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Oberwasser


 
 
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cindysherman
Geschlecht:weiblichLeseratte
C

Alter: 46
Beiträge: 112
Wohnort: Berlin


C
Beitrag07.12.2015 12:31
Oberwasser
von cindysherman
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Ich sitze in einem Schiff auf Höhe der Wasseroberfläche, im seichten Wasser eines Berliner Kanals. In dem dreieckigen Hohlraum des Bugs ist ein Nest eingerichtet aus weichen Lederbänken, großen Glasscheiben und kleine Holztischchen. Vorne in der Bugspitze steht ein erstaunlich kleiner Ofen, in dem einige Scheite glühen und eine Bullenhitze erzeugen. Die Luft ist warm, durchrieselt von geschmackvoller Musik und gedämpftem Licht.

Meine Kinder kennen sich hier aus. Sie steuern den bekannten Tisch neben dem Spielzeugregal and, nesteln sich aus ihren vielen Schichten Winterwattierung und fangen an zu spielen. Wenn mir nichts mehr einfällt und ich mich innerlich leer fühle, dann steuere ich diesen Hafen an, denn hier übernimmt die Ausstattung, was ich sonst aus mir heraushole: Wärme, sanftes Licht, Unterhaltung, Spiel und möglichst was zu Essen in Reichweite.  
Wir kommen nicht oft, es ist diesen Winter erst das zweite oder dritte Mal. Trotzdem markieren ihr Terrain. Die Spielsachen sind im Handumdrehen überall dort verteilt, wo niemand sitzt. Ein wenig entgrenzt, zugegeben, aber heute ist es ziemlich leer.

Beim letzten Mal wurden meine Kinder -die ziemlich sanft sind und mir eigentlich nur dann schrecklich erscheinen, wenn sie sich in Konkurrenz zueinander begeben und Eines infolgedessen ohrenbetäubend kreischt- von den anderen Gästen wohlwollenden Blickes beim Spielen beobachtet. Das ist diesmal anders, das spüre ich gleich.
Aber na gut, der Mann mit der Glatze hat ein Tattoo in Form eines Spitzendeckchens auf dem Schädel und spricht mit einer blonden Frau auf Englisch –beide sehr ernst und ambitioniert, Kinder fliegen einfach unter ihrem Radar durch.
Die zwei Frauen, die uns am nächsten sitzen, sind ebenfalls gebildet; sicher Akademiker, sicher mit humanitären Gedanken und sehr wahrscheinlich selbst Mütter, allerdings mit großen Kindern; vielleicht demnächst mit Enkelkindern. Beide elegant auf eine linksintellektuelle Art, mit Weißweinschorle vor sich. Sie fühlen sich von kleinen Kindern offenbar nicht sonderlich angezogen.

Erste Grenzüberschreitung: eines der Kinder zieht ein Faltblatt aus einem Ständer auf ihrem Tisch. Ich rüge ihn –und das andere Kind läuft zum nächsten Tisch und macht es ihm nach.
Der Große sucht sich ein Babyspielzeug aus und beginnt mit einer Raupe aus Holz Kreise über den Boden zu ziehen. Die Kleine drückt an einem blinkendem Plastik Teil herum und das Ding hat zum Glück keinen elektrischen Sound aktiviert. Ich fühle mich nicht gebraucht und lese einen Artikel über Träume aus der rumliegenden Zeitschrift. Das Thema interessierte mich schon bevor ich Kinder hatte, aber im Café was lesen war seither lange nicht mehr möglich.

Das Rollen der Raupenräder auf dem Holz macht ein Geräusch. Rollrollrollroll. Monoton. Gut hörbar über die Musik. In meinen Artikel vertieft, bitte ich mein Kind zwei Mal, nicht zu laut zu werde und das Ziehtempo schön gemächlich zu halten.

Es ist dennoch für einige Zeit das lauteste Geräusch im Raum. Es ist aber kein Kreischen, Weinen, Toben, Ärgern oder sonst ein Alarmgeräusch bei dem mein Nervensystem von Stress-signalen überschwemmt wird. Ich kann es lesend ganz gut ausblenden und die Ermahnungen sind mehr als Prophylaxe gedacht.

Wie sehr das als zu laxe Erziehung aufgefasst wird, wird mir erst klar, als die elegant ergraute Frau am Tisch nebenan mit beiden Händen einen Kommando Kanal zu meinem Kind eröffnet und mit scharfer Stimme fordert: „Du hörst jetzt sofort damit auf: oder du machst es leiser! Es ist einfach zu laut!“

Das Kind fühlt, dass etwas nicht richtig ist an dieser Situation. Sein Gesicht flammt auf vor Schreck, dass es möglich ist, so zurecht gewiesen zu werden von einer Fremden. Scham und Wut mischen sich, die Tränen steigen und ich sehe, er will Kontra geben.
Er ist im Begriff weiter die Raupe zu ziehen, schaut zu mir für Rückendeckung.

Ich bitte ihn erstmal zu mir zu kommen und wir folgen dem Ritual das sonst immer funktioniert. Kuscheln, trösten, ihn verstehen.
Aber diesmal ist es eine Spur verlogen. Die Frau sitzt unbehelligt da und hat ihr Ziel erreicht. Meine zwei Kindergartenkinder nennen einen klaren juristischen Paragrafen zum Beleg ihrer Rechte: „Kinder müssen spielen!“.
Die Kleine spricht es dem Großen nach. Sie skandieren den Satz und lassen es wie eine kleine Freiheitsdemo vor den erwachsenen Unterdrückern wirken.

Ich schlage mich halbherzig auf die Seite der Erwachsenen: „spielen ja: aber leise“. –so in etwa.

Ich halte mich eigentlich für mutig, kämpferisch, mit Rückrat. Wenn mich Jemand beleidigt, tue ich jedenfalls nicht automatisch so, als wäre nichts.
Butterweiches Nachgeben kenne ich von meinen eigenen Eltern und halte es seither für ein sehr gefährliches Lebensprinzip. Verliert man kampflos, ist noch mehr verloren als wenn man sich stellt.
Ich weiß, wie ich der Frau freundlich entgegnen könnte, dass sie ihr Anliegen das nächste Mal entweder an mich richten oder freundlicher formulieren möge. Diese Schärfe finde ich erst angemessen, wenn ihrer Bitte nicht nachgekommen wird.

Aber ich tue es nicht. Der Elefant ist im Raum, die Atmosphäre verseucht. Bei jedem lauten Geräusch der Kinder fühle ich mich unwohl, verkrampft, und bald sammle ich sie ein zur Heimkehr.
Die Frauen setzen ihre Unterhaltung fort: es geht jetzt um´s I-Phone, aber nicht  kritisch sondern eher konsumfreudig. Die Frau hat ihr I Phone in der Hand, spricht darüber und schließlich auch hinein: „mein I Phone sagt mir, dass…“

Die angezogenen Kinder schicke ich raus, wie immer, wenn sie ihre Wintersachen anhaben und ich noch nicht. Jetzt wäre das Zeitfenster die Frau anzusprechen. Ich gehe bezahlen und tue es nicht. „Schönen Abend“ kriege ich raus, ironisch gewürzt; “Tschüß“ ist ihre Antwort, knapp, fröhlich.

Draußen stehe ich neben den Kindern vor dem erleuchteten Weihnachtsbaum und bin froh, aus dem Backofen drinnen raus zu sein.
Der schwarze Himmel ist unser Freund und hüllt uns ein. Die Luft ist gar nicht mal so kalt. Die Tanne eine Pyramide aus Licht.

Da weiß ich plötzlich, warum ich nicht mit der Frau gesprochen habe. Es war ein guter Grund.

Ich erinnere ihn nur jetzt nicht mehr.

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Heidi
Geschlecht:weiblichReißwolf


Beiträge: 1425
Wohnort: Hamburg
Der goldene Durchblick


Beitrag08.12.2015 12:47
Re: Oberwasser
von Heidi
Antworten mit Zitat

Hallo cindysherman,

ehrlich gesagt, kann ich mit deiner Geschichte nicht wirklich was anfangen.
Vielleicht bin ich mit zwei verhaltensauffälligen Kindern aber auch einfach zu abgehärtet, was kritische Blicke und Unverständnis (im Bezug auf Lautstärkenpegel und Unruhe) betrifft. Wir fallen immer auf.

