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Deutsches Schriftstellerforum Foren-Übersicht -> Antiquariat -> Zehntausend 11/2015
Werktor 37

 
 
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Literättin
Geschlecht:weiblichReißwolf

Alter: 58
Beiträge: 1836
Wohnort: im Diesseits
Das silberne Stundenglas Der goldene Roboter
Lezepo 2015 Lezepo 2016


Beitrag15.11.2015 20:00
Werktor 37
von Literättin
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Werktor 37

Ich stoppe das Video mit einem Mausklick, bevor sein Gesicht im Bild auftauchen kann und vielleicht liegt es an dieser abrupten Unterbrechung, dass mich die Tanks, die von Rohrleitungen umschlungenen Türme, der gemauerte Kamin mit dem in Weiß aufgemalten Emblem der Firma, bis in die Nacht verfolgen. Wann kann ich aufhören ihn zu suchen, frage ich mich.
Noch am Morgen der Nachhall in meinem Kopf: Der Big-Band-Sound, von derselben Art steifen Enthusiasmus, mit welcher der Sprecher im Film vom Anfahren der Anlage redete, von petrochemischen Stoffen, von Großsynthese und von Leichtbenzin, das durch die Leitungen schießt. Unter Druck, unter Hitze oder unter Kälte.

Funktionieren musst du, sagte er. Sonst nichts, Hauptsache, du funktionierst.

Der Vater erscheint mir alt mit seinem Bauchansatz unter dem dünnen Strickpullover. Aus dem Ärmel hervor ragt sein Handgelenk. Sein Zeigefinger deutet auf den Fehler, den ich beim Abschreiben des Frühlingsgedichtes gemacht habe: Hummeln, sagt er brummeln nicht. Schreib das nochmal.
Die Blumenranke, die das Gedicht in meinem Schulheft umrankt, hat er nicht kommentiert. Ich male sie noch einmal ab und schreibe ein zweites Mal das Gedicht. Diesmal brummen die Hummeln, aber irgend etwas stimmt nicht mit meiner Ranke. Sie ist zu kurz geraten oder meine Schrift ist zu groß. Ich muss zwei Zeilen auslassen, damit das Gedicht passt.
Ich ziehe meine Lippen ein und zeige mit meinem Finger auf das „brummen“. Der Vater schiebt meine Hand beiseite und liest. Sein Blick fährt mir ins Gesicht und bis in meine Knochen. Du glaubst, ich bemerke solchen Pfusch nicht? Jetzt schreibst du das Gedicht ein drittes Mal und dann, damit du lernst, es von vornherein richtig zu machen, schreibst du noch drei Seiten extra.
Was denn?, frage ich.
Auf das Was kommt es nicht an, sagt er.

Die schwarze Masse, die an unseren Füßen klebte, bedeutete Freiheit. Er erklärte uns, es sei Erdpech. Das Meer spülte es in Klumpen an den Strand, so wie die alten Holzplanken, die zerfaserten Taue und die verbeulten Kunststoffkanister, mit denen wir unsere Sandberge und -Höhlen dekorierten. Er baute uns ein riesiges Flugzeug in den Sand. Am Horizont glitten die großen Tanker in Richtung Rotterdam. Von dort aus fuhren kleinere den Rhein aufwärts, aber die sahen wir nicht.

Der Vater sitzt vor der neuen Wurlitzer. Die Mutter, die zwei Schwestern und ich stehen im Halbkreis um ihn herum. Die Orgel hat er einem Kollegen abgekauft. Gebraucht. Für die ganze Familie, sagt er.
Ein Klavier wäre mir lieber gewesen, sage ich. Ein Klavier sei affig, antwortet die Mutter. Und was für Neureiche. Ich sei kein Kind von Emporkömmlingen, der Vater arbeite hart und trage die Verantwortung für alles, was da passieren könne in der neuen Anlage. Ich starre den Eiche furnierten Kasten an und wundere mich. Zwei Manuale, unzählige Hebel und Knöpfe, Fußpedale, das glühende Rotlicht neben dem Anschaltknopf. Was kann passieren?
Die Freude an dem neuen Instrument teilt der Vater sparsam mit. Als drehe er hinter seiner unbewegten Miene vorsichtig an einem Ventil und lausche gespannt auf ein verdächtiges Geräusch, das auf eine Undichtigkeit in seinem Innern schließen ließe. Mit den Händen streift er die Ärmel seines dünnen Wollpullovers zurück, setzt sich auf die Orgelbank und deutet mit einer kurzen Bewegung auf die Knöpfe und Hebel. In seinem Bauch rumort es hörbar. Sein Gesicht bleibt ernst. Laut beginnt er von Klangeffekten zu reden, von den Vögeln in Hitchcocks Film, deren Stimmen nicht lebensecht aber doch nach Vogelschreien klingen sollten. Verfremdet. Bedrohlich. Und dann spricht er von neuer Musik. Unvermittelt springt er auf und kniet vor seiner Plattensammlung nieder, zieht eine LP aus dem Stapel. Sein Gesicht so blass wie die Gesichter der vier Herren in blutroten Hemden mit pechschwarzen Krawatten auf dem Cover, das er mit beiden Händen vor sich hält. Das grelle Rot des Covers hinterlässt für Sekunden giftgrüne Flecken auf meiner Netzhaut.

Ich kann nicht schlafen. Ich weiß mit diesem Film nichts anzufangen. Ich habe mich vom ewigen Suchen verleiten lassen und das funktioniert nicht.

Wenn wir allein zuhause sind, produzieren wir an der Orgel gespenstische Geräusche. Mit baumelnden Beinen sitzen wir drei auf der langen Bank und treten mit den Füßen gegen den Unterbau des Instruments. Es zischt und schnarrt darin. Wir drehen die Lautstärke hoch, schalten den Halleffekt ein und rumms: Ein hohles Keuchen springt aus dem Lautsprecher und verebbt irgendwo im Bauch der Orgel.

Wenn der Vater sich zu Feierabend an den Kasten setzt, sucht er vergeblich den Klang der neuen Musik hinter den Schaltern. Aufrecht sitzt er vor den Manualen. Ich beobachte ihn vom Flur aus.

Die Männer ähneln sich unter ihren nikotingelben Helmen. Ich bin gefesselt von den ausdruckslosen Gesichtern. Die Augen wirken schmal und grau im schwefeligen Licht. Grell dagegen leuchten die orangefarbenen Piktogramme, die mit Totenkopfaufdruck und stilisierter Flamme den Inhalt der Tanks kennzeichnen. Mein Mauszeiger liegt auf dem doppelten Pausenstrich, bereit, den Film erneut anzuhalten. Ich habe Angst, ihn nicht zu erkennen unter den anderen Werksangestellten. Dabei ist es fraglich, ob er überhaupt dabei war, als der Film gedreht wurde. Die Bigband übertönt meine Gedanken. Der Sprecher redet ergriffen von den Männern, den Anlagebauern, Maschinen- und Labortechnikern, all den Spezialisten, denen das Besondere ihres Tuns gar nichts Besonderes sei. Und wieder: Wie sie die Stoffe unter Druck setzen, unter Kälte, unter Hitze. In einem zylindrischen Glaskolben steigen Blasen in schlierig gelber Flüssigkeit auf. Schnitt. Die Kamera schwenkt über parallel verlaufende Leitungsrohre. Ich bilde mir ein zu hören, wie es darin gast und zischt. Die Rohre laufen auseinander, wachsen an gigantischen Kesseln empor: Metallene Leitungen, die sich weiter strebend zu langen Strängen bündeln, zwischen den Anlageteilen entlang laufen, um Ecken biegen, eine Etage höher klettern, die eisernen Laufgitter darunter, den diesigen Himmel verschatten.

