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Ylajali Wortedrechsler
Alter: 41 Beiträge: 89
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10.09.2015 16:01 Gefühlsroulette - Der Briefträger von Ylajali
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„Oh nein.“ schoss es Frau Keller durch den Kopf, als sie auf der anderen Straßenseite das gelbe Fahrrad bemerkte. „Schon wieder der Briefträger!“ Sie ruckte den Kopf, wie um nach einer raschen Fluchtmöglichkeit zu suchen, was natürlich albern war. Schließlich war sie kein Kind mehr, das sich hinter Mülltonnen verstecken konnte. Und warum sollte sie auf gerader Straße plötzlich die Richtung wechseln? Was wäre, wenn er ahnte, dass sie es seinetwegen tat? Entsetzliche Vorstellung!
Frau Keller merkte, wie ihr der Schweiß ausbrach, als sie ein gelb-blaues Hemd hinter der Buchsbaumhecke der Nachbarn auftauchen sah. Fast täglich begegneten sie sich und mittlerweile fielen ihr keine freundlichen Floskeln mehr ein, mit denen sie dem stets gutgelaunten Mittfünfziger begegnen konnte. Das Problem bestand darin, dass der Mann von der Post sich nie mit einem Gruß zufrieden gab. Jedes Mal versuchte er, sie in ein kurzes Gespräch zu entwickeln. Frech, aufdringlich, scheinbar ohne jegliches Gespür für ihre Ablehnung. Das Mindeste worauf sie sich gefasst machen musste war, dass er ihren Dackel tätscheln und sich erkundigen würde, welchen Weg sie denn heute fürs Gassi gehen einschlagen wolle. Sie hasste diesen Zwang zum ständigen Smalltalk. Mit verspannten Kinnmuskeln rang sie sich ein Lächeln ab, als ihre Blicke sich trafen.
„Ob er heute wohl wieder da ist?“ Frau Keller linste gespannt die Straße hinab, als sie mit ihrem Dackel die Auffahrt verließ. Tatsächlich! Da stand ja das gelbe Fahrrad am Zaun drei Häuser weiter. Sie hatte den Zeitpunkt also perfekt abgepasst! Beschwingten Schrittes lief sie mit Herby den Gehweg hinab. Ihr Herz schlug im Takt der energischen Schritte. Saß ihr Haar auch gut? War das Parfum auch nicht zu aufdringlich?
„Oh, da ist er!“ Sie hielt den Atem an, als das Objekt ihrer Begierde hinter der Hecke sichtbar wurde. Was für ein Mann! Einer wie er wirkte selbst in dem gelb-blauen Posthemd wie ein Gott! Und immer zu einem Pläuschchen aufgelegt war er! Frau Keller war sicher, dass da mehr dahinter steckte - und selbst wenn nicht - einen guten Flirt wollte sie sich keinesfalls entgehen lassen. Sofort hob er grüßend die Hand und blieb, lässig an sein Rad gelehnt, stehen, bis sie herangekommen war. „Grüß Gott, schöne Frau! Leider gar nichts dabei für Sie heute...“ In seinem Blick meinte sie ein lausbübisches Glitzern zu entdecken.
Wie schade! Aber ihr Lächeln entschädigt mich dafür!“ antwortete sie kokett.
Wo blieb dieser faule Klapperradtreter denn nur? So ein Penner! Frau Keller suchte mit unverhohlener Wut die Straße zu beiden Seiten ab. Stand das Rad des Briefträgers da nicht schon seit geschlagenen zehn Minuten vor der Tür von Herrn Maier? Wenn die beiden erstmal zusammenkamen, fand der Tratsch mal wieder kein Ende! Ständig klönte der Postmann beim Nachbarn und auch mit anderen Leuten in der Straße hielt er den lieben langen Tag seine Pläuschchen, so als sei das Post verteilen nur sein Nebenjob! Dabei wartete sie doch so dringend auf den Brief vom Anwalt! Hart riss sie an der Leine von Herby, ihrem altersschwachen Dackel. „Dem wollen wir mal den Marsch blasen, dass ihm sein dämliches Gute-Laune-Grinsen vergeht, Herby!“ erklärte sie grimmig, während sie den Gehsteig hinunterstapfte. Gerade als sie ihrer Empörung Ausdruck verleihen wollte, kam ihr der Briefträger an der Gartenpforte entgegen. „Schönen Tag, Frau Keller. Leider gar nichts dabei für Sie heute.“ sagte er bemüht höflich. Lag da eine Spur Schadenfreunde in seinem Gesicht? Finster starrte sie auf das Bündel Briefe in seiner Hand.
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cindysherman Leseratte
C Alter: 46 Beiträge: 112 Wohnort: Berlin
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C 11.09.2015 12:52 Ratlos von cindysherman
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Diese Texte hinterlassen mich etwas ratlos. Was denn nun? Wer ist denn nun Frau Keller? Oder ist das eine Schreibübung?