Was mir an deinem Text überhaupt nicht gefällt, sind die Urteile, die sich die Protagonistin über ihre Mitmenschen macht. Ich bekomme keinen Bezug dazu, weil nicht genug thematisiert wird, was genau sie dazu bewegt, über die Personen im Schiff so zu denken, wie sie es tut. Deshalb begegne ich ihr distanziert. Ich kann mich nicht mit ihr identifizieren.

cindysherman hat Folgendes geschrieben:

Aber na gut, der Mann mit der Glatze hat ein Tattoo in Form eines Spitzendeckchens auf dem Schädel und spricht mit einer blonden Frau auf Englisch –beide sehr ernst und ambitioniert, Kinder fliegen einfach unter ihrem Radar durch.


Diese Aussage verstehe ich nicht.
Was ist denn schlimm daran, wenn die Beiden die Kinder nicht weiter wahrnehmen. Nicht jeder lächelt jeden an, schon gar nicht in einer Großstadt. Was willst du dem Leser damit sagen?

cindysherman hat Folgendes geschrieben:

Die zwei Frauen, die uns am nächsten sitzen, sind ebenfalls gebildet; sicher Akademiker, sicher mit humanitären Gedanken und sehr wahrscheinlich selbst Mütter, allerdings mit großen Kindern; vielleicht demnächst mit Enkelkindern. Beide elegant auf eine linksintellektuelle Art, mit Weißweinschorle vor sich. Sie fühlen sich von kleinen Kindern offenbar nicht sonderlich angezogen.


Auch bei den weißweinschorletrinkenden Frauen frage ich mich, was die Protagonistin dazu bringt, so über sie zu denken. Warum fühlen sich die Beiden von Kindern nicht sonderlich angezogen? Beschreibe eher, was deine Prota sieht, anstatt sie voreilig Schlüsse ziehen zu lassen.
Ich würde einen besseren Zugang zu ihr finden, wenn du sie einfach nur still beobachten lassen würdest.

Als dann die Grenzüberschreitung beginnt, werde ich richtig wütend mit deiner Protagonistin. Wenn sie eh schon gesehen hat, dass da lauter kinderhassende Menschen im Boot sitzen, warum liest sie dann seelenruhig in ihrer Zeitschrift weiter, anstatt ihre Kinder zu schützen. Ich kann ihr Handeln einfach nicht verstehen. Das wiederum führt dazu, dass ich sie spätestens ab dieser Stelle, nicht leiden kann. Im Grunde mag ich unsympathische Figuren, aber mein Gefühl sagt mir, dass es nicht deine Absicht war, sie so darzustellen.

cindysherman hat Folgendes geschrieben:

Das Kind fühlt, dass etwas nicht richtig ist an dieser Situation. Sein Gesicht flammt auf vor Schreck, dass es möglich ist, so zurecht gewiesen zu werden von einer Fremden. Scham und Wut mischen sich, die Tränen steigen und ich sehe, er will Kontra geben.
Er ist im Begriff weiter die Raupe zu ziehen, schaut zu mir für Rückendeckung.


Hier hast du die Perspektive gewechselt. Ich will wissen was die Protagonistin fühlt / denkt / sieht.

cindysherman hat Folgendes geschrieben:

Meine zwei Kindergartenkinder nennen einen klaren juristischen Paragrafen zum Beleg ihrer Rechte: „Kinder müssen spielen!“.
Die Kleine spricht es dem Großen nach. Sie skandieren den Satz und lassen es wie eine kleine Freiheitsdemo vor den erwachsenen Unterdrückern wirken.


Das hier finde ich arg aufgesetzt. Dass (eingeschüchterte) Kinder so reagieren würden, halte ich für unrealistisch. Klingt irgendwie sehr erwachsen.

cindysherman hat Folgendes geschrieben:

Die Frauen setzen ihre Unterhaltung fort: es geht jetzt um´s I-Phone, aber nicht  kritisch sondern eher konsumfreudig. Die Frau hat ihr I Phone in der Hand, spricht darüber und schließlich auch hinein: „mein I Phone sagt mir, dass…“


Das hier ist wieder so ein Urteil, das ich schwer verkraften kann. Ich bin was (mein) Konsumverhalten betrifft, äußerst kritisch. An sich wäre das ein Thema für eine eigene Geschichte. Es mal eben hier loszuwerden wirkt ebenso aufgesetzt, wie die skandierenden Kinder.

Insgesamt finde ich, dass du zu wenig auf die Gefühle deiner Protagonistin eingegangen bist. Ich fände es besser, wenn du ihr Innenleben zeigen, und sie weniger über andere urteilen lassen würdest. Wenn sie still beobachtet, kann sich der Leser seine eigene Meinung bilden.

Die letzten drei Sätze kannst du, wie ich finde, getrost weglassen.

lg Heidi
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Aviva
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen
A


Beiträge: 28
Wohnort: Karlsruhe


A
Beitrag08.12.2015 17:15

von Aviva
Antworten mit Zitat

Liebe cindysheman,

zunächst einmal: Ich mag das Thema deiner Geschichte! Selbst habe ich zwar (noch) keine Kinder, aber häufig fällt mir auf, wie verbittert und aggressiv manche Leute auf spielende Kinder reagieren.

Ich finde die Personen, so wie sie sind, gelungen. Ich würde davon abraten, eine perfekte und für jedermann sympathsche Hauptperson zu entwerfen. Ich persönlich finde es sehr realistisch, dass die Protagonistin gehässig über ihre Tischnachbarn denkt (wobei es ja nicht mal so extrem ist), wenn die doch von vornherein ihre Abneigung gegenüber ihrer Kinder zeigen. Näher begründen musst du das meiner Meinung auch nicht.

Was mich gestört hat, war die Einführung: Zu erkennen, dass das Schiff ein Café ist, hat eine Weile gedauert und ich frage mich, warum du nicht sofort schreibst, dass es sich um ein Café handelt. So hab ich mich zunächst nur mit dem Ort des Geschehens beschäftigt, was nicht hätte sein müssen: Prinzipiell ist der ja völlig austauschbar.
Und das Ende:
Zitat:
Da weiß ich plötzlich, warum ich nicht mit der Frau gesprochen habe. Es war ein guter Grund.
Ich erinnere ihn nur jetzt nicht mehr.

(es heißt richtig übrigens: Ich erinnere mich jetzt nur nicht mehr an ihn)
Also ich verstehe es so: Ihr ist eingefallen, dass es einen Grund gab, den sie kannte, obwohl sie vorher im Café darüber nachgedacht hat, warum sie sich so verhält und sich selbst keinen Reim auf ihr Verhalten machen konnte.
Und dieser Grund, den sie also gehabt haben will, der aber, wenn man nach dem Text geht, nicht von ihr erkannt worden ist, ist ihr dann noch entfallen.
Das wirkt meiner Meinunng nach konstruiert und würde allerhöchstens Sinn machen wenn sich in den letzten beiden Sätzen noch der Erzähler der Geschichte aus der Zukunft einschaltet. Aber welchen Sinn hätte das?
An deiner Stelle würde ich mir einen Grund ausdenken und ihn hinschreiben, im Sinne von "jetzt fällt mir ein guter Grund ein, warum ich mich eben so verhalten habe".

Was auch beim Lesen stört, sind Flüchtigkeitsfehler. Schau da am besten einfach noch mal drüber. Z. B.:
Zitat:
Trotzdem markieren ihr Terrain


Deine Wortwahl erscheint mir auch nicht immer perfekt. Beispiel:
Zitat:
Ein wenig entgrenzt

"Entgrenzt" ist hier fehl am Platz. "Ausschweifend", "Maßlos", "Überzogen", "Übertrieben", "Extrem" - alles Begriffe, die hier besser passen würden.

Dann gibt es störende Grammatikfehler, Beispiel:
Zitat:
eines der Kinder zieht ein Faltblatt aus einem Ständer auf ihrem Tisch. Ich rüge ihn

Entweder "Ich rüge es" (das Kind) oder maximal noch "Ich rüge sie", denn es ist ja eine Tochter oder? Ich plädiere für die erstere Möglichkeit, weil man als Leser dann auf keinen Fall an dem Satz hängen bleiben kann.

Manche Satzkonstruktionen sind mir persönlich zu kompliziert bzw. zu lang, vor allem für diese Art von Text, die ja eher seicht dahin schaukelnd ist (wie das Schiff vielleicht lol2). Beispiel:
Zitat:
Beim letzten Mal wurden meine Kinder -die ziemlich sanft sind und mir eigentlich nur dann schrecklich erscheinen, wenn sie sich in Konkurrenz zueinander begeben und Eines infolgedessen ohrenbetäubend kreischt- von den anderen Gästen wohlwollenden Blickes beim Spielen beobachtet

Zwei bis drei Sätze wären hier sicher besser, das hört sich hier so "reingequetscht" an.

Ein paar kleine Logikfehler sind mir auch aufgefallen, Beispiel:
Zitat:
Das Thema interessierte mich schon bevor ich Kinder hatte, aber im Café was lesen war seither lange nicht mehr möglich.