Über Wochen und Monate bedecken Pergamentbögen den großen Esstisch im Wohnzimmer. Die sich aufrollenden Ränder beschwert der Vater mit Rheinkieseln, die wir vom Sonntagsspaziergang mitbringen. Ich höre noch das Blubbern der Frachter, die mit leeren Laderäumen flussabwärts eilen, rieche die Abgase.
Auf den Bögen feine schnurgerade und gebogene Linien. Ich höre den Ausführungen des Vaters über die Maschinenteile, die er zeichnet, zu, ohne ein Wort zu verstehen und staune über die Akkuratesse, mit der er den Tuschstift am Kurvenlineal entlangführt. Kein Zittern franst die Linien aus, kein Zögern lässt punktförmige Kleckse entstehen. Ich halte die Luft an, während ich ihm zusehe. Ich hoffe auf ein Zeichen. Ein Räuspern; dass er das Lineal in meine Richtung schiebt. Er nickt mir zu und lässt mich durch die Ziffernschablone winzige Zahlen an den Rand der Tuschlinien schreiben. Mein Blick ist ernst, als ich anschließend mit leichter, schneller und exakt vertikaler Bewegung die Spitze des Tuschstiftes aus dem schmalen Spalt hebe. Die Fingerkuppe auf den Rand des Lineals gedrückt, lupfe ich es mit dem Nagel des anderen Zeigefingers von der frisch geschriebenen Zahl. In klarem Schwarz hebt sich die Ziffer vom durchscheinend mattweißen Papier ab. Ich sehe den Vater nicht an. Ich stelle mir vor, dass er lächelt.

Das Erdpech unter unseren Fußsohlen bedeutete Freiheit. Vielleicht stammte es auch von den Wellenbrechern, die gegen das Salzwasser konserviert werden mussten und nicht aus den unterirdischen Seen, von denen er sprach.

An dem Sonntag, an dem die Mutter den Vater in die Firma fährt, sitze ich mit im Auto. Die Eltern vorn im Wagen reden miteinander. Ich langweile mich. Vielleicht bin ich sauer, weil die Schwestern ihren üblichen Wochenendbeschäftigungen nachgehen können, während die triste Landschaft an meinem Autofenster vorbeizieht. Schallschutzwände, Hochspannungsmasten. Kühltürme, aus denen dichte Dampfwolken quellen. Wohnsilos. In Reihen gepflanzte Pappeln, grau vom Staub. Wir fahren von der Bundesstraße ab ins Industriegebiet. In der Ferne die hohen, schlanken Fackeln, die selbst im Dunst noch glänzen. Es geht vorbei an umgepflügten Äckern und struppigem Brachflächen. Und dann, hinter Böschung und Leitplanken, die Rohrleitungen, die im Vorbeifahren aus der Erde zu springen scheinen, um auf hohen Stützen parallel zur Straße weiterzulaufen.
Es ist nicht ungewöhnlich, dass an diesem Sonntag das Telefon schrillt und der Vater in die Firma beordert wird. Das ist seit dem Anfahren der neuen Anlage hin und wieder passiert. Kinderkrankheiten, murmelt der Vater und packt seine Zeichenrollen zusammen, während ich an den Keuchhusten denke, der uns drei Schwestern vor Jahren der Reihe nach erwischt hatte und an die Windpocken, wegen denen wir uns blutig kratzten.
Die an meinem Autofenster vorbei eilenden Rohrleitungen verschwinden hinter einer hohen Betonmauer. Dahinter das riesige Fabrikgelände. Ich drücke mein Gesicht an die Fensterscheibe, schiele nach oben und erhasche einen Blick auf metallisch glänzende Anlagenbauten die hinter der Mauer hoch in den Himmel aufragen. Ist sie das?, frage ich. Hm, nickt der Vater, ohne sich umzusehen. Wir fahren an riesigen Werktoren vorbei. In meterhohen Lettern leuchten weiße Zahlen auf dem Stahl. Männer in Grau eilen in losen Grüppchen auf die Tore zu und verschwinden durch die darin eingelassenen Türen. Wonach riecht es hier?, frage ich. Niemand antwortet. Vor Werktor Nummer siebenunddreißig bittet der Vater die Mutter, den Wagen anzuhalten. Sie hält den Wagen, lässt den Motor laufen und sieht ihn nicht an, als er mit den Zeichenrollen unter dem Arm aus dem Wagen springt. Kaum dass er die Beifahrertür hinter sich zuschlägt, fahren wir weiter. Ich drehe mich um und sehe den Rand seiner Zeichenrollen weiß aufblitzen, bevor er mit einem Dutzend behelmter Männer in grauer Werksmontur durch die Tür im großen Tor verschwindet.

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Schreibhand
Geschlecht:männlichLeseratte


Beiträge: 105



Beitrag16.11.2015 23:43

von Schreibhand
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Hmm.....
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holg
Geschlecht:männlichExposéadler

Moderator

Beiträge: 2396
Wohnort: knapp rechts von links
Bronzenes Licht Der bronzene Roboter


Beitrag18.11.2015 16:15

von holg
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Erster Eindruck: Weiß nicht so recht.

Ein schöner, berührender Text. Fragment, keine Frage. Kein Ende. Etwas bedrohliches schwingt von Beginn an mit, Spurensuche, Kinderkrankheiten, Erinnerungsstücke. Die Platte von Kraftwerk ist dabei. Die mit den roten Hemden. Menschmaschine. Dazu Familienbilder. Vaterkomplex.
Ist er die/wie eine Maschine? Er kann nicht mit Maschinen, jedenfalls nicht mit der Heimorgel. Aber er kann zeichnen. Und ist ein Arsch, was die Erziehung zu Ordnung und Gewissenhaftigkeit angeht.
Ich finde authentische Erinnerungen, Bruchstücke, Spurensuche, Verlust; ein großes Sehnen, den Glanz der Vergangenheit.

Ich fühle das Thema eher gestreift als getroffen, eher angemerkt, als sich damit auseinandergesetzt. Die Kraftwerk-Platte beliebig austauschbar. Hätte auch Jarre sein können. Oder Oldfield. Parsons, Heads, Clash, Kate Bush.
Aber der Text als solcher ist toll.

Bisher mein Favorit.

war eine enge kiste, in den punkten. am ende habe ich nach gesamteindruck und persönlichem geschmack entschieden.


