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Neulich im Supermarkt


 
 
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Stagepilot
Geschlecht:männlichWortedrechsler
S

Alter: 55
Beiträge: 50
Wohnort: SüdSuedWest


S
Beitrag20.12.2015 10:04
Neulich im Supermarkt
von Stagepilot
eBook pdf-Datei Antworten mit Zitat

Meine Lieben!

Als Neuling möchte ich meinen Einstand zum Besten geben und bedanke mich jetzt schon für eure Geduld.

Kommt meine Intention rüber? Ich will einerseits erheitern, insbesondere den meisten von uns sehr vertrauten Situationen reagieren (teilweise unerwartet) andererseits die Realität nicht verschweigen, polarisieren mit Humor und Skurilitäten aller Art.   
Für eure Rückmeldung wäre ich euch sehr dankbar, ihr dürft, sollt, müsst (ich liebe Modalverben) nicht mit Kritik geizen. Gerne konstruktiv, destruktiv, kreativ, tief oder oberflächlich. Bin auf euer Feedback gespannt.


Es geht los...

Gestern zur besten Nachfeierabendzeit gegen 18 Uhr bildete sich an der Kasse die übliche Warteschlange. „Nach dem Feierabend ist vor dem Festabend“, krächzt es aus dem Werbelautsprecher der Verkaufsstätte. Ein stets nörgelndes Kind bringt zum Ausdruck, was viele denken: „Spam mich nicht voll!“, denn der Marktleiter mutiert spontan zum selbst erkorenen Werbetexter und beginnt gerade erst die Angebote der Woche in übertriebenen Floskeln den Leuten ins Ohr zu leiern (zu suggerieren könnte auch passen). Welch eine wichtige Aufgabe!
 
Die polnische Kassiererin wurde zeitgleich nervös. Mittlerweile wuchs die Schlange um acht Leute an. Etwas unbeholfen verlässt sie ihren Kassenbereich, hievt den Körper mit ein paar Pfunden zu viel, mühsam aus der ihr vertrauten Sicherheitszone und keift im schrillen Ton quer durch den Laden: „Hal-looooo“ - keine Reaktion vom anderen Ende des circa 150 Meter langen, monoton wirkenden Ganges. Ein erneuter Ruf: „Hallo, Sie da, - ja Sie mit die Dose. Ich habe abgezogen schon, kommen bitte zu Kasse“. Es dauert weitere 30, vielleicht auch 40 Sekunden. Die Schlange zählt mittlerweile neun Wartende. Ein unangenehmer Typ grummelt etwas vor sich hin.
Eine beleidigt wirkende circa 59,3-Jährige Frau drängelt sich mit einer Dose Sauerkraut bewaffnet, entlang der Wartenden Meute vorbei. Schließlich kommt sie noch voller Atem und Energie an der Kassenzone an, wo sich die vollschlanke Kassiererin mittlerweile wieder mühsam in den viel zu engen Bereich der vertrauten Theke zurück zwängte. Der grummelnde Mann wird lauter: „Das darf doch nicht wahr sein.“, monologisiert er. Ich denke mir:“ Doch so kurz vor Weihnachten, darf es das!“. Die abgerundet geschätzte 59-Jährige erfährt nun im stark gefärbten und dennoch klar verständlichen Akzent die Endsumme ihrer spärlichen Einkäufe und entgegnet ungefragt: “Die andere Dose war offen, kaputt, diese ist ganz“, während sie weitere 30 Sekunden lang in ihrer rosa Kuh befleckten Geldbörse herum stochert, um die restlichen ungeraden Klimpergeldmünzen hervor zu kramen.
Ein junger Bursche kommentiert den Sachverhalt mit den Worten: „ Ja, das ist aber auch eine Frechheit von den Supermarktbetreibern immer so ungerade Beträge zu erfinden, das macht es dem Bezahler nur noch schwerer“. (oder klingt zahlungswilligem Kunden besser??)
Tech Nick nickt zustimmend vom Plakat des Fachmarktes der gegenüberliegenden Seite die Situation ab (mit Untertitel: Neue Preise, abgenickt von Tech Nick). Während ich meine Spontanäußerung nicht mehr zurück halten kann: “Ach wissen Sie, lassen Sie sich doch ruhig noch ein wenig Zeit. Alle hier in der Schlange warten doch gerne. Der hart arbeitende Mensch im Blaumann hat genauso wenig sinnvolles zu tun wie wir alle hier. Wollen Sie nicht noch eine weitere Dose suchen? Die ältere Dame an vierter Position dieser Kleindemo ist Ihnen mit Sicherheit dabei behilflich und der Storemanager erklärt sich bestimmt auch gerne bereit, noch einen Rundgang durchs Lager zu vollziehen“.
Es folgt keine Reaktion, so als sei sie plötzlich ertaubt. Schließlich bezahlt sie und benötigt weitere 45 Sekunden, um ihre Einkäufe gemütlich einzusacken, so als ob es die normalste Sache der Welt wäre. Der wütende Kommentator an 7. Position der mittlerweile auf 11 Personen angewachsenen Warteschlange wird energischer:“Das geht überhaupt nicht, haben Sie sonst noch Hobbies?“
Mittlerweile wittert eine andere Kundin mit dem Vornamen Else, die Chance sich geschickt,  vorzudrängeln, indem sie sich ans Ende der Einpackzone stellt und wild gestikulierend mit ihrem Weihnachtsstern aufgeregt der Polin vor der Nase rumfuchtelt und fragt ob sie mal eben die Blume abscannen könne.
„So was von raffiniert hab ich noch nicht erlebt“, kommentiert die Dame an 8. Position die neue Situation. Die Kassiererin erwidert, dass noch ein viel schöneres Exemplar weiter hinten im Regal stehe und ermöglicht somit geschickt die Fortsetzung des Kassenbetriebs und verhindert dadurch den Schlangenwuchs auf Position 12 gerade noch. ((oder wäre hier die Kassiertätigkeit und das Anwachsen der Schlange die passendere Formulierung??))

