Liebesroman

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Liebesromane sind mit Abstand das meistverkaufte Genre in der gesamten fiktionalen Literatur. Die Statistiken schwanken zwischen 50 und 85%. Obwohl in vielen anderen Genres, ob Krimi, Horror, Science-Fiction oder was auch immer, oft eine Liebesgeschichte am Rande vorkommt, unterscheidet sich ein Liebesroman davon, indem er das Augenmerk, den Fokus auf die Liebesbeziehung legt. Nichts, was in einem Liebesroman geschieht, ist anders motiviert als durch die Beziehung der beiden Hauptpersonen.

Üblicherweise sind die Leserinnen von Liebesromanen Frauen, und so ist es ausgesprochen wichtig, dass sich die Leserin mit der Heldin des Romans identifizieren kann und dass der Held dazu geeignet ist, sich in ihn zu verlieben. Liebesromane folgen den Erwartungen der Leserinnen, deshalb darf es Abweichungen nur in einem bestimmten Maß geben, und das glückliche Ende muss garantiert sein.

Weil all diese Dinge so einfach und relativ selbstverständlich klingen, werden Liebesromane oft als trivial bezeichnet, was für die meisten wohl auch eine Herabwürdigung des Autors oder der Autorin beinhaltet, ebenso wie eine Abwertung des Produkts Liebesroman an sich.

Dazu kam mir ein Zitat von Alfred Biolek in den Sinn, das ich aus einer seiner Sendungen noch in Erinnerung hatte. Er sagte damals: »Das mag trivial sein. Aber nicht banal. Darauf bestehe ich.« (Das Zitat ist nicht wortwörtlich, aber der Sinn „trivial, aber nicht banal“ ist richtig wiedergegeben.)

Diese Aussage fand ich damals überraschend, denn wie vielen anderen war mir der Unterschied zwischen trivial und banal nicht so recht klar. Als ich nun nach dem Zitat von Biolek suchte, fand ich es zwar nicht – so etwas wird ja üblicherweise auch nicht aufgeschrieben –, was ich aber fand, war eine den Unterschied erklärende Aussage von Gottfried Helnwein:

Zitat: »Das Wort Trivialität war für mich immer positiv besetzt. Für die meisten Leute hat es eine negative Wertigkeit, weil sie Trivialität mit Banalität verwechseln. Aber für mich liegt zwischen banal und trivial ein großer Unterschied. Trivialität, „trivialis“ heißt im Lateinischen „jedem zugänglich“, das heißt: ohne Umwege, ohne Vorbildung, ohne irgendwelche Bedingungen zu konsumieren, zu gebrauchen – direkt und spontan. Banal heißt dagegen „nichtssagend, abgedroschen“.« Zitat Ende (Quelle: Interview mit Gottfried Helnwein)

Wenn man sich diesen Unterschied betrachtet – und ich stimme der Definition von Helnwein hundertprozentig zu –, kommt man zu dem Schluss, dass Liebesromane besser sind als ihr Ruf. Jedenfalls, solange sie zwar trivial, aber nicht banal sind.


Subgenres

Früher war ein Liebesroman einfach nur ein Liebesroman, ein Genre wie Krimi. Aber seit sich die Liebesromanindustrie immer mehr vergrößert hat, seit es so viele Millionen von Romanen und Leserinnen gibt, haben sich gewisse Unterscheidungen herausgebildet, um den Erwartungen der Leserinnen gerecht zu werden.

Ursprünglich war ein Liebesroman immer zeitgenössisch, das heißt, er bildete die Zeit ab, in der die Autorin und die Leserinnen lebten, die Probleme dieser Zeit, ihre soziale Struktur, die Wünsche und Träume, die daraus resultierten, dass die Frauen, die Leserinnen, in ihrer aktuellen Situation beispielsweise durch gesellschaftliche Vorgaben eingeschränkt waren. Ein gutes Beispiel für diese Art des Romans ist Hedwig Courths-Mahler[1], aber auch Jane Austen[2].

Heutzutage haben sich die Umstände jedoch geändert, und statt sich der Restriktionen bewusst zu sein, die Frauen in früheren Zeiten auferlegt wurden und die sie an der Entwicklung ihrer Persönlichkeit hinderten, sehnen sich viele Frauen nach Zeiten zurück, in denen »Frauen noch Frauen und Männer noch Männer« waren. So entstand der Historische Liebesroman. Wobei insbesondere die Vorstellung davon, was einen (für die Leserinnen wünschens- und liebenswerten) Mann ausmacht, sehr klischeehaft ist. Die Frauenfigur ist in solchen Romanen ebenfalls meist nicht der Zeit entsprechend gestaltet, da sie sich oft so verhält wie eine zeitgenössische Figur, sich Freiheiten herausnimmt und von einem Bildungsstand ausgeht, die für Frauen in früheren Zeiten normalerweise nicht verfügbar waren. Die Vergangenheit wird romantisch verklärt, so als ob damals alles gut gewesen wäre und schöner als heute.

