Schneeflocken-Methode

Aus Der DSFo.de Leitfaden
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Die „Schneeflocke” ist eine von verschiedenen Methoden, mit denen ein Autor den Plot für seine Geschichte bis ins kleinste Detail planen kann. Sie wurde zuerst von dem amerikanischen Romanautor Randy Ingermansson entwickelt und erfreut sich wachsender Beliebtheit.

Wie weit man dem Prinzip folgt, ist dem Autor dabei selbst überlassen und hängt von verschiedenen Faktoren, u.a. dem Genre des Romans, für den man plottet, ab. Die Methode kann dabei helfen, „Löcher“ im Plot zu füllen, Gleichgewicht zwischen verschiedenen Handlungssträngen zu erzielen und auch einen möglicherweise dünnen Plot „aufzublähen“.

Der erste Schritt

Die Methode funktioniert nur, wenn der Autor schon eine relativ klare Vorstellung hat, worum es in seiner Geschichte gehen soll. Denn im ersten Schritt brauchst du eine Ein-Satz-Zusammenfassung deines geplanten Projektes. Nimm dir Zeit dafür. Setz dich eine Stunde lang hin und denke darüber nach, was für eine Geschichte du erzählen willst, und schreibe die Grundidee in einem einzigen Satz auf. Randy Ingermanssons eigener Beispielsatz lautet: „Ein unberechenbarer Physiker reist in der Zeit zurück, um den Apostel Paulus zu töten.“ (Zu seinem Erstlingsroman „Transgression“.)

Tipps für diesen wichtigen ersten Satz: Je kürzer, desto besser. Versuche, nicht mehr als 15 Wörter zu schreiben. Keine Namen erwähnen, aber das Ziel der Hauptfigur klar herausstellen.

Randy’s Tipp: Die Bestsellerliste der New York Times – hier finden sich zahlreiche Einzeiler, die ihr Dasein diesem ersten Schritt im Plot-Prozess verdanken!

Der zweite Schritt

Im zweiten Schritt erweiterst du deinen ersten Satz auf einen ganzen Abschnitt, der aus fünf Sätzen besteht. Strukturiere diesen Abschnitt so, dass der erste Satz den Ausgangspunkt deiner Geschichte darstellt, der fünfte Satz das Ende, und die drei Sätze dazwischen beschreiben „Katastrophen“, die zwischen dem Anfang und dem Ende der Story passieren. Wendepunkte, wenn man so will. Satz zwei kann dabei ein Konflikt „von außen“ sein, aber Satz drei und Satz vier sollten auf Entscheidungen des Protagonisten fußen, sollten Konfliktsituationen beschreiben, die der Protagonist sozusagen „sich selbst zu verdanken“ hat.

Wenn dein Absatz aus Schritt zwei – abgesehen vom letzten Satz – ganz stark nach dem Klappentext eines fertigen Buches aussieht, dann bist du auf dem richtigen Weg – denn genau das ist es!

Der dritte Schritt

Jetzt hast du einen schönen Blick „von oben“ auf dein Projekt. Nun ist es Zeit, dir die Figuren etwas genauer anzusehen. Je mehr (potentielle) Hauptfiguren hast, desto mehr Handlungsstränge hast du, und im dritten Schritt definierst du eben diese Handlungsstränge.

Jetzt nimmst du dir jede deiner Hauptfiguren einzeln eine Stunde lang vor und arbeitest sie nach folgendem Schema aus:

  • Ein-Satz-Zusammenfassung der Story aus der Sicht der Figur
  • Die Motivation der Figur (Was will die Figur allgemein erreichen?)
  • Die Ziele der Figur (Was will die Figur konkret?)
  • Der Konflikt der Figur (Wer oder was verhindert das Erreichen der Ziele?)
  • Die Lernkurve der Figur (Was hat die Figur am Ende der Geschichte gelernt, wie hat er/sie sich verändert?)

Und am Ende erweiterst du die Ein-Satz-Zusammenfassung vom Anfang noch auf den ganzen Abschnitt aus fünf Sätzen, wie du es in Schritt zwei für die ganze Story getan hast.

Wenn du jetzt plötzlich das Gefühl hast, dass du deine Arbeit aus Schritt eins oder Schritt zwei nochmal ändern musst, weil es sonst nicht mehr „passt“ – immer ran! Deine Figuren erzählen dir Dinge über die Geschichte, die du noch nicht wusstest! Geh so oft in den Schritten rückwärts, wie du musst. Das ist der Sinn bei dieser Art des Plottens ... Interaktion mit deinen Figuren so früh wie möglich, und alle Veränderungen, die du jetzt machst, brauchst du später nicht mehr machen! Jeder neue Schritt hilft dir dabei, deine Story besser zu verstehen, und es wird sich nicht vermeiden lassen, dass sich aus den neuen Entwicklungen Veränderungen bei den früheren Schritten ergeben.