Da ich mir stets beim Einkaufen Gedanken mache und meine Spielchen genieße (ich mustere die Wartenden und rate insgeheim welcher Profession sie wohl nachgehen. Der Jüngling an 6. Position taxiert die Frau an 2. so als ob er das nicht zum ersten Mal täte. Bestimmt arbeitet er im Horizontalen Gewerbe. Wenn noch Zeit ist, gebe ich passende Spitznamen, wie sie kein Fellini-Film besser erfinden könnte und rechne mittlerweile auf den Cent exakt die Endsumme meiner übersichtlichen Einkäufe zusammen. Bummel-Omma ist fertig, zumindest physisch, die anderen psychisch.
Was will man mehr? Hier gibt es Menschenkenntnisschulung, Gedächtnistraining und Kommunikation nonverbal und verbal – das alles gratis, wofür andere Menschen viel Geld bezahlen, um beispielsweise in einer Theateraufführung nur einen geringen Part der Quintessenz dessen zu erleben, was sich an der Vorweihnachtskasse zur besten Einkaufszeit abspielt. Herrlich diese gewollte personelle Unterbesetzung einerseits und diese fantastischen Menschen andererseits.
Wenn ich Regisseur wäre, würde ich sofort fragen, wo  man solch gute Schauspieler eigentlich noch findet. Sodann würde ich die Gage erhöhen und eine Überlänge produzieren.

Die Realsatire nähert sich dem Ende, denn gleich bin ich der nächste Kunde, dessen Waren lieblos und mechanisch-routiniert auf das Kassenband über den monoton klingenden Scanner gezogen werden (auch da gibt es von Supermarkt zu Supermarkt unterschiedliche Töne, "ein Fall für Wetten dass...", denke ich, als es endlich losgeht).
Solchen Luxus wie Angrußformeln aller Art, werden selbstverständlich ausgelassen, denn Zeit ist ja Geld. Denn jedes zweisilbige „Hallo“ oder gar dreisilbige „Guten Tag“ dauert, rechnet man es auf einen Tagesöffnungszeitraum hoch, mindestens fünf wertvolle Minuten und stört die Konzentration auf das Wesentliche erheblich. Aus Unternehmersicht eine durchaus lohnende Etappe der Zeitersparnis, die selbstverständlich noch weiter optimiert wird, indem auch die Schlussformel selbstredend eingespart wird. „Auf wiedersehen“ hat immerhin vier Silben und würde eine Lüge implizieren, denn der Kassiererin kann nicht an einem wieder sehen ernsthaft gelegen sein, zumal die wenigsten ihrer nörgelnden Kundschaft überhaupt merklich in ihr Blickfeld rücken.
Hier zählt nur das mechanische, emotionslose Abfertigen und die harten Fakten. Am Ende des Tages muss der Umsatz stimmen, da kommt es auf die Befindlichkeiten der kaufenden Bevölkerung genauso wenig an, wie die Energie-zerrende, womöglich gekünstelte Floskeln formulierender Verkäuferinnen. Denn für schauspielerische Auftritte wird sie nicht bezahlt. Und verlangt man von ihr Höflichkeit, dann kommt sie womöglich noch auf die Idee für dieses humane Upgrade-Verhalten eine Gehaltserhöhung einzufordern. Sie soll Kasse machen, sonst nicht.