Was haben denn Träume mit Kindern zu tun? Diese Aussage würde ich nur verstehen, wenn es sich zum Beispiel um einen Artikel zu Stoffwindeln handeln würde. So ist dieser Zusatz total unnötig und verwirrt mich persönlich nur. Auch zu sagen, dass sie lange nicht gelesen hat, finde ich seltsam. Heißt das, ausgerechnet heute ist der Tag, an dem sie das erste Mal wieder liest, wo sie doch eigentlich häufig in das Café geht und die Kinder sich in der Spielecke auskennen? Das macht irgendwie keinen Sinn.

Gut, aber das sind Details und formale Dinge, da musst du wie gesagt einfach noch mal ordentlich drüber lesen. So was lässt sich ja recht schnell und einfach verbessern.

Ich hoffe, manches hilft dir vielleicht weiter!
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Papa Schlumpf
Geschlecht:männlichEselsohr

Alter: 64
Beiträge: 373
Wohnort: Friedersdorf


Beitrag08.12.2015 21:52

von Papa Schlumpf
Antworten mit Zitat

Liebe Cindy,
ich kenne diese Umstände, also, ich erinnere mich noch sehr genau, auch wenn meine drei (13, 15, 19) inzwischen diesem Alter entwachsen sind. Wenn wir auch zuweilen von den Nachbartischen bescheinigt bekamen, dass unsere Jungs "gut erzogen" seien, es gab diese Situation, dass sich ein erinnerungsloser Erwachsener oder Ignorant belästigt fühlte von einem kleinen Menschen. Übrigens ein typisch deutsches Phänomen.
Insofern finde ich die kleine Geschichte durchaus nachvollziehbar, interessant als Reminiszenz an eigene Erlebnisse. Allerdings fand ich ein paar Schreibfehler.
Zitat:
neben dem Spielzeugregal and,
verwirrte mich durch die Vermutung plötzlich fremdsprachlichen Ausrutschers. Später konnte ich herzlich drüber lachen.
Zitat:
Trotzdem markieren ihr Terrain.
Dem Satz fehlt das Subjekt, das wohl beim Umformulieren der Löschtaste anheim fiel. "entgrenzt" halte ich übrigens aus der eigenen Erfahrung für eine durchaus akzeptable Wahl.
Zitat:
spricht mit einer blonden Frau auf Englisch
Hier musste ich länger überlegen, was irgendwie unpassend bei mir ankam. Er spricht Englisch oder er unterhält sich auf Englisch oder in englischer Sprache; Deine Variante bricht durch eine gewisse Trivialität aus dem restlichen Text aus. Die nun folgende Denunziation der Intellektuellen halte ich für verzichtbar, sie wirft auf Deine Beschreibung ein trübes Licht.
Zitat:
einem blinkendem Plastik Teil herum und das Ding hat zum Glück keinen elektrischen Sound aktiviert.
Fangen wir vorn an. Deklinationsfehler. "blinkend" wird hier schwach gebeugt (R6), weil der unbestimmte Artikel mit starker Endung vorangeht(blinkenden). Plastik-Teil, auch wenn die Rechtschreibhilfe schimpft, entweder ein Wort oder mit Bindestrich. Wobei mir die Notwendigkeit des sehr unbestimmten "Teil" nicht in den Kopf will. Irgend ein Viech, Bauteil oder Pokemon oder was weiß ich erfüllte den Zweck eindrucksvoller. Das "elektrischen" ließe ich weg, in "hat keinen (mit oder ohne) Sound aktiviert" blitzt wieder eine sehr einfache Formulierung auf. Woher weiß man, dass das "Ding" überhaupt solche Funktion besitzt? Warum muss die Reflexion darüber an den vorhergehenden Satz gepappt werden? Ich setzte statt des "und" einen Punkt. Zum Glück beglückte das Ding nicht auch noch mit irgendwelchen Sound-Spielchen. (zumindest dachte ich damals immer so.)
Etwas Sympathie kostet Dich Dein Hang zum Verkürzen. Mehrfach las ich "was" statt wenigstens "etwas", hier steht auch noch "rumliegen", als sei das Café eine dreckige Kaschemme. Warum nicht: "aber im Café zu lesen..."
Zitat:
Gut hörbar über die Musik.
Hier Dativ, weil Passiv: über der Musik
Zitat:
nicht zu laut zu werde
wenn schon sein, dann werden.
Zitat:
mit beiden Händen einen Kommando Kanal zu meinem Kind eröffnet
Das Bild mit den Händen verstehe ich nicht recht, der Kommando-Kanal braucht wenigstens einen Bindestrich, und man öffnet Kommunikationskanäle, eröffnen assoziiert ganz anderes.
Zitat:
Ich erinnere ihn nur jetzt nicht mehr.
Ich weiß, das eine solche Formulierung mundartlich üblich ist. Ich erinnere mich nur jetzt nicht mehr an ihn.
Noch ein Hinweis:  "sein" und seine Deklinationen gehören meist nicht zu den Varianten einer guten Wahl. Das Wörtchen scheint mir hier ein wenig über-repräsentiert. Auch der unbestimmte Verweis auf "Es" taucht mir zu oft auf.
Schau mal, was Du mit meinem Gemecker anfangen kannst. Man liest sich.
LG
P. S.


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Nicht alles, was wir bewirken, haben wir auch gewollt.
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cindysherman
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Beitrag08.12.2015 23:05

von cindysherman
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Lieber Papa Schlumpf,
ich kann mit der Rechtschreibkorrektur sehr viel anfangen! Meine Rechtschreibung war einfach schon immer wackelig und nicht wirklich für den literarischen Gebrauch gemacht...
Das "Gemecker" ist für mich natürlich auf dem Hintergrund Deines Verständisses für mein Thema  (subtile Kinderintolleranz -ich finde auch, ein Deutsches Phänomen) leichter zu verdauen. So fühlt es sich hilfreich an. Danke sehr!
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cindysherman
Geschlecht:weiblichLeseratte
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Alter: 46
Beiträge: 112
Wohnort: Berlin


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Beitrag08.12.2015 23:16

von cindysherman
pdf-Datei Antworten mit Zitat

Liebe Aviva,

Danke für dein sorgfältiges Durchlesen. Hier und da fühle ich mich nicht recht verstanden, aber das muss ich dann ja am Text lösen, nicht im Kommentar. Ich gehe nur auf die zwei wichtigesten Sachen ein:

Aviva hat Folgendes geschrieben:
Was mich gestört hat, war die Einführung: Zu erkennen, dass das Schiff ein Café ist, hat eine Weile gedauert und ich frage mich, warum du nicht sofort schreibst, dass es sich um ein Café handelt. So hab ich mich zunächst nur mit dem Ort des Geschehens beschäftigt, was nicht hätte sein müssen: Prinzipiell ist der ja völlig austauschbar.


Nein, der Ort ist für mich nicht austauschbar. Ich sehe in dem Schiffrumpf (warm, gedämft beleuchtet, umgeben von Wasser) auf ner unbewussteren Ebene Ähnlichkeiten mit einer Gebärmutter. Das wollte ich so nicht schreiben, aber das Gefühl entstehen lassen.


Aviva hat Folgendes geschrieben:
Und das Ende:
Zitat:
Da weiß ich plötzlich, warum ich nicht mit der Frau gesprochen habe. Es war ein guter Grund.
Ich erinnere ihn nur jetzt nicht mehr.

(es heißt richtig übrigens: Ich erinnere mich jetzt nur nicht mehr an ihn)
Also ich verstehe es so: Ihr ist eingefallen, dass es einen Grund gab, den sie kannte, obwohl sie vorher im Café darüber nachgedacht hat, warum sie sich so verhält und sich selbst keinen Reim auf ihr Verhalten machen konnte.
Und dieser Grund, den sie also gehabt haben will, der aber, wenn man nach dem Text geht, nicht von ihr erkannt worden ist, ist ihr dann noch entfallen.
Das wirkt meiner Meinunng nach konstruiert und würde allerhöchstens Sinn machen wenn sich in den letzten beiden Sätzen noch der Erzähler der Geschichte aus der Zukunft einschaltet. Aber welchen Sinn hätte das?
An deiner Stelle würde ich mir einen Grund ausdenken und ihn hinschreiben, im Sinne von "jetzt fällt mir ein guter Grund ein, warum ich mich eben so verhalten habe".


Tja, das ist wirklich mein Hauptproblem mit dem Text. Ich habe da eine Ambivalenz zweier Zuständen von Selbstvertrauen drin: Einmal kann die Prota gut über dem Angriff stehen; einmal geht es ihr doch an die Nieren. Und ich wollte diese Ambivalenz nicht auflösen. Aber es ist schwer das zwischen den Zeilen im Leser zu erzeugen.


