Zeigen, nicht beschreiben

Aus Der DSFo.de Leitfaden
(Weitergeleitet von Zeigen, nicht beschreiben!)
Zur Navigation springenZur Suche springen

Zeigen, nicht beschreiben, auch bekannt als Show, don't tell, ist eine Aufforderung an Autoren, das Geschehen und die Figuren nicht nur zu beschreiben, sondern sie für den Leser erlebbar zu machen und ihm quasi zu zeigen. Dies kann zum Beispiel durch Dialoge und das Vermitteln von Gefühlen, die der Protagonist empfindet, oder durch die Schilderung von Gerüchen und Geräuschen, die der Protagonist wahrnimmt, geschehen.

Unterscheidung zwischen Tell und Show

In einem Satz wie Sarah war sehr aufgeregt vor ihrem großen Auftritt wird der Leser mit einer Information abgespeist, die er nicht überdenken muss und nicht überprüfen kann. Dies nennt man Tell (engl. beschreiben). Telling sind Erläuterungen der Handlungen des Protagonisten, Erklärungen über seinen Gemütszustand, also Beschreibungen, die aus der Sicht eines außenstehenden Erzählers verfasst sind.

Zeigt man dagegen Sarah, wie sie von einem Bein auf das andere tritt, ihr Oberteil zweimal verkehrt herum anzieht und von ihrer Freundin dreimal angesprochen werden muss, bevor sie reagiert – dann muss der Leser anhand dieser Schilderungen selbst den Schluss ziehen, dass Sarah aufgeregt ist. Diese Art des Schreibens nennt man Show (engl. zeigen).

Wichtig ist dabei, konkrete Bilder zu verwenden. Allgemeine Schilderungen wie im obigen Beispielsatz Sarah war sehr aufgeregt lassen beim Leser keine oder höchstens sehr unscharfe Bilder entstehen, die kein Eintauchen in die Geschichte zulassen. Dazu sind einige konkrete Details nötig, die die Ereignisse, die Handlungsorte und die Empfindungen der Protagonistin lebendig werden lassen. Der Autor zeigt dem Leser quasi die Geschichte, überlässt es aber dem Leser, aus den geschilderten Details gedanklich eine Geschichte, einen Charakter oder einen Schauplatz zusammenzufügen.

Verwendung

Show ist nützlich, um den Leser in die Geschichte hineinzuziehen, denn es entspricht eher der Wahrnehmung von Menschen in der Realität: Man sieht eine Person, beobachtet ihr Verhalten, hört, was sie sagt und zieht daraus Rückschlüsse über ihre Persönlichkeit oder ihren Gemütszustand. Der Leser wird vom Autor nicht bevormundet, indem dieser ihm sagt, was er von einer Person im Roman oder einem Ereignis zu halten hat. Dadurch fühlt sich der Leser eher wie eine der Figuren des Romans, er kann in die Geschichte eintauchen und sich in Gedanken ein Bild vom Geschehen machen. Dies wird meist als mitreißend empfunden. Unterstützen kann man Show, indem man verschiedene Sinne des Lesers anspricht und "nah" an den Figuren bleibt.

Telling ist dagegen nützlich, um Ereignisse zusammenfassend darzustellen oder um eine aufgeregte Situation zu beruhigen und den Leser quasi ein Stück weit wieder aus der Geschichte herauszunehmen, um ihm eine Atempause zu gönnen oder ihm die Möglichkeit zu geben, die Ereignisse zu reflektieren. Zudem kann es eine Geschichte beschleunigen, wenn bestimmte, für die Handlung zwar wichtige, aber nicht unbedingt spannende Szenen, nicht in aller Ausführlichkeit geschildert, sondern kurz zusammenfassend nacherzählt werden.