Nach gefühlten 20 Minuten heiterer Warterei kommt es zum Highlight des Tages. Selbstredend halte ich den zu erwartenden Endbetrag unlängst passend in der Hand und wieder einmal der Jackpotgedanke: „Hoffentlich korrekt gerechnet!?“.
Trifft dies zu, so gleicht dies einer Wette gegen mich selbst. Gewinne ICH, kann ich mit gutem Gefühl über meine funktionierenden Synapsen triumphierend nach Hause schlendern. Verliere I C H, indem ich mich um ein paar Cent verrechne, so geht der Fehlbetrag ins Sparschwein über, was selten genug vorkommt.
Unwägbarkeiten, wie etwa nicht oder falsch bepreiste Artikel oder Obst und Gemüse, welches erst an der Kasse gewogen wird, bedeuten für mich eine gerade noch zulässige Fehlertoleranz von +- 10% des Schätzwerts.

Völlig irritiert zählt die Kassiererin, mit solch einer Spontanreaktion eines Turbo-Kunden nicht erwartete Verhalten,  jeden Cent genau ab und kommt zu dem Fazit: „Stimmt“ (immerhin einsilbig und die gesparte Zeit muss ja wieder raus gehauen werden, wobei eine Floskel „Stimmt genau“ wiederum Luxus wäre).
Der Ausdruck des Kassenbelegs erfolgt mittlerweile automatisch, ebenso wie der neutrale Gesichtsausdruck der Bedienerin der selbigen.  Der Bon muss nicht mehr zeitaufwändig nachgefordert werden, wie dies noch vor kurzem der Fall war. Solch unflätiges Kunden-Verhalten trat in Zeiten der Haushaltsbuch-führenden Bevölkerung immer wieder auf. Der Einspareffekt des Papiers der Bonrolle steht in keinem Verhältnis, gemessen an der Wertigkeit und der zeitlichen Handlung, die mit der Übergabe des Kassenbelegs (wie es im Fachdeutsch heißt) steht.

Welch ein Happening!! Denn schließlich bin ich auch ein schneller Einpacker und verstaue das letzte Lebensmittel zeitgleich mit Übergabe des Bons in meinen Rucksack. Den Bon übernehme ich mit links, während ich mit rechter Hand mein Behältnis mit der kostbaren Fracht schließe. Auch ich muss meine Energie schonen und erwidere die nicht formulierte Abschiedsformel gleichfalls mit einem spiegelverhaltenen nichtssagenden Gesichtsausdruck. Schwungvoll fällt die Fracht auf meinen Rücken, während ich mich zügigen Schrittes zum angeleinten Fahrrad begebe. Denn einen Hund kann ich mir nicht leisten.
So radel ich nachdenklich nach Hause.


Was liest sich besser: Präteritum oder Präsens? – hab mal beide Varianten in der Kostprobe stellenweise bewusst vereint.

Würdet ihr meinen typischen – ich nenn es mal "Autorendialekt" oder
"Wiedererkennungsfaktor"  drin lassen oder soll ich „normal“ schreiben?

Mehr Absätze oder so belassen? Was ist euch sonst noch aufgefallen?

Michael



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Du sollst nicht übermäßig fressen, saufen, spielen: Schreib und lass die Verben tanzen!🤸
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Bonston
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Alter: 33
Beiträge: 28
Wohnort: Neuseeland


B
Beitrag20.12.2015 11:10

von Bonston
Antworten mit Zitat

So ich darf den Gefallen schneller erwidern als gedacht.

Ich schreibe die Antwort gerade per Handy was es was schwierig macht sehr detailliert auf den Text einzugehen, aber ich gebe mein Bestes.