Der vierte Schritt

Mit jedem neuen Schritt wirst du nun mehr Zeit verbringen. Aber das soll dich nicht ärgern – je mehr Zeit du an dieser Stelle investiert, um so weniger Zeit verlierst du nachher, wenn du wochen- und monatelang an deiner Geschichte schreibst und erst im letzten Viertel feststellst, dass die Story am Anfang nicht zusammenpasst, so dass du nochmal anfangen musst!

Nimm dir die fünf Sätze vor, die du in Schritt zwei geschrieben hast, und erweitere jeden einzelnen dieser Sätze wieder auf einen ganzen Abschnitt, jeweils fünf Sätze. Jeder einzelne dieser Abschnitte sollte in einer „Katastrophe“ enden, bis auf den letzten, der wieder das Ende der Geschichte enthält.

Wenn du damit fertig bist, solltest du eine recht umfangreiche Zusammenfassung deiner Geschichte haben, die etwa eine Schreibmaschinenseite umfasst, vielleicht auch etwas mehr. Der Konflikt wird detaillierter, der Spannungsbogen wird sichtbar.

Der fünfte Schritt - Charakterbeschreibung

Aufgabe zu Schritt 5:

Ingermanson regt an, sich ein oder zwei Tage Zeit zu nehmen, um eine Seite Beschreibung für jeden Hauptcharakter der Story zu schreiben, und eine weitere halbe Seite Beschreibung der anderen wichtigen Charaktere.

Diese „Charakterzusammenfassungen“ sollten die Geschichte, um die es im Roman geht, von ihrem jeweiligen (subjektiven) Standpunkt aus erzählen. Igermanson sagt, dass der Autor jederzeit zu früheren Schritten (und Aufzeichnungen) zurück kehren kann, um diese zu überarbeiten, z.B. wenn man während des Schreibens an dieser Aufgabe 5, interessante Dinge über einen der involvierten Charakter erfahren hat, die den Autor zu interessanten neuen Ideen gebracht haben.

Ingermanson nennt diese fünfte Aufgabe seine liebste und er sagt, er sei dazu übergegangen, diese Charakterzusammenfassungen anstelle der handlungsbezogenen Zusammenfassung als Angebot an Verlage zu verschicken, da Lektoren und Herausgeber Charakterzusammenfassungen lieben, weil sie charakterbasierte Fiktion lieben. (Ob dies auch für deutsche Herausgeber zuträfe, vermag Ingermanson nicht zu beurteilen und regt deshalb an, diese Herangehensweise deshalb mit Vorsicht zu genießen!)

Der sechste Schritt - Ausarbeitung der Zusammenfassung

Wer bis hierhin alle Schritte bearbeitet hat, dürfte bereits eine solide Story und verschiedene Handlungsstränge vorliegen haben, und zwar für jeden Charakter eine.

Aufgabe zu Schritt 6:

Ingermanson schreibt, man solle sich nun eine Woche Zeit nehmen und die schon angefertigte Seite "Zusammenfassung der Story" zu einer 4-seitigen Handlungszusammenfassung erweitern. Dies entspräche im Grunde Schritt vier bzw. dessen Erweiterung.

Er schreibt, dass ein Autor durch die Ergänzungen, die man in diesem Schritt 6 mache, die Logik der Geschichte herausfände und strategische Entscheidungen treffen könne. Dieser Schritt sechs veranlasse vermutlich jeden Autor, zu vorherigen Schritten zurück zu kehren, um Dinge zu berichtigen, die man im Vorfeld geschrieben hatte, die sich aber durch das weitere Bearbeiten und durch eine damit verbundene andere Position heraus, verändert hätten. Durch die weitere Bearbeitung und die dadruch bedingte neue Position, werde der Autor vermutlich von neuen Ideen angesprungen.

Der siebente Schritt - Erweitern der Charakterbeschreibungen

Aufgabe zu Schritt 7:

Mindestens eine weitere Woche Zeit nehmen, um die vorhandenen Charakterbeschreibungen zu kompletten Charakterblättern ausarbeiten. Diese sollten detaillierte Beschreibungen von allem, das man über diesen Charakter wissen sollte, enthalten. Standartangaben wie Geburtsdatum, äußere physische Beschreibung, Vergangenheit, Motivation, Ziele etc. sind hier zu finden. Ein weiterer sehr wichtiger Punkt bezüglich eines Charakters ist die Frage: Wie wird sich der Charakter zum Ende der Story verändert haben?