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Why so testerical?
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rieka
Geschlecht:weiblichSucher und Seiteneinsteiger


Beiträge: 816



Beitrag24.11.2015 13:17

von rieka
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Hallo Inco.
Es ist ziemlich schwierig für mich, den Texten dieses Wettbewerbs gerecht zu werden. Ich versuche es:
Ein reales Leben um und zwischen Maschinen.
Die Berufstätigkeit des Vaters zwischen Maschinen, der in seiner Tätigkeit aufgeht, die Arbeit, die dem Familienleben ihren Stempel aufdrückt und die Auswirkung auf jedes Familienmitglied hat.  
Ein Fragment halt: offenes Ende – jede Menge angeregte Fantasie, Möglichkeiten, was geschehen sein könnte, mit welchen Fragen der/die Prota sich herumschlägt.
Angenehm am Text finde ich, dass es sich nicht um Science Fiction handelt, sondern das vorgegebene Thema in der Realität aufgreift.
Klarer stolperfreier Textfluss, leicht zu folgender Handlungsstrang.
Überlegung! Ist der Vater bei diesem - vielleicht letzten – Arbeitseinsatz ums Leben gekommen? Oder geht es um eine grundsätzliche Suche nach dem Wesen des, oder der Beziehung zum, Vater. Im Grunde ist es egal. Der Text zieht hinein in das Leben des/oder der Prota, die von Maschinen umgeben, auch im häuslichen Denken und Handeln, aufgewachsen ist.  
Das reale und emotionale Geschehen in dieser Geschichte kommt mir sehr vertraut vor.
LG rieka
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Michel
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Beiträge: 3379
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Das bronzene Bühnenlicht Das goldene Niemandsland
Der silberne Durchblick Der silberne Spiegel - Prosa
Silberne Neonzeit


Beitrag25.11.2015 16:57

von Michel
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Ein ruhig fließender Text, den ich als ersten der ganzen Reihe gelesen habe. Setzt das Tempo und lässt andere Texte übertaktet erscheinen. Kein Maschinenmensch, keine Dystopie, sondern eine ruhige Erinnerung, die zeigt, dass Drama auch ohne großes Drama passiert.
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Akiragirl
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Der goldene Spiegel - Prosa DSFo-Sponsor


Beitrag25.11.2015 23:06

von Akiragirl
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Hallo Inko,

inhaltlich sehe ich keine herausragenden Aspekte dieses Textes im Vergleich zu vielen anderen des Wettbewerbs. „funktionieren“, Mechanisierung, Entmenschlichung, Umweltzerstörung, düstere Bilder. Was diesen Text für mich aber positiv abhebt ist die Nähe, die er herstellt und der Blick fürs Detail. Da ist viel Bildlichkeit und Individualität in den Szenen, die mir dadurch stärker im Gedächtnis haften geblieben sind, manchmal auch nur bestimmte Sätze, z.B.
Zitat:
und dann, damit du lernst, es von vornherein richtig zu machen, schreibst du noch drei Seiten extra.
Was denn?, frage ich.
Auf das Was kommt es nicht an, sagt er.

Finde ich sehr eindringlich und stark.

Auch deine Beschreibungen der Industrieanlagen und der dort arbeitenden Menschen sind sehr detailreich und gelungen, wie ich finde.
Auch gefällt mir, wie der Text - sehr wenig moralinsauer -, einzig durch die Kraft seiner Bilder zeigt und fühlbar macht, was die Industrie (ohne Rücksicht auf Verluste) der Region und den Menschen antut. Zugleich hast du es geschafft, bei mir ein unterschwelliges mulmiges Gefühl gegenüber den Zeichnungen, der Arbeit des Vaters zu erzeugen. Woran genau arbeitet er? Es scheint nichts Gutes zu sein.

Kurzum: Mir gefällt die Stimmung und die Bilder des Textes ganz ausgezeichnet, inhaltlich bietet er mir allerdings nicht so viel Neues und fordert mich nicht so heraus wie die höher platzierten Texte.

Ich vergebe 4 Punkte.

Liebe Grüße
Anne


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"Man bereut nicht, was man getan hat, sondern das, was man nicht getan hat." (Mark Aurel)
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tronde
Klammeraffe
T


Beiträge: 522

Das goldene Aufbruchstück Das silberne Niemandsland


T
Beitrag26.11.2015 00:03

von tronde
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Hallo!
Fragment: ja
MenschMaschine: ja, und mal was nicht so naheliegendes.
Sprachlich gut, den Vater kann ich mir gut vorstellen.

Wahrscheinlich Punkte.

Grüße
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Flotte Schreibefeder
Geschlecht:weiblichGänsefüßchen


Beiträge: 30
Wohnort: Bayern


Beitrag26.11.2015 12:34

von Flotte Schreibefeder
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Das Leben der Familie und das Verschwinden des Vaters fand ich gut erzählt. Auch die allgemeine Sprache des Textes hat mir gefallen. Allerdings haben mich die vielen Zeitsprünge überfordert.

Mit einigen Wörtern, wie Wurlitzer oder Big-Band-Sound, konnte ich zudem wenig anfangen.

Gänzlich verwirrt hat mich dann aber, dass essentielle Infos erst so spät kommen; zum Beispiel bin ich bis kurz vor dem Ende davon ausgegangen, dass die Erzählerin ein Einzelkind ist. Wozu braucht sie die zwei Schwestern denn dann überhaupt?
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Lilly_Winter
Geschlecht:weiblichEselsohr

Alter: 43
Beiträge: 250
Wohnort: Dortmund


Beitrag26.11.2015 12:51

von Lilly_Winter
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Hallo Inko,
dein Text hat es mir besonders schwer gemacht, denn eigentlich wäre er mein Favorit. Die Beziehung zwischen Prota und dem Vater hat mich sehr berührt. Allerdings würde ich nicht direkt auf das Thema Menschmaschine kommen. Es ist nicht so, dass ich das Thema gar nicht wiederfinden würde, aber ich habe mich gefragt, ob ich dann nicht Texte bevorzugen müsste, in denen mir das Thema klarer umgesetzt wurde und meinen eigenen Geschmack nach hinten schieben müsste. Ich hoffe du bist dennoch mit den Punkten zufrieden.

lg Lilly
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Jenni
Geschlecht:weiblichBücherwurm


Beiträge: 3310

Das goldene Aufbruchstück Die lange Johanne in Gold


Beitrag26.11.2015 15:01

von Jenni
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Ausgelöst durch einen Dokumentationsfilm verliert der Erzähler sich in Erinnerungen über seine Kindheit, seinen Vater insbesondere, der als Ingenieur in einer Chemiefabrik* gearbeitet hat und auch sonst ein Maschinenmensch war, einer der sich immer unter Kontrolle hatte und hohe Ansprüche an sich selbst und seine Kinder stellte. Der Erzähler ist auf der Suche, sucht den Vater zu verstehen, der offenbar schon lange nicht mehr lebt.