Ich bin ein großer Freund von Satirik und mag die Idee und den grundsätzlichen Stil deiner Geschichte sehr. Allerdings finde ich, dass du hier viel Potential hast, das du nicht ausschöpfst. Ich finde, dass manche Sätze und Satzbauten ein wenig zu viel des Guten sind und mich eher aus dem Geschehen heraus reißen. Das mag meine persönliche Präferenz sein, ich habe das Gefühl einer Vorgabgsbeschreibung beizuwohnen, was vielleicht auch deine Intention war, für mich ist das jedoch hinderlich und steht im starken Kontrast zu dem Inhalt der ja Spontanität und Situationskomik suggerieren soll.

Sei flapsiger in den Sätzen, lass Füllworte weg und ich persönlich würde Präsenz benutzen. Versuch die Leute in der Schlange zum Beispiel statt Person an Position X einfacher zu benennen. Einfach nur als Nummer 5 oder als Frau 4 und Herr 5. Thema, Intention und Situation finde ich super, auch dein Dialekt passt vollkommen aber irgendwie ist mir an vielen Stellen die Beschreibung der Situation entweder zu kompliziert oder zu sachlich um den Humor zu 100% zu transportieren.

Es ist jetzt nicht so wirklich detailliert auf Textpassagen zugeschnitten aber besser geht es am Handy leider nicht :/

Ähnlich wie mein Text wird deiner sicherlich noch einige Überarbeitungen erhalten, denke du bist auf einem guten Weg smile [/quote]
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Stagepilot
Geschlecht:männlichWortedrechsler
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Alter: 55
Beiträge: 50
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S
Beitrag20.12.2015 11:28

von Stagepilot
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Danke schon mal für den Ersteindruck. Vieles sehe ich genauso. Meiner Meinung nach bin ich eher ein Präsens-Schreiber, auch wenn die meisten Romane im Präteritum verfasst wurden.
Tatsächlich bevorzuge ich sonst auch weniger Füllwörter und mehr Dialog. Die Handlung ist durchaus noch ausbaufähig. Dachte daran noch eins drauf zu setzen und tatsächlich den Marktleiter an der Kasse auftauchen zu lassen, nachdem er die Leute zugetextet hat. Jeder erwartet, dass er Kasse 2 endlich öffnet. Statt dessen führt er tatsächlich Trödel-Omma erstmal durch den Laden. Als er mit ihr zurückkommt hat sich eine enorme Polonaisetruppe gebildet, die nun erstmal eine Runde durch den Markt ziehen, um den Kunstbaum herum tänzelnd in eher karnevalistischer Manier (oder wäre das zu kitschig?). Der Wortwitz soll im Unerwarteten zum Ausdruck kommen alles eingerahmt in einer realistischen Situation (die Kassiererin bleibt konstant und die anderen Figuren übertreiben und setzen noch eins drauf).
Die Nennung der Positionen werde ich überdenken, vielleicht eine Mischung aus Nicknames (statt ausufernder Figurbeschreibungen wie man es oft in Romanen zu oft liest), Nummern (was ja Sachlichkeit und die sterile Atmosphäre implizieren soll) und Verhaltensmuster (die im echten Supermarkt niemand an den Tag legen würde, hier aber ausdrücklich gewünscht ist). Die Supermarktszene ist nur ein Teil des Ganzen. Der Prota erlebt weitere (gesellschaftskritische) Situationen, die sich reziprok verhalten (das eine nimmt Bezug zum anderen, damit ein roter Faden entsteht).


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Graven
Geschlecht:weiblichEselsohr


Beiträge: 281



Beitrag21.12.2015 00:09

von Graven
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Hallo Stagepilot,

Ich sitze gerade in Doha auf dem Flughafen und warte auf meinen Anschlussflug. Also nur ganz kurzes Feedback.

Sag mal, kochst Du manchmal? Wirfst Du dann wahllos alle Gewürze, die Du im Schrank findest, ins Essen? Smile und zwar nach dem Motto: Mehr ist besser?
Was ich sagen will, Adjektive und ähnliches Gesindel. Streiche mindestens zwei Drittel davon weg. Bitte.

P.S. Muss es übrigens eine Polin sein? Rolling Eyes  Ich bin auch eine - schlank und zart. Würde fünf mal hinter die Kasse passen. Kannst Du nicht lieber eine Engländerin nehmen? Wohow

Übrigens, Präsens oder Präterium, wenn es gut geschrieben ist, ist es mir egal.

