinge in diesem Alter nicht einmal im Stande sind, ihren Kopf selbstständig zu halten." empfinde ich allerdings auch als Fremdkörper, vielleicht könntest du ihn ersetzen, indem du noch einmal sein Alter einfließen lässt, à la "So rollte er mit seinen kaum vier Wochen vom Rücken auf die Seite ..." - sollte das die Glaubhaftigkeit nicht (zusammen mit dem Einschub, so werde sie es später darstellen) ausreichend in Frage stellen?
"Der Säugling hatte nichts verstanden" soll bedeuten, dass er den Sinneswandel der Mutter nicht verstanden hat und sich deshalb sein "Entschluss" manifestiert, oder? Die Mutter glaubt vielleicht selbst nicht mehr daran, dass ihre Situation zu retten ist?
Ich würde evtl. noch vorschlagen, das Jugendamt durch eine Familienberatungsstelle zu ersetzen, weil Jugendamt aufgrund gewisser Vorurteile leicht so klingen kann, als wolle sie das Kind loswerden und nicht sich Unterstützung holen.

VG Jenni
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Beitrag16.01.2016 13:05

von MademoiselleCharlie
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Danke @Jenni für Deine Einschätzung.

Du hast das alles sehr gut erfasst.
Ich finde es interessant, dass viele meinen Schreibstil (nicht nur in dieser Geschichte) als distanziert bezeichnen. Das nehme ich beim Schreiben gar nicht so wahr, kann es aber im Nachhinein gut erkennen - wenn es mir gesagt wird. Die Frage ist nur, inwieweit das gut ist. Rolling Eyes   

Zitat:
Du solltest den Ton jedoch soweit entschärfen, als Du m.E. tatsächlich teilweise ins Komische abdriftest.


Kannst Du mir da ein, zwei Beispiel nennen?


Deinen Einwand mit dem Jugendamt finde ich ebenfalls hilfreich. Ich bin Sozialarbeiterin, deswegen assoziiere ich damit natürlich andere Sachen als Menschen, die nicht all zu viel mit dieser Einrichtung zu tun haben.


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Beitrag16.01.2016 14:45

von Murmel
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Es kommt sehr darauf an, was du mit dem Jugendamt wolltest. Ich interpretiere dies in Loswerden wollen, zur Adoption freigeben, sich von ihm befreien lassen. Das passt sehr gut mit der Lösung am Ende.

Der Eindruck des auktorialen Erzählers kommt durch die zynisch/ironischen Einschübe zustande. Sollten das ihre Gedanken sein und du ihre Distanz zu ihrem Kind zeigen willst, solltest du dir den Gebrauch seines Namens überhaupt überlegen.

Als Mutter spielt die Todesart für mich sehr wohl eine Rolle, die Frage ist, wie viel du offen legen willst. Dazu könnte der Einschub in Klammern helfen.


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Beitrag16.01.2016 22:35

von firstoffertio
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Spannend und eindringlich geschrieben finde ich das. Jedoch immer eine gewisse Distanz des Erzaehlers, die vielleicht fast in Richtung, ja, wie nennt man das?, gehen koennte?

Das gipfelt fuer mich hier:

An diesem Septembertag, nach einer kürzeren Schreieinheit seinerseits, die mit intensivem Körperkontakt ihrerseits beigelegt werden konnte,
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DieGunkel
Geschlecht:weiblichLeseratte

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Beiträge: 142
Wohnort: Zwischen Pegnitz und Regnitz


Beitrag17.01.2016 18:28

von DieGunkel
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Hallo MademoiselleCharlie,
ich habe nicht alle Kommentare gelesen.
Deine nicht "alltägliche" Geschichten hat mich sehr berührt. Ich erinnere mich an die Zeit, als die Meinen Babys waren und wie ich mich gefühlt habe. Du hast die Situation lebensnah geschildert. Respekt!
Mich stören der erste Satz, dass der Säugling beschließt zu sterben, genauso wie der der Schluss. Ein Baby stirbt in der Regel nicht, wenn es aus dem Bett rollt. Außerdem bin ich der Meinung, es muss gar kein "weiteres" Drama passieren. Die Geschichte ist ohne das "rund", warum ein krasses Ende?
LG
Gunkel
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