Aviva hat Folgendes geschrieben:
Gut, aber das sind Details und formale Dinge, da musst du wie gesagt einfach noch mal ordentlich drüber lesen. So was lässt sich ja recht schnell und einfach verbessern.

Ich hoffe, manches hilft dir vielleicht weiter!


Ja, du hast mir mit manchen Sachen geholfen, auch wenn ich vieles anders sehe. Ich danke Dir für deine Zeit!

Cindy
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cindysherman
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Alter: 46
Beiträge: 112
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Beitrag08.12.2015 23:26
Re: Oberwasser
von cindysherman
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Liebe Heidi,

Du hast den Text auch ausführlich behandelt und Dir Zeit für eine Kritik genommen. In diesem Fall glaube ich aber, dass es schwer wird unsere beiden Perspektiven in ein und derselben Geschichte zu vereinen. Wenn so gar nichts Ressonanz erzeugt, also meine Grundidee -die ich in der sehr gut getarnten Lieblosigkeit unserer Zeit sehe- von Dir nicht verstanden oder gesehen wird, dann macht eigentlich auch die Detailkritik keinen Sinn. Weil ich ja die Grundidee besser herausschälen möchte.

Das führt mich jetzt zu der echt kniffeligen Frage nach Foren-Wirksamkeit und der genauen Zusammensetzung von konstruktiver Kritik. Es ist vielleicht einfacher, wenn man sich zu Texten äußert, die einem wenigstens zum Teil gefallen. Das nehme ich zumindest aus dieser Auseinandersetzung mit.

Vielen Dank!

Cindy

achja: der Text ist natürlich 100% so passiert und nicht ausgedacht.
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Aviva
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Beiträge: 28
Wohnort: Karlsruhe


A
Beitrag08.12.2015 23:33

von Aviva
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Liebe Cindy,

mit dem Satz "prinzipiell ist der ist ja völlig austauschbar" hab ich wohl was falsches erreicht wink Ich mag die Atmosphäre, die du erzeugst, sehr gerne und ich würde den Ort des Geschehens nicht austauschen. Ich wollte nur sagen, dass es ja nicht nötig ist, den Leser so lang über den Ort nachgrübeln zu lassen lol2
Als ich nämlich angefangen habe, das zu lesen, und da stand
Zitat:
Ich sitze in einem Schiff auf Höhe der Wasseroberfläche, im seichten Wasser eines Berliner Kanals. In dem dreieckigen Hohlraum des Bugs ist ein Nest eingerichtet

habe ich ehrlich gesagt gedacht, du schreibst jetzt über Flüchtlinge und das ist ja sicher nicht das, was du erreichen wolltest lol2
Also, um es noch mal deutlicher zu sagen: Ich würde den Ort schon so lassen und ich würde auch die Beschreibungen am Anfang so lassen, aber ich würde vielleicht einfach noch das Wort "Café" benutzen. Was weiß ich, zum Beispiel: "Ich sitze in einem Schiffscafé auf Höhe der Wasseroberfläche".

Übrigens finde ich, dass deine Vorhaben, die Protagonistin ambivalent darzustellen, gelungen ist! Und ich bin davon überzeugt, dass es auch dann gelungen bleibt, wenn sie am Ende einen Grund nennen würde. Aber das möchte ich dir jetzt natürlich auch nicht aufzwingen wink

Ich hoffe, ich konnte ein, zwei Missverständnisse aus dem Weg räumen. Manchmal ist Kommunikation über Forenbeiträge gar nicht so einfach lol2
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Jack Burns
Geschlecht:männlichReißwolf

Alter: 54
Beiträge: 1444



Beitrag09.12.2015 04:16

von Jack Burns
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hallo cindysherman,

diesmal also Prosa.
Wie verhalten sich Menschen in Situationen, die ein gewisses Maß an Toleranz erfordern.
Offensichtlich ist weder die garstige Dame noch die Mutter in der Lage, souverän mit dem Konflikt umzugehen.  Das Geschehen kreist um die Protagonisten aber ihre Motive bleiben im Dunkeln. So bleibt mir nur die Rolle des Betrachters, da ich mich grundsätzlich mit keiner von beiden identifiziere. Jetzt sollten die Handlungen mir ermöglichen, selbst ein Bild machen. Aber das wird durch die aufgedrückte Sichtweise der Erzählerin erschwert.
Mir verdirbt die Einführung der Antagonistin die Möglichkeit, eine eigene Position einzunehmen. Aus der Ich Perspektive heraus mutmaßt die Erzählerin über Bildungsstand, politische Gesinnung und Familienverhältnisse der Unbekannten. Das eigentliche Ziel, den Leser als Kumpanen zu gewinnen, wird bei mir verfehlt. Zu manipulativ. Andererseits kann man den vagen Angaben über das Verhalten der Kinder schwer entnehmen, wie nervig diese sich, objektiv betrachtet, benehmen. Für Mama sind die eigenen Zöglinge ja fast immer lautlose Engel.
Die Nachbarin benimmt sich natürlich unmöglich. Aber an diesem Punkt bin ich schon in eine Antihaltung gerutscht. Ich weiß, was der Text bei mir auslösen soll und darauf hab ich keine Lust.

Trotzdem finde ich das Thema, die Unfähigkeit, entspannt über solche Kleinigkeiten hinwegzusehen oder miteinander zu klären, sehr wichtig und an einigen Stellen gut umgesetzt. Gerade die Selbstzweifel und Unsicherheit der Protagonistin kommen glaubwürdig zur Geltung. Sprachlosigkeit. Lieblosigkeit. Egoismus. Alles Krankheiten einer ökonomisierten und individualisierten Gesellschaft. Das Thema schwingt irgendwo mit. Kommt aber nicht so richtig durch.

Wenn ich eine Veränderung vorschlagen darf:
Weg von der Ich-Perspektive.
Weg mit allen abwertenden Kommentaren.
Emotionale Distanz der Erzählerin und eine klare, objektive Situationsbeschreibung könnten den Lesern ermöglichen, unbeeinflusst ihre eigene Sicht zu entwickeln. Wer kleine Kinder anschreit ist sowieso doof. Das muss man nicht durch gehässige Kommentare bestärken.
Natürlich willst und sollst du den Leser lenken. Aber das sollte dieser nicht so deutlich spüren.

Schönen Gruß
Jack


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Monster.
How should I feel?
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Merope
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Wohnort: Am Ende des Tals
Der Goldene Käse


Beitrag09.12.2015 10:12

von Merope
Antworten mit Zitat

Hallo cindysherman,

zu den Korrekturen wurden Dir von den anderen schon genug Hinweise gegeben.
Mir gefällt die Geschichte vom Aufbau und von den Bildern und Geräuschen. Allerdings könntest Du mMn vieles straffen und verdichten, damit es intensiver wirkt.
Gestört haben mich einige sehr umgangssprachliche Wendungen (...kriege ich raus; ...so in etwa etc.).
Ich stimme Jack zu, dass es interessanter wäre, wenn Du Dich von der Ich-Form wegbewegen könntest.

Möglicherweise hilft es Dir, wenn Du - nach dem Überarbeiten und Korrigieren der Geschichte -, diese jeweils noch einmal aus Sicht der anderen Frau und aus Sicht eines der Kinder beschreibst. Das wäre auch innerhalb einer einzigen Geschichte interessant zu lesen!
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Heidi
Geschlecht:weiblichReißwolf


Beiträge: 1425
Wohnort: Hamburg
Der goldene Durchblick


Beitrag09.12.2015 11:08

von Heidi
Antworten mit Zitat

Hallo cindysherman,

es ist nicht so, dass deine Geschichte gar keine Resonanz bei mir erzeugt (in diesem Fall hätte ich nicht geantwortet).
Ich hatte vergessen zu sagen, dass die Grundidee an sich interessant ist. Ich kenne das. Wie gesagt, meine Kinder sind nicht so sanft wie die deiner Protagonistin. Ich habe Ähnliches bereits öfter erlebt als mir lieb ist und könnte darüber auch Geschichten schreiben.

Es ist einfach die Umsetzung, die ich noch nicht gelungen finde. Jack Burns hat es ja sehr viel sachlicher auf den Punkt gebracht als ich.