Wenn man sich dagegen die Romane von Jane Austen betrachtet, die im Regency[3] entstanden und damals zeitgenössische Abbilder der Verhältnisse waren, sieht man sehr schnell, dass die Verklärung, die in heutigen historischen Romanen gang und gebe ist, keine reale Grundlage hat.

Aber es ist auch Aufgabe des Liebesromans, die Leserinnen die realen Grundlagen vergessen zu machen, und das ist absolut legitim.

Regency ist heutzutage eine Unterkategorie des Subgenres Historischer Liebesroman, ebenso wie es noch weitere Unterkategorien je nach der Zeit, in der die Geschichte spielt, gibt. Insbesondere das Mittelalter sowie das 18. und 19. Jahrhundert sind als Schauplatz sehr beliebt, meist sehr unabhängig von der Treue zu historischen Tatsachen, obwohl sich einige Autorinnen auch große Mühe geben, die geschichtlichen Hintergründe zu recherchieren. Wenn die Geschichte jedoch dann den Erwartungen der heutigen Leserinnen angepasst werden muss, bleibt meist nicht mehr viel von der historischen Realität übrig.

Auch im Bereich des zeitgenössischen Liebesromans gibt es viele Unterkategorien. Sehr beliebt ist in letzter Zeit der Romantische Thriller und der Romantische Vampirroman, in dem entweder eine Vampirin den Mann ihrer Träume trifft oder eine tageslichttaugliche Frau einen Vampir, in dessen Welt es sie zieht.

Eine endgültige Liste zu erstellen ist jedoch unmöglich, da sich die Unterkategorien oft ändern oder fließend ineinander übergehen. So gibt es in Folge der Umwälzungen nach 1968 bezüglich sexueller Freizügigkeit und Toleranz mittlerweile auch höchst erotische Liebesromane und auch Untergenres wie z.B. lesbische[4] oder schwule[5] Liebesromane, was früher undenkbar gewesen wäre.

Auch Fantasy, Science-Fiction, Western können den Rahmen für einen Liebesroman bilden, da Liebe ein allumfassendes Thema zu jeder Zeit und an jedem nur denkbaren Ort ist. Über den aktuellen Stand kann man sich gut auf der Seite der deutschsprachigen LiebesromanautorInnen DeLiA[6] informieren, die auch den »Verein zur Förderung deutschsprachiger Liebesromanliteratur e.V.« beinhaltet. In anderen Ländern gibt es ähnliche Vereinigungen.

Chick-Lit ist entgegen anderslautender Vermutungen kein Untergenre des Liebesromans, da es dort nicht unbedingt um die große Liebe oder die Paarbildung am Schluss geht. In Chick-Lit geht es um Singlefrauen und die Beschreibung ihres Lebens, ohne dass ein Partner fürs Leben oder auch nur für das Herz gefunden werden muss (siehe Sex and the City). Chick-Lit ist somit ein Untergenre des Frauenromans, was nicht mit Liebesroman gleichzusetzen ist (auch wenn das manchmal geschieht).

Merkmale eines Liebesromans

Fragestellung

Bei einem Liebesroman mit Happy End ist die Fragestellung nur: Wie werden Sie sich bekommen? Bei einem Liebesroman ohne Happy End stellt man sich ständig die Frage: Werden sie sich bekommen? Das berühmteste Beispiel hierfür ist wohl Margaret Mitchells »Vom Winde verweht«, das die Leserinnen bis heute in seinen Bann zieht und sie nach einer Fortsetzung lechzen lässt, wie schlecht sie auch immer sein mag.

Die Fragestellung kann jedoch auch sein: Sind diese beiden überhaupt füreinander bestimmt? Oder ist es vielleicht jemand anderer, der der Richtige für die Heldin ist? Ist dieses Liebespaar, das sich schon vor einiger Zeit gefunden hat, noch zu retten, nachdem die Liebe anscheinend abgekühlt ist, sie sich vielleicht sogar nach neuen Partnern umsehen? Kann eine Liebe gegen alle Widerstände Bestand haben? Ist die Liebe stark genug, die äußeren und inneren Hindernisse zu überwinden?

Plotkonventionen

Leserinnen von Liebesromanen erwarten im allgemeinen ein Happy End, obwohl es auch Ausnahmen sehr erfolgreicher Liebesromane gibt, die kein Happy End haben, wie oben schon genannt.

Das immer wiederkehrende Schema eines Liebesromans lautet: Sie trifft ihn - sie verliert ihn - sie bekommt ihn. Wobei aufgrund der veränderten Gegebenheiten das Schema heutzutage auch »Sie trifft sie« oder »Er trifft ihn« lauten kann.

Somit ist der Ablauf eines Liebesromans ziemlich festgelegt, auch wenn man sich innerhalb der vorgegebenen Grenzen recht frei bewegen kann. Ein guter Liebesroman folgt den handwerklichen Anforderungen, die an jeden Unterhaltungsroman gestellt werden, so dass es eine Vorstellung von Figuren, Zeit und Ort gibt, eine Charakterisierung der Figuren, eine Drei-Akt-Struktur mit Anfang, Mitte, Schluss und einen glaubwürdigen Konflikt, der die beiden Liebenden davon abhält, gleich nach der ersten Begegnung ein Paar zu werden.