(*So ganz reichen mir deine Hinweise nicht aus, „gigantische Kessel“ mit giftigen, brennbaren Substanzen, die erhitzt, gekühlt und unter Druck gesetzt werden - und mit 37+ Werktoren, das muss ein monströses Unternehmen sein, das sind doppelt so viele Tore wie z.B. der Bayer-Chemiepark in Leverkusen hat. Vielleicht ist es keine Chemiefabrik, sondern ein Kraftwerk? Spielt das eine Rolle irgendwie?)

Sowohl der Erzähler als auch der Vater sind für mich „echte“ Menschen, ihre Familiengeschichte unheimlich authentisch erzählt, so „Zeitgeist“ und zugleich individuell. Dieser etwas melancholische Ton, die Bilder, die Spürbarkeit jener vergangenen Zeit, in der Maschinen und Fabriken noch etwa Romantisches anhaftete. Ach, ich mag das alles, ich lese diese Geschichte bei jedem Mal wieder gern.

Am Ende begleitet der Erzähler als Kind mit seiner Mutter den Vater zur Fabrik, an einem Sonntag. Das sei nichts ungewöhnliches, betont er, und gerade an dieser Stelle habe ich das Gefühl, es sei eben doch etwas Ungewöhnliches gewesen, etwas sei an jenem Sonntag passiert, was dann wieder ein Brückenschlag zum Anfang sein könnte, zur Suche des Erzählers nach dem Vater - aber es muss nicht sein, ebensogut kann es irgendein Sonntag gewesen sein, die Erzählung völlig offen. Das finde ich schön gelöst.

-> 7 Punkte
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Eredor
Geschlecht:männlichDichter und dichter

Moderator
Alter: 32
Beiträge: 3416
Wohnort: Heidelberg
Das silberne Stundenglas DSFx
Goldene Harfe Pokapro III & Lezepo I


Traumtagebuch
Beitrag26.11.2015 17:52

von Eredor
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Und ganz zum Schluss noch mal ein Knaller, der mich meine ganze Punkteverteilung überdenken lässt. Na danke, du Schuft! Razz

Gefällt mir sehr gut. Mehr Detail habe ich leider nicht mehr zu bieten, mein Hirn ist Matsch. Aber Punkte gibt's!

Und wenn du noch Detail willst, schreib mir einfach eine PN.

LG Dennis


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"vielleicht ist der mensch das was man in den/ ersten sekunden in ihm sieht/ die umwege könnte man sich sparen/ auch bei sich selbst"
- Lütfiye Güzel
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anderswolf
Geschlecht:männlichReißwolf


Beiträge: 1069



Beitrag27.11.2015 01:13

von anderswolf
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Da brummelt die Humeml, da rumort der Bauch des Vaters, zischt und knarrt in der Orgel, da gast und zischt es in den Rohren, damit der Leser am Ende nicht komplett überrascht ist, wenn er (leicht außerhalb der Geschichte erfährt), dass die Fabrik explodiert ist.

Vielleicht ist sie es aber auch nicht, vielleicht war der Vater nur immer schon distanziert und war es später noch mehr. Von ihm ist dann auch nicht mehr übrig geblieben als diese sehr pointierten Erinnerungen und das Video, was umso trauriger wäre.

Das Kind sucht (unabhängig vom Grund seiner Abwesenheit) nach dem Vater in den wenigen Erinnerungsstücken, die geblieben sind, und findet doch nur den Muff einer Raffinerie-industriellen Zeit. Schön ist das nicht, aber was ist schon schön in dysfunktionalen Familien.

Ansonsten ein guter Text, ein gutes Fragment, im Themenbezug allerdings irgendwie vage, fast reduziert auf den platten Satz, dass man funktonieren müsse.
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Vanir7777
Wortedrechsler
V


Beiträge: 96



V
Beitrag27.11.2015 12:49

von Vanir7777
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Bei meinen Bewertungen gehe ich nach folgendem Schema vor:
Inhalt/Hat es zum Denken angeregt?
Sprache/Stil (Ich bin kein Germanist! Ich finde ein guter Schreibstil schlägt sich darin nieder, dass man den Text liest und nicht über Sätze, seltsame Metaphern o.Ä. stolpert.)
Subjektiver Eindruck
Am Ende entscheidet mein Eindruck, da ich der Meinung bin, dass Texte schwer objektiv bewertet werden können. Ich versuche aber bei Inhalt und Stil auf die Gründe einzugehen.

Ein seltsamer Text. Ich bin nicht wirklich warm mit ihm geworden (Kann daran liegen, dass ich die Aussage des Textes nicht bei mir angekommen ist). Für mich allerdings sprachlich der wahrscheinlich sauberste Text hier. Auch das Fragmentarische sehe ich hier sehr gut umgesetzt.
Bei aller Handwerkskunst fehlt mir allerdings eine gewisse Griffigkeit des Texts. Auch wenn es e-Literatur ist, will ich persönlich einen Text nicht dreimal lesen müssen, um ihm eine Aussage entreißen zu können.
Aus diesem Grund gibt's leider keine Punkte.
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Nihil
{ }

Moderator
Alter: 34
Beiträge: 6039



Beitrag27.11.2015 13:03

von Nihil
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    Sieben Punkte für Werktor 37

    Papa-tuum mobile
    Der Fluch der Perfektion. „Werktor 37“ erzählt eindringlich vom Leben mit einem Vater, der so präzise, kontinuierlich und so kühl wie ein Uhrwerk seine Arbeit leistet. Und den gleichen Standard an seine Familie stellt.

    Den Alltag des kindlichen Erzählers bestimmen Nüchternheit und Ordnung. Immer auf der Suche nach einem anerkennenden Lob des Vaters versucht das Kind, über das wir weiteres nicht erfahren, dessen Ansprüchen gerecht zu werden. So schreibt es ein Gedicht ab, macht ein paar Unsauberkeiten dabei und erhält als Strafe die Aufgabe, drei weitere – ordentliche – Seiten zu schreiben. Der Inhalt spielt dabei keine Rolle, solange nur die Form sauber bleibt. Kein Wort des Vaters zu der schmückenden Zeichnung, mit der sein Kind die Strophen illustriert hat. Später, als er es sogar an wichtigen Blaupausen seiner Arbeit mithelfen lässt, traut es sich nicht, in das Gesicht des Vaters zu blicken, weil es zu weh tun würde, kein Lächeln darauf zu sehen. Szenen wie diese machen deutlich, was es bedeutet, der Spross einer Menschmaschine zu sein. Selbst einer, die völlig ohne High-End-Technologie auskommt.
       Es sind diese Alltagsszenen, die dem Text Leben einhauchen. Und etwas, das darüber hinaus geht: Atmosphäre. Man sieht den Vater vor sich, wie er versucht, auf seiner Heimorgel serielle Musik zu spielen, eine Kunstrichtung, die klaren Regeln folgt und sich vorherbestimmen lässt. Natürlich ist sie ihm sympathisch. Wir sehen auch die angestrengten Augen, wenn das Kind seinem Vater bei der Arbeit helfen darf, und spüren die Hoffnung, dass den Ansprüchen der Perfektion Genüge getan wurde. Eine runde Geschichte in schöner Sprache, die man gerne noch länger verfolgen würde.
       Allerdings bleibt weiter nicht viel übrig als eine angenehme Lesestimmung. Vater-Sohn/Tochter-Konflikte tauchen immer wieder auf und auch vom Arbeiter, der so exakt wie eine Maschine agiert, hat man schon gelesen. Leider werden keine weiteren Fragen angestoßen oder Themenräume eröffnet, die über diese unmenschliche Exaktheit hinausgehen. Sobald man das Bild des Vaters eindeutig vor Augen hat, ist der Text für den Leser abgeschlossen. Was natürlich nicht ausschließt, dass man Gefallen an der Zeichnung dieser Familie haben kann.
       Insgesamt einer der besten Texte im Wettbewerb, der allerdings dem Thema „Menschmaschine“ nur in Teilen gerecht wird. Trotz der fragmentarischen Form werden kaum Lücken erschaffen, in die der Leser gelockt wird. Deswegen hat „Werktor 37“ den Platz auf dem Treppchen leider knapp verfehlt.