Es wirkt auf mich ein klein bißchen pädagogisch gemeint, so als wolltest Du zeigen: Frau Keller macht sich nur selber unglücklich, es liegt an ihrer Perspektive, wenn sie leidet. Was ja gemeinhin auch stimmen mag. Aber geht es dir darum?
Ich hatte kurz überlegt, ob es drei verschiedene Personen sind. Das hätte mich interessiert, vor allem, wenn Dialoge zwischen ihnen statt fänden. Und dann könnte man auch die Perspektive des Briefträgers beimischen, mit verschiedenen Gedanken zu dem immergleichen Begrüßungsfloskeln.
Mal sehen, was Du noch daraus mchst! Bin gespannt.
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Ylajali Wortedrechsler
Alter: 41 Beiträge: 89
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11.09.2015 14:24
von Ylajali
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Hallo, ja genau das ist es: eine von Nihils Schreibübungen aus dem Forum Sprache+Stil. Eine Situation sollte aus Sicht einer Person auf drei verschiedene Weisen dargestellt werden - hier besorgt-ablehnend, liebestoll und wütend. Deshalb stehen die Einzeltexte auch etwas belanglos nebeneinander. Naja vielleicht würde jemand, der geschickter ist als ich, dazwischen auch eine Verknüpfung hinbekommen, aber ich habe es halt rein zu Übungszwecken gemacht.
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cindysherman Leseratte
C Alter: 46 Beiträge: 112 Wohnort: Berlin
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C 21.09.2015 13:59
von cindysherman
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ah, verstehe! Das wäre als Info ganz gut vorab. Dann müsste ja Nihil hier Feedback geben, oder?
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Ylajali Wortedrechsler
Alter: 41 Beiträge: 89
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22.09.2015 16:03
von Ylajali
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Naja, die Übersicht oben zeigt ja, in welchem Unterforum man ist, eigentlich sollen hier, wenn ich es richtig verstanden habe auch NUR die Übungen aus der Übersicht gepostet werden...
Leider scheint dieser Forumszweig nicht besonders gut besucht zu sein. Schade, da hätte ich die Zeit lieber anders investiert.
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cindysherman Leseratte
C Alter: 46 Beiträge: 112 Wohnort: Berlin
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C 22.09.2015 23:28
von cindysherman
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Oh Sorry! Habe das mit der "Schreibübung" in der Überschrift irgendwie überlesen. Ist tatsächlich ein abgelegener Nebenflur dieses weitverzweigten Gebäudes. Aber ich bereue nicht, mich hierher verlaufen zu haben.
Wir sehen uns bestimmt noch mal in volleren Räumen!
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Jack Burns Reißwolf
Alter: 54 Beiträge: 1444
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23.09.2015 02:30
von Jack Burns
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Das stimmt: Hier ist leider zu wenig los.
Aber ich gucke regelmäßig rein.
Also, Du hast die Vorgabe ziemlich gut umgesetzt. Die unterschiedlichen Emotionen sind deutlich zu erkennen und werden durch schlüssige Motivationen unterlegt.
Kritisch sehe ich nur einige stilistische Schwächen.
Zitat: | Sie ruckte den Kopf, wie um nach einer raschen Fluchtmöglichkeit zu suchen, was natürlich albern war. |
Den Satz finde ich insgesamt schrecklich. Am schlimmsten ist die nachgesetzte Erläuterung
Zitat: | Frau Keller merkte, wie ihr der Schweiß ausbrach, ... |
Das ist mir zu weit weg vom Geschehen. Prägnanter formuliert, passt hier besser. Ihr brach der Schweiß aus
Zitat: | Sie hasste diesen Zwang zum ständigen Smalltalk. |
Das ist mir ein Satz zu viel der Erklärung.
Zitat: | Ihr Herz schlug im Takt der energischen Schritte. |
Die Schritte kenne ich aus dem Satz zuvor. Vielleicht sollte man den Herzschlag dort mit einbauen.
Zitat: | In seinem Blick meinte sie ein lausbübisches Glitzern zu entdecken. |
Auch zu verbastelt. Das Glitzern sollte besser in den Augen entdeckt werden. und ohne "meinte".
Ihm nächsten Satz erkenne ich bereits inhaltlich das Kokettieren. Eine unnötige Anfügung
Zitat: | Gerade als sie ihrer Empörung Ausdruck verleihen wollte, |
Klingt ganz schön gestelzt.
Wie gesagt: Die Übung an sich hast Du gut absolviert. Und verschwendete Zeit, ist es doch nie, wenn man etwas lernt.
Grüße
Martin
_________________ Monster.
How should I feel?
Creatures lie here, looking through the windows. |
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