Die Konventionen des Plots werden jedoch oft verkannt. Es reicht nicht aus, dass ein weißer Ritter in strahlender Rüstung dahergeritten kommt und die Jungfrau in Nöten rettet (abgesehen von der eklatanten Abwesenheit von Jungfrauen heutzutage, die das in den meisten Fällen unmöglich machen würde). Ein guter Liebesroman konfrontiert die beiden Liebenden mit vielen Schwierigkeiten, ausgeklügelten Konflikten, schmerzvollen Erfahrungen, tiefer Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit und Aussichtslosigkeit, bevor dann am Ende als Belohnung die Zweisamkeit winkt (die sie sich unter Schmerzen verdient haben).

Wo Leid ist, ist auch Freude. Wenn sich die Figuren nur in bedeutungslosen Geplänkeln kennenlernen und verlieben, ihre Geschichte daraus besteht, wird die große Leserschar ausbleiben. Man sagt nicht umsonst: Die Leser leiden mit. Und das wollen sie auch.

Plotstruktur

Man kann sich darüber streiten, ob in Liebesromanen eher der Dreiakter oder der Vierakter (siehe Plot) Verwendung findet. Wenn es der Vierakter ist, werden oft Akt 2 und Akt 3 so zusammengefasst, dass es doch wieder auf einen Dreiakter hinausläuft. Meiner Meinung nach gibt die Struktur von Sie trifft ihn - sie verliert ihn - sie bekommt ihn den Dreiakter vor.

Zu Beginn lernen sich die beiden Liebenden kennen, wobei sie sich nicht sofort mögen müssen. Dann gibt es einen Konflikt, eventuell äußerlich, besser aber innerlich (das gibt mehr Möglichkeiten für die charaktergetriebene Entwicklung und die psychologische Tiefe), der die beiden für eine Weile voneinander trennt. Zum Schluss, nach möglichst vielen, möglichst aufregenden Komplikationen, sind alle Schwierigkeiten überwunden, und die Liebenden können sich glücklich in die Arme sinken.

Abgrenzung zum Groschenroman (Heftchenroman)

Eine sehr verbreitete Verwechslung ist die Gleichsetzung von Liebesroman und Groschenroman. Daher rührt wohl auch die Unterschätzung des Liebesromans bzw. des Könnens von LiebesromanautorInnen im allgemeinen.

Ein Groschenroman ist ein Massenprodukt, für das die Autorin oftmals nicht mehr als 14 Tage benötigt, um es zu erstellen. Darunter fallen die ganzen Ärzte-, Berg- und Heimatromane, die oft als Serien und oft nicht als gebundenes Buch, sondern nur als Heftchen erhältlich sind. Eines der besonderen Merkmale dieser Heftchenromane oder manchmal auch dünnen Taschenbücher ist ihre Kürze. Üblich sind 50-64 Seiten, oftmals zweizeilig und wie eine Zeitung zweispaltig, aber in großer Schrift bedruckt, weil viele Leserinnen ja auch schon älter sind. Solche Romane erreichen im Normalfall gerade einmal die Länge einer Kurzgeschichte und sind auch so geschrieben (viele Rückblenden, viel Plusquamperfekt, weil vieles erklärt und erzählt werden muss. Für lange Dialogszenen und langsame Entwicklungen oder ausführliche Charakterisierungen fehlt der Platz).

Ein Liebesroman hingegen kann den Autor oder die Autorin auch schon einmal ein ganzes Jahr beschäftigen (ohne Überarbeitungen) oder länger. Im Gegensatz zum Groschenroman ist ein Liebesroman ein komplexes Werk, dessen Geschichte und Aufbau den Kriterien der üblichen Romanliteratur entsprechen muss. Er erfordert Recherche, handwerkliches Können, Überlegung, Intelligenz und Fantasie. Auch die Länge lässt sich nicht mit einem Groschenroman vergleichen. Kürzere Liebesromane, die meist in Taschenbuchform erscheinen, kommen mit 200-300 normal bedruckten Buchseiten aus, längere mit oft weit über 100.000 Wörtern benötigen doppelt so viel bedrucktes Papier bis hin zur Kategorie Über 1000 Seiten, die meist nur noch als gebundenes Buch erhältlich ist.

Schon die Länge lässt also oft erahnen, um welche Art von Produkt es sich bei einem Liebesroman handelt.

Quellen und empfohlene Literatur

Writing a Romance Novel for Dummies

Writing a Romance Novel for Dummies, Kindle Version

Angeline Bauer: Liebesromane schreiben

Elizabeth Benedict: Erotik schreiben

Elizabeth George: Wort für Wort - oder Die Kunst, ein gutes Buch zu schreiben

Joyce Carol Oates: Beim Schreiben allein. Handwerk und Kunst

Jürgen Schnick: Was Liebesromane Ihnen über wirkungsvolles Schreiben beibringen können