     
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nebenfluss
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Beitrag27.11.2015 14:10

von nebenfluss
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Finde nichts wirklich zu benörgeln, deshalb nur eine vergleichsweise kurze Rückmeldung.

Toller Beitrag. Die Menschmaschine ist hier eine ganze Fabrikanlage, mit "Kinderkrankheiten", die vermutlich für die Menschen, die sie kurieren wollten, tödlich verlaufen sind. Gefällt mir sehr, wie leise und selbstverständlich die Unterschätzung der Gefahr hier eingebaut ist. Die Katastrophe selbst wird sogar mit keinem Wort erwähnt, ich kann sie aber deutlich herausahnen aus der Suche der Prota nach dem Vater, ausgerechnet in einem Werbefilm über das neue Werk.
Toll auch die Einzelbeobachtungen, die sich zu einem Bild von dieser Familie zusammenfügen und dass der Autor angesichts des Themas "Verlust" nicht der Versuchung erlegen ist, rührselig zu werden, sondern darauf zu vertrauen, dass die Melancholie in diesen Retrospektiven zu Genüge verankert ist.
Engagiert, routiniert und mit genau der richtige Menge an Einfühlung geschrieben. Vielen Dank.


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Ithanea
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Beitrag27.11.2015 17:51

von Ithanea
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Mag ich gerne. Wie du schreibst, den unnahbaren Vater, die Faszination für das Detail, die Gespenstertöne der Orgel. Maschinen in mehrfacher Hinsicht. Schade finde ich, dass die Geschichte nicht wieder mit einem Abschnitt im Jetzt endet, vor dem Video, das hätte für mich gut gepasst. Ich weiß, Fragment.

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Verschrieben. Verzettelt.
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lupus
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Beitrag27.11.2015 18:18
Re: Werktor 37
von lupus
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Guten Abend,

ein ausnehmend guter Text ist dir da gelungen, wunderbar strukturiert, die beiden Zeitebenen passen perfekt zusammen, verfließen in einander. Gut geschrieben ist das auch, variantenreich, ohne übertrieben zu sein, ohne dich im E zu verrennen, die Sprache ist elaboriert, kommt aber natürlich. Sehr routiniert - alle Achtung.

ich hätte einen anderen Einstieg gewählt, der hier ist doch ein bisserl verwirrnend, andererseits ... vielleicht muss das so sein.

Inhaltlich:
die Idee, find ich nicht schlecht, kratz aber nur ganz entfernt am Thema; der Vater als jemand, der in der Arbeit an und für Maschinen aufgeht, ein Vater, der in seiner Betanterie, seiner Exaktheit einer Maschine ähnelt ("Hauptsache du funktionierst"), ein Vater, der - Explosion, Brand? - mit der Maschine verschmilzt, ein Vater, der nur mehr in der Maschine - Kamera - existiert? Naja - alles ein bisserl weit hergeholt.

Die Charakterisierung des Vaters, der gesamten Familiensituation: sehr gelungen.

ein weiteres Problem hab ich: Der text lässt mich schon weiter denken, aber nur über den Text, nicht das Thema - welches nun? - weiter denken. Da bietet sich mir keine Angriffsfläche, keine Aussage, die tiefer geht als die Oberfläche.

Das alles ist wunderbar erzählt, aber es erzählt eben nur, sagt wenig. Zu wenig, als dass ich überhaupt wüsste, worüber ich nachdenken sollte.

Und so: Sprachlich ist das für mich ein ganz schöner E-Text. Inhaltlich bleibt er mir zu nichts sagend.

dennoch: der Text kann was, vor allem, weil du eine offensichtlich emotionale Situation darstellt, ohne mit Emotionen zu arbeiten, ohne Gefühlsduselei. Und DAS ist ziemlich schwierig.

lgl


Guy Incognito hat Folgendes geschrieben:

Der Vater sitzt vor der ??? neuen Wurlitzer.


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lg Wolfgang

gott ist nicht tot noch nicht aber auf seinem rückzug vom schlachtfeld des krieges den er begonnen hat spielt er verbrannte erde mit meinem leben

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wwwave
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Beitrag27.11.2015 19:49

von wwwave
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Gefällt mir.
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Tjana
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Beitrag28.11.2015 00:35

von Tjana
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Diese Kommentare hab ich ganz bewusst zuerst gelesen, weil ich verstehen wollte, ob ich ein falsches Augenmerk gelegt habe.
Ja. Hab ich. Ich hätte dem Text und meinem Gefühl zu ihm mehr Zeit geben sollen.
Die war aber irgendwann nicht mehr vorhanden, und so wurde die Frage nach dem Themenbezug entscheidend. Den fand ich grenzwertig. Und es tat mir richtig leid, einem so schönen Text deswegen keine Punkte geben zu können.
Aber an der Siegerposition hätte es ja nichts geändert, zum Glück. Nur in mir und meinem Verständnis, wie man Vorgaben gewichten sollte kann noch was geändert werden.
Von Herzen Glückwunsch, Literätin.


_________________
Wir sehnen uns nicht nach bestimmten Plätzen zurück, sondern nach Gefühlen, die sie ins uns auslösen
In der Mitte von Schwierigkeiten liegen die Möglichkeiten (Albert Einstein)
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Literättin
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Beitrag28.11.2015 08:50

von Literättin
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Ich bin überaus angetan von der Gesamtheit eurer Kommentare, die sich gegenseitig so wunderbar ergänzen und mir spiegeln, dass einiges rübergekommen ist, was ich mir heimlich erhofft hatte, dass es hängen bleibt. Heimlich, weil ich nicht damit gerechnet habe, dass er auf dem Treppchen landet, mein Text, schon gar nicht auf dem ersten Platz.

An manchen Tagen dachte ich auch: nee, der schafft es nicht einmal in den Wettbewerb, weil nicht deutlich genug im Themenbezug.

Was vielleicht mit daran liegt, dass mich die Themenvorgabe Mensch Maschine einfach umgehauen hat.