Diese Aufgabe ist eine Erweiterung der dritten Aufgabe. Durch die Charakterbeschreibungen, die in dieser siebten Aufgabe getätigt werden, wird man als Autor eine Menge über die Charaktere erfahren. Möglicherweise sei es auch hier nötig, erneut die Aufgaben bzw. Schritte 1 - 6 zu überarbeiten, weil die Charakter beginnen ein Eigenleben zu entwickeln und möglicherweise Ansprüche an die Story stellen. Dies, so schreibt Ingermanson, sei gut, da gute Fiktion durch die Charaktere vorangetrieben werde. Diese Aufgabe spare letztlich sehr viel Zeit beim Schreiben, die man ansonsten aufbringen müsse, um Dinge zu korrigieren.

Nach Beendigung dieses Prozesses (der bis zu 4 Wochen dauern kann), sei der Autor bereit ein Buchangebot zu schreiben und den Roman verkaufen zu können. Und Ingermanson empfiehlt: "Machen Sie das!"

Der achte Schritt

Irgendwann muss man mit dem eigentlichen Schreiben des Romans beginnen. Aber bevor man blind drauflos schreibt, gibt es eine Sache, die man machen sollte, um sich den ersten Versuch zu erleichtern. Als erstes, nimmt man das vierseitige Exposé und extrahiert alle Szenen, die benötigt werden um den Plot in einen Roman zu verwandeln. Und der einfachste Weg, diese Liste anzufertigen ist sich der Hilfe eine Tabellenkalkulationsprogramms zu bedienen. Aus irgendeinem Grund haben eine Menge Schriftsteller Angst, ja es graut ihnen davor, ein solches Programm zu verwenden. Wenn sie allerdings es schaffen ein Schreibprogramm zu bedienen, werden ihnen Tabellen keine Probleme machen. Man muss nun eine Liste aller benötigten Szenen erstellen und dafür wurden Tabellen schließlich erfunden.

Nun muss man jede Zeile in mindestens 2 Spalten einteilen. Die erste Spalte enthält alle Charaktere, aus deren Sicht die Szene erzählt wird. Die zweite Spalte muss eine Zusammenfassung der selbigen enthalten. Für die Perfektionisten unter uns: Fügt noch eine weitere Spalte ein, welche die erwartete Seitenanzahl zeigt. Eine Tabellenkalkulation ist dazu deshalb ideal, weil man die ganze Geschichte auf einen Blick sehen kann, und es leicht ist, Szenen zu verschieben und neu zu ordnen.

Normalerweise sollte man, abhängig von der Länge des Romans, etwa bei 100 Zeilen (Szenen) landen, sagt Ingermanson. Auch hier ist mehrmaliges Überarbeiten erwünscht, falls irgendetwas nicht zu einander passt. Wenn man nun fertig ist, wird eine weitere Spalte angelegt, in der man jeder Szene ein Kapitel zuordnet.

Der neunte Schritt

Der zehnte Schritt - Die erste Fassung schreiben

Aufgabe zu Schritt 10

Nun kann die erste Fassung geschrieben werden. Nach all den Vorbereitungen wird der Autor vermutlich überrascht sein, wie schnell die Story aus den Fingern fließt und, dass die Kreativität nicht durch die vorbereitenden Schritte vernichtet worden sei. Das ist es, was die Schneeflocken-Methode ausmacht

Trotz aller Vorbereitungen könnte es während des Schreibens zu kleinen logischen Problemen kommen, die man dann während des Schreibprozesses beseitigen muss.

Der letzte Schritt macht wahrscheinlich am meisten Spaß, weil die übergeordnete Handlungsstruktur durch die Vorbereitungen feststehen sollte und man als Autor wisse, wohin die Geschichte führt. Eben das erlaube es, die Story schnell zu schreiben.

Ingermanson nimmt sich, so schreibt er, auf halbem Weg durch seine erste Fassung, für gewöhnlich eine Auszeit um nicht weiter passende Stellen in seinen Aufzeichnungen zu korrigieren. Obwohl diese Dokumente sehr hilfreich seien, sind sie natürlich nicht perfekt. Er betrachtet sie als einen Satz lebendiger Dokumente, die wachsen und gedeihen, während man die Geschichte weiter entwickelt. Möglicherweise könnte der Autor am Ende der ersten Fassung über seine Aufzeichnungen lachen, die ihm zuvor als Gestaltungsgrundlage dienten. Darüber sollte man sich aber freuen, weil sich die Geschichte so weiterentwickle.

Hier beendet Ingermanson seine Ausführungen, die Schneeflockenmethode endet.

Viel Spaß beim Entwickeln und Schreiben!

Fazit

Quelle

advancedfictionwriting.com

rsingermanson.com