Muss mich noch an konstruktiver Kritik üben Embarassed

LG Heidi

Edit: Falls du dich durch meine Kritik angegriffen fühlst, tut mir das leid. Das war nicht meine Absicht.
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Rübenach
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Beiträge: 2836



R
Beitrag09.12.2015 12:16
Re: Oberwasser
von Rübenach
Antworten mit Zitat

vorab: diese textidee gefällt mir, auch die ich-perspektive und die verwendete umgangssprache. mir ist das ganze aber nicht prägnant genug und mir fehlt eine leichtigkeit im ton, die dieser erzählweise meiner meinung nach angemessen wäre.


cindysherman hat Folgendes geschrieben:
Ich sitze in einem Schiff auf Höhe der Wasseroberfläche, im seichten Wasser eines Berliner Kanals. In dem dreieckigen Hohlraum des Bugs ist ein Nest eingerichtet aus weichen Lederbänken, großen Glasscheiben und kleine Holztischchen. also ich weiß bereits hier, dass sich der erzähler in einem restaurantschiff oder ähnlichem befindet. Vorne in der Bugspitze steht ein erstaunlich kleiner Ofen, in dem einige Scheite glühen und eine Bullenhitze erzeugen. Die Luft ist warm, durchrieselt von geschmackvoller Musik und gedämpftem Licht.

Meine Kinder kennen sich hier aus. Sie steuern den bekannten Tisch neben dem Spielzeugregal and, nesteln sich aus ihren vielen Schichten Winterwattierung und fangen an zu spielen. Wenn mir nichts mehr einfällt und ich mich innerlich leer fühle, dann steuere ich diesen Hafen an, denn hier übernimmt die Ausstattung, was ich sonst aus mir heraushole: Wärme, sanftes Licht, Unterhaltung, Spiel und möglichst was zu Essen in Reichweite.  
Wir kommen nicht oft, es ist diesen Winter erst das zweite oder dritte Mal. Trotzdem markieren sie? ihr Terrain. Die Spielsachen sind im Handumdrehen überall dort verteilt, wo niemand sitzt. zu umständlich Ein wenig entgrenzt, zugegeben, aber heute ist es ziemlich leer.

Beim letzten Mal wurden meine Kinder -die ziemlich sanft sind und mir eigentlich nur dann schrecklich erscheinen, wenn sie sich in Konkurrenz zueinander begeben und Eines infolgedessen ohrenbetäubend kreischt- von den anderen Gästen wohlwollenden Blickes an vielen stellen im text spricht der erzähler sehr umgangssprachlich. das kann man so machen, aber dann passen solche formulierungen nicht dazu. beim Spielen beobachtet. Das ist diesmal anders, das spüre ich gleich.
Aber na gut, der Mann mit der Glatze hat ein Tattoo in Form eines Spitzendeckchens auf dem Schädel und spricht mit einer blonden Frau auf Englisch spricht Englisch mit einer blonden Frau–beide sehr ernst und ambitioniert, Kinder fliegen einfach unter ihrem Radar durch.
Die zwei Frauen, die uns am nächsten sitzen, sind ebenfalls gebildet; sicher Akademiker, sicher mit humanitären Gedanken und sehr wahrscheinlich selbst Mütter, allerdings mit großen Kindern; vielleicht demnächst mit Enkelkindern. Beide elegant auf eine linksintellektuelle Art, mit Weißweinschorle vor sich. Sie fühlen sich von kleinen Kindern offenbar nicht sonderlich angezogen.

Erste Grenzüberschreitung: eines der Kinder zieht ein Faltblatt aus einem Ständer auf ihrem Tisch. das ist sehr umständlich formuliert. nicht, dass mir spontan was besseres einfiele ... Ich rüge ihn dazu haben andere schon was gesagt–und das andere Kind läuft zum nächsten Tisch und macht es ihm nach.
Der Große sucht sich ein Babyspielzeug aus und beginnt mit einer Raupe aus Holz Kreise über den Boden zu ziehen. Die Kleine drückt an einem blinkendem Plastik Teil Plastikteil oder Plastik-Teil herum und das Ding hat zum Glück keinen elektrischen Sound aktiviert. Ich fühle mich nicht gebraucht und lese einen Artikel über Träume aus der rumliegenden Zeitschrift. Das Thema interessierte mich schon bevor ich Kinder hatte, aber im Café was lesen war seither lange nicht mehr möglich. grundsätzlich: das hört sich so an, als sei ein café der einzige ort, an dem die erzählerin einen artikel über träume lesen könne. zum stil: "was lesen war", ich weiß nicht. vielleicht: "im café lesen" oder "im café zu lesen". vielleicht auch "im" durch "in einem" ersetzen. "seither lange nicht mehr möglich" ich würde "seitdem nicht mehr möglich" schreiben. "seither" ist zu elaboriert und das "lange" redundant.
Das Rollen der Raupenräder auf dem Holz macht ein Geräusch. Rollrollrollroll. Monoton. Gut hörbar über die Musik. trotz der Musik? In meinen Artikel vertieft, bitte ich mein Kind zwei Mal, nicht zu laut zu werden und das Ziehtempo schön gemächlich zu halten. das klingt mir zu gestelzt

Es ist dennoch für einige Zeit das lauteste Geräusch im Raum. Es ist aber kein Kreischen, Weinen, Toben, Ärgern oder sonst ein Alarmgeräusch bei dem mein Nervensystem von Stress-signalenSignalen überschwemmt wird. Ich kann es lesend ganz gut ausblenden und die Ermahnungen sind mehr als Prophylaxe gedacht.

Wie sehr das als zu laxe Erziehung aufgefasst wird, wird mir erst klar, als die elegant ergraute Frau am Tisch nebenan mit beiden Händen einen Kommando Kanal Kommando-Kanal oder Kommandokanal zu meinem Kind würde ich genauer beschreiben. "Meinem Ältesten" oder "dem Großen" eröffnet und mit scharfer Stimme fordert: „Du hörst jetzt sofort damit auf: kein Doppelpunkt oder du machst es leiser! "du machst es leiser" finde ich unpassend. ein radio macht man leiser. vielleicht: "sei leiser!" Es ist einfach zu laut!“

Das Kind "Das Kind" und "er" passt nicht wirklich zusammen. außerdem wird von zwei kindern erzählt. ich würde auch hier spezifischer werden, damit beide kinder unterscheidbar bleiben. fühlt, dass etwas nicht richtig ist an dieser Situation. Sein Gesicht flammt auf vor Schreck, dass es möglich ist, so zurecht gewiesen zu werden von einer Fremden. Scham und Wut mischen sich, die Tränen steigen und ich sehe, er will Kontra geben.
Er ist im Begriff weiter die Raupe zu ziehen, schaut zu mir für Rückendeckung. ich habe nichts gegen umgangssprache in diesem text. ist ja rollenprosa. aber "für rückendeckung" klingt schon sehr nach kanaksprach.

Ich bitte ihn erstmal zu mir zu kommen und wir folgen dem Ritual das sonst immer funktioniert. ich glaub, hier fehlen ein oder zwei kommas Kuscheln, trösten, ihn verstehen.
Aber diesmal ist es eine Spur verlogen. Die Frau sitzt unbehelligt da und hat ihr Ziel erreicht. Meine zwei Kindergartenkinder nennen einen klaren juristischen Paragrafen zum Beleg ihrer Rechte: „Kinder müssen spielen!“.
Die Kleine spricht es dem Großen nach. Sie skandieren den Satz und lassen es wie eine kleine Freiheitsdemo vor den erwachsenen Unterdrückern wirken.
was immer man dir einredet, diese passage ist gut.

Ich schlage mich halbherzig auf die Seite der Erwachsenen: „spielen ja: aber leise“. –so in etwa. hier solltest du die korrekte groß- und kleinschreibung sowie zeichensetzung überprüfen. ich weiß zwar ohne nachlesen auch nicht, wie es richtig ist, aber so wie geschrieben ist es definitiv falsch.

Ich halte mich eigentlich für mutig, kämpferisch, mit Rückrat. endlich mal jemand, die rückgrat mit t schreibt und dann vergisst du das g Wenn mich Jemand beleidigt, tue ich jedenfalls nicht automatisch so, als wäre nichts.
Butterweiches Nachgeben kenne ich von meinen eigenen Eltern und halte es seither für ein sehr gefährliches Lebensprinzip. Verliert man kampflos, ist noch mehr verloren als wenn man sich stellt.
Ich weiß, wie ich der Frau freundlich entgegnen könnte, dass sie ihr Anliegen das nächste Mal entweder an mich richten oder freundlicher formulieren möge. Diese Schärfe finde ich erst angemessen, wenn ihrer Bitte nicht nachgekommen wird.