Liebe Grüße
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Aranka
Geschlecht:weiblichBücherwurm
A


Beiträge: 3106
Wohnort: Umkreis Mönchengladbach
Lezepo 2017 Pokapro und Lezepo 2014



A
Beitrag21.12.2015 00:35

von Aranka
Antworten mit Zitat

Hallo Michael,

du bittest um ein ehrliches, kritisches und konstruktives Feedback. Ich werde es versuchen und sage gleich zu Beginn, es ist mein Leseempfinden und meine Einschätzung, nicht mehr und nicht weniger. Was du damit anfängst, liegt in deiner Hand.

Du sagst, du willst erheitern, polarisieren mit Humor und Skurrilität. Da kann ich es kurz machen:
Das, was da vielleicht skurril an der Realität in diesem Supermarkt ist, zerschreibst du durch eine Überhäufung des Textes mit Adjektiven, durch Erläuterungen und Einschübe, die nichts bewirken außer den Text zu dehnen, so dass die Situation nicht zu ihrer Wirkung kommt.

Ich finde auch den Blick des Ich-Erzählers nicht wirklich humorvoll, eher etwas „besserwisserisch und belehrend“, und leider erzählt er auch so. Hier eine solche Passage:

Zitat:
Hier zählt nur das mechanische, emotionslose Abfertigen und die harten Fakten. Am Ende des Tages muss der Umsatz stimmen, da kommt es auf die Befindlichkeiten der kaufenden Bevölkerung genauso wenig an, wie die Energie-zerrende, womöglich gekünstelte Floskeln formulierender Verkäuferinnen. Denn für schauspielerische Auftritte wird sie nicht bezahlt. Und verlangt man von ihr Höflichkeit, dann kommt sie womöglich noch auf die Idee für dieses humane Upgrade-Verhalten eine Gehaltserhöhung einzufordern. Sie soll Kasse machen, sonst nicht.


Das liest sich zäh, ist weder witzig noch spritzig. Allein die blau markierten Ausdrücke sind gestelzt und bleischwer, dass ich normalerweise die Lektüre hier beenden würde. Dieser Stil setzt sich im gesamtem Text fort.

 Ich frage mich, was den Ich-Erzähler bewegt, das zu erzählen. Was den Autor glauben lässt, es könnte einen Leser in dieser Breite interessieren. Um die vom Text aufgegriffene Situation humorvoll, witzig, spritzig und überpointiert zu erzählen, bräuchte man nur ein Viertel der Textlänge.

Stilistisch wäre da auch ne Menge dran zu werkeln. Ich greif einfach mal ein paar Sätze raus:

Zitat:
Die polnische Kassiererin wurde zeitgleich nervös. Mittlerweile wuchs die Schlange um acht Leute an. Etwas unbeholfen verlässt sie ihren Kassenbereich, hievt den Körper mit ein paar Pfunden zu viel, mühsam aus der ihr vertrauten  Sicherheitszone und keift im schrillen Ton] quer durch den Laden:


1) was ist "zeitgleich nervös" werden? Als Leser sehe ich doch die Ursache. Steht doch im Text.
2) "etwas" ein Weichmacher!
3) "hieven" signalisiert mir, dass es mühsam ist.
4) geschraubt und überflüssig. "wenn es ihre Sicherheitszöne ist, ist sie ihr vertraut.
5) keifen ist immer schrill

SIE bezieht sich hier auf "Schlange". Grammatik!

Zitat:
Eine beleidigt wirkende circa 59,3-Jährige Frau drängelt sich mit einer Dose Sauerkraut bewaffnet, entlang der Wartenden Meute vorbei . Schließlich kommt sie noch voller Atem und Energie an der Kassenzone an, wo sich die vollschlanke Kassiererin mittlerweile wieder mühsam in den viel zu engen Bereich der vertrauten Theke zurück zwängte.


an den Wartenden vorbei. oder entlang der Wartenden.
"voller Atem" schräger Ausdruck
"vollschlank/mühsam/zu enge Bereich/ vertraute Theke: das ist alles schon gesagt. Hier dängelt der Autor dem Leser das Gleiche schon wieder ins Ohr, als sei dieser ein wenig schwer von Begriff.

Es ist zwar einer dieser schrecklichen Schreibratgeber-Sätze, die ich selbst mit Vorsicht betrachte, aber dem Text würde diese Regel helfen: Achtung bei Adjektiven! Die meisten sind überflüssig!
Dieser Text traut seinen Nomen nicht viel zu, er stellt ihnen nicht nur eine, sondern oft gleich zwei Beifügungen an die Seite.