Es begann tatsächlich mit der Platte von Kraftwerk: Die Mensch Maschine lief und lief seit Wochen hier bei mir vorwärts, rückwärts, wieder und wieder (ich hatte sie auf einem Flohmarkt wieder entdeckt) und ich war jeden Tag aufs Neue überrascht über diesen speziellen unschuldig-arglosen Siebzigerjahre-Sound, der für mich etwas transportiert, das unmittelbar mit dieser Zeit zusammen hängt.

Ich wollte das einfangen und wiedergeben: das Widersprüchliche darin. Die Begeisterung für Technik und Maschinenwelten, für synthetische Musik, die damalige unmittelbare und fast organische Begeisterung für das technisch Machbare, für die Freiheiten, die im damaligen Fortschritt entstanden (die Autobahnen waren noch leer, man fuhr tatsächlich der gefühlten Freiheit entgegen), die Aufbruchsstimmung einerseits und das fast kindlich-arglose ernste und dabei oft sehr schludrige Spiel mit dem Fortschritt (die Luft verpestet, die Strände voll Öl, saurer Regen, Chemieunfälle). Es war eine "schmutzige" Zeit, die im Vergleich zu heute noch etwas Gründerzeitmäßiges hatte: qualmende Schlote ein Zeichen industrieller Potenz. Ein Rest Industrieller Revolution war noch da, wo es heute die Digitale ist. Der Ruhrpott, die Ballungsgebiete. Smog war oft Thema und es war Öl, nicht Pech, das die Küsten verschmutzte.

Und sehr, sehr präsent in meiner Kindheit diese Art von Musik, die unmittelbarer, neuer, revolutionärer war, zentraler und wichtiger als heute.

Eine widersprüchliche Zeit: Männer waren Ingenieure, Techniker, Maschinenbauer, gleichzeitig brave Biedermänner und Rock und E-Musik hörende sich selbst befreien wollende Pioniere. Die innere Härte, die noch in den Kriegsgeborenen steckte, die 68er Revolution im Gegenzug noch atmosphärisch im Hintergrund schwebend (nein, nicht im Text, nur damals, in echt) und dabei doch auch schon altbacken. Eine trotz Frauenbewegung im Alltag und in der Arbeitswelt sehr Männer dominierte Welt. Technikgläubiger als heute. Berauscht von den Entwicklungen und Möglichkeiten auf dem Weg vom Erdöl- ins Atomzeitalter. Das ist mit den Jahren verblasst. Das Thema Mensch Maschine machte mir diese Atmosphäre wieder greifbar. Ich hatte ihn sofort vorm inneren Auge: den Maschinenmenschen. Und ich wollte etwas von dieser Atmosphäre einfangen.

Im einzelnen werde ich dieser Tage noch auf eure Kommentare eingehen und wollte euch nur schon mal dies  hier als Hintergrund da lassen.

Während ich mich noch immer die Augen reibe und mich erhole vom "Gewinner-Schock". smile
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Literättin
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Beitrag29.11.2015 08:23

von Literättin
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Und jetzt endlich konkret zum Text und zu euren Anmerkungen.

Um was geht es eigentlich in Werktor 37?

Ich wollte in diesem kleinen zeitgeschichtlichen Siebzigerjahre-Stück einen fragmenthaften Blick auf das Verhältnis des Nachkriegsmenschen auf sich selbst, zum eigenen Menschsein, zu anderen Menschen und zur Maschinenwelt, zur Technik, zum technisch Machbaren werfen und habe dafür die Suche eines erwachsen gewordenen Kindes nach seinem Vater gewählt.

Das Kind, eine Tochter (ich hoffte das in der schnörkeligen Rankenmalerei und im Frühlingsgedicht transportieren zu können) wird in seiner weiblichen Kindhaftigkeit ignoriert. Sein Blick – der auf sich selbst, wie auf das Kind) ist ein eher technischer: das Kind (und er selbst) muss funktionieren. Damals war das eine typische Erziehungshaltung. Heute würde ich einen solchen Fokus eher beim Erfolgreich sein setzen: Hauptsache, du bist erfolgreich.

Das Verhältnis des Vaters zu sich selbst soll sich ein bisschen im Bauchgrummeln zeigen und in seiner Wurlitzer. Er wollte etwas (vielleicht endlich einmal) für sich selbst und kann sich nicht einmal hemmungslos darüber freuen, dass ihm dieses „kompromisshafte (für die ganze Familie)“ Schnippchen gelungen ist. Es grummelt nur ein bisschen, er redet laut darüber hinweg. Eigentlich ist er „auch nur ein Mensch“ im dünnen Wollpullover, mit Bauchansatz und simplen Wünschen (Heimorgel), kann damit aber nicht umgehen.

Er rettet sich in scheinbar beherrschbare technische, synthetische (auch Musik)Welten und realisiert dabei nicht, wie unsicher, fast menschlich (die Rohre, das Gasen und Zischen als Parallele zu seinen eigenen Innereien) und gefährdet auch diese inneren technischen Prozesse sind.

Er steht – wie die Maschine unter Druck, unter Hitze, unter Kälte. Hier sollen die menschlichen, wie die technischen „Befindlichkeiten“ im Bild zusammenfließen.

Die Fabrik ist eine Chemiefabrik und es geht um das Ausgangsprodukt Erdöl, dass in den Siebzigern, unmittelbar vor und selbst in der Ölkrise noch als Garant für unendliche Möglichkeiten stand. Wahrnehmbar für mich als Schreibende von heute aus als eine seltsame Mischung verbissener Nachkriegshärte (Hauptsache, du / es funktioniert), Wirtschaftswunder-Bedenkenlosigkeit und trotzigem Freiheitsdrang.

Die Unwägbarkeit des Ganzen sollte über allem schweben und im Text spürbar werden, als leiser Verdacht, dass das in einer Katastrophe enden könnte. Für mich war es in den Siebzigerjahren dieses leise lauern: geht das gut? Es war mir wichtig, eine Katastrophe im Schwebezustand durchscheinen zu lassen ohne dass sie passieren muss, dabei aber zum greifen nahe ist.

Zu euren Anmerkungen:

@Schreibhand

Hmm.

@holg

Zitat:
Ich fühle das Thema eher gestreift als getroffen, eher angemerkt, als sich damit auseinandergesetzt. Die Kraftwerk-Platte beliebig austauschbar. Hätte auch Jarre sein können. Oder Oldfield. Parsons, Heads, Clash, Kate Bush.
Aber der Text als solcher ist toll.