Aber ich tue es nicht. Der Elefant ist im Raum, die Atmosphäre verseucht. Bei jedem lauten Geräusch der Kinder fühle ich mich unwohl, verkrampft, und bald sammle ich sie ein zur Heimkehr.
Die Frauen setzen ihre Unterhaltung fort: es geht jetzt um´s ich würde hier das apostroph weglassen. die erzählerin spricht doch umgangssprachlich. I-Phone, aber nicht  kritisch sondern eher konsumfreudig. gefällt mir nicht. hier bekommt die erzählerin so einen oberlehrerton, der nicht zum sonstigen tonfall passt. ich würde es vielleicht so formulieren (wohl wissend, dass das auch nicht zu deinem textton passt): "inzwischen unterhalten sich die beiden frauen enthusiastisch über i-phones." (den rot markierten teil würde ich dann ganz weglassen.) Die Frau hat ihr I Phone oben schreibst du richtig I-Phone, jetzt vergisst du den bindestrich. in der Hand, spricht darüber und schließlich auch hinein: „mein I Phone sagt mir, dass…“

Die angezogenen Kinder schicke ich raus, wie immer, wenn sie ihre Wintersachen anhaben und ich meine? noch nicht. Jetzt wäre das Zeitfenster die Frau anzusprechen. Ich gehe bezahlen und tue es nicht. „Schönen Abend“ kriege ich raus, ironisch gewürzt; “Tschüß“ ist ihre Antwort, knapp, fröhlich.

Draußen stehe ich neben den Kindern vor dem erleuchteten Weihnachtsbaum und bin froh, aus dem Backofen drinnen raus zu sein.
Der schwarze Himmel ist unser Freund und hüllt uns ein. Die Luft ist gar nicht mal so kalt. Die Tanne eine Pyramide aus Licht.

Da weiß ich plötzlich, warum ich nicht mit der Frau gesprochen habe. Es war ein guter Grund.

Ich erinnere ihn nur jetzt nicht mehr.
denk mal darüber nach, diesen teil komplett zu streichen


okay, es ist zwar sehr bunt geworden, aber es sind kleinigkeiten.

conclusio:
ein text, bei dem es sich lohnt, weiterzuarbeiten.


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cindysherman
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Beitrag09.12.2015 15:06

von cindysherman
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Hui!
Danke, Rübenach!
Das ist, als hätte mein Lieblingslehrer meine Deutscharbeit korrigiert.
DANKE für die Mühe!

Ich gebe dir vollkommen recht, dass der Ton in der Umgangsprache bleiben sollte und die nachträglich reingezwirbelten Formulierungen stören.

An dem letzten Teil liegt mir am Meisten, deswegen muss ich das irgendwie anders lösen als mit Streichen. Aber so funktioniert´s anscheinend nicht.

Ich muss im Übrigen zugeben, dass mir die Situation selbst mittlerweile so minimal erscheint, so undramatisch, dass ich nicht wirklich weiß ob es sich lohnt, daran zu arbeiten.

Vielleicht krieg ich mit etwas Abstand noch ´ne Idee, wie man mit dieser Skizze anfangen kann zu spielen. Meld mich dann wieder hier. Die Leichtigkeit, die du vermisst, vermisse ich gerade auch. Und wo man die herholt, wenn sie verloren geht, fragt sich ja auch meine Protagonistin.

Danke!
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cindysherman
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Beitrag10.12.2015 12:28

von cindysherman
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Ich habe eine neue Fassung geschrieben und um Euch viel bereits gelesenes zu ersparen, sage ich kurz, was ich gemacht habe:
- Für den bestehenden Text habe ich Rübenachs Vorschläge fast alle übernommen
- Für den Schluss habe ich was geschrieben, was für mich am ehrlichsten ist, aber ich hab keine Ahnung, wie das auf einen Leser wirken mag. Auf Unterhaltung ist es nicht unbedingt angelegt, mehr auf Selbstüberprüfung und damit eigentlich für´s Tagebuch.

Ich sitze in einem Schiff auf Höhe der Wasseroberfläche, im seichten Wasser eines Berliner Kanals. In dem dreieckigen Hohlraum des Bugs ist ein Nest eingerichtet aus weichen Lederbänken, großen Glasscheiben und kleine Holztischchen. Vorne in der Bugspitze steht ein erstaunlich kleiner Ofen, in dem einige Scheite glühen und eine Bullenhitze erzeugen. Die Luft ist warm, durchrieselt von geschmackvoller Musik und gedämpftem Licht.

Meine Kinder kennen sich hier aus. Sie steuern den bekannten Tisch neben dem Spielzeugregal and, nesteln sich aus ihren vielen Schichten Winterwattierung und fangen an zu spielen. Wenn mir nichts mehr einfällt und ich mich innerlich leer fühle, dann steuere ich diesen Hafen an, denn hier übernimmt die Ausstattung, was ich sonst aus mir heraushole: Wärme, sanftes Licht, Unterhaltung, Spiel und möglichst was zu Essen in Reichweite.  
Wir kommen nicht oft, es ist diesen Winter erst das zweite oder dritte Mal. Trotzdem markieren sie ihr Terrain in dem sie die Spielsachen überall dort verteilen, wo niemand sitzt. Ein wenig entgrenzt, zugegeben, aber heute ist es ziemlich leer. .

Beim letzten Mal wurden meine Kinder, die ziemlich sanft sind und mir eigentlich nur dann schrecklich erscheinen, wenn sie sich in Konkurrenz zueinander begeben und Eines infolgedessen ohrenbetäubend kreischt, von den anderen Gästen lächelnd beim Spielen beobachtet. Das ist diesmal anders, das spüre ich gleich.
Aber na gut, der Mann mit der Glatze hat ein Tattoo in Form eines Spitzendeckchens auf dem Schädel und spricht Englisch mit einer blonden Frau –beide sehr ernst und ambitioniert, Kinder fliegen einfach unter ihrem Radar durch.
Die zwei Frauen, die uns am nächsten sitzen, sind ebenfalls gebildet, sicher Akademiker, sicher mit humanitären Gedanken und sehr wahrscheinlich selbst Mütter, allerdings mit großen Kindern; vielleicht demnächst mit Enkelkindern. Beide elegant auf eine linksintellektuelle Art, mit Weißweinschorle vor sich. Ihre skeptischen Blicke zeigen mir, sie erwarten schon die Entgleisungen, die jetzt kommen werden.

Erste Grenzüberschreitung: der Junge zieht ein Faltblatt aus einem Ständer auf ihrem Tisch. Ich rüge ihn –und das andere Kind läuft zum nächsten Tisch und macht es ihm nach.
Der Große sucht sich ein Babyspielzeug aus und beginnt mit einer Raupe aus Holz Kreise über den Boden zu ziehen. Die Kleine drückt an einem blinkenden Plastikteil herum und zum Glück ist der elektrischen Sound deaktiviert. Ich habe frei und lese einen Artikel über Träume aus der rum liegenden Zeitschrift. Das Thema interessierte mich schon bevor ich Kinder hatte, aber im Café lesen war seitdem lange nicht möglich.

Das Rollen der Raupenräder auf dem Holz macht ein Geräusch. Rollrollrollroll. Monoton. Gut hörbar, lauter als die Musik. In meinen Artikel vertieft, bitte ich mein Kind zwei Mal, nicht zu laut zu werden und das Ziehtempo zu drosseln.

Es ist dennoch für einige Zeit das lauteste Geräusch im Raum. Es ist aber kein Kreischen, Weinen, Toben, Ärgern oder sonst ein Alarmgeräusch bei dem mein Nervensystem von Stress Signalen überschwemmt wird. Ich kann es lesend ganz gut ausblenden und die Ermahnungen sind mehr als Prophylaxe gedacht.

Wie sehr das als zu laxe Erziehung aufgefasst wird, wird mir erst klar, als die elegant ergraute Frau am Tisch nebenan mit ausgestreckten Händen einen Kommandokanal zu meinem Kind eröffnet und mit scharfer Stimme fordert: „Du hörst jetzt sofort damit auf, oder du machst es leiser! Es ist einfach zu laut!“

Der Junge fühlt, dass etwas nicht richtig ist an dieser Situation. Sein Gesicht flammt auf vor Schreck, dass es möglich ist, so zurecht gewiesen zu werden von einer Fremden. Scham und Wut mischen sich und ich sehe, er will Kontra geben.
Er ist im Begriff weiter die Raupe zu ziehen, schaut zu mir um sich abzusichern.

Ich bitte ihn, erstmal zu mir zu kommen und wir folgen dem Ritual das sonst immer funktioniert. Kuscheln, trösten, ihn verstehen.
Aber diesmal ist es eine Spur verlogen. Die Frau sitzt unbehelligt da und hat ihr Ziel erreicht. Meine zwei Kindergartenkinder nennen einen klaren juristischen Paragrafen zum Beleg ihrer Rechte: „Kinder müssen spielen!“.
Die Kleine spricht es dem Großen nach. Sein Trotz gepaart mit ihrem lauten Willen lassen es wie eine kleine Freiheitsdemo vor den Erwachsenen Unterdrückern wirken.