Ich werde beim Lesen das Gefühl nicht los, dass der Erzähler in seinen eigenen Humor und seine Sprache verliebt, den Leser aus dem Auge verliert und gegen Ende weniger die Situation betrachtet, als sich selbst und sein für ihn witziges Ego im Text ausbreitet. Was soll ich sonst bei dieser Textstelle denken?

Zitat:
Nach gefühlten 20 Minuten heiterer Warterei kommt es zum Highlight des Tages. Selbstredend halte ich den zu erwartenden Endbetrag unlängst passend in der Hand und wieder einmal der Jackpotgedanke: „Hoffentlich korrekt gerechnet!?“.
Trifft dies zu, so gleicht dies einer Wette gegen mich selbst. Gewinne ICH, kann ich mit gutem Gefühl über meine funktionierenden Synapsen triumphierend nach Hause schlendern. Verliere I C H, indem ich mich um ein paar Cent verrechne, so geht der Fehlbetrag ins Sparschwein über, was selten genug vorkommt.
Unwägbarkeiten, wie etwa nicht oder falsch bepreiste Artikel oder Obst und Gemüse, welches erst an der Kasse gewogen wird, bedeuten für mich eine gerade noch zulässige Fehlertoleranz von +- 10% des Schätzwerts.

Völlig irritiert zählt die Kassiererin, mit solch einer Spontanreaktion eines Turbo-Kunden nicht erwartete Verhalten,  jeden Cent genau ab und kommt zu dem Fazit: „Stimmt“ (immerhin einsilbig und die gesparte Zeit muss ja wieder raus gehauen werden, wobei eine Floskel „Stimmt genau“ wiederum Luxus wäre).


Satzkonstruktion (rot) stimmt nicht.

Michael, versuche vielleicht mal alles Überflüssige rauszuschmeißen, die Sprache treffender und knackiger zu machen und den Witz der Situation herauszuarbeiten, auf den Punkt zu bringen.

Im Einstand gehe ich gewöhnlich nicht so ins Detail. Habe jedoch mal bei dir auf den roten Teppich geschaut und gesehen, dass du dich nicht mehr als Anfänger siehst und bereits an einem Roman arbeitest. Da denke ich, kannst du mit meiner Kritik umgehen.

Ich wünsche dir hier viel Freude und bei der Arbeit an den Texten viel Erfolg.

LG Aranka


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"Wie dahingelangen, Alltägliches zu schreiben, so unauffällig, dass es gereiht aussieht und doch als Ganzes leuchtet?" (Peter Handke)

„Erst als ihm die Welt geheimnisvoll wurde, öffnete sie sich und konnte zurückerobert werden.“ (Peter Handke)
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LoveDoroT
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen

Alter: 55
Beiträge: 22
Wohnort: Thüringen


Beitrag21.12.2015 00:40
Re: Neulich im Supermarkt
von LoveDoroT
Antworten mit Zitat

Hallo Michael...

"als Neuling möchte ich meinen Einstand zum Besten geben und bedanke mich jetzt schon für eure Geduld."

- schön, dass Du Dich getraut hast...

Ich war stellenweise erheitert, mag die "Geschichte" als solches... Gebe aber Bonston Recht, dass manches zu lang, zu sehr vom "Geschehen" ablenkt...  Wünsche mir für die "Kassen-Schlange" - humorvoll - ironisch - sarkastische Namen, keine Nummern... Ja - auch mehr Dialoge... polnische Kassiererin...okay, sie hat nicht viel Zeit, doch die Wartenden in der Schlange müssen sie ja haben... mehr "badischer Dialekt"? - definitiv kürzer fassen, Rechtschreibung etwas überarbeiten...

Hilfreich - kP ...
 
Ich freu mich auf die Überarbeitung bzw. auch später auf die Fortsetzung - ja tue ich... wie war das mit dem "Mon cherry"? kommt noch?

LG Doro
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Rainer Prem
Geschlecht:männlichReißwolf
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Beiträge: 1271
Wohnort: Wiesbaden


R
Beitrag21.12.2015 21:15

von Rainer Prem
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Hallo Stagepilot,

Graven hat Folgendes geschrieben:
...

Übrigens, Präsens oder Präterium, wenn es gut geschrieben ist, ist es mir egal.