Ja, dachte ich, hat er recht. Eigentlich ist die LP im Text austauschbar – sie war ja auch nur meine Ausgangsassoziation – und dann: nein, eigentlich wäre Jarre da zu „schwelgerisch“, zu „französich“ und zu ausgelassen. Das tendenziell Minimalistische würde mir fehlen. Parsons: Ja, auch der stand im echten Leben in der Sammlung (wie Jarre und Oldfield), hätte mich aber wie Jarre, Parsons, Talking Heads und sowieso Kate Bush auf völlig andere Texte gebracht (edit: unabhängig davon, dass ich persönlich Kate Bush da überhaupt nicht eingereiht hätte) und irgendwie nicht zu diesem sparsam agierenden Familienvater gepasst. Er wäre dann lockerer aufgetreten. Nicht, dass Kraftwerk steif wäre! Aber der Vater findet sich in der Reduziertheit besser wieder. Auch (trotz Arsch-Faktor) in der bei Kraftwerk in meinen Ohren durchklingenden Unschuld, Sehnsucht, Arglosigeit, Leichtigkeit... Und es war damals wichtig, dass diese Band deutsch war und "trotzdem" Musik-Revolutionär. Der Rhein und Düsseldorf sehr nah. Der Stolz auf diese Band sehr groß. Heute würde man plump verkürzen: "Wir waren Kraftwerk." Klar, das ist im Text nicht präsent, gehört aber unaustauschbar zum Entstehungsprozess.

Ich wollte die Platte zwischendurch auch einmal aus anderen Gründen rausnehmen (Nihil hatte einfach frech den Musiktipp zum Wettbewerb gepostet), konnte es aber nicht, da ich zumindest das Cover mit den „steifen Herren“ brauchte – als Gegenbild zu den auf der Orgelbank aufgereihten frechen Gören, die den Unterbauch der Vaterorgel treten. Als kleine Revolte gegen seine Steifheit. Vermutlich ist mir das Bild zu schwach geraten.

Ich freue mich über deine kritischen Anmerkungen und natürlich besonders über dein „toller Text“ und danke dir dafür.


@Rieka

Zitat:
Überlegung! Ist der Vater bei diesem - vielleicht letzten – Arbeitseinsatz ums Leben gekommen? Oder geht es um eine grundsätzliche Suche nach dem Wesen des, oder der Beziehung zum, Vater. Im Grunde ist es egal. Der Text zieht hinein in das Leben des/oder der Prota, die von Maschinen umgeben, auch im häuslichen Denken und Handeln, aufgewachsen ist. 
Das reale und emotionale Geschehen in dieser Geschichte kommt mir sehr vertraut vor.


Schön, dass so vieles bei dir angekommen ist! Das freut mich sehr. Und genau so wollte ich es halten: dass der Fokus nicht auf der finalen Katastrophe liegt. Spannend auch, dass dir das emotionale Geschehen bekannt vorkommt.

@Michel

Zitat:
Ein ruhig fließender Text, den ich als ersten der ganzen Reihe gelesen habe. Setzt das Tempo und lässt andere Texte übertaktet erscheinen. Kein Maschinenmensch, keine Dystopie, sondern eine ruhige Erinnerung, die zeigt, dass Drama auch ohne großes Drama passiert.


Danke für diesen einfach schönen Satz zum Text! smile

@Akiragirl

Ich freue mich über das, was Du mit meinem Text positiv anfangen kannst und verstehe, was Du hiermit meinst:

Zitat:
Kurzum: Mir gefällt die Stimmung und die Bilder des Textes ganz ausgezeichnet, inhaltlich bietet er mir allerdings nicht so viel Neues und fordert mich nicht so heraus wie die höher platzierten Texte.


Das Neue hatte ich gar nicht im Kopf beim schreiben, finde diesen Aspekt von E-Literatur aber gerade durch die Kommentare inzwischen sehr interessant und für mich als Schreibende total herausfordernd. Ich hatte dieses „Mehr“ bislang nicht so im Bewusstsein, wie es jetzt durch diesen Wettbewerb sich dort auch breit macht. Spannender Aspekt! Ich bin mir dabei natürlich nicht sicher, ob ich solche Höhen je erklimmen kann. Es ist, als würde ich da eher auf ferne Horizonte blicken.

@tronde

Kurz und schmerzlos: Danke.


Weiteres folgt ...
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Beitrag29.11.2015 13:12

von Literättin
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Und hier geht's weiter:

@Flotte Schreibfeder

Zitat:
Das Leben der Familie und das Verschwinden des Vaters fand ich gut erzählt. Auch die allgemeine Sprache des Textes hat mir gefallen. Allerdings haben mich die vielen Zeitsprünge überfordert.

Mit einigen Wörtern, wie Wurlitzer oder Big-Band-Sound, konnte ich zudem wenig anfangen.

Gänzlich verwirrt hat mich dann aber, dass essentielle Infos erst so spät kommen; zum Beispiel bin ich bis kurz vor dem Ende davon ausgegangen, dass die Erzählerin ein Einzelkind ist. Wozu braucht sie die zwei Schwestern denn dann überhaupt?


Ich danke für deinen gleichermaßen kritischen wie positiven Kommentar. Es freut mich, dass Sprache und Erzählweise dich erreicht haben und Du den Vater für dich als verschwunden erkannt hast.

Im Einzelnen war dir der Text dann etwas zu spezifisch, was wohl an der Zeit liegt, die ich ins Visier genommen habe. Kann ich aber gut nachvollziehen. Möglicher Weise ist es ein Text eher für die Generation der in den Siebzigerjahren aufgewachsenen.

@Lilly_Winter

Zitat:
Hallo Inko,
dein Text hat es mir besonders schwer gemacht, denn eigentlich wäre er mein Favorit. Die Beziehung zwischen Prota und dem Vater hat mich sehr berührt. Allerdings würde ich nicht direkt auf das Thema Menschmaschine kommen. Es ist nicht so, dass ich das Thema gar nicht wiederfinden würde, aber ich habe mich gefragt, ob ich dann nicht Texte bevorzugen müsste, in denen mir das Thema klarer umgesetzt wurde und meinen eigenen Geschmack nach hinten schieben müsste. Ich hoffe du bist dennoch mit den Punkten zufrieden
.

lg Lilly


Oh ja! smile Ich bin zufrieden mit den Punkten. Mit dem „eigentlichen Favoriten“ um so mehr. Für mich absolut nachvollziehbar, dass dir der Bezug zum Thema zu lose war und ist. Ich habe mich auch selbst gefragt, ob jemand einen solchen Bezug überhaupt herstellen könnte, stünde der Text nicht unter diesem Thema im Wettbewerb! wink

Ich bin so was von stolz, inzwischen, dass mein Text es trotz dieses deutlichen Mangels aufs Treppchen geschafft hat.

@Jenni

Total erwischt! Ich bin knallrot, weil Du natürlich recht hast mit der absurd hohen Tornummer. Zumal ich Leverkusen im Kopf hatte. Ich habe schlichtweg irgend eine Nummer hingeschrieben, im Hinterkopf registriert, dass ich noch mal nachdenken sollte und fieberhaft weiter gearbeitet am Text. Intuitiver Zufall – vermute ich -, dass es sich bei der 37 um meine eigene Hausnummer handelt. Und darüber hinaus auch noch um das Geburtsjahr meines Vaters. Embarassed

Heute würde ich wohl eher eine Zehner-Nummer daraus machen!