Ich schlage mich halbherzig auf die Seite der Erwachsenen: „Spielen ja: aber leise“. –so in etwa.

Ich halte mich eigentlich für mutig, kämpferisch, mit Rückgrat. Wenn mich Jemand beleidigt, tue ich jedenfalls nicht automatisch so, als wäre nichts.
Butterweiches Nachgeben kenne ich von meinen eigenen Eltern und halte es seither für ein sehr gefährliches Lebensprinzip. Verliert man kampflos, ist noch mehr verloren als wenn man sich stellt.
Ich weiß, wie ich der Frau freundlich entgegnen könnte, dass sie ihr Anliegen das nächste Mal entweder an mich richten oder freundlicher formulieren möge. Diese Schärfe finde ich erst angemessen, wenn ihrer Bitte nicht nachgekommen wird.

Aber ich tue es nicht. Der Elefant ist im Raum, die Atmosphäre verseucht. Bei jedem lauten Geräusch der Kinder fühle ich mich unwohl, verkrampft, und bald sammle ich sie ein zur Heimkehr.
Die Frauen setzen ihre Unterhaltung fort: inzwischen geht es um´s I-Phone. Die Frau hat ihr I-Phone die ganze Zeit in der Hand, spricht darüber und schließlich auch hinein: „mein I-Phone sagt mir, dass…“. Vielleicht ist das ihre Rückendeckung.

Die angezogenen Kinder schicke ich raus, wie immer, wenn sie ihre Wintersachen anhaben und ich meine noch nicht. Jetzt wäre das Zeitfenster die Frau anzusprechen. Ich gehe bezahlen und tue es nicht. „Schönen Abend“ kriege ich raus, ironisch gewürzt; “Tschüß“ ist ihre Antwort, knapp, fröhlich.

Draußen stehe ich neben den Kindern vor dem erleuchteten Weihnachtsbaum und bin froh, aus dem Backofen drinnen raus zu sein.
Der schwarze Himmel ist unser Freund und hüllt uns ein. Die Luft ist gar nicht mal so kalt. Die Tanne eine Pyramide aus Licht.

Da weiß ich plötzlich, warum ich nicht mit der Frau gesprochen habe.

Ich bin mir meiner Kraft und Größe gewahr, die so einfach da ist, wie Nacht und Sterne. Ich werde erst ins Gefecht ziehen, wenn Jemand wirklich zur Bedrohung wird und nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen, wie die Frau es eben tat. Das ist ein guter Grund, finde ich, und bin zufrieden. Auf dem Heimweg denke nicht ich mehr an die Frau.

Am nächsten Tag ist all das weg.

Habe ich mich der Konfrontation nicht einfach entzogen und mich dann alleine darüber hinweg getäuscht? Womöglich weil ich im geistigen monologisieren besser bin als im Dialog? Kam das Gefühl von Überlegenheit nicht erst, sobald ich der Frau aus dem Weg gegangen war?
Ich schwimme und sinke immer wieder knapp unter die Wasseroberfläche. Es gibt da ein Leck in meinem Selbstvertrauen. Wasser dringt irgendwo rein, schwappt über den Rand und ich pumpe es mühselig wieder raus, immer wieder.

Die Großstadt besteht aus Millionen kleiner Grenzverletzungen. Leute auf engem Raum stauen ihre Frustration in sich auf. Irgendwann schreien sich im Verkehr wüst an. Wenn´s gut läuft, ignorieren sie sich gegenseitig. Nichts davon ist besonders geeignet für mich um Kinder aufzuziehen -und ich weiß es längst.

Den Kurs halten, einfach ruhig den Kurs halten. Und Pumpen.
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Lorraine
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Beitrag17.12.2015 12:25

von Lorraine
Antworten mit Zitat

Zitat:
Ich muss im Übrigen zugeben, dass mir die Situation selbst mittlerweile so minimal erscheint, so undramatisch, dass ich nicht wirklich weiß ob es sich lohnt, daran zu arbeiten.

Vielleicht krieg ich mit etwas Abstand noch ´ne Idee, wie man mit dieser Skizze anfangen kann zu spielen. Meld mich dann wieder hier. Die Leichtigkeit  vermisse [...] ich gerade auch. Und wo man die herholt, wenn sie verloren geht, fragt sich ja auch meine Protagonistin.


Hallo cindysherman,

Es mag sein, dass einem ein solche Situation später (und nach so einer ausführlichen Beschäftigung damit) "minimal" oder "undramatisch" erscheint, ich denke aber, dass es derartige und tausend andere, ähnliche Momente sind, die über die Jahre an Müttern und Vätern knabbern, und ich finde die Frage nach dem (sekundenschnellen) Abwägen, dem Zweifeln an (oder auch dem Sinn/Unsinn) einer "Kampfbereitschaft" nicht ganz unwichtig, denn es betrifft ja immer auch das Problem/die Möglichkeit, wie etwas vorgelebt wird, wie das eigene Handeln (oder der Verzicht darauf) in die Erfahrung der Kinder mit einfliesst?

Vielleicht ist es unterhaltsamer zu lesen, so ein Stück Text, wenn da eine (virtuose) Leichtigkeit vorherrscht, vielleicht bliebe im Idealfall etwas hängen am Leser, vom inneren Konflikt, der da anklingt. Aber: Eine Leichtigkeit, die verloren geht, gerade im Begriff ist, verloren zu gehen - sollte oder muss man die herzwingen, im Dienste der leichteren Konsumierbarkeit?

Viele Passagen im Text erinnern tatsächlich an ein Tagebuch, an einen Versuch, sich klarzuwerden über das, was da eigentlich passiert ist (nämlich etwas recht Alltägliches) und was das mit der Erzählerin/ der Schreibenden macht. Braucht es Leichtigkeit? Oder ginge da nicht verloren, wie sich das eigentlich anfühlt, so in der Zwickmühle zu sein, das Herzklopfen, das einem sich anbahnenden, offenen Konflikt vorausgeht - auf den dann verzichtetet wird, zugunsten einer Art Rückzug, für den es ja auch andere, gute Gründe gibt?
Zitat:
Aber ich tue es nicht. Der Elefant ist im Raum, die Atmosphäre verseucht. Bei jedem lauten Geräusch der Kinder fühle ich mich unwohl, verkrampft, und bald sammle ich sie ein zur Heimkehr.


Würde der Text als das, was er also ist: Tagebuch/Reflektieren/"ZEitzeugnis" also einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, dann könnte ich mir das zB im Rahmen eines Blogs vorstellen. Ich denke aber, dass sprachliche Sorgfalt/Stilsicherheit auch und gerade da sehr wichtig wären, ich bleibe gleich mal beim zitierten Abschnitt und vergleiche:

Zitat:
Die angezogenen Kinder schicke ich raus, wie immer, wenn sie ihre Wintersachen anhaben und ich meine noch nicht. Jetzt wäre das Zeitfenster die Frau anzusprechen. Ich gehe bezahlen und tue es nicht. „Schönen Abend“ kriege ich raus, ironisch gewürzt; “Tschüß“ ist ihre Antwort, knapp, fröhlich.


Das stammt aus dem direkt folgenden Abschnitt. Mir fällt hier auf, dass dieses "[Ich] tue es nicht" wiederholt wird, und weil es mir (negativ) auffällt, denke ich, dass solche Formulierungen überdacht werden könnten, durch zB "ich verzichte" oder "ich schenke mir das" usw. ersetzt werden, damit auch dem jeweiligen Tun/Verzicht eine Richtung oder Wertung zu geben, es also konkret zu benennen. Nicht wegen des viel beschworenen Varianten-Reichtums, sondern eher, um einer Umgangssprache das Abdriften in eine "einfache Sprache" zu ersparen, die (mich als Leserin) weniger anspricht, weniger interessiert.
Jemand "tut" etwas oder nicht ... auch hier:
Zitat:
[Ich werde ...] nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen, wie die Frau es eben tat.
Hier könnte zB "vorführte" stehen o.ä. - Mir geht es eigentlichlich nur darum, dass Sprache auch im Kleinen, bzw. in kurzen Texten pointiert sein kann oder sollte, lieber lese ich kürzere (solcher) Texte, die aber trotz und gerade bei aller "Nähe" durch Umgangssprachlichkeit nicht auf Ausdrucksmöglichkeiten verzichtet.

Übrigens gefällt mir an der zweiten Version, wie du zum Titel "Oberwasser" einen weiteren Bezug herstellst.