...


Mir auch, aber bitte nur eins von beiden. Das ständige Hin- und Herhüpfen vor allem am Anfang ist schon recht nervig.

Alles andere wurde schon gesagt.

Mögliche Abhilfe: Reduziere doch die gesamte Story auf deine eigenen Beobachtungen, ohne sie ständig durch (Vor)Verurteilungen zu unterbrechen. Lass doch den Leser einfach für sich selbst urteilen.

Grüße
Rainer
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TZH85
Geschlecht:weiblichEselsohr

Alter: 39
Beiträge: 300
Wohnort: Essen
Pokapro 2017


Beitrag22.12.2015 11:42

von TZH85
Antworten mit Zitat

Hallo Michael,

bei mir bist du an die Richtige geraten: Ich hab zu Uni-Zeiten einige Jahre lang an der Kasse gejobbt und dabei einen kleinen Fundus an skurrilen Begebenheiten im Supermarkt in meinem Hinterkopf archiviert.

Dein Wortschatz scheint wirklich enorm zu sein, wobei es ab einer gewissen Menge anstrengend wird. Meine Vorredner haben ein paar treffende Anmerkungen zum Stil geäußert, deshalb halte ich mich da mal zurück und sage lieber etwas zur Wirkung.

Mir waren alle beschriebenen Figuren ziemlich schnell unsympathisch. Wie gesagt, ich hab den Job lange Zeit gemacht und einige unangenehme Kunden live miterlebt. Aber so feindsinnig ging es nie zu. In deiner Erzählung beschweren sich gleich mehrere Figuren darüber, dass die vorderste Kundin mit Kleingeld zahlt. Das ist - meiner Erfahrung nach - eine ziemlich unrealistische Situation. Vielleicht käme so etwas zustande, wenn es drei Minuten vor Acht wäre und jeder Kunde vor Acht Uhr etwas gratis bekäme. Aber in der Regel entspinnt sich ein viel differentierteres Geflecht von Emotionen und Reaktionen an der Kasse: Die alte Dame zählt mühsam, eine junge Frau dahinter verdreht die Augen. Ein grummeliger Mann murmelt etwas passiv-aggressives und jemand anderes schenkt ihm für dieses anti-soziale Verhalten einen abschätzigen Blick. Eine Mutter bespaßt ihr Kind, das langes Warten nicht gewohnt ist und reißt schon mal eine Packung Kekse auf. Zwei Teenager schauen sich nervös um und wissen genau, dass sie gleich nach ihren Ausweisen gefragt werden, um an die Zigaretten zu kommen...
Dazu kommt, dass dein Erzähler von oben herab auf die anderen Figuren blickt und alles in einem süffisant-überheblichden Ton kommentiert. Vielleicht ist das deine Intention - ihn ein wenig arrogant wirken zu lassen. Ich würde aber eher vermuten, dass der Leser sich mit ihm identifizieren und seine spitzfindigen Bemerkungen unterhaltend finden soll.
Es kann sein, dass die Reaktionen auf die Situation einfach etwas überzogen wirken. Es geht ja im Grunde nur darum, ein klein wenig länger zu warten. Ich glaube nicht, dass da so viel unterschwelliges Aggressionspotential in der Bevölkerung lauert, dass eine etwas langsamere Warteschlange schon solche Reaktionen hervorruft.
Ich glaube, die Szene würde besser funktionieren, wenn du den "meckernden" Unterton etwas lockerst.
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Babella
Geschlecht:weiblichKlammeraffe

Alter: 61
Beiträge: 889

Das goldene Aufbruchstück Der bronzene Roboter


Beitrag22.12.2015 12:43

von Babella
Antworten mit Zitat

Den Rückmeldungen, die bisher kamen, schließe ich mich an. Ich würde das alles etwas straffen, "Regieanweisungen" und Spekulationen außen vor lassen, die Sätze kürzen, keinesfalls ein Wort wie "zeitgleich" mehrfach verwenden, das Wort "Realsatire" streichen (die Satire muss man sofort erkennen oder der Text taugt nicht) und auf gar keinen Fall "nachdenklich" nach Hause fahren - das nimmt den ganzen Schwung. Besser ein abruptes Ende, z. B. nach dem "Stimmt".

Das würde nachhallen. Dann denkt man vielleicht - hoffentlich: "Stimmt. So ist es. Genau so."

Und dann wäre der Text gelungen.
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