Über deinen Kommentar freue ich mich ansonsten wie Bolle. Insbesondere diesen Absatz könnte ich wieder und wieder lesen:

Zitat:
Sowohl der Erzähler als auch der Vater sind für mich „echte“ Menschen, ihre Familiengeschichte unheimlich authentisch erzählt, so „Zeitgeist“ und zugleich individuell. Dieser etwas melancholische Ton, die Bilder, die Spürbarkeit jener vergangenen Zeit, in der Maschinen und Fabriken noch etwa Romantisches anhaftete. Ach, ich mag das alles, ich lese diese Geschichte bei jedem Mal wieder gern.

Geht runter wie Öl.

Auch, dass dir das offene Ende gefällt!

@Dennis

Das hier:

Zitat:
Und ganz zum Schluss noch mal ein Knaller, der mich meine ganze Punkteverteilung überdenken lässt. Na danke, du Schuft!  

Gefällt mir sehr gut. Mehr Detail habe ich leider nicht mehr zu bieten, mein Hirn ist Matsch. Aber Punkte gibt's!

Und wenn du noch Detail willst, schreib mir einfach eine PN.

LG Dennis



… freut mich schlicht so dermaßen, dass ich gar keine weiteren Details will. „Ein Knaller“ von dir ist der Knaller für mich!

@anderswolf

Zitat:
Da brummelt die Humeml, da rumort der Bauch des Vaters, zischt und knarrt in der Orgel, da gast und zischt es in den Rohren, damit der Leser am Ende nicht komplett überrascht ist, wenn er (leicht außerhalb der Geschichte erfährt), dass die Fabrik explodiert ist.


So schön, anderswolf, dass Du diese Geräusche hier noch einmal so versammelst und für dich den lauten Knall gehört hast, auf den das alles hinführen kann, während Du gleichzeitig die reduzierte Variante wahrnimmst. Das war mir wichtig, dass einem die Fabrik als leser ganz direkkt um die Ohren fliegen kann, es aber nicht braucht. Dass es möglich ist, den Text auch ohne finales Fiasko zu lesen.

Sogar mir selbst ist es als Autorin so ergangen, dass ich ihn einmal in der leisen variante lesen kann und das andere Mal selbst fast den Grusel kriege, weil ich das Ding vorm inneren Auge hochgehen sehe.

@vanir7777

Zitat:
Ein seltsamer Text. Ich bin nicht wirklich warm mit ihm geworden (Kann daran liegen, dass ich die Aussage des Textes nicht bei mir angekommen ist). Für mich allerdings sprachlich der wahrscheinlich sauberste Text hier. Auch das Fragmentarische sehe ich hier sehr gut umgesetzt.
Bei aller Handwerkskunst fehlt mir allerdings eine gewisse Griffigkeit des Texts. Auch wenn es e-Literatur ist, will ich persönlich einen Text nicht dreimal lesen müssen, um ihm eine Aussage entreißen zu können.
Aus diesem Grund gibt's leider keine Punkte.


Ich danke auch für diesen Kommentar, der mir spiegelt, dass mein Text nicht bei allen angekommen ist. Umso bemerkenswerter finde ich die Würdigung, die Du trotzdem vornimmst. Meinen aufrichtigen Dank!

@Nihil

smile Ich danke auch dir aufrichtig für deine kritische Würdigung. Besonders dies:

Zitat:
Allerdings bleibt weiter nicht viel übrig als eine angenehme Lesestimmung. Vater-Sohn/Tochter-Konflikte tauchen immer wieder auf und auch vom Arbeiter, der so exakt wie eine Maschine agiert, hat man schon gelesen. Leider werden keine weiteren Fragen angestoßen oder Themenräume eröffnet, die über diese unmenschliche Exaktheit hinausgehen. Sobald man das Bild des Vaters eindeutig vor Augen hat, ist der Text für den Leser abgeschlossen. Was natürlich nicht ausschließt, dass man Gefallen an der Zeichnung dieser Familie haben kann.


… macht mir klar, dass die große E-Karotte noch sehr weit weg vor meiner Nase baumelt.

Und doch auch schon viel da ist, von dem, was ich schreibend umkreise.

Im übrigen: Du hast diesen Wettbewerb allein schon mit deinen fundiert kritischen und würdigenden Kommentaren derart bereichert, dass sie beinahe schon in Konkurrenz zu den Texten stehen könnten. Ein echtes Vergnügen, sie zu schmökern.


@Nebenfluss

Zitat:
Toller Beitrag. Die Menschmaschine ist hier eine ganze Fabrikanlage, mit "Kinderkrankheiten", die vermutlich für die Menschen, die sie kurieren wollten, tödlich verlaufen sind. Gefällt mir sehr, wie leise und selbstverständlich die Unterschätzung der Gefahr hier eingebaut ist. Die Katastrophe selbst wird sogar mit keinem Wort erwähnt, ich kann sie aber deutlich herausahnen aus der Suche der Prota nach dem Vater, ausgerechnet in einem Werbefilm über das neue Werk.
Toll auch die Einzelbeobachtungen, die sich zu einem Bild von dieser Familie zusammenfügen und dass der Autor angesichts des Themas "Verlust" nicht der Versuchung erlegen ist, rührselig zu werden, sondern darauf zu vertrauen, dass die Melancholie in diesen Retrospektiven zu Genüge verankert ist.
Engagiert, routiniert und mit genau der richtige Menge an Einfühlung geschrieben. Vielen Dank.



Vielen Dank auch dir. Freut mich, dein Kommentar. Freut mich einfach. Da ist sehr viel von dem, was mir vorschwebte bei dir angekommen, samt der unterschätzten Gefahr und der nicht erwähnten Katastrophe.

@Ithanea

Zitat:
Mag ich gerne. Wie du schreibst, den unnahbaren Vater, die Faszination für das Detail, die Gespenstertöne der Orgel. Maschinen in mehrfacher Hinsicht. Schade finde ich, dass die Geschichte nicht wieder mit einem Abschnitt im Jetzt endet, vor dem Video, das hätte für mich gut gepasst. Ich weiß, Fragment.


Genau wink, Fragment. Und ich war tatsächlich in Versuchung, das Ende mit einer Video-Sequenz rund zu machen, was nicht nur nicht ging, weil ich da bei 9999 Zeichen war: Heute tendiere ich eher schon dazu, selbst den letzten Satz noch zu streichen.

Ich freue mich über dein „Mag ich gerne.“ total!

@lupus

Bei aller Kritik fühle ich mich sehr gelobt von dir und das freut mich besonders, hast Du doch schließlich meinen Favoriten verfasst!

Mit deinen kritischen Anmerkungen hast Du natürlich recht. Ich erwähnte es schon mehrfach, dass ich beides nur bestätigen kann: die lose Verbindung zum Thema und den Mangel, keine weiteren Fragen und / oder Themenfelder zu eröffnen. Das wäre dann die Hohe Kunst.

Die kleine Frage zum Schluss aber verwirrt mich, seit ich darüber herumrätsele: weshalb denn nicht:


Guy Incognito hat Folgendes geschrieben:

Der Vater sitzt vor der ??? neuen Wurlitzer.

?

@wwwawe

Danke! smile

@Tjana

Und dein Kommentar hat mich tatsächlich besonders gefreut! smile Find' ich klasse, deine Herangehensweise! Freut mich!
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