Charakterisierungen

Ein Autor, der eine neue Figur einführt und schreibt: John war ein Mistkerl, zwingt dem Leser seine eigene Meinung (oder die des Protagonisten) auf, anstatt ihm die Möglichkeit zu geben, sich selbst eine Meinung zu bilden. Ziel von Show ist es, dem Leser vor Augen zu führen, was John sagt und tut und aufgrund dessen eine Antipathie ihm gegenüber beim Leser zu erzeugen. Dabei entsteht automatisch für verschiedene Leser ein unterschiedliches Leseerlebnis, da jeder andere moralische Maßstäbe ansetzt. Wenn John beispielsweise jemanden umbringt, werden die meisten Leser ihn dafür verurteilen; ist er aber nur ein Schläger, der zuviel trinkt, finden manche Leser ihn eventuell gerade deshalb interessant. Somit lässt man dem Leser die Freiheit, John trotz oder gerade wegen seiner bösen Taten zu mögen und sich mit ihm zu identifizieren – die Figur wird von selbst dreidimensional.

Beispielszene

Sätze wie den folgenden findet man (leider) allzu häufig:

Hans war ein guter Mann und half gerne anderen Menschen.

Erstens liest man hier eine wenig spannende »war«-Konstruktion, zum anderen ist es eine sehr unbestimmte Beschreibung. Hans' Charakter wird viel besser folgendermaßen veranschaulicht:

Am Straßenrand hockte ein kleiner Junge mit tränennassen Wangen. Hans, gerade auf dem Weg zur S-Bahn, zögerte, hielt an und ging vor dem Kleinen in die Knie. »Was ist denn los, junger Mann?«
»Meine Mama hat mich zu einem neuen Laden geschickt und ich hab mich verlaufen ... « Heftige Schluchzer unterbrachen den Wörterschwall. »Ich komm nicht heim, und Geld hab ich auch nicht.«
Hans schaute auf die Uhr. Um seine Bahn noch zu bekommen, müsste er fast rennen. Hans steckte die Uhr weg, nahm die Hand des Jungen und zog ihn auf die Füße. »Wie heißt du denn und wo wohnst du?«

Schauplätze

Dasselbe wie für Charakterisierungen gilt auch für Schauplätze. Anfänger formulieren häufig Sätze wie »Der Wald war wunderschön«. Dies ist jedoch nur eine Behauptung des Autors. Was ein Mensch als schön empfindet, ist für jeden unterschiedlich. Manche mögen vielleicht das Summen von Bienen oder das Zirpen von Grillen, andere fürchten sich vor Insekten. Manche finden dunkle Nadelwälder romantisch, andere unheimlich. Indem man den Wald beschreibt, erzeugt man ein Gefühl für die Atmosphäre dort, welches der Leser dann selbst bewerten kann.

Beispielszene

Mit der oberflächlichen Beschreibung –

Das Zimmer war hell und groß.

– ist es nicht getan. Das wirkt weder stimmig noch intensiv. Als Autor sollte man den Leser an die Hand nehmen, um ihm den Ort zu zeigen, wie an folgendem Beispiel zu sehen:

Das von der Sonne hell erleuchtete Zimmer bot Platz für über hundert Personen.

Der Autor hat hier ein lebendiges Bild des Raumes erzeugt. Der Leser kann sich selbst ein Bild machen, was Größe und Helligkeit des Zimmers angeht.

Gefühle

Auch auf Gefühle lässt sich der Rat »Zeigen, nicht beschreiben« anwenden. Statt oberflächlich zu beschreiben –

Anna war wütend und sie schrie Arne laut an.

– sollte ein Autor die nötigen Details liefern, damit der Leser mitfiebern kann:

Annas Schädel dröhnte und Wut köchelte in ihrem Bauch. »Was zum Teufel soll das, Arne?« Ihre Stimme überschlug sich.

Bewegungen

Im nächsten Beispiel sollen Choreographie und Emotionen mithilfe von Show präsentiert werden.

Sie drehte sich um und ging zum Schrank.

Das ist Choreographie. In diesem Beispiel bewegt man die Figur, aber ohne den Leser miterleben zu lassen, wie sie das macht. Das Beispiel wirkt wenig mitreißend.

Sie wirbelte herum und rannte zum Schrank.

Auch dieses Beispiel präsentiert eine Bewegung, aber durch das treffendere Verb kann der Leser sehen, wie die Figur sich bewegt. Hier wurde die Bewegung gezeigt statt beschrieben. Der Leser kann daraus außerdem bereits erahnen, dass die Figur aufgeregt ist. Der Satz regt also zum Nachdenken an und intensiviert so das Leseerlebnis.


Siehe auch