*

Formales (siehe "ums" "um's", von Rübenach angemerkt):
Duden.de schreibt:
Zitat:
1. Bei den allgemein üblichen Verschmelzungen von Präposition (Verhältniswort) und Artikel setzt man in der Regel keinen Apostroph.

ans, aufs, durchs, fürs, hinters, ins, übers, unters, vors
am, beim, hinterm, überm, unterm, vorm
hintern, übern, untern, vorn; zur


Wikipedia merkt hierzu an:
Zitat:
Gelegentlich wird der Apostroph regelwidrig auch bei der Zusammensetzung Präposition + bestimmter Artikel benutzt, beispielsweise in’s, an’s, um’s, zu’r. Nach den gültigen Regeln darf ein Apostroph aber nur gesetzt werden, wenn die Zusammensetzung ohne Apostroph „undurchsichtig“ wäre (beispielsweise mit’m Fahrrad).[18] Ebenfalls regelwidrig ist der Apostroph beim vers- und satzrhythmischen Wegfall des e der Endung -en in der 1. und 3. Person Plural Indikativ des Präsens Aktiv sowie des Konjunktivs I.

Auf keinen Fall aber setzt man Leerzeichen vor oder hinter dem Auslassungszeichen (WikiBeispiel: Heute ist’s kalt. – Heute ist es kalt.)

Das war das Kleinkarierte. rotwerd
Soweit mal von meiner Seite, auch, weil ich alle deine Texte "verfolge" und mich immer noch freue, dass du sie hier teilst.

Grüße von Lorraine
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cindysherman
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Beitrag17.12.2015 13:53

von cindysherman
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Danke Lorraine!

Ich wollte gerade einen Appell losschicken, ob noch mal jemand das Ende anschauen mag. Da bist du meinem Wunsch zuvorgekommen!

Für mich ist das Schreiben von jeher Hilfsmittel mich und die Welt zu sortieren. Und ich habe ne ziemliche Lücke, was Rechtschreibung angeht. Aus beiden Gründen ist dieses Forum für mich Gold wert.

Ich fühl mich echt geehrt, dass du meine Texte verfolgst! Und das Kleinkarrierte ist mir zwar nicht so lieb, aber SO dann doch am liebsten Smile
Konkret, ohne Überheblichkeit vorgetragen, hilfreich. Danke!

(Ich schreibe auch auf Englisch und versuche mir die Komma- und Apostroph Regeln dort einzubimmsen. Da geraten mir einige Feinheiten durcheinander.)

Jetzt geh ich mal stöbern, was du so schreibst...

Liebe Grüße!
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Walter_the_Duuuude
Gänsefüßchen


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Wohnort: Nomade


Beitrag18.12.2015 10:21

von Walter_the_Duuuude
Antworten mit Zitat

Deine Geschichte hat mir leider nicht gefallen, ich bin sogar trotz der Kürze zweimal gedanklich abgedriftet und musste erneut anfangen. Ich gehe mal auf ein paar Punkte ein, die mich gestört haben, vielleicht hilft es dir ja.



Zitat:

Ich sitze in einem Schiff auf Höhe der Wasseroberfläche, im seichten Wasser eines Berliner Kanals.


Das erzeugt bei mir kein Bild, weil alles hier so allgemein ist. „In einem Schiff“ und „Berliner Kanal“, da kommt selbst mir als Halb-Berliner kein Bild in den Kopf. Details könnten das richten.

Zitat:

In dem dreieckigen Hohlraum des Bugs ist ein Nest eingerichtet aus weichen Lederbänken, großen Glasscheiben und kleine Holztischchen.


„Große Glasscheiben und kleine Holztischchen“, immerhin ein wenig detailreicher, aber es könnte noch so viel spezifischer und origineller sein.

Zitat:

Die Luft ist warm, durchrieselt von geschmackvoller Musik


Und schon wieder. „Warm“ ist das erstbeste Wort, das einem einfällt, aber es sollte nur selten das Wort sein, das dan auch da steht. Schreib doch einfach mal ein paar Synonyme zu „Die Luft ist warm“ auf, wie fühlt sie sich an, was macht sie mit der Umgebung, wie wirkt sie auf die Leute etc... auch „geschmackvolle Musik“ ist so unglaublich allgemein gehalten. Du könntest die Musikrichtungen nennen, ob sie schnell oder langsam ist, welche Instrumente gerade erklingen, und wie das alles auf einen wirkt.




Zitat:
Meine Kinder kennen sich hier aus. Sie steuern den bekannten Tisch neben dem Spielzeugregal and, nesteln sich aus ihren vielen Schichten Winterwattierung und fangen an zu spielen. Wenn mir nichts mehr einfällt und ich mich innerlich leer fühle, dann steuere ich diesen Hafen an, denn hier übernimmt die Ausstattung, was ich sonst aus mir heraushole: Wärme, sanftes Licht, Unterhaltung, Spiel und möglichst was zu Essen in Reichweite.


Der Übergang vom ersten zum zweiten Satz ist sehr abrupt, Gedanken springen nicht zufällig hin und her sondern bauen aufeinander auf.

 

Zitat:
...von den anderen Gästen lächelnd beim Spielen beobachtet. Das ist diesmal anders, das spüre ich gleich.


Hier das Gleiche. Wieso spürt er das? Oder besser: Lass den Leser das spüren, in dem du ihm die gleichen Anhaltspunkte wie dem Protagonisten gibst (die du hier einfach ausgelassen hast).




Zitat:
Erste Grenzüberschreitung: der Junge zieht ein Faltblatt aus einem Ständer auf ihrem Tisch. Ich rüge ihn –und das andere Kind läuft zum nächsten Tisch und macht es ihm nach.


Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Vater (oder Mutter) von seinem Kind als „das andere Kind spricht.“ Du hast hier im gesamten Text die Namen vermieden, wofür ich keinen Grund sehe, es irritiert nur immer wieder.

Zitat:

Artikel über Träume


Spezifischer werden! Das ist sonst unendlich langweilig.

Zitat:
„Du hörst jetzt sofort damit auf, oder du machst es leiser! Es ist einfach zu laut!“

Der Junge fühlt, dass etwas nicht richtig ist an dieser Situation.


Das ist ein bisschen so, als würdest du hier vom Ich-Erzähler zum auktorialen Erzähler wechseln. Wieso spürt er das? Auch der Satz danach bietet keine richtige Erklärung:

Zitat:
Sein Gesicht flammt auf vor Schreck, dass es möglich ist, so zurecht gewiesen zu werden von einer Fremden. Scham und Wut mischen sich und ich sehe, er will Kontra geben.


Und außerdem, wie wirkt den die Situation auf den Ich-Erzähler?





Ich verschone den Rest des Textes. Für mich wirkt die Geschichte durch die ganzen allgemein Details kaum lebendig, und auch fühle ich mich nicht in den Protagonisten hineinversetzt. Ich hoffe, meine Kritik war nicht zu harsch, auf jeden Fall ist sie gut gemeint.

Viele Grüße


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DieGunkel
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Beitrag18.12.2015 12:59

von DieGunkel
Antworten mit Zitat

Liebe Cindy,
ich habe deine neue Version so runter gelesen. Gefällt mir viel besser. Außer den beiden letzten Anmerkungen würde ich gar nicht mehr viel verändern. Lieber eine neue Geschichte schreiben und dir überlegen aus welcher Perspektive du schreiben möchtest. Tagebuch, Ich-Perspektive oder mit mehr Abstand aus der dritten Person.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man sich manchmal zu Tode korrigiert, was es oft noch verschlimmbessert.
Ich hoffe, ich habe dir mit meiner Antwort gehofen.
LG
Gunkel
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cindysherman
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Beitrag19.12.2015 11:47

von cindysherman
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Liebe Gunkel,

Ja, ich werd den Text so stehen lassen. Er ist für mich am authentischsten. Das er nicht alle Leser unterhält, kann ich verschmerzen, weil so war er nie gemeint. Ich danke Dir für deine Unterstützung!


Lieber Walter,

Ich kann deine Kritik nachvollziehen und danke dir, dass du dir die Mühe gemacht hast, sie herzuleiten! Vielleicht bringt mich das beim nächsten Mal auf bessere Einfälle. Mir persönlich gefallen Texte mit toller Sprache auch, aber ich gebe dem Inhalt vorrang über der Form und bin selbst bin kein Wort-fanatiker. Ich nehm die eher als Bausteine um einen Inhalt zu transportieren. Und es scheint mir ok, wenn ich dafür auch mal die Erzählperspektive wechsel. Allerdings sollte das bewußter gesetzt sein, darin gebe ich dir recht.

Bis bald, ihr Lieben!
